Arbeitsrecht

Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Mehrvergleichs

Aktenzeichen  6 Ta 186/16

Datum:
27.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 107192
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 33 Abs. 3, § 56 Abs. 2

 

Leitsatz

Beantragt die Partei PKH auch für einen Mehrvergleich, führt dies bezogen auf die nicht rechtshängigen Gegenstände des Vergleichs zu einer Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0 gemäß Nr. 1003 RVG VV.

Verfahrensgang

4 Ca 270/16 2016-11-14 Bes ARBGBAYREUTH ArbG Bayreuth

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth – Kammer Hof – vom 14.11.2016, Az.: 4 Ca 270/16, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Klägerin hat am 12.04.2016 Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich Prozesskostenhilfe beantragt. Im Gütetermin vom 07.07.2016 schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich nach Erörterung der Sach- und Rechtslage unter anderem mit dem Inhalt der Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Der Klagepartei wurde aufgegeben, zum PKH-Antrag noch Nachweise nachzureichen und es wurde beantragt, die Prozesskostenhilfe auf den Vergleich zu erstrecken. Mit Beschluss vom 20.07.2016 wurde der Klagepartei die Prozesskostenhilfe bewilligt, letztlich ohne Ratenzahlung. Der Vergleich wurde nicht widerrufen.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30.08.2016 begehrten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter anderem eine Einigungsgebühr von 1,5 und einen Erstattungsbetrag von insgesamt EUR 1.298,29. Mit Beschluss vom 08.09.2016 setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsgebühr von 1,0 an und kam zu einem Erstattungsbetrag von EUR 1.145,38. Gegen diesen Beschluss legten die Prozessbevollmächtigten am 30.09.2016 Erinnerung ein und machten weiter eine Einigungsgebühr von 1,5 geltend gemäß RVG VV 1003 Abs. 1 unter Verweis auf eine Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 13.10.2014, Az.: 13 Ta 342/14.
Der Rechtspfleger half der Erinnerung mit Beschluss vom 28.10.2016 nicht ab. Das Arbeitsgericht Bayreuth – Kammer Hof – wies mit Beschluss vom 14.11.2016 die Erinnerung zurück, da eine Erörterung der Sach- und Rechtslage zu einer Mitwirkung des Gerichts führe und deshalb eine Honorierung für eine Streitbeilegung ohne Anrufung des Gerichts nicht in Betracht komme. Das Arbeitsgericht ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Gegen diesen am 21.11.2016 zugestellten Beschluss legten die Prozessbevollmächtigten am 28.11.2016 sofortige Beschwerde ein, da es auf das Maß der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs nicht ankomme. Ein Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auch auf einen Vergleichsmehrwert führe nicht zu einer Anhängigkeit eines Verfahrens über die Prozesskostenhilfe im Sinne der Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 RVG VV. Die Prozessbevollmächtigten verweisen insoweit auf einen Beschluss des LAG Baden-Württemberg vom 27.04.2016, Az.: 5 Ta 118/15.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen mit Beschluss vom 01.12.2016 und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Hierzu haben die Prozessbevollmächtigten nochmals auf die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg verwiesen.
Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist zulässig.
Sie ist statthaft (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG). Sie konnte wegen der ausdrücklichen Zulassung durch das Erstgericht auch ohne Erreichung des Beschwerdewertes eingelegt werden, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG, und wurde innerhalb der Frist von zwei Wochen eingelegt, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG.
Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Einigungsgebühr für den Mehrwert des Vergleichs zu Recht mit 1,0 angesetzt.
Nach Nr. 1000 RVG VV beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Nach Nr. 1003 RVG VV beträgt die Einigungsgebühr jedoch nur 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig ist. Die Reduzierung auf 1,0 gilt nach Absatz 1 zu Nr. 1003 RVG VV – neben hier nicht interessierenden Fällen – auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
Im vorliegenden Ausgangsverfahren ist die Prozesskostenhilfe nicht lediglich für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt worden. Die Parteien haben nicht etwa im Vorfeld des anberaumten Gütetermins eine vergleichsweise Beilegung des Kündigungsrechtsstreits unter Einschluss bisher nicht rechtshängiger Streitgegenstände vereinbart. Sie haben auch nicht lediglich die Protokollierung eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO vorgenommen. Sie haben vielmehr nach den Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts über die Güteverhandlung den Vergleich nach Erörterung der Sach- und Rechtslage geschlossen. Der bereits in der Klageschrift gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde auf Antrag im Gütetermin auf den Mehrvergleich erstreckt. Das Arbeitsgericht wurde dabei nicht nur als so genanntes „Beurkundungsorgan“ tätig, weil es einer Erörterung im Gütetermin bedurfte. Dies genügt für die Anwendung der Nr. 1003 RVG VV (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2010, Az.: 6 Ta 237/10; LAG Schleswig-Holstein 18.11.2011, Az.: 1 Ta 191/11; LAG Baden-Württemberg 07.09.2010, Az.: 5 Ta 132/10; LAG Nürnberg 25.06.2009, Az.: 4 Ta 61/09; LAG München 17.03.2009, Az.: 10 Ta 394/07; jeweils mit weiteren Nachweisen).
Die von den Beschwerdeführern zitierten Beschlüsse des LAG Düsseldorf und des LAG Baden-Württemberg geben keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Durch die Erhöhung der Vergleichsgebühr von 1,0 auf 1,5 soll nach dem Gesetzeszweck das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, gefördert und belohnt werden. Eine Anrufung des Gerichts erfolgt gemäß der ausdrücklichen Anmerkung Nr. 1003 RVG VV aber auch dann, wenn – wie hier – ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig gemacht wird. Es ist nicht ersichtlich, warum die Regelung nur für ein dem Erkenntnisverfahren vorgeschaltetes – isoliertes – Prozesskostenhilfeverfahren gelten sollte, zumal ein solches nicht vorkommen dürfte, wenn lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird. Auch wenn Prozesskostenhilfe im laufenden Verfahren für die vergleichsweise Regelung zuvor nicht förmlich gestellter Anträge beantragt wird, wird das Arbeitsgericht in Anspruch genommen. Das Gericht ist insoweit nicht lediglich Beurkundungsorgan, sondern hilft im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage bei der Formulierung des Vergleichs. Es hat des Weiteren die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nochmals im Hinblick auf möglicherweise zwischenzeitlich eingetretene Änderungen zu überprüfen. Auch hat es zumindest zu prüfen, ob die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung mutwillig im Sinne von § 114 ZPO ist. Da die Prozesskostenhilfe im Hinblick auf einen bestimmten abzuschließenden Vergleich oder – wie hier – erst nach Vergleichsabschluss bewilligt wird, stehen auch die Streitgegenstände fest. Das Gericht wird daher nicht nur im Rahmen des Vergleichsabschlusses in Anspruch genommen, sondern insbesondere auch im Hinblick auf das Prozesskostenhilfeverfahren.
Zwar ist den Beschwerdeführern zuzugeben, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (16.02.2012, 3 AZB 34/11) Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs schon dann zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt. Für die erforderliche Erfolgsaussicht kommt es nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Die Möglichkeit, zu Lasten der Staatskasse Gegenstände in den Vergleich aufzunehmen, besteht jedoch nicht unbegrenzt. Es ist zu prüfen, ob Mutwilligkeit vorliegt. Das ist der Fall, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig sind, weil sie unstreitig sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung im Fall eines Mehrvergleichs befasst sich nicht mit den Gebührentatbeständen des RVG. Es besteht im Hinblick auf diese Rechtsprechung deshalb kein Anlass, den Beschwerdeführern für den Mehrwert des Vergleichs eine 1,5 Einigungsgebühr zuzusprechen. Dies ist entgegen der Ansicht des LAG Baden-Württemberg auch im Hinblick auf die Prüfungen im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens gerechtfertigt. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 12.03.2015, Az.: 5 Ta 51/15, an.
III.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG.

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