Verwaltungsrecht

Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten im Iran

Aktenzeichen  W 6 K 16.32743

Datum:
29.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AuslG AuslG § 3
AsylG AsylG § 25
VwGO VwGO § 86 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Bei Mitgliedern, Anhängern oder Sympathisanten der kurdischen Oppositionsgruppen (hier: Democratic Party of Kurdistan Iran) setzt eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht voraus, dass diese in exponierter Stellung nachhaltig als Regimefeinde in die Öffentlichkeit getreten sind; vielmehr ist auch bei einer abgeschwächten Form oppositioneller Aktivitäten eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit möglich. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Nummern 1 und 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Dezember 2016 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Dezember 2016 ist in seinen Nrn. 1 und 3 bis 6 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG). Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid, wie zuletzt beantragt, insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) war nicht zu entscheiden.
Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
Gemäß §§ 3 ff. AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe (vgl. dazu Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 – so genannte Anerkennungsrichtlinie oder Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3b AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylG).
Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377) liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.199 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Nach Überzeugung des Gerichts besteht für den Kläger aufgrund seiner Aktivitäten für die demokratische Partei Kurdistan im Iran (Hezbe Demokrate Kordestane Iran, Democratic Party of Iranian Kurdistan) – PDKI (PDK-I, DKPI, DKP-I, DPKI, DPK-I, KDPI, KDP-I) – sowohl im Iran als vor allem auch im Irak und fortgesetzt in der Bundesrepublik Deutschland eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran.
Dem Kläger ist es gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der glaubhaften Angaben des Klägers ist das Gericht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht. Das Gericht ist insbesondere nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere dem persönlichen Eindruck vom Kläger und den vom Kläger dort vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass seine von ihm geschilderten Aktivitäten im Zusammenhang mit der PDKI zutreffen, insbesondere auch was seine Tätigkeit im Irak bei den Peshmerga (Peschmerga) anbelangt. Nach der vorliegenden Erkenntnislage und der darauf fußenden Rechtsprechung ist beim Kläger wegen der von ihm vorgebrachten (exilpolitischen) Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer Verfolgung aus politischen Gründen bei einer Rückkehr in den Iran zu rechnen.
Denn nach der Rechtsprechung ist – allgemein – maßgeblich für eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen oder umgekehrt. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa m.w.N. OVG NRW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris; B.v. 6.1.2014 – 13 A 1474/13.A – juris; BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; sowie VG Bayreuth, U.v. 2.4.2016 – B 3 K 15.30486 – juris; VG Stuttgart, U.v. 15.2.2016 – A 11 K 1658/15 – juris; VG Würzburg, U.v. 26.8.2015 – W 6 K 15.30206 – juris; jeweils m.w.N.; vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – juris). Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, das den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitisch Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr eines Verfolgungsinteresses seitens des iranischen Staates besteht (vgl. auch HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).
Diese Voraussetzungen sind im Ergebnis beim Kläger erfüllt, zumal wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass bei Mitgliedern der PDKI im Einzelfall eine womöglich größere Verfolgungsgefahr bestehen kann als bei anderen exilpolitisch aktiven Iranern.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die exilpolitischen Organisationen im Ausland sowie deren Aktivitäten durch den iranischen Sicherheitsdienst genauestens überwacht werden. Dies ist allgemein bekannt und unstrittig (Schweizerische Flüchtlingshilfe – SFH –, Länderanalyse Iran vom 04.04.2006, S. 6). Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen, z.B. der Kurdenpartei PDKI bzw. DPKI oder Komalah, kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen. Da die DPKI und die Komalah eine ähnliche Stellung in der iranischen Opposition einnehmen, können nach Ansicht des Gerichts jeweils betreffende Auskünfte entsprechend herangezogen werden, um eine Verfolgungsgefahr für jeweilige Aktivitäten zu ermitteln. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Geschichte der beiden Organisationen miteinander verknüpft ist und auch die Auskünfte selbst meist nicht differenzieren, sondern von einer ähnlichen Verfolgungsgefahr ausgehen (vgl. z.B. Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007; Amnesty International an VG Köln vom 29.05.2007; GIGA an VG Köln vom 06.03.2007 und an VG Karlsruhe vom 01.06.2007). Beide Organisationen sind angesiedelt im politisch linken kurdischen Spektrum (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 3; Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007, S. 7), haben früher einen gewaltsamen Kampf gegen das iranische Regime geführt (GIGA, a.a.O., S. 3; Deutsches Orient-Institut, a.a.O., S. 6), mittlerweile abgeschworen und den bewaffneten Kampf abgelehnt (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 11; Auswärtiges Amt an HessVGH vom 04.04.2007, S. 2). Heute treten beide Organisationen für ein föderales System im Iran sowie Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit ein (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 2; Amnesty International an VG Köln vom 29.05.2007, S. 2). Kurdische Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitskräfte (Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Iran – Online Loseblattwerk – 3. Gesellschaft und Bevölkerung, Oktober 2004, S. 14). Zwar ist der innenpolitische Einfluss der kurdischen Exilorganisationen vergleichsweise gering, da im Iran verbotene Organisationen nur im Untergrund und ohne ein offen hervortretendes Netz arbeiten können; gleichwohl sind diese im Land präsent (Deutsches Orient-Institut an HessVGH vom 25.01.2007, S. 17). Die Bedeutung der DPKI nimmt zu (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 11). Denn die kurdisch oppositionellen Gruppen haben – ohne innenpolitisch Einfluss ausüben zu können – eine lebendig-wirksame Entsprechung im Iran (GIGA an VG Köln vom 06.03.2007, S. 10). Seit 2004 mit Spitzen Anfang und Mitte 2006 kam es in zahlreichen kurdischen Städten zu Demonstrationen, in deren Folge es Verhaftungen und Tote gab. Infolgedessen kam es zu verstärkten Verhaftungen von Mitgliedern kurdischer Organisationen, da die iranischen Sicherheitsbehörden den Grund für solche Aktionen in politischen Gruppen der Kurden im Iran sehen, auch wenn diese nicht unmittelbar gewalttätig sind (GIGA an VG Karlsruhe vom 01.06.2007, S. 10). Es gab Berichte über Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Extremisten. Die iranischen Sicherheitsbehörden versuchen, den politischen Hinter- und Untergrund solcher Aktivitäten auszuräuchern. Es gibt eine Vielzahl gut belegter Übergriffe, Verhaftungen, Verurteilungen und sogar Todesfälle beim „Umkippen“ der Demonstrationen (GIGA, a.a.O., S. 10). Die Aufstachelung und Anheizung dieser Konflikte kann auch zu einer verschärften Gefährdung der kurdischen Exilopposition führen (GIGA an VG Köln vom 06.03.2007, S. 10). Soweit Aktivitäten von Mitgliedern und Aktivisten der Komalah im Iran bekannt werden, sind die Betreffenden unnachsichtiger staatlicher Verfolgung ausgesetzt (Beschluss des HessVGH vom 24.07.2007, Az.: 6 UE 3107/05.A). Das Auswärtige Amt und das Bundesamt stellten bereits seit Herbst 2002 ein verschärftes Vorgehen gegen die Komalah und andere kurdische Organisationen fest (Auswärtiges Amt an HessVGH vom 04.04.2007; Bundesamt, a.a.O., S. 15).
Die eben skizzierte (ältere) Erkenntnislage wird durch neuere vorliegende Erkenntnisse in der Sache bestätigt.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe vermerkt in ihrer Länderanalyse vom 16. November 2010 (Iran: Illegale Ausreise/Situation von Mitgliedern der PDKI/politische Aktivitäten im Exil), dass die PDKI (KDPI, DPIK, DPKI) die älteste kurdische Oppositionsgruppe ist. Sie hat 1991 den bewaffneten Kampf aufgegeben und strebt die staatliche Anerkennung kurdischer Rechte in einer föderalen iranischen Republik an. Im Iran haben sich die Repressionen gegen politische Aktivisten und Gegnern des Regimes verstärkt. Kurdische oppositionelle Gruppen, die wie die PDKI in Verdacht stehen, separatistische Ziele zu verfolgen, werden brutal unterdrückt. Aktivisten werden in unfairen Verfahren zu harten Gefängnisstrafen verurteilt. Die Verfolgung kurdischer Oppositioneller beschränkt sich nicht ausschließlich auf Parteimitglieder in hohen Positionen. Der Besitz einer Broschüre oder einer CD mit Informationen zur Partei kann als ein die nationale Sicherheit bedrohender Akt aufgefasst werden. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die kurdische Minderheit werden kurdische Iraner, die mehrere Jahre im Ausland gelebt haben, bei einer Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit von den Geheimdiensten intensiv verhört. Iranische Sicherheitsdienste beobachten und erfassen seit Jahren die politischen Aktivitäten von Exiliranern. Allerdings ist es äußerst schwierig, den Grad der Überwachung von unregelmäßig aktiven Demonstrierenden oder von Personen, die ohne Schlüsselposition an Sitzungen der regierungskritischen Organisationen teilnehmen, einzuschätzen. Die Überwachung von exilierten Regierungskritikern scheint seit den Unruhen im Jahr 2009 zugenommen zu haben. Die, die sich öffentlich kritisch zu den Vorgängen im Iran äußern, müssen bei einer Rückkehr mit Problemen rechnen. Bis heute ist die PDKI eine der großen Oppositionsparteien des iranischen Regimes. Asylbewerber, die an Demonstrationen einer großen Oppositionsgruppe wie der PDKI teilgenommen haben, riskieren bei einer Rückkehr verfolgt zu werden. Für die PDKI aktive Personen laufen Gefahr, bei einer Rückkehr verfolgt und verhört zu werden.
Nach einer Stellungnahme von ACCORD (ACCORD, Anfrage-Beantwortung zum Iran: Lage von Mitgliedern der Democratic Party of Kurdistan Iran, Verfolgung von Mitgliedern durch iranische Behörden im Nordirak vom 18.11.2013) ist es unmöglich zu sagen, wo die Reizschwelle der Regierung gegenüber kurdischen Aktivitäten liegt. Es gibt keine klare Logik und keine kIare rote Linie. Grundsätzlich gibt es keine Toleranz des iranischen Regimes für irgendwelche Aktivitäten in Verbindung mit kurdischen politischen Parteien. Allerdings ist das System im Iran so kompliziert, dass man nicht vorhersagen kann, welche Gruppe am meisten gefährdet ist; dies ändert sich auch ständig. Des Weiteren hat der iranische Geheimdienst eine starke Präsenz in der kurdischen Region im Nordirak.
Eine Verfolgungsgefahr besteht, wenn sich Asylbewerber im Ausland exponiert haben (vgl. Amnesty International, Auskunft an das VG Würzburg vom 20.3.2014). Seit Herbst 2009 gibt es verstärkte Hinweise auf eine gesteigerte Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitsdienste bezüglich der exilpolitischen Tätigkeit iranischer Staatsangehöriger. Dazu gehört auch, dass verstärkt Personen, die an solchen Tätigkeiten beteiligt gewesen sind, bei späteren Besuchen in den Iran seitens des Sicherheitsdienstes zu ihren Aktionen befragt werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 24.2.2014).
Nach einer weiteren Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 22.1.2016 zu Iran: Gefährdung eines Mitglieds der KDP bei der Rückkehr in den Iran) werden kurdische Oppositionsgruppen, welche separatistischer Aspirationen verdächtigt werden, im Iran brutal unterdrückt, sie können dort nicht legal tätig sein. Diese Mitglieder werden oftmals unter falschem Vorwand verhaftet und unfairen Gerichtsverfahren unterworfen sowie zu schweren Strafen verurteilt. Die iranische Regierung duldet keinerlei Aktivitäten im Zusammenhang mit kurdischen politischen Parteien im Iran. Im Iran müssen auch Unterstützer mit niedrigem Profil mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Des Weiteren sind Rückkehrer aus dem Irak, die dort in Kontakt mit kurdischen Exilparteien gestanden haben, Gefährdungen ausgesetzt. Der iranische Geheimdienst zeigt in den kurdischen Gebieten im Irak eine starke Präsenz. Iranische Behörden überprüften Rückkehrende, ob sie im Irak gelebt hätten. Alle Personen aus diesem Bereich seien für die Behörden verdächtigt. Sie würden von den iranischen Behörden eine genaue Überprüfung unterzogen, ob ihre dortigen Aktivitäten herauszufinden. Wenn eine Person in Kontakt mit der KDPI oder anderen politischen Parteien war, ist davon auszugehen, dass sie in Schwierigkeiten gerät.
Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Iran vom 31.3.2016) führt aus, dass kurdische Gruppierungen wie auch die PDKI aufgrund der unterstellten separatistischen Tendenzen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte stehen. Gerade die PDKI wird von der iranischen Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpft. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam in Erscheinung träten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen bei späteren Besuchen im Iran seitens des Sicherheitsdienstes zu ihren Aktionen befragt werden. Nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden arbeitet der iranische Geheimdienst primär gegen oppositionelle Exil-Aktivitäten. Im Fokus stehen vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das politische System empfunden werden und die islamischen Grundsätze in Frage stellen.
In den vorliegenden Lageberichten des Auswärtigen Amtes (zuletzt Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016 sowie vom 9.12.2015, Stand: November 2015) ist vermerkt, dass die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen kann. Zu diesen verbotenen Organisationen zählen unter anderem die Kurdenparteien (z.B. DPIK, Komalah). Den Lageberichten ist weiter zu entnehmen, dass es zunehmend Hinweise auf Diskriminierung von im Iran lebenden Kurden hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den Fällen gibt, in denen die Zentralregierung separatistische Tendenzen vermutet. Einzelne kurdische Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte. Hierzu zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK bzw. DPKI). Diese werden von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppen betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpfen. Festnahmen und Verurteilungen zu hohen Gefängnisstrafen einschließlich der Todesstrafe gegen mutmaßliche radikale Mitglieder kommen weiterhin vor. Weiter ist zu den exilpolitischen Tätigkeiten ausgeführt, dass davon auszugehen ist, dass die iranischen Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führenden Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. Redner, Verantwortliche oder leitende Funktionsträger) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen.
Im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016) ist noch angemerkt, dass die PDKI zu den militanten separatistischen Gruppen im Irak zählt, kurdischen Aktivisten von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet werden. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehrten, können von Repressionen bedroht sein.
Ausgehend von dieser Erkenntnislage kommt die Rechtsprechung zum Ergebnis, dass auch nicht radikale Mitglieder kurdischer Oppositionsparteien im Iran flüchtlingsrelevant verfolgt werden können. Gefährdet sind nicht ausschließlich Mitglieder der Partei, sondern auch einfache Anhänger. Auch solche Personen sind im Iran gezielter politischer Repression ausgesetzt, die sich als überzeugte und aktive Mitglieder der Oppositionspartei offenbart haben. Der Grad der Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung übersteigt damit für Mitglieder der Komalah oder auch der PDKI denjenigen, der für Mitglieder und Anhänger anderer Exilorganisationen, wie etwa der Monarchisten, angenommen wird. Abzustellen ist auf eine Einzelfallbeurteilung (vgl. HessVGH, B.v. 24.7.2007 – 6 UE 3108/05.A – juris sowie OVG NRW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A – juris; VG Bremen U.v. 01.02.2012 – 1 K 173/09.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 28.7.2011 – A 6 K 671/11 – Asylmagazin 2011, 287; VG Ansbach, U.v. 21.7.2011 – AN 18 K 11.30194 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 18.8.2010 – 5 K 3884/10.A – juris; VG Oldenburg, U.v. 26.1.2010 – 3 A 135/09 – juris; VG Dresden, U.v. 6.8.2003 – 14 A 30558/00.A – juris; vgl. auch HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4; BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris).
Nach alledem ist festzuhalten, dass bei Mitgliedern, Anhängern oder Sympathisanten der kurdischen Oppositionsgruppen eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht voraussetzt, dass diese in exponierter Stellung nachhaltig als Regimefeinde in die Öffentlichkeit getreten sind. Vielmehr ist auch bei einer abgeschwächten Form oppositioneller Aktivitäten eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit möglich. Ob eine solche vorliegt, richtet sich weitgehend nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Bei einfachen Mitgliedern und untergeordneten Tätigkeiten für kurdische exiloppositionelle Gruppen ist es nach Ansicht des Gerichts erforderlich für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit, dass diese Mitglieder oder Personen erkennbar und identifizierbar derart in die Öffentlichkeit getreten sind, dass sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von den iranischen Behörden und Sicherheitskräften erkannt und identifiziert worden sind und zudem wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht. Dafür genügt nicht allein die passive Mitgliedschaft oder die vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen. Denn es ist nicht als realistisch anzusehen, dass jede Person, welche an Veranstaltungen der kurdischen Exilopposition teilnimmt, als möglicher Regimefeind erkannt und verfolgt wird. Denn ein bloßer Mitläufer ist nicht gefährdet. Auch bei Mitgliedern der PDKI ist nach dem Gesamtbild der Aktivitäten die Einzelfallbeurteilung das maßgebliche Kriterium für die Bewertung der Verfolgungsrelevanz exilpolitischer Aktivitäten. Das Bestehen einer beachtlichen wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr ist nach den konkret-individuellen Gesamtumständen des Einzelfalles zu beurteilen. Entscheidend ist dabei, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime im Teheran Unzufriedenen herausheben und ihn als ernsthaften (und gefährlichen) Regimegegner erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; OVG NRW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A – juris).
Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger nach derzeitiger Auskunftslage aufgrund des Gesamtbildes seiner oppositionellen und zum großen Teil auch exilpolitischen Tätigkeiten eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Denn nach dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht keine Zweifel, dass der Kläger über viele Jahre hinweg zunächst im Iran, dann als Peshmerga im Irak sowie jetzt auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv gewesen ist und noch aktiv ist. Dies hat er glaubhaft und nachvollziehbar unter Hinweis auf zahlreiche Belege vorgebracht.
So hat der Kläger schon geschildert, Mitglied einer regimekritischen aktiven kurdischen Familie zu sein und schon im Iran immer wieder Probleme gehabt zu haben. Dabei gab er ehrlich an, 2008 verhaftet worden zu sein, aber in der Folgezeit trotz seiner Aktivitäten nicht mehr. Allerdings sei er wiederholt vorgeladen und zu kurdischen Aktivitäten im Irak befragt worden. Der Kläger ist zunächst Sympathisant und dann Mitglied der PDKI geworden, wobei nach der oben dargestellten Auskunftslage aus der Sicht des iranischen Staates für eine Verfolgung nicht relevant ist, ob jemand nur Sympathisant oder förmlich vollwertiges Mitglied ist. Der Kläger legte des Weiteren eine Bescheinigung vor, die seine Ausbildung zum Peshmerga im Irak belegt. Unterstrichen werden seine Aktivitäten als Peshmerga durch die von ihm weiter vorgelegten Fotos, die ihn teilweise in Uniform und Kampfmontur zeigen. Der Kläger erläuterte dazu plausibel seine 70-tägige Ausbildung, sowohl was die politische Bildung als auch die militärische Ausbildung anbelangt. Seine Angaben zu seiner Ausbildung als Bewacher von Gebäuden im Irak decken sich mit seinen dahingehenden Angaben beim Bundesamt.
Der Kläger beschrieb dabei nicht nur, dass er schon im Iran unter dauernder Beobachtung und Druck der iranischen Sicherheitskräfte gestanden habe, sondern auch, dass das Informationsamt während seiner Zeit im Irak immer wieder bei seinem Vater nach ihm gefragt und diesen aufgefordert habe, der Kläger solle in den Iran zurückkehren. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass dem iranischen Staat die Tätigkeit des Klägers als Peschmerga bekannt gewesen ist, zumal nach den vorliegenden Erkenntnissen der iranische Geheimdienst eine starke Präsenz in kurdischen Gebieten im Irak hat. Der Kläger gab des Weiteren ehrlich an, dass er nunmehr kein Peshmerga sei, nachdem er den Irak verlassen habe. Er habe sich zum Verlassen des Irak gezwungen gesehen, weil er aufgrund seiner Einstellung und seiner Überzeugung nicht an einer bewaffneten Auseinandersetzung habe teilnehmen wollen.
Der Kläger hat seine Aktivitäten für die PDKI in Deutschland fortgeführt, wie die teilweise gegenüber dem Bundesamt, teilweise im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen belegen. Er hat danach auch an einer Mitgliederversammlung im März 2017 teilgenommen sowie im Jahr 2016 an einer Veranstaltung anlässlich des Mykonos-Attentates, bei der er ein regimefeindliches Plakat hochgehalten hat.
Hinzu kommen die Internetaktivitäten des Klägers bei Facebook. In seinem Facebook-Account seien zum einen seine politischen Aktivitäten niedergelegt, zum anderen befasse sich dieser auch mit den militärischen Auseinandersetzungen zwischen der PDKI und dem Iran. Der Kläger legte Ausdrucke seines Facebook-Accounts vor und erläutert dazu, dass diese vor allem auch zeigten, die Märtyrer, die bei den militärischen Auseinandersetzungen gefallen seien.
Gerade auch durch diesen Internetauftritt über Facebook hat der Kläger sich gegenüber der im iranischen Regime als Regimekritiker zusätzlich identifizierbar gemacht, gerade in Verbindung mit der Dokumentation des Vorgehens des iranischen Staates gegen Kurden. Der Kläger beschrieb zudem weiter, dass zu seinen Aktivitäten Filme und Aufnahmen bestünden, die teilweise auch gezeigt würden und in kurdischen Medien veröffentlicht würden.
Dabei sind die Internetaktivitäten nicht isoliert zu würdigen, sondern im Zusammenhang mit den übrigen exilpolitischen Aktivitäten. Anderes als eine Vielzahl iranischer Asylbewerber setzt sich der Kläger vorliegend dem ernsthaften Risiko einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland aus, weil seine Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der den Aktivitäten für die PDKI stehen. Der Zusammenhang mit der PDKI begründet ein ernsthaftes Verfolgungsrisiko, weil dadurch ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates geweckt wird. Denn bei den irakischen Sicherheitsbehörden kann dadurch konkret der Verdacht hervorgerufen werden, dass die Aktivitäten der Organisation oppositioneller Strömungen dienen. So hat etwa das Deutsche Orientinstitut in einer Auskunft vom 22. Oktober 2010 an den HessVGH ausgeführt, dass kritische Äußerungen im Internet eine Verfolgungsgefahr begründen, sofern weitere Kontakte und Verbindungen zu Oppositionsgruppen vorhanden sind und dass Internet zur Organisation oppositioneller Strömungen dienen kann (vgl. HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4 unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Deutschen Orientinstituts vom 21.10.2010 an den HessVGH).
Die Befürchtung des Klägers, er habe sich beim iranischen Regime erkennbar und identifizierbar gemacht, wird – wie bereits ausgeführt – verstärkt durch die von ihm vorgetragenen Nachfragen des Geheimdienstes bei seiner Familie.
Insgesamt betrachtet ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger sowohl qualitativ als auch quantitativ gerade durch seine Aktivitäten für die PDKI ein oppositionelles Engagement an den Tag gelegt, das eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit begründet. Aufgrund der Infiltrierung der PDKI sowohl im Irak als auch in Deutschland ist davon auszugehen, dass der Kläger durch seine Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeiten von den iranischen Behörden und der Sicherheitskräften erkannt und identifiziert worden ist, so dass er bei einer Rückkehr in den Iran mit Verfolgung rechnen muss. Aufgrund seiner Aktivitäten als Peshmerga und aufgrund seines sonstigen regimekritischen Verhaltens im Zusammenhang mit der DPKI ist das Gericht auch von einem Vorhandensein eines Verfolgungsinteresses des iranischen Staates überzeugt. Denn ein Peshmerga gilt als Freiheitskämpfer für Kurdistan, die nach der Auskunftslage besonders im Fokus des iranischen Staates stehen. Bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran müsste der Kläger unter Gesamtwürdigung aller Umstände mit Verfolgungsmaßnahmen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit rechnen.
Der Kläger hat schließlich auch glaubhaft gemacht, dass er aufgrund der bevorstehenden militärischen Auseinandersetzungen nicht mehr im Irak habe bleiben wollen und können. Abgesehen davon steht § 27 AsylG einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ohnehin nicht im Wege, zumal eine Rückführung des Klägers in den Irak derzeit nicht möglich ist (vgl. nur m.w.N. Fränkel in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 27 AsylG Rn. 13; Günther in Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Herausgeber Kluth/Heusch, 13. Edition, Stand 1.2.2017, § 27 AsylG Rn. 2).
Nach § 28 Abs. 1 AsylG kann sich der Kläger bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG schließlich auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen seines Herkunftslandes entstanden sind.
Nach alledem ist dem Kläger unter Aufhebung der betreffenden Antragsablehnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Infolgedessen besteht kein Anlass für eine weitere Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, so dass die Nrn. 3 und 4 des Bescheides des Bundesamtes ebenfalls aufzuheben waren (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 AsylG [„oder“] und § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Über die hilfsweise gestellten Anträge, insbesondere zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG), war nicht zu entscheiden.
Des Weiteren sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und die Ausreisefristbestimmung (Nr. 5 des Bundesamtsbescheids) rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren – wenn auch noch nicht rechtskräftig – festgestellt.
Schließlich war auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG (Nr. 6 des Bundesamtsbescheids) aufzuheben, weil mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung auch die Voraussetzungen für die Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG entfallen (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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