Aktenzeichen 30 Ca 7120/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 87% und die Beklagte 13%.
4. Der Streitwert wird auf 75.096,32 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klage ist überwiegend zulässig.
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a und b, 46, 48 ArbGG i.V.m. 17 ff. GVG eröffnet. Das Arbeitsgericht München ist zur Entscheidung des Rechtsstreits gemäß §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
2. Der allgemeine Feststellungsantrag ist unzulässig. Es fehlt an dem gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Denn neben den punktuell angegriffenen Kündigungen vom 27.06.2016 und 20.01.2017 ist ein Beendigungstatbestand nicht ersichtlich.
II.
Die Klage ist überwiegend unbegründet.
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.06.2016 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang der Kündigungserklärung am 27.06.2016 beendet. Damit ist die Bedingung für den Hilfsantrag Ziffer 6 der Klageschrift eingetreten, so dass der Klägerin der Anspruch auf Erteilung eines endgültigen Zeugnisses zuzusprechen war.
1. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 27.06.2016 ist wirksam.
a) Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.
(1) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne besondere Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, Urteil des BAG vom 11.12.2003, Az.: 2 AZR 36/03; Urteil des BAG vom 07.07.2005, Az.: 2 AZR 581/04; Urteil des BAG vom 10.06.2010, Az.: 2 AZR 541/09, jeweils zitiert nach Juris). Dabei sind alle für das jeweilige Vertragsverhältnis in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu bewerten. Dazu gehören das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene „Vertrauenskapital“ ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt zudem, dass bei jeder Kündigung, die auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das Abmahnungserfordernis zu prüfen ist, solange eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (vgl. Urteile des BAG vom 19.04.2007, Az.: 2 AZR 180/06, und vom 26.06.2008, Az.: 2 AZR 190/07, jeweils zitiert nach Juris).
Ferner kann nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt hiernach vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines – nicht erwiesenen – strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer Vertragspflichtverletzung bzw. einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (vgl. Urteil des BAG vom 20.06.2013, Az.: 2 AZR 546/12, zitiert nach Juris).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt ein Sachverhalt vor, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Es besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin privat veranlasste Aufwendungen als dienstlich veranlasste Reisekosten gegenüber der Beklagten abgerechnet hat. Dieses Verhalten stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar.
Aufgrund des Vortrags der Parteien steht für die Kammer fest, dass der dringende Verdacht besteht, dass die Klägerin einzelne Positionen von Reisekostenabrechnungen als dienstlich veranlasst angegeben hat, obwohl diese tatsächliche privat veranlasst waren. Dies gilt jedenfalls für die im Rahmen der Abrechnung für die Reise zum SER Workshop am B-See vom 14.09.2015 bis 15.09.2015 angegebenen Lebensmittel und dabei insbesondere für 0,724 kg Lammkotelett und 0,678 kg Lammfilet, 2 Packungen Eierspätzle, zwei Gläser Marmelade, Lachsforellenfilet und eine Flasche Riesling. Die insofern erfolgte Einlassung der Klägerin, sie habe das „Lammfleisch“ und damit insgesamt über 1,3 kg Fleisch samt 2 Packungen Eierspätzle mittags am 15.09.2016 im Auto gegessen und die Reste im Lauf des Tages, ist völlig unglaubwürdig. Entsprechendes gilt für die Positionen „Orangenmarmelade extra 250 g (!) Glas und „Süddt. Frucht. schwa. Johannis“: Auch die Behauptung, die Klägerin habe Joghurt „mit Konfitüre verrührt“ als Nachtisch gegessen, ist als Schutzbehauptung unbeachtlich, da die Klägerin letztlich behauptet, dass sie insgesamt über 250 g Marmelade gegessen hat. Keinerlei Erklärung gibt die Klägerin zur am 15.09.2016 gekauften Lachsforelle ab, so dass auch insofern davon auszugehen ist, dass dieser Kauf privat veranlasst war. Schließlich erklärt die Klägerin selbst, dass sie die Flasche Riesling nicht hätte abrechnen dürfen. Nach der Lebenserfahrung besteht die ganz deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass die aufgeführten Positionen in Wahrheit privat von der Klägerin verwendet wurden. Die Klägerin hat damit vorsätzlich gegen ihre arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen, keine gegen das Vermögen ihrer Arbeitgeberin gerichteten rechtswidrigen Handlungen zu begehen.
Auf die von der Beklagten vorgetragenen weiteren Verdachtsmomente betreffend die Reisekostenabrechnungen im Rahmen der Dienstreisen nach D-Stadt und G-Stadt, F-Stadt, nach C-Stadt sowie der Besuch der I. Messe kommt es daher nicht mehr an.
(3) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie die Klägerin vor Ausspruch der Kündigungen ordnungsgemäß zu den insofern maßgeblichen Verdachtsmomenten angehört. Der Klägerin wurde bereits detailliert in der E-Mail vom 09.06.2016 erläutert, um welche Tatbestände es genau geht. Der Einwand der Klägerin, die Fragen in der Anhörung seien völlig durcheinander gestellt worden, kann angesichts dessen nicht greifen, da der Klägerin bereits vor dem Gespräch wusste, um welche Reisekostenabrechnungen, die sie ja selbst erstellt hat, es konkret gehen wird. Die Einlassung der Klägerin, die Anhörung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil sie nahezu keine Gelegenheit gehabt hätte, eine Frage ohne zahlreiche, sehr aggressiv vorgetragene Unterbrechungen zu beantworten, ist aufgrund ihrer Pauschalität unbeachtlich. Die Klägerin hätte vielmehr konkret vortragen müssen, was sie hätte in der Anhörung noch vorbringen wollen und ihr aufgrund des Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten nicht gelungen ist. Was den vorliegend entscheidenden Sachverhalt – Reisekostenabrechnung für den SERWorkshop am B-See – anbelangt, ist zudem zu berücksichtigen, dass es der Klägerin auch im Prozess nicht gelungen ist, die gegen sie bestehenden Verdachtsmomente durch ihre eigene Einlassung auszuräumen.
(4) Der vorherige Ausspruch einer Abmahnung war vorliegend entbehrlich. Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (Urteil des BAG vom 20.11.2014, Az.: 2 AZR 651/13, zitiert nach Juris). Der hier bestehende dringende Verdacht, dass die Klägerin in Ausnutzung ihrer Vertrauensstellung privat veranlasste Aufwendungen sich als dienstlich veranlasste Reisekosten von der Beklagten jedenfalls in Höhe von 121,06 € habe erstatten lassen, betrifft eine so schwerwiegende Pflichtverletzung, bei der eine Hinnahme durch die Beklagte ganz offensichtlich ausgeschlossen war. Aufgrund dieses schwerwiegenden Tatverdachts kann eine Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbar notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden, so dass eine Abmahnung entbehrlich war.
(5) Die fristlose Kündigung vom 27.06.2016 ist auch nicht unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Durch die von der Klägerin begangenen Vermögensdelikte zulasten ihrer Arbeitgeberin ist ein irreparabler Vertrauensverlust entstanden, der dieser eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hat. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin ist durch die vorsätzlichen Pflichtverletzungen objektiv derart erschüttert gewesen, dass seine Wiederherstellung und ein künftig wieder störungsfreies Miteinander der Parteien nicht mehr zu erwarten sind. Dem Interesse der Arbeitgeberin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist auch unter Berücksichtigung des Lebensalters und der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin der Vorrang einzuräumen. Die Klägerin hat die Basis für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört. Die Klägerin hat heimlich und vorsätzlich das in sie gesetzte Vertrauen zu einer Schädigung des Vermögens der Arbeitgeberin genutzt. Im Hinblick auf den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens ist auch angesichts der unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, dass das Verhalten der Klägerin auf Heimlichkeit angelegt war. Die Beklagte muss sich im Rahmen der von der Klägerin erstellten Reisekostenabrechnungen darauf verlassen können, dass die Angaben der Klägerin, die Auslagen seien dienstlich und nicht privat veranlasst gewesen, zutreffend sind. Unter Berücksichtigung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der nicht unbedeutenden Position der Klägerin und der Tatsache der fehlenden möglichen Kenntnis bzw. Überwachung durch die Beklagte, ob die während einer außer Haus stattfindenden Dienstreise getätigten Auslagen tatsächlich dienstlich veranlasst sind, überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
b) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass die Beklagte durch Auswertung der Reisekostenabrechnungen der Klägerin vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat.
(1) Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil vom 16.12.2010, Az.: 2 AZR 485/08, zitiert nach Juris) führt der Umstand, dass eine Partei Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht im vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot.
Der Sachvortrag der Beklagten stützt sich im Prozess nur auf die in Papierform vorliegenden Reisekostenabrechnungen der Klägerin nebst Anlagen. Diese Erhebung und Verwertung ist bereits nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig, da sie der Durchführung des Arbeitsverhältnisses dient (vgl. Stamer/Kuhnke in BDSG, § 32 BDSG, Rdn. 136). Selbst wenn die Beklagte auf die vorgelegten Reisekostenabrechnungen in Papierform erst durch eine rechtswidrige, weil ohne Beteiligung des Betriebsrats vorgenommene Nutzung einer technischen Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gestoßen wäre, ändert dies nichts an der prozessualen Verwertbarkeit der in Papierform vorgelegten Reisekostenabrechnungen. Denn die Beklagte hätte ihre Erkenntnisse auch ohne die Nutzung einer technischen Einrichtung erlangen können. Selbst wenn man daher von einer Verletzung einer höherrangigen Rechtsposition der Klägerin ausgehen würde, käme dieser Verletzung damit kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus den in Papierform vorliegenden Abrechnungen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre.
c) Die Beklagte hat auch nicht durch den Ausspruch einer Abmahnung auf ihr Kündigungsrecht verzichtet.
(1) Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte. Dies gilt allerdings nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht (Urteil des BAG vom 19.11.2015, Az.: 2 AZR 217/15, zitiert nach Juris).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin bereits nicht, dass die Beklagte, und dabei insbesondere die zur Kündigung berechtigten Personen der Personalabteilung, auf ihr Kündigungsrecht verzichtet hat. Die Klägerin behauptet selbst nämlich nicht, dass die Beklagte, auch nicht in Person ihres disziplinarischen Vorgesetzten F, eine Abmahnung ausgesprochen hat. Vielmehr trägt Klägerin insofern vor, dass E und F im Konsens beschlossen hätten, dass die Klägerin eine Abmahnung erhalte. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin insofern als wahr unterstellen würde, ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte tatsächlich bereits eine Abmahnung ausgesprochen hat. Mangels tatsächlichen Ausspruchs einer Abmahnung, hat die Beklagte vorliegend nicht auf ihr Kündigungsrecht verzichtet.
d) Die Beklagte hat auch die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
(1) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßen Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Urteil des BAG vom 27.01.2011, Az.: 2 AZR 825/09, zitiert nach Juris).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte die ZweiWochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Die zur Kündigung berechtigten Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten haben vom Kündigungssachverhalt unstreitig erstmals am 09.05.2016 Kenntnis erlangt. Die Kündigungsberechtigten haben die weiteren Ermittlungen in der gebotenen Eile geführt, insbesondere die Klägerin zu den Vorwürfen am 13.06.2016, und damit innerhalb einer Woche nach Kenntniserlangung, angehört. Nachdem die Beklagte dann innerhalb von zwei Wochen nach der Anhörung der Klägerin am 13.06.2016 die Kündigung vom 27.06.2017 ausgesprochen hat, ist die Zwei-WochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
e) Die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG angehört.
(1) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d.h. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Urteile des BAG vom 23.06.2009, Az.: 2 AZR 474/07, vom 23.10.2008, Az.: 2 AZR 163/07, jeweils zitiert nach Juris). Der für seinen Kündigungsentschluss maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen näher so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Das Beteiligungsverfahren soll dem Betriebsrat nicht die selbständige – objektive – Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (Urteil des BAG vom 16.07.2015, Az.: 2 AZR 15/15, zitiert nach Juris). Deshalb ist es ausreichend – aber auch erforderlich -, dass der Dienstgeber den Kündigungsgrund unter Angabe von Tatsachen in einer Weise beschreibt, die der Mitarbeitervertretung ohne zusätzliche eigene Nachforschungen eine sachgerechte Stellungnahme ermöglicht. Bloß pauschale Angaben oder die Mitteilung eines Werturteils genügen dafür nicht (vgl. Urteil des BAG vom 10.04.2014, Az.: 2 AZR 812/12, zitiert nach Juris). Im Kündigungsschutzprozess besteht insofern eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Auf Rüge des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber Tatsachen vorzutragen, aus denen auf eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats geschlossen werden kann. Hat der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Anhörung im Detail schlüssig dargelegt, muss der Arbeitnehmer deutlich machen, welche Angaben er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will (Etzel/Rinck in KR, 11. Auflage, § 102 BetrVG, Rdn. 267 f.).
(2) Diesen Anforderungen wird das Anhörungsschreiben vom 21.06.2016 (Anlage B 19, Bl. 173 ff. der Akte) gerecht.
Die Beklagte hat ausführlich und konkret die aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände, die die Kündigung begründen sollen, dargestellt.
Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht hinreichend verdeutlicht, dass es sich auch um eine Verdachtskündigung handeln würde, ist angesichts der eindeutigen Formulierungen der Beklagten – „zumindest besteht ein dahingehender dringender Verdacht“ bereits nicht nachvollziehbar.
Im Hinblick auf den hier entscheidungserheblichen Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe im Rahmen der Reisekostenabrechnung für den SER-Workshop Reisekosten abgerechnet, die in Wahrheit privat veranlasst gewesen seien, hat die Beklagte dem Betriebsrat die für den Kündigungsentschluss maßgebenden Umstände mitgeteilt. Insoweit hat die Klägerin auch keine konkreten Rügen vorgebracht. Auf die Frage der von der Klägerin im Rahmen der Anhörung getätigten – streitigen – Angaben zum Kauf der Weinflaschen am 03.03.2016 und des Verzehrs von Lebensmitteln bezüglich der I. Messe kommt es für den hier maßgeblichen Kündigungssachverhalt nicht an. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Beklagte den Betriebsrat im Hinblick auf die Reisekostenabrechnungen für die Dienstreise nach F-STADT und den Besuch der I. Messe nicht ausreichend informiert hätte, ist die Anhörung im Hinblick auf die Reisekostenabrechnung für den SER- Workshop wirksam (Etzel/Rinck in KR, 11. Auflage, § 102 BetrVG, Rdn. 166, m.w.N.).
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der unter Ziffer (1) dargestellten Grundsätze auch die aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände zur Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist im Anhörungsschreiben mitgeteilt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Beteiligungsverfahren dem Betriebsrat nicht die selbständige – objektive – Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen soll. Nachdem die Beklagte im Anhörungsschreiben darauf hinweist, dass die Abteilung RIA – und damit nicht die Kündigungsberechtigten – erste Unstimmigkeiten am 30.05.2016 festgestellt haben und dass die Klägerin am 13.06.2016 angehört worden sei, hat die Beklagte dem Betriebsrat im Rahmen des Grundsatzes der subjektiven Determination die wesentlichen Umstände für die Überprüfung der Einhaltung der ZweiWochen-Frist mitgeteilt.
2. Nachdem die außerordentliche fristlose Kündigung vom 27.06.2016 das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang am selben Tag beendet hat, kommt es auf die Wirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 27.06.2016 bzw. der Kündigungen vom 20.01.2017 nicht mehr an. Die Klägerin hat damit auch keinen Anspruch auf den geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
3. Da die Bedingung für den Hilfsantrag Ziffer 6 der Klageschrift eingetreten ist, war der Klägerin der Anspruch auf Erteilung eines endgültigen Zeugnisses zuzusprechen. Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses ergibt sich aus § 109 Abs. 1 GewO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 2 GKG, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Für den Feststellungsantrag betreffend die Kündigungen vom 27.06.2016 wurden drei Bruttomonatsgehälter à 9.387,04 €, betreffend die Kündigungen vom 20.01.2017 weitere drei Bruttomonatsgehälter und für den Weiterbeschäftigungsantrag ein zusätzliches Bruttomonatsgehalt in Ansatz gebracht. Der Zeugniserteilungsantrag wurde mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet.
V.
Die Parteien können gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Auf anliegende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.