Aktenzeichen 11 CS 17.420
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV FeV § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 1
Leitsatz
1. Wenn die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wegen nicht hinreichender Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung offen sind, ist im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes eine Interessenabwägung vorzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Interessenabwägung ist der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer der Vorrang einzuräumen, wenn sich auch aus dem widersprüchlichen Verhalten des Betroffenen während des Verfahrens und aus seinem Verhalten bezüglich eines Abstinenznachweises Hinweise auf seine Alkoholabhängigkeit ergeben. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 10 S 16.2291 2017-01-31 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die 1965 geborene Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt, erteilt am 31.5.1991).
Mit Schreiben vom 26. Dezember 2015 teilte die Polizeiinspektion Fürth der Führerscheinstelle der Antragsgegnerin mit, die Antragstellerin sei am 25. Dezember 2015 um 23.30 Uhr erheblich alkoholisiert im Hausflur eines Mehrfamilienhauses gelegen und habe über Schmerzen in den Beinen geklagt. Ein Atemalkoholtest habe 1,46 mg/l Atemalkoholkonzentration (AAK) ergeben. Sie sei trotz des hohen Wertes relativ klar und ansprechbar, aber verbal sehr aggressiv gewesen. Im Rettungswagen sei bekannt geworden, dass sich die Antragstellerin bereits zu einer Alkoholentzugstherapie im Klinikum N* …- … aufgehalten habe. Deshalb sei sie mit dem Rettungswagen dorthin verbracht worden.
Mit Schreiben vom 4. August 2016 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, wegen des Vorfalls am 25. Dezember 2015 und der früheren Alkoholentzugstherapie bis 10. Oktober 2016 ein ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen, da der Verdacht auf Alkoholabhängigkeit nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV bestehe. Würden Personen mit Alkoholwerten von 1,5 ‰ Blutalkoholkonzentration (BAK) angetroffen, so sei die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos anzunehmen. Bei solchen Menschen pflege in der Regel ein Alkoholproblem vorzuliegen, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeiten im Straßenverkehr in sich berge. Es sei zu klären ob Alkoholabhängigkeit vorliege und falls ja, ob eine erfolgreiche Entwöhnung und ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum von 12 Monaten gegeben seien.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 6. September 2016 teilte die Antragstellerin mit, der Sachverhalt habe sich so nicht zugetragen. Sie habe sich wegen der Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten in einem Ausnahmezustand befunden. Sie habe kaum alleine gehen können und sei sich der Gesamtsituation überhaupt nicht bewusst gewesen. Die Trennung von dem Lebensgefährten habe sie mittlerweile überwunden. Eine Wiederholung des Vorfalls sei daher nicht zu befürchten. Zu keiner Zeit habe bei der Antragstellerin eine Alkoholentzugsbehandlung stattgefunden. Eine solche sei auch nicht notwendig gewesen. Sie habe zwei Monate vor dem Ereignis wegen einer Hautoperation an einem postoperativen Durchgangssyndrom gelitten, das vorübergehend in der Neurologie im Klinikum N* …- … medikamentös behandelt worden sei. Der Rettungswagen habe sie zwar zum Krankenhaus gebracht, nachdem dort aber kein Bett frei gewesen sei, habe ihre Schwester sie mit nach Hause genommen. Im Straßenverkehr sei sie noch nie aufgefallen.
Die Antragstellerin erklärte sich am 27. September 2016 mit der Begutachtung durch die AVUS Gesellschaft für Arbeits-, Verkehrs- und Umweltsicherheit mbH (AVUS GmbH) einverstanden. Die Antragsgegnerin verlängerte die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis 10. November 2016 und übersandte der AVUS GmbH am 28. September 2016 die Verwaltungsakte. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 teilte die Praxis für Ehe-, Paar-, Krisen- und MPU-Beratung des Diplom-Sozialpädagogen R* … … der Antragsgegnerin mit, die Antragstellerin nehme seit 29. September 2016 an einer Vorbereitung für das Gutachten teil. Das Gutachten könne aber nicht fristgerecht erstellt werden, da die Antragstellerin mittels Laborbefunden drei Monate lang nachweisen müsse, dass sie auf Alkohol verzichten könne und anschließend über Haaranalysen und ein Trinktagebuch drei Monate lang nachweisen müsse, ob sie kontrolliert Alkohol konsumieren könne. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung einer Fristverlängerung ab. Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 mit, sie sei der Meinung, ein Gutachten könne nicht von ihr verlangt werden, da es sich um einen einmaligen Ausnahmefall gehandelt habe und sie noch nie alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen habe. Sie sei aber freiwillig bereit, ein solches beizubringen.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 entzog die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Fahrerlaubnis, verpflichtete sie unter Androhung unmittelbaren Zwangs, den Führerschein spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Bescheid werde auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV gestützt. Die Antragstellerin habe das zu Recht geforderte fachärztliche Gutachten nicht beigebracht.
Über die gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2016 erhobene Klage (Az. AN 10 K 16.02292) hat das Verwaltungsgericht Ansbach noch nicht entschieden. Im Klageverfahren legte die Antragstellerin einen Vertrag vom 26. Oktober 2016 zur Durchführung eines Abstinenzkontrollprogramms mit der synlab MVZ W. GmbH vor, der drei unangekündigte Urinuntersuchungen im Zeitraum vom 31. Oktober 2016 bis 31. Januar 2017 umfasst. Zudem legte sie eine Stellungnahme ihrer Schwester, einer Fachärztin für Innere Medizin vor, mit der ausgeführt wird, die Antragstellerin habe sich in einem Ausnahmezustand befunden, sei sich der Situation nicht bewusste gewesen und hätte kaum alleine gehen können. Am Folgetag habe sie so gut wie keine Erinnerung an die Geschehnisse gehabt. Eine Alkoholentzugsbehandlung habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.
Die Antragstellerin trägt im Klageverfahren vor, sie habe sich zwei Monate vor dem Vorfall mehrfachen Operationen wegen einer lebensbedrohlichen Darmerkrankung unterziehen müssen und habe nach einer Hautoperation an einem postoperativen Durchgangssyndrom gelitten, das mit dem Medikament Mitrazapin behandelt worden sei. Zu keiner Zeit sei es zu einer Entzugssymptomatik gekommen. Vom 11. bis 21. November 2015 habe sie sich in der Dermatologie des Klinikums N…- … aufgehalten, da es zu einem massiven Abfall des Hämoglobinwertes und damit zu der Delir-Symptomatik gekommen sei. In dieser Zeit sei ihr eine hohe Dosis verschiedener sedierender Präparate verabreicht worden. Diese starke Medikamentenbelastung habe auch noch am 25. Dezember 2015 vorgelegen und habe zusammen mit dem Alkoholkonsum am 25. Dezember 2015 zu den Symptomen und der fehlerhaften ärztlichen Diagnose eines angeblichen Alkoholentzugssyndroms geführt. In Wirklichkeit habe die Ursache der Symptomatik in der Medikation gelegen. Sie biete als Beweis Arztberichte auf Anforderung des Gerichts an.
Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2017 abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV lägen voraussichtlich vor. Es bestehe eine hinreichende Anknüpfungstatsache, dass bei der Antragstellerin möglicherweise Alkoholabhängigkeit vorliege, da sie eine BAK von 2,92 ‰ aufgewiesen habe und zugleich relativ klar und ansprechbar gewesen sei. Die Fragestellung in der Gutachtensaufforderung sei auch nicht zu beanstanden, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein zwölfmonatiger Abstinenzzeitraum nicht vorliegen konnte.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt. Die Antragstellerin legte mit der Beschwerdebegründung die Ergebnisse zweier negativer Urinuntersuchungen vom 3. und 25. Januar 2017 vor. Aus den Laborberichten geht hervor, dass das Kontrollprogramm entgegen dem Vertrag vom 26. Oktober 2016 von Dezember 2016 bis März 2017 durchgeführt wird. Die Antragstellerin trägt darüber hinaus vor, es sei nicht gerechtfertigt, fast ein Jahr nach dem Vorfall die Fahrerlaubnis sofort vollziehbar zu entziehen. Sie sei noch nie im Straßenverkehr auffällig geworden. Sie sei auch bereit, das Gutachten beizubringen, dies bedürfe jedoch einer gewissen Vorbereitung. Mit den Angaben der Schwester der Antragstellerin setze sich das Verwaltungsgericht überhaupt nicht auseinander. Die Antragstellerin sei weder klar im Bewusstsein noch vernünftig ansprechbar gewesen. Sie arbeite als selbstständige Hoteldirektorin und benötige die Fahrerlaubnis für Einkäufe. Ohne Fahrerlaubnis sei ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich zwar, dass die Erfolgsaussichten der Klage offen sind. Eine Interessenabwägung ergibt aber, dass der Antragstellerin die Fahrerlaubnis vorläufig nicht belassen werden kann.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Mai 2016 (BGBl I S. 1217), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Oktober 2015 (BGBl I S. 1674), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Gemäß Nr. 8.3 der Anlage 4 zu §§ 11, 13, und 14 FeV besteht bei Alkoholabhängigkeit keine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Betreffende im Straßenverkehr auffällig geworden ist. Begründen Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit, so ist mittels eines ärztlichen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV zu klären, ob Alkoholabhängigkeit besteht. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78).
Nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV ist Eignung erst wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist (vgl. Nr. 3.13.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Stand 28.12.2016). Außerdem muss die Verhaltensänderung als hinreichend gefestigt und stabil einzuschätzen sein (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 13 FeV, Rn. 28). Der Nachweis, dass die Verhaltensänderung stabil und motivational gefestigt ist, ist mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu führen (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV).
2. Im vorliegenden Fall ist offen, ob zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung hinreichende Tatsachen vorlagen, die die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen. Ob die Antragstellerin tatsächlich eine Alkoholentzugstherapie absolviert hat, wie die Antragsgegnerin in der Anordnung unterstellt, ist nicht geklärt. Darüber hinaus hat die Antragstellerin zwar einen sehr hohen Alkoholwert, aber keine 3 ‰ Blutalkoholkonzentration (BAK) erreicht. Zwar gibt es keine feste Grenze, ab wann Alkoholabhängigkeit angenommen werden kann. BAK-Werte ab 3,0 ‰ sprechen nach medizinischen Erkenntnissen aber für eine Toleranzentwicklung und damit für eine Alkoholabhängigkeit (vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Auflage, S. 160). Nach Kriterium A 1.2. N 4. Bereich Toleranzentwicklung D1 der Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 123) liegen sichere Anzeichen für Alkoholabhängigkeit erst vor, wenn eine BAK von über 3,0 ‰ gemessen wird.
Es hätte daher nahe gelegen, vor Erlass der Gutachtungsanordnung den Sachverhalt weiter aufzuklären und die Antragstellerin aufzufordern, eine Erklärung des Klinikums N…- … vorzulegen, ob dort eine Alkoholentzugstherapie stattgefunden hat. Darüber hinaus hätte um die Vorlage von Arztberichten des Klinikums hinsichtlich der Erkrankungen der Antragstellerin gebeten werden können. Damit hätte ggf. geklärt werden können, ob die Darm- und Hauterkrankungen ihre Ursache in einer Alkoholerkrankung haben. Die Bekundungen der Schwester der Antragstellerin haben demgegenüber wenig Gewicht, da diese nicht die behandelnde Ärztin war und ihre Angaben zu den Erkrankungen den Angaben der Antragstellerin im Klageverfahren erheblich widersprechen.
Die Begutachtungsanordnung ist aber nicht deswegen rechtswidrig, weil mit ihr nicht nur nach einer Alkoholabhängigkeit, sondern im Falle der Alkoholabhängigkeit auch nach einer erfolgreich abgeschlossenen Entziehungsbehandlung und einem einjährigen Abstinenzzeitraum gefragt worden ist. Auch dies sind Fragen, die von einem Arzt geklärt werden können. Nur die Frage, ob die Verhaltensänderung hinreichend stabil und motivational gefestigt ist, ist im Rahmen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV zu klären. Dass zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnung ein Abstinenzzeitraum von einem Jahr nicht eingehalten werden konnte, erscheint auch nicht sicher. Die Antragstellerin hat den Vorfall vom 25. Dezember 2015 als außergewöhnliches Ereignis dargestellt, bei dem es sich auch um einen einmaligen Lapsus i.S.d. Kriteriums A 1.7 N der Beurteilungskriterien (a.a.O., S. 132) gehandelt haben könnte.
3. Bei offenen Erfolgsaussichten der Klage sind die für und gegen die Antragstellerin sprechenden Umstände im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Für die Antragstellerin spricht, dass sie im Straßenverkehr bisher nicht auffällig geworden ist und grundsätzlich bereit ist, ein Gutachten beizubringen.
Zu ihren Lasten ist aber zu berücksichtigen, dass sie bei dem Vorfall am 25. Dezember 2015 eine BAK von fast 3 ‰ BAK erreicht hatte und nach Angaben der hinzugerufenen Polizeibeamten dabei noch relativ klar und ansprechbar war, was für eine erhebliche Alkoholgewöhnung spricht. Darüber hinaus war sie nach Trinkende auch noch in der Lage, sich ein Taxi zu organisieren und sich in das Anwesen bringen zu lassen, in dem ihr früherer Lebensgefährte wohnt. Bei nicht alkoholgewöhnten Personen kommt es aber schon bei einer BAK von 2,0 bis 2,5 ‰ zu schweren Rauschzuständen mit Bewusstseins- und Orientierungsstörungen (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Suchtmedizinische Reihe, Band 1, Alkoholabhängigkeit, S. 82).
Hinweise auf eine Alkoholabhängigkeit ergeben sich darüber hinaus auch aus dem widersprüchlichen Vortrag im Klageverfahren und der dort angegebenen gleichzeitigen Einnahme einer hohen Dosis an sedierenden Medikamenten und Alkohol. Die Antragstellerin trägt vor, die diagnostizierte Entzugssymptomatik habe an der Medikation gelegen, da sie trotz einer starken Belastung mit sedierenden Medikamenten Alkohol zu sich genommen habe. Den Gebrauchsinformationen für das von ihr angegebene Medikament Mitrazapin (abrufbar unter www.dimdi.de) lässt sich entnehmen, dass bei der Einnahme dieses Präparats keinerlei Alkohol getrunken werden sollte. Die Einlassungen der Antragstellerin deuten daher darauf hin, dass sie trotz dieser Hinweise zusätzlich zu der Medikamenteneinnahme erhebliche Mengen alkoholhaltige Getränke konsumiert und damit ganz bewusst ein gesundheitsschädliches Verhalten an den Tag gelegt hat.
Zum anderen ergeben sich Bedenken wegen ihres Verhaltens bezüglich eines Abstinenznachweises. Die Antragstellerin hat sich bereit erklärt, ein Gutachten beizubringen, aber geltend gemacht, sie müsse sich darauf vorbereiten. Trotz der erstmaligen Aufforderung durch die Antragsgegnerin bereits im August 2016 hat sie bis jetzt kein Gutachten beigebracht, sondern nur zwei Abstinenzbelege vorgelegt. Eine ärztliche Begutachtung hinsichtlich Alkoholabhängigkeit nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV bedarf aber regelmäßig weder einer Vorbereitung noch einer vollständigen Abstinenz und kann durch Abstinenzbelege nicht ersetzt werden. Es handelt sich um eine rein medizinische Untersuchung, bei der vorrangig die Alkoholanamnese erhoben und weitere körperliche Untersuchungen durchgeführt werden (vgl. zum Mindestuntersuchungsumfang bei Fragestellungen im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit beim medizinischen Teil einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, Nr. 8.3.4 Tabelle 7 der Beurteilungskriterien, S. 329). Ggf. können zur Verifizierung der Alkoholanamnese ein oder zwei unangekündigte Urinuntersuchungen durchgeführt und der Ethylglucuronidwert im Haar gemessen werden, mit dem auch ein erhöhter Alkoholkonsum festgestellt werden kann (s. Nr. 8.1.3 der Beurteilungskriterien, S. 254). Die gewünschte Vorbereitungszeit legt daher eher nahe, dass die Antragstellerin abwarten wollte, bis die zu erhebenden Werte sich reduziert haben. Darüber hinaus hat sie zuerst mitgeteilt, sie werde von November 2016 bis Januar 2017 an einem Abstinenzkontrollprogramm teilnehmen. Tatsächlich hat sie dann aber erst im Dezember 2016 damit begonnen. Dieses Verhalten spricht insgesamt dafür, dass bei der Antragstellerin tatsächlich ein Alkoholproblem vorliegt, bei dem sie Abstinenz einhalten muss, um fahrgeeignet zu sein.
Unter Abwägung der für und gegen die Antragstellerin sprechenden Umstände erscheint es daher nicht zu verantworten, sie vorübergehend weiter mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer hat Vorrang vor ihren persönlichen Interessen, die überwiegend darin bestehen, Einkäufe für ihren Hotelbetrieb tätigen zu können. Dabei wird nur behauptet, die Antragsstellerin müsse die Einkäufe selbst tätigen, es ist aber weder unter Nennung der Zahl und Aufgabenbereiche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Einkäufe nicht von anderen Personen oder z.B. über einen Lieferservice abgewickelt werden können.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, Anh. § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).