Verkehrsrecht

Haftung des Pferdehalters bei entgeltlicher Reitbeteiligung

Aktenzeichen  4 U 1162/13

Datum:
29.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
r+s – 2017, 551
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 254 Abs. 1, § 833 S. 1, § 834 S. 1
SGB X § 116 Abs. 1
SGB VII § 8, § 104 Abs. 1, § 108 Abs. 1
ZPO § 256

 

Leitsatz

1. Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung zwischen einer Pferdehalterin und einer Reiterin, die es der Reiterin erlaubt, gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts und Mithilfe im Stall an festgelegten Tagen selbständige Ausritte mit dem Pferd machen zu dürfen, begründet keine Mithaltereigenschaft der Reiterin. (Rn. 21 – 22)
2. Eine derartige Reitbeteiligung rechtfertigt auch dann nicht ohne weiteres die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses, wenn Unfälle im Rahmen einer Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz der Pferdehalterin ausgenommen sind. (Rn. 27 – 36)
3. 3.) Stürzt die Reiterin bei einem selbständigen Ausritt vom Pferd und kann sie sich nicht entlasten, so ist bei der Prüfung ihrer Ersatzansprüche gegen die Pferdehalterin ein vermutetes Mitverschulden der Reiterin als Tieraufseherin anspruchsmindernd zu berücksichtigen. (Rn. 38 – 41)
4. 4.) Bei Unaufklärbarkeit der näheren Umstände des Sturzes können die Haftungsanteile der Halterin und der Reiterin gleich hoch zu bewerten sein. (Rn. 42)

Verfahrensgang

12 O 7714/12 2013-04-12 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.04.2013 abgeändert.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht 50% des Schadens und Aufwands zu ersetzen hat, der entsteht und entstanden ist aus dem Reitunfall vom 08.10.2009 des Mitglieds der Klägerin N. Z. (verheiratete H.), geb. am … Februar 1981, in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung.
III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 103.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klägerin begehrt als gesetzliche Krankenversicherung die Feststellung von auf sie übergegangenen Schadensersatzansprüchen ihres Mitglieds aufgrund eines Reitunfalles.
Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer für N. H. (geb. Z.; im Folgenden: Geschädigte). Zwischen dieser und der Beklagten bestand eine Vereinbarung dahingehend, dass die Geschädigte das im Eigentum der Beklagten stehende Pferd „S…“ an drei Tagen pro Woche nach Belieben ausreiten durfte und hierfür monatlich 100,00 Euro an die Beklagte zu zahlen hatte. Die Geschädigte stürzte am 08.10.2009 gegen 14.30 Uhr bei einem Ausritt auf der Koppel von dem Pferd und erlitt eine Querschnittslähmung.
Die Klägerin behauptet, die Geschädigte sei davon ausgegangen, dass das Pferd der Beklagten ordnungsgemäß versichert gewesen sei. Alle Kosten für die Unterhaltung des Pferdes, insbesondere für Stallmiete, Steuern, Versicherung und Fütterung habe die Beklagte getragen. An den Tagen, an denen die Geschädigte das Pferd reiten durfte, habe sich diese teilweise auch um das Füttern und Einstreuen gekümmert. Die Nutzung des Pferdes durch die Geschädigte habe längstens vier Monate gedauert. Es habe keine festen Nutzungstage gegeben, vielmehr seien diese jeweils abgesprochen worden. Der Unfall habe sich auf der eingezäunten Koppel so zugetragen, dass das Pferd unerwartet durchgegangen sei, den Kopf nach vorne gerissen und die Geschädigte abgeworfen habe, woraufhin diese kopfüber zu Boden gestürzt sei. Im Zusammenhang mit dem Unfall seien der Klägerin Kosten für die Heilbehandlung und Pflege sowie für Krankengeld von bislang insgesamt 129.177,83 Euro entstanden.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X allen Schaden und Aufwand zu ersetzen hat, der entsteht und entstanden ist aus dem Reitunfall des Mitglieds der Klägerin, N. Z., G., … K.l, geb. am 08.02.1981, vom 08.10.2009 in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, für ihr Pferd bestehe zwar eine Haftpflichtversicherung, eine Reitbeteiligung sei jedoch nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die Geschädigte habe an den Reittagen unumschränkte Einflussmöglichkeit auf das Pferd gehabt. Es habe eine nicht geschäftlich geprägte Reitbeteiligung bestanden, innerhalb derer die Geschädigte wie eine Tierhalterin auf Zeit anzusehen sei. Sie habe auch teilweise die Fütterungskosten übernommen. Im Übrigen habe zur Geschädigten ein freundschaftliches Verhältnis bestanden. Daher – so meint die Beklagte – sei von einem konkludenten vertraglichen Haftungsausschluss auszugehen.
Mit Endurteil vom 12.04.2013, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Darstellung des Parteivortrags in erster Instanz einschließlich der übergebenen Anlagen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die verständige Würdigung des zugrundeliegenden Sachverhalts sowie die ergänzende Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB ergäbe einen zumindest stillschweigend getroffenen Haftungsausschluss. Die selbständige Übernahme der Beherrschung des Pferdes durch die Geschädigte sei im vorliegenden Fall so ausgeprägt, dass es unbillig erscheine, wenn sie sich nach einem beim Ausritt eingetretenen Unfall ohne Weiteres auf die Gefährdungshaftung der Tierhalterin berufen könnte. Durch die Annahme einer solchen Haftungsbeschränkung werde auch nicht der Haftpflichtversicherer der Beklagten entlastet, da für den Fall einer Reitbeteiligung kein Versicherungsschutz bestanden habe. Zudem habe die Geschädigte nicht hinreichend vorgetragen, bei der Leitung des Pferdes die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation des Erstgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Klageziel weiter und macht insbesondere geltend, dass aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles nicht von einem stillschweigenden Haftungsausschluss ausgegangen werden könne. Zum Unfallhergang sei bereits erstinstanzlich vorgetragen worden, dass das Pferd plötzlich „durchgegangen“ sei und die Geschädigte abgeworfen habe. Damit stehe fest, dass sich der Abwurf als eine Verwirklichung der Tiergefahr darstellte.
Die Klägerin beantragte im Berufungsverfahren, das angefochtene Urteil zu ändern und wie folgt zu erkennen:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X allen Schaden und Aufwand zu ersetzen hat, der entsteht und entstanden ist aus dem Reitunfall des Mitglieds der Klägerin, N. Z., G., … K., geb. am 8. Februar 1981, vom 8. Oktober 2009 in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Beklagte hält die Einwendungen der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil für unbegründet.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle vom 15.10.2013, 02.11.2016 und 08.03.2017 Bezug genommen.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 02.05.2016 (Bl. 160 d. A.) hat die B. L…unfallkasse festgestellt, dass die Geschädigte zum Zeitpunkt des Reitunfalles keine „Wie-Beschäftigte“ der Beklagten gewesen ist, und dass es sich bei dem Reitunfall nicht um einen Arbeitsunfall handelte.
Der Senat hat zum Unfallhergang Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen N. und A. H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.03.2017 Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin führt in der Sache zu einer Änderung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte hat der Klägerin aus übergegangenem Recht 50% des Schadens und Aufwands zu ersetzen, der in der Kranken- und Pflegeversicherung aus dem Reitunfall vom 08.10.2009 der N. H. entsteht und entstanden ist.
I.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Prozessvoraussetzung einer Feststellungsklage ist neben den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen das schutzwürdige Interesse der Klagepartei an alsbaldiger Feststellung des Bestehens des behaupteten Rechtsverhältnisses, § 256 ZPO. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in der Vergangenheit für ihr bei dem Reitunfall verletztes Mitglied N, H. bereits Leistungen in einem Umfang erbracht, den sie bis zur Klageeinreichung mit 129.177,83 Euro beziffert. Da die Geschädigte bei dem Reitunfall eine Querschnittslähmung erlitten hat, ist auch in Zukunft mit Leistungen der Klägerin für die Geschädigte in erheblichem Umfang zu rechnen. Es ist deshalb nicht möglich, den Schaden abschließend zu beziffern.
II.
Die Beklagte hat als Halterin des Pferdes S. gem. § 833 S. 1 BGB den durch ihr Pferd verursachten Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Geschädigte am 08.10.2009 beim Reiten verunfallt ist und hierbei eine Querschnittslähmung erlitten hat. Die Haftung der Beklagten ist weder durch eine freiwillige Risikoübernahme der Geschädigten noch durch einen ausdrücklichen oder konkludenten Haftungsausschluss beschränkt oder ausgeschlossen. Der Umfang der Haftung ist jedoch auf die Erstattung der Hälfte der berechtigten Ansprüche reduziert, da es der Klägerin nicht gelungen ist, die zu Lasten der Geschädigten als Tieraufseherin gem. § 834 S. 1 BGB sprechende Vermutung einer Pflichtverletzung und ihrer Ursächlichkeit für den Schaden zu entkräften. Die Abwägung der beiderseitigen Haftungsanteile in entsprechender Anwendung des § 254 BGB führt hier dazu, dass die Beklagte die Hälfte des Schadens zu tragen hat. Die in der Person der Geschädigten entstandenen Ansprüche sind gem. § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen.
1. Die Klägerin ist für die Geltendmachung des Feststellungsanspruchs aktivlegitimiert. Die Schadensersatzansprüche der Geschädigten aus dem Reitunfall sind gem. § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherung übergegangen.
2. Die Beklagte war Halterin des Pferdes S.. Das Pferd war nicht dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt der Beklagten zu dienen bestimmt. Die Beklagte hat deshalb nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung gem. § 833 Satz 1 BGB für den Schaden einzustehen, der durch das Pferd verursacht worden ist. Die Haftung des Pferdehalters aus § 833 Abs. 1 BGB gilt grundsätzlich auch zugunsten des Reiters, der durch die Tiergefahr des Pferdes verletzt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1977, NJW 1977, 2158; Urteil vom 22.12.1992, NJW 1993, 2611; Urteil vom 30.04.2013, BeckRS 2013, 09464).
3. Die Geschädigte, die mit der Beklagten vereinbart hatte, das Pferd an einzelnen Tagen gegen Zahlung von monatlich 100,00 Euro selbständig reiten zu dürfen, wurde hierdurch nicht zur (Mit-)Halterin des Pferdes.
Die Vereinbarung einer derartigen „Reitbeteiligung“ ändert nichts an der Haltereigenschaft der Beklagten und begründet ebenso wie der Reitvorgang als solcher keine (Mit-)Haltereigenschaft der Geschädigten (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 21.06.2007, BeckRS 08, 02817; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.02.2009, NJW-RR 2009, 894). Auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben der Beklagten zu den Einzelheiten der Vereinbarung, wonach die Geschädigte neben Zahlung des Entgelts an den Reittagen das Pferd auch füttern und den Stall ausmisten sollte, behielt die Beklagte auch an den Reittagen der Geschädigten das Bestimmungsrecht über das Tier. Die Beklagte gab vor, auf welchen Flächen die Geschädigte das Pferd reiten durfte und untersagte der Geschädigten, andere Personen auf dem Pferd reiten zu lassen. Die Stallkosten, die Pacht für die Koppel sowie die Kosten für Futter, Tierarzt und Versicherung wurden alleine von der Beklagten getragen. Das von der Geschädigten an die Beklagte zu zahlende Entgelt deckte nur einen geringen Teil der laufenden Kosten ab. An unvorhergesehenen Ausgaben, etwa im Falle einer Verletzung oder Krankheit des Tieres, war die Geschädigte ohnehin nicht beteiligt.
4. In dem Unfallgeschehen hat sich die spezifische Tiergefahr des Pferdes verwirklicht.
Aufgrund der glaubhaften Angaben der Geschädigten zum Unfallhergang ist das Pferd beim Reiten auf der Koppel durchgegangen, nachdem die Geschädigte bereits eine gewisse Zeit in den Gangarten Schritt, Trab und Galopp geritten war. Aus der Lage der Zügel, die sich nach dem Sturz der Geschädigten über dem Kopf des Pferdes befanden, kann geschlossen werden, dass die Geschädigte über den Kopf des Tieres gestürzt ist, beziehungsweise abgeworfen wurde. Eine genauere Aufklärung des Unfallhergangs ist nicht mehr möglich, da die Geschädigte selbst nur noch lückenhafte Erinnerungen hat und weder der Zeuge H. noch die Beklagte den Sturz beobachtet haben. Es bleibt daher auch unaufklärbar, aus welchem Grund das Pferd plötzlich losgerannt ist.
Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt jedoch gerade in der typischen Tiergefahr, das heißt in dem der Natur des Tieres entsprechenden unberechenbaren selbständigen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Rechtsgütern Dritter (BGH, Urteil vom 25.03.2014, NJW 2014, 2434). Dadurch, dass das Pferd aus Sicht der Geschädigten ohne erkennbaren Grund durchgegangen und plötzlich losgerannt ist, entstand für die Geschädigte aus dem Verhalten des Tieres eine schwer beherrschbare Gefahr, die sich schließlich in dem Sturz vom Pferd verwirklichte. Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob sich die Geschädigte allein wegen des plötzlichen Loslaufens des Pferdes nicht mehr im Sattel halten konnte oder ob das Pferd zusätzlich abrupt gestoppt oder sogar hinten hoch gegangen ist. Die typische Tiergefahr hat sich in jedem Fall verwirklicht. Anhaltspunkte für den von der Beklagten für möglich gehaltenen Unfallhergang, wonach das Pferd auf der Koppel stand, Gras fressen wollte und den Kopf gesenkt hat und die Geschädigte dabei vom Pferd gefallen sei, sind in der Beweisaufnahme nicht zutage getreten. Die Geschädigte als einzige Zeugin des Unfalls konnte diesen Hergang ausschließen.
Selbst ein denkbarer Reitfehler der Geschädigten, der zu dem plötzlichen Losrennen des Pferdes oder zu dessen abrupten Stehenbleiben geführt haben könnte, würde nichts an der Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr ändern und kann nur bei der Prüfung des Mitverschuldens des Reiters zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 06.07.1999, NJW 1999, 3119).
5. Die Haftung der Beklagten ist weder durch eine freiwillige Risikoübernahme der Geschädigten noch durch einen ausdrücklichen oder konkludent vereinbarten Haftungsausschluss beschränkt oder ausgeschlossen.
a) Unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr oder der freiwilligen Risikoübernahme kann die Haftung des Pferdehalters dann entfallen, wenn sich der Geschädigte bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten verbundene Gefahr hinausgeht (BGH, Urteil vom 9.06.1992, NJW 1992, 2474; Urteil vom 20.12.2005, NJW-RR 2006, 813; Urteil vom 30.04.2013, BeckRS 2013, 09464; OLG Hamm, Urteil vom 20.09.2000, NJW-RR 2001, 390). Derartigen, über die gewöhnliche Reitgefahr hinausgehenden Risiken (z.B. beim Zureiten, Dressur- oder Springreiten) hat sich die Geschädigte hier nicht ausgesetzt. Dass das Pferd nach den Bekundungen der Zeugin bereits früher einmal durchgegangen war, begründet kein besonderes, ungewöhnliches Risiko, zumal es der Geschädigten damals gelungen war, gefahrlos mit der Situation umzugehen. Eine besondere, über die gewöhnliche Tiergefahr eines Reitpferdes hinausgehende Gefährlichkeit des Pferdes Shakira wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen.
b) Die Beklagte hatte mit der Geschädigten keinen Haftungsausschluss vereinbart. Die Vereinbarung eines ausdrücklichen Haftungsausschlusses wird nicht behauptet. Auch die Annahme eines konkludenten Haftungsausschlusses ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles und der Interessenlage der Beteiligten nicht gerechtfertigt.
Wegen der weitreichenden Konsequenzen kann von einem stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen Pferdehalter und Reiter nur im Ausnahmefall ausgegangen werden. Die Qualifizierung der Überlassung des Pferdes zum selbständigen Reiten als „Reitbeteiligung“ rechtfertigt für sich genommen ebenso wenig die Annahme einer Haftungsfreistellung, wie der Umstand, dass die Überlassung auch Elemente einer Gefälligkeit aufwies.
Die Vereinbarung einer Reitbeteiligung oder die Überlassung des Pferdes gefälligkeitshalber rechtfertigt im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur dann eine Haftungsfreistellung des Tierhalters, wenn die Überlassung des Tieres im besonderen Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichtes, wäre es an ihn gestellt worden, billigerweise nicht hätte verschließen können (BGH, Urteil vom 09.06.1992, NJW 1992, 2474 m. v. N.; BGH, Urteil vom 26.04.2016, r+s 2016, 424; OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.2012, BeckRS 2013, 02597). Bei den hierbei anzustellenden Billigkeitserwägungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Pferdehalter gegen Haftpflicht versichert ist, denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten (BGH, Urteil vom 26.04.2016, r+s 2016, 424).
Aufgrund der Angaben der informatorisch angehörten Beklagten und der als Zeugin vernommenen Geschädigten geht der Senat vorliegend davon aus, dass die Beklagte als Halterin des Pferdes S. mit der Geschädigten vereinbart hatte, dass diese jede Woche an einzelnen, jeweils zu vereinbarenden Tagen selbständig das Pferd reiten durfte und hierfür nach Angaben der Geschädigten monatlich 100,00 Euro an die Beklagte bezahlen und bei Bedarf den Stall ausmisten sollte. Nach ihren eigenen Angaben war es der Beklagten, die sich selbst nicht täglich um das Pferd kümmern konnte, vor allem wichtig, dass ihr Pferd an den vereinbarten Tagen bewegt und versorgt wird. Die Reitbeteiligung bestand seit Juli 2009, also seit circa dreieinhalb Monaten vor dem Unfall und kam dadurch zustande, dass die Beklagte ein entsprechendes Inserat in der Zeitung aufgegeben hatte. Die Beklagte hatte zur Deckung ihrer Haftpflicht als Pferdehalterin eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach den, dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen war der Versicherungsschutz jedoch für die entgeltliche Überlassung des Pferdes im Rahmen einer Reitbeteiligung ausgeschlossen. Über Versicherungsfragen wurde zwischen der Beklagten und der Geschädigten vor dem Unfall nicht gesprochen. Die Beklagte selbst ging auch nach dem Unfall davon aus, dass dieser von der abgeschlossenen Haftpflichtversicherung umfasst sei. Tatsächlich hat jedoch die Haftpflichtversicherung unter Berufung auf den vereinbarten Ausschluss für entgeltliche Reitbeteiligungen die Erfüllung von Ansprüchen der Geschädigten endgültig abgelehnt.
Anders als in der Fallgestaltung, die dem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27.06.2011 (8 U 510/11, MDR 2011, 1037) zugrunde lag, bestand vorliegend keine langjährige Reitbeteiligung im überwiegenden Interesse der Geschädigten mit untergeordneter Zahlungsverpflichtung der Geschädigten. Die Initiative für die Reitbeteiligung ging von der Beklagten aus, die sich selbst nicht ausreichend um ihr Pferd kümmern und dieses bewegen konnte und die sich hierfür die Unterstützung der Geschädigten versprach. Die Reitbeteiligung bestand vor dem Unfall erst seit circa dreieinhalb Monaten, das von der Geschädigten zu zahlende Entgelt von 100,00 Euro monatlich war nicht unbedeutend, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Geschädigte nach Angaben der Beklagten damals arbeitslos gewesen ist.
Wäre die Haftungsthematik zwischen den Beteiligten vor dem Unfall ausdrücklich zur Sprache gekommen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, die ja selbst davon ausgegangen war, dass die von ihr abgeschlossene Haftpflichtversicherung etwaige Reitunfälle der Geschädigten umfassen würde, der Geschädigten einen Haftungsverzicht angesonnen hätte. Umgekehrt hätte auch die Geschädigte in diesem Fall aller Voraussicht nach auf einen Hinweis der Beklagten auf die bestehende Haftpflichtversicherung vertraut und hätte keine Motivation für einen Haftungsverzicht gehabt.
Doch selbst dann, wenn die Beklagte vor Abschluss der Vereinbarungen mit der Geschädigten zutreffend erkannt hätte, dass eine entgeltliche Reitbeteiligung vom Versicherungsschutz ihrer Haftpflichtversicherung nicht umfasst ist und sie dies der Geschädigten offengelegt hätte, hätte die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses eher fern gelegen. Näherliegender wäre es gewesen, den Versicherungsschutz um den „Baustein Reitbeteiligung“ zu erweitern, was nach der Mitteilung der Haftpflichtversicherung vom 27.10.2010 (Anlage B 3) jederzeit möglich gewesen wäre. Der Abschluss der Pferdehalterhaftpflichtversicherung zeigt ja gerade, dass die Beklagte daran interessiert war, für die von ihrem Pferd verursachten Schäden Versicherungsschutz zu erlangen. Anhaltspunkte dafür, dass sie bei zutreffender rechtlicher Beurteilung gerade die Schäden ausnehmen hätte wollen, die der Geschädigten bei dem (auch) im Interesse der Beklagten liegenden Umgang mit dem Pferd entstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Noch weniger spricht für die Annahme, die Geschädigte, die regelmäßige Entgeltzahlungen an die Beklagte leistete, hätte sich auf ein derartiges Ansinnen eingelassen. Aus Billigkeitsgründen wäre sie dazu jedenfalls nicht gehalten gewesen.
6. Der Beklagten kommt auch nicht das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII zugute. Der streitgegenständliche Reitunfall war kein Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII. Die B. L.unfallkasse hat als zuständige Berufsgenossenschaft mit rechtskräftigem Bescheid vom 02.05.2016 (Bl. 160 d. A.) festgestellt, dass es sich bei der Geschädigten nicht um eine „Wie-Beschäftigte“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII handelte und dass deshalb kein Arbeitsunfall vorlag. Der Bescheid wurde gegenüber der Geschädigten, der Klägerin und der Beklagten bestandskräftig. An diese Entscheidung sind die Zivilgerichte gem. § 108 Abs. 1 SGB VII gebunden (vgl. auch BGH, Urteil vom 30.04.2013, NJW 2013, 2031).
7. Die Haftung der Beklagten ist jedoch aufgrund eines anrechenbaren Mitverschuldens der Geschädigten an dem Reitunfall auf 50% beschränkt, § 834 Satz 1 BGB i. V. m. einer entsprechenden Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB.
a) Die Geschädigte war im Moment des Unfalls Tieraufseherin im Sinne des § 834 Satz 1 BGB. An den vereinbarten Reittagen durfte die Geschädigte selbständig mit dem Pferd S. auf der Koppel reiten. Sie kümmerte sich an diesen Tagen auch sonst um das Pferd, gab ihm „Leckerli“ und mistete bei Bedarf den Stall aus. An den Reittagen der Geschädigten war die berufstätige Beklagte absprachegemäß nicht anwesend, hätte also dann, wenn es dem Pferd beispielsweise gelungen wäre, aus der Koppel auszubrechen, keine Möglichkeit gehabt, auf das Pferd einzuwirken. Wie die Beklagte glaubhaft angab, bestand ihr Interesse an der Vereinbarung neben der Kostenbeteiligung der Geschädigten vor allem auch darin, dass sich jemand an den betreffenden Tagen um das Tier kümmert. Diese Aufgabe hat die Geschädigte übernommen und wurde dadurch an ihren Reittagen zur Tieraufseherin (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.02.1988, NJW-RR 1988, 1492; OLG Schleswig, Urteil vom 21.06.2007, BeckRS 2008, 02817).
b) Als Tieraufseherin ist auch die Geschädigte gem. § 834 Satz 1 BGB für den auf die Tiergefahr des Pferdes zurückzuführenden Schaden verantwortlich. Danach muss derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass ihn ein Sorgfaltsverstoß trifft und dieser für den Schaden ursächlich geworden ist. Diese Beweislastregel gilt zur Begrenzung der Tierhalterhaftung der Beklagten auch bei der Prüfung des Mitverschuldens der Geschädigten als Reiterin (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.1992, NJW 1992, 2474; Urteil vom 22.12.1992, NJW 1993, 2611; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.10.2008, NJW-RR 2009, 453).
Im vorliegenden Fall ist es der Geschädigten nicht gelungen, die gegen sie sprechende Vermutung zu widerlegen. Der genaue Unfallhergang war nicht mehr aufzuklären. Die als Zeugin vernommene Geschädigte konnte sich nur noch daran erinnern, dass das Pferd durchgegangen, also plötzlich losgerannt ist und dass sie nach dem Sturz am Boden lag und die Zügel über dem Kopf des Pferdes hingen. Ursachen dafür, weshalb das Pferd plötzlich losgerannt ist und weshalb es ihr – anders als bei einem wohl ähnlichen Vorfall in der Vergangenheit – diesmal nicht gelungen ist, das Pferd zu zügeln und sich im Sattel zu halten, vermochte auch die Geschädigte nicht zu nennen. Die Unaufklärbarkeit des Reitunfalles führt gem. § 834 Satz 1 BGB i. V. m. einer entsprechenden Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB hier dazu, dass das vermutete (Mit-)Verschulden der Geschädigten anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.1992, NJW 1992, 2474; Urteil vom 25.03.2014, NJW 2014, 640; OLG Hamm, Urteil vom 28.10.1974, VersR 1974, 865).
c) Der Senat erachtet die anrechenbaren (Mit-) Haftungsanteile der Beklagten als Pferdehalterin und der Geschädigten als Reiterin und Aufseherin des Pferdes als gleich hoch. Die durchgeführte Beweisaufnahme zum Hergang des Unfalls hat keine tatsächlichen Hinweise für ein subjektiv vorwerfbares Fehlverhalten der Beklagten oder der Geschädigten zutage gebracht. Die Eintrittspflicht der Beklagten resultiert somit einzig aus der gesetzlichen Gefährdungshaftung als Tierhalterin gem. § 833 Satz 1 BGB. Andererseits beruht auch die Mithaftung der Geschädigten lediglich darauf, dass es ihr nicht gelungen ist, die in § 834 Satz 1 BGB normierte Vermutung einer Pflichtverletzung und ihrer Kausalität für den Unfall zu widerlegen. Die in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB anzustellende Abwägung der Verursachungsanteile führt hier dazu, dass die Haftung der Beklagten auf 50% beschränkt ist (so in ähnlichen Fällen auch OLG Frankfurt, Urteil vom 25.07.1995, r+s 1996, 137 und LG Bonn, Anerkenntnisurteil vom 21.10.2011, BeckRS 2013, 06187; vgl. auch BGH, Urteil vom 22.12.1992, NJW 1993, 2611).
Die Mithaftung der Geschädigten muss sich die Klägerin im Rahmen der auf sie gem. § 116 SGB X übergegangenen Ansprüche anspruchsmindernd zurechnen lassen.
8. Eine darüber hinausgehende Mithaftung der Geschädigten folgt nicht aus dem Umstand, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls keinen Rückenprotektor getragen hat. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass bei der Geschädigten eine „Glasknochenkrankheit“ oder eine ähnliche (von der Beklagten vermutete) medizinische Vorbelastung nicht vorgelegen hat. Die Geschädigte hat als Zeugin angegeben, definitiv weder damals noch heute an der Glasknochenkrankheit gelitten zu haben oder zu leiden. Lediglich bei ihrem Bruder sei eine leichte Form der Erkrankung festgestellt worden, worüber sie sich damals mit der Beklagten unterhalten habe. Auch die im beigezogenen Parallelverfahren (Zick ./. Tutkun, Landgericht Nürnberg-Fürth, Az. 12 O 9015/11) vorgelegten Arztbriefe zu den Unfallverletzungen der Geschädigten geben keinerlei Hinweise auf eine bestehende Vorerkrankung. Dass die damals gesunde, 28-jährige Geschädigte beim Reiten auf der Koppel keinen Rückenprotektor getragen hat, hat somit keinen Einfluss auf die Haftungsquote.
Jedenfalls beim normalen Reiten auf der Koppel (anders mag es beispielsweise sein bei einer Fuchsjagd im Gelände o. ä.) auf einem vertrauten Pferd besteht keine allgemeine Pflicht oder Obliegenheit, besondere Schutzkleidung, insbesondere einen Rückenprotektor zu tragen. Spezielle Absprachen diesbezüglich werden auch von der Beklagten nicht behauptet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 und 2, 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Die tatsächlichen Umstände der vorliegenden Reitbeteiligung unterscheiden sich in wesentlichen Punkten (siehe oben unter B. II. 5. b) von der Fallgestaltung, die dem Urteil des OLG Nürnberg vom 27.06.2011 (a. a. O.) zugrunde lag. Ein Fall der Divergenz liegt somit nicht vor.

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