Verwaltungsrecht

Kein subsidiärer Schutz wegen des bewaffneten Konflikts in Afghanistan

Aktenzeichen  M 2 S 17.34212, M 2 S 17.34213

Datum:
23.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 3 S. 1, § 37 Abs. 1 S. 1, § 71
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

1 Da nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BeckRS 2016, 111567) gegen die Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist, muss vorläufiger Rechtsschutz gegen eine drohende Abschiebungsmaßnahme hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrags auch dann nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, wenn das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG) ist in der Hauptsache weiterhin die Verpflichtungsklage statthaft. Vorläufiger Rechtsschutz wird deshalb nach § 123 VwGO gewährt, wenn das Bundesamt keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat. Dem Bundesamt ist aufzugeben, der Ausländerbehörde den vorläufigen “Nichtvollzug” mitzuteilen. (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Weder aus dem Bericht des UNHCR vom Dezember 2016 noch aus dem UNAMA Bericht vom Februar 2017  ergibt sich ein so hoher Anstieg der Opferzahlen im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Afghanistan in den Zentralprovinzen einschließlich Kabuls, so dass jeder Zivilperson allein auf Grund ihrer Anwesenheit in diesen Regionen subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. An der bisherigen Rechtsprechung (BayVGH BeckRS 2017, 102447) wird deshalb festgehalten. (Rn. 23 und 28) (redaktioneller Leitsatz)
4 Arbeitsfähigen jungen afghanischen Staatsangehörigen drohen derzeit keine extremen Gefahren (§ 60 Abs. 7 AufenthG), auch wenn sie über kein Vermögen verfügen oder in Deutschland sozialisiert wurden. Abschiebungsschutz ist allerdings zu gewähren, wenn der Asylsuchende auf Grund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage ist, eine Existenz aufzubauen. (Rn. 36 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren M 2 S 17.34212 und M 2 E 17.34213 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
III. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des Antragstellers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.
IV. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils die Hälfte.

Gründe

I.
Der am … Juli 1995 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er und seine Familie wohnten ursprünglich in Kabul. Er reiste zusammen mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern nach eigenen Angaben am 21. September 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Mutter und die fünf Kinder stellten am 1. Oktober 2002 Asylanträge.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte die Asylanträge mit Bescheid vom 16. Juli 2003 zunächst ab. Aufgrund gerichtlicher Verpflichtung mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. November 2006 – M 23 K 03.51398 – juris stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 4. Januar 2007 fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliege. In der Begründung heißt es u.a., die alleinstehende Mutter mit ihren fünf Kindern sei nicht in der Lage, sich ohne Unterstützung des Familienverbands eine eigene Existenz aufzubauen. Nachdem der Antragsteller in den Jahren 2011 bis 2013 massiv straffällig geworden war (serienweise Einbruchsdiebstähle, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten, vorsätzliche Körperverletzung) und deswegen zuletzt zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden war, leitete das Bundesamt hinsichtlich des Antragstellers ein Widerrufsverfahren nach § 73c Abs. 2 AsylG ein und widerrief mit Bescheid vom 28. Juli 2014 das im Bescheid vom 4. Januar 2007 festgestellte Abschiebungsverbot. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, eine extreme Gefahrenlage, die zur Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geführt habe, sei zwischenzeitlich nicht mehr gegeben. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 3. Dezember 2014 – M 25 K 14.30909 – n.V. ab. Einen (ersten) Wiederaufgreifensantrag zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 9. Dezember 2016 ab (lt. Begründung des streitgegenständlichen Bescheids).
Am 14. Februar 2017 stellte der Antragsteller beim Bundesamt unter Verweis auf ein Schreiben des Bevollmächtigten vom 9. Februar 2017 einen (erneuten) Folgeantrag. Zur Begründung wurde in diesem Schreiben im Wesentlichen vorgebracht, dass der Antragsteller in Deutschland sozialisiert sei, weder mit dem islamischen Glauben vertraut sei, noch die wichtigsten religiösen Regeln kenne, sowie lediglich gebrochen Dari spreche. Aufgrund des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Afghanistan seien auch die Voraussetzungen des § 4 AsylG gegeben. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien gegeben. Die Sachlage habe sich aufgrund der Ausführungen des UNHCR in seiner Stellungnahme im Dezember 2016 geändert.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2017, beim Bevollmächtigten des Antragstellers eingegangen am 27. Februar 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.) und lehnte den „Antrag auf Abänderung der Bescheide vom 28. Juli 2014 (…) und vom 9. Dezember 2016 (…) bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes“ ab (Ziffer 2.). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Der Wiederaufgreifensgrund der Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sei nicht gegen. Der vorgelegte UNHCR-Bericht beziehe sich zwar auf eine gestiegene Zahl von Selbstmordanschlägen in Kabul, jedoch werde hierdurch nicht die Schwelle zum Vorliegen einer nötigen Schwere eines innerstaatlichen Konflikts im Stadtgebiet Kabul erreicht. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegeben. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen nicht vor.
Am 6. März 2017 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und beantragen, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2017 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten, hinsichtlich des Antragstellers internationalen Schutz gemäß §§ 3 ff., 4 AsylG, hilfsweise nationale Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG festzustellen. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wird unter dem Aktenzeichen M 2 K 17.34208 geführt. Zudem ließ der Antragsteller ebenfalls am 6. März 2017 beim Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Aktenzeichen: M 2 S. 17.34212), sowie ferner sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass der Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 16. Februar 2017 nicht nach Afghanistan abgeschoben werden darf (Aktenzeichen M 2 E 17.34213). Zur Begründung der beiden Anträge ließ der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vortragen: Entgegen der Ausführungen der Antragsgegnerin seien die Voraussetzungen der § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben. Der Bericht des UNHCR aus 12/2016 stelle eine Änderung der Sachlage durch ein geeignetes Beweismittel dar. Der UNHCR stelle präzise dar, dass in Afghanistan das gesamte Staatsgebiet von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen sei. Der Gefahrengrad sei teilweise so hoch, dass alle Zivilisten allein durch ihre Anwesenheit hiervon betroffen seien. Im Laufe des Jahres 2016 habe sich der innerstaatliche Konflikt in Afghanistan weiter ausgebreitet und sei durch eine Fragmentierung und Stärkung der aufständischen Kräfte gekennzeichnet. Der UNHCR widerlege die Annahme des Bundesamtes, es gäbe in Afghanistan keine Provinz, in der generell ein Gefährdungsgrad für Zivilpersonen angenommen werden könne, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr durch die bloße Rückkehr dort rechtfertige. Auch die Argumentation, alleinstehende junge Männer bedürften keines Schutzes, da sie generell in der Lage seien, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen, sei überholt. Das Bundesamt müsse die Vielzahl von Berichten aus den Jahren 2015 – 2017, wonach sich die Wirtschafts- und Sicherheitslage extrem verschlechtert habe, zwingend berücksichtigen. Gefahrerhöhende wirke, dass der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland sozialisiert sei und mit den Bräuchen und Gegebenheiten in Afghanistan nicht vertraut sei, insbesondere fehlten ihm jegliche religiöse Kenntnisse. Aufgrund seiner mangelnden Sprachkenntnisse wäre er für die einheimische Bevölkerung sofort als Ausländer bzw. Auslandsrückkehrer erkennbar. Weiterhin müsse berücksichtigt werden, dass der Antragsteller behandlungsbedürftig erkrankt sei. Zur Vorlage kamen u.a. Kopien des Bescheids des Bundesamts vom 4. Januar 2007, die Urteile des Verwaltungsgerichts München vom 15. November 2006 und vom 3. Dezember 2014, das Schreiben des Bevollmächtigten vom 9. Februar 2017, eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 6. März 2017, der streitgegenständliche Bescheid vom 16. Februar 2017, ein ärztliches Attest des Oberarztes Prof. Dr. … und der Assistenzärztin … …, Klinikum der Universität …, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 6. März 2017 sowie „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern Dezember 2016“. In dem ärztlichen Attest vom 6. März 2017 heißt es u.a., der Antragsteller befinde sich seit 1. Oktober 2015 in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung in der psychiatrischen Migrationsambulanz, der letzte Kontakt sei am 3. März 2017 gewesen. Der Antragsteller sei in Vorbehandlung wegen rezidivierender depressiver Störung gewesen, aktuell leide er an einer Anpassungsstörung aufgrund psychosozialer Belastungssituation. Der Antragsteller habe sich am 16. Januar 2017 notfallmäßig vorgestellt. Er habe berichtet, er habe am 15. Januar 2017 seine Rückkehr nach Afghanistan antreten sollen. Er habe freiwillig nach Afghanistan ausreisen wollen, so wie es mit der Ausländerbehörde vereinbart worden sei. Allerdings habe er in Bezug auf den Abflugtermin am Sonntag zunehmend starke Ängste und Panik entwickelt. Er habe in einem Anflug von tiefster Verzweiflung versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden bzw. dann vor die U-Bahn zu springen. Seine Freundin habe die Polizei informiert. Nachdem seine Verletzungen in der Notaufnahme versorgt worden seien, habe ihn die Polizei in das …Klinikum … gebracht. Er habe sich um die Chance einer freiwilligen Ausreise gebracht. Jetzt wisse er nicht mehr weiter und mache sich große Vorwürfe. Die Vorstellung, allein in Afghanistan zurechtkommen zu müssen, sei unerträglich. Die Bedeutung der Abschiebung sei ihm in den letzten Tagen bewusst geworden. Seitdem könne er nachts nur 2 – 3 Stunden schlafen, er wache schweißgebadet auf und komme nicht mehr zur Ruhe. Tagsüber fühle er sich müde und erschöpft, gleichzeitig getrieben und unruhig. Die Vorstellung, seine Mutter und die Geschwister zu verlassen und womöglich nicht mehr sehen zu können, sei unerträglich für ihn. Er wisse nicht mehr weiter und habe Angst, dass er sich wieder etwas antun könne. Aus ärztlicher Sicht stellte die Rückführung eine erhebliche Belastung für den Antragsteller dar. Die Selbstverletzungen und der Suizidversuch zeigten die Überforderung und Verzweiflung des Antragstellers. Der Antragsteller sei unter den gegenwärtigen Bedingungen in Afghanistan und mit seiner psychiatrischen Erkrankung nicht in der Lage, ein Existenzminimum erwirtschaften zu können. Der psychopathologische Zustand des Antragstellers habe sich seit dem Abschiebungstermin deutlich verschlechtert, da dieser mit einer konkreten Bedrohungssituation konfrontiert ist. Die ständige Angst vor der Abschiebung, was glaubhaft eine ständige Ausnahmesituation und einen hohen Stressfaktor für den Antragsteller bringe, bedeute einen dramatischen Leidensdruck. Aus ärztlicher Sicht solle daher die Rückkehr nach Afghanistan und auch die Bedrohung mit einer Abschiebung vermieden werden.
Mit Schreiben vom 8. März 2017 legte das Bundesamt Akten vor, die dem Richter allerdings erst am 22. März 2017 zur Kenntnis gelangt waren. Die vorgelegten Akten sind offensichtlich unvollständig, da sie – vom Vorlageschreiben abgesehen – mit einem Vermerk vom 16. März 2007 enden (der vom Gericht angenommene Sachverhalt ergibt sich deshalb weitgehend aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen).
II.
Die Verbindung der Verfahren über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Az. M 2 S. 17.34212) und den Antrag nach § 123 VwGO (Az. M 2 E 17.34213) beruht auf § 93 Satz 1 VwGO.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig (sogleich 1.), aber unbegründet (sogleich 3.). Der Antrag gemäß § 123 VwGO ist zulässig (sogleich 2.) und hat auch in der Sache Erfolg (sogleich 4.):
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig durch Ziffer 1. des Bescheids vom 16. Februar 2017. In diesem Sinne war das Antragsbegehren des Antragstellers auszulegen (§ 88 VwGO).
Bislang war vorläufiger Rechtschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen im Falle der Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) nur dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag – wie hier nicht – eine erneute Abschiebungsandrohung gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 Abs. 1 AsylG erlassen hatte und dadurch das Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung) eröffnet war. Hatte das Bundesamt hingegen in Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keine erneute Abschiebungsandrohung verfügt, dann war das Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO (i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG) mangels Anfechtungsklage (gegen eine Abschiebungsandrohung) in der Hauptsache nicht eröffnet. Vorläufiger Rechtsschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen wurde im letztgenannten Fall vielmehr nach § 123 VwGO gewährt. Ziel eine solchen Antrags war die Verpflichtung des Bundesamts, eine Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die Ausländerbehörde zu unterlassen oder diese rückgängig zu machen bzw. die Ausländerbehörde davon in Kenntnis zu setzen, dass trotz der Mitteilung keine Abschiebungsmaßnahmen durchgeführt werden dürfen (vgl. zum Ganzen: Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2016, § 71 Rdnr. 379 ff., 388 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 71, Rdnr. 118 ff.)
Daran ist nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 für die Fallgestaltung, dass das Bundesamt keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat, nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten:
Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rdnr. 15 ff.). Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageantrag betrachtet worden war, ist daran aufgrund der Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts durch das Integrationsgesetz nicht festzuhalten (so ausdrücklich BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 17).
Ist nunmehr gegen die Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft, dann kann und – wegen § 123 Abs. 5 VwGO – muss vorläufiger Rechtsschutz gegen eine drohende Abschiebungsmaßnahme hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrags auch dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, wenn das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat. Der (Hilfs-)Konstruktion eines gegen die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichteten Antrags nach § 123 VwGO bedarf es nicht mehr. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich in diesem Fall auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig. Wird diesem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen, dann dürfen aus der Ablehnung des Folgeantrags einstweilen keine Folgen mehr gezogen werden bzw. ist von einer vorläufigen Wirksamkeitshemmung auszugehen (vgl. zur Wirksamkeits- oder Vollziehbarkeitstheorie: Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rdnr. 5 f.). Der betroffene Ausländer ist im Ergebnis zumindest so zu stellen, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Damit scheidet insbesondere eine Abschiebung des Ausländers einstweilen aus. Das Bundesamt hat die zuständige Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzen.
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG im Falle eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts nur in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 AsylG unwirksam wird, nicht hingegen in jenem des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG und somit nicht im vorliegenden Fall der Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG als unzulässig (vgl. dazu auch BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 19, wonach erst die Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG – und nicht schon ein erfolgreicher Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO – dazu führt, dass das Asylverfahren fortzusetzen ist, was aus dem Rechtsgedanken des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG abgeleitet wird). Regelungsinhalt des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist nämlich, dass die dort genannten Unzulässigkeitsentscheidungen bereits durch einen erfolgreichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO – nicht nur vorläufig, sondern endgültig – unwirksam werden und es hierzu nicht erst der Aufhebung in einem nachgelagerten Klageverfahren bedarf (vgl. zur insoweit vergleichbaren Vorgängervorschrift: Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2016, § 37 Rdnr. 4; Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 37 Rdnr. 2). In Bezug auf den einstweiligen Rechtsschutz ergibt sich indes schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zu einer – nur das interessiert hier – vorläufigen Nichtvollziehbarkeit oder Wirksamkeitshemmung führt (vgl. dazu Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 80 Rdnr. 5 f.). Mit dieser vorläufigen Wirkung ist dem Rechtsschutzauftrag des einstweiligen Rechtschutzes auch erschöpfend Genüge getan.
Es besteht auch kein Anlass zu der Annahme, dass die Antragsgegnerin einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Ablehnung eines Folgeantrags von vornherein keine Beachtung schenken wird. Auch ist es dem Bundesamt unschwer möglich, die zuständige Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu informieren. Sollte es in Einzelfällen dazu kommen, dass die aufschiebende Wirkung missachtet wird, so kann der betroffene Ausländer Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO beantragen (vgl. dazu Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 80 Rdnr. 110).
2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig als (hilfsweiser) Antrag auf vorläufigen Rechtschutz zur Sicherung eines Anspruchs des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. In diesem Sinne war das Antragsbegehren des Antragstellers auszulegen (§ 88 VwGO).
Anders als hinsichtlich des Folgeantrags nach § 71 AsylG – der lediglich den Asylantrag und somit lediglich die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und die Zuerkennung internationalen Schutzes nach §§ 3 ff, 4 AsylG umfasst (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG) – ist hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in der Hauptsache weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rdnr. 20 a.E.). Dies folgt daraus, dass das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge zusätzlich festzustellen hat, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (dazu BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 18 und 20). In Bezug auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hat sich das Bundesamt somit anlässlich einer Entscheidung über einen Folgeantrag sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen (BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 20). Es darf sich nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hat es – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – „festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen“ (rechtswidrig war es deshalb, dass sich das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid auch hinsichtlich der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG mit der bloßen Prüfung von Wiederaufnahmegründen begnügt hat). Stellt das Bundesamt fest, dass keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen oder trifft es – wie vorliegend – entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG die vorgesehene Feststellungsentscheidung nicht, dann kann der betroffene Ausländer zusätzlich zu der gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig gerichteten Anfechtungsklage (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erheben (s. BVerwG, a.a.O., juris Rdnr. 20 a.E.).
Für den vorläufigen Rechtsschutz gegen drohende Abschiebungsmaßnahmen anlässlich der Ablehnung eines Folgeantrags, den der Ausländer darauf stützt, dass entgegen der Entscheidung des Bundesamts nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ergibt sich daraus Folgendes: Vorläufiger Rechtsschutz kann und – wegen § 123 Abs. 5 VwGO – muss (wie bisher schon) in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, wenn das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag eine erneute Abschiebungsandrohung gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 Abs. 1 AsylG erlassen hat. In dieser Fallkonstellation ist gemäß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG der Weg zu einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO „gegen die Abschiebungsandrohung“ eröffnet. Fehlt es hingegen – wie vorliegend – an einer erneuten Abschiebungsandrohung, dann ist für einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mangels Anfechtungsklage in der Hauptsache kein Raum: Gibt es keine erneute Abschiebungsandrohung, dann gibt es auch in der Hauptsache keine Anfechtungsklage gegen eine Abschiebungsandrohung, der Verweis gemäß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG auf den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO „gegen die Abschiebungsandrohung“ geht ins Leere. Hinsichtlich der vom Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu treffenden Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, ist in der Hauptsache – wie oben ausgeführt – nicht die Anfechtungsklage, sondern eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft. Auch insoweit gibt es deshalb keine Anfechtungsklage, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte. Scheidet mithin in den Fällen ohne erneute Abschiebungsandrohung hinsichtlich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO aus, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zweckes (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf (auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann hingegen nicht abgestellt werden, da diese allein den Folgeantrag nach § 71 AsylG betrifft).
3. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 16. Februar 2017 ist unbegründet.
Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig gilt der Prüfungsmaßstab der „ernstlichen Zweifel“: Denn für Fälle, in denen mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kraft einfachen Rechts für das gerichtliche Eilverfahren den Maßstab des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG bestimmt. Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz daher nur gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris Rdnr. 22). Daran ändert auch nichts, dass es vorliegend nicht um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG „gegen die Abschiebungsandrohung“ geht: Der Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf § 36 Abs. 4 AsylG gilt unabhängig davon, ob zugleich auch der Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf § 36 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Ferner bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Ziffer 1. des Bescheids vom 16. Februar 2017. Das Bundesamt hat den Folgeantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG):
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rdnr. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat.
Der Antragsteller beruft sich auf den UNHCR-Bericht vom Dezember 2016, genauer gesagt auf die „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern Dezember 2016“. Der Bericht des UNHCR aus 12/2016 stelle eine Änderung der Sachlage durch ein geeignetes Beweismittel dar. Nach dem Bericht sei das gesamte Staatsgebiet von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen. Der Gefahrengrad sei teilweise so hoch, dass alle Zivilisten allein durch ihre Anwesenheit hiervon betroffen seien. Im Laufe des Jahres 2016 habe sich der innerstaatliche Konflikt in Afghanistan weiter ausgebreitet und sei durch eine Fragmentierung und Stärkung der aufständischen Kräfte gekennzeichnet. Der UNHCR widerlege die Annahme des Bundesamtes, es gäbe in Afghanistan keine Provinz, in der generell ein Gefährdungsgrad für Zivilpersonen angenommen werden könne, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr durch die bloße Rückkehr dort rechtfertige.
Dieses Vorbringen zielt auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Danach gilt als zur subsidiären Schutzberechtigung führender ernsthafter Schaden u.a. auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dem UNHCR-Bericht aus dem Dezember 2016 lässt sich indes kein Sachverhalt entnehmen, der geeignet wäre, auch nur möglicherweise zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu gelangen:
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) besteht und dass es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte unter anderem einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletztenrisikos bedarf (dazu statt vieler: BayVGH, U. v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rdnr. 4 ff. m.w.N. v.a. aus der Rspr. d. BVerwG). Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Betroffenen fehlen, nur ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist somit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BayVGH, a.a.O., juris Rdnr. 5 m.w.N.). Zur Ermittlung der für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist dabei aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsprovinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei ein Risiko von ca. 1:800 oder 0,125%, in der Herkunftsprovinz verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der für den subsidiären Schutz beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich das Fehlen einer wertenden Gesamtbetrachtung neben der rein quantitativen Ermittlung nicht auszuwirken vermag (BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rdnr. 22 f.; dazu auch BayVGH, a.a.O., juris Rdnr. 6 f. m.w.N.).
An diesen, in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gefestigten Maßstäben gemessen, vermag das auf den UNHCR-Bericht vom Dezember 2016 gestützte Vorbringen des Antragstellers schon im Ansatz nicht aufzuzeigen, dass die für die Feststellung einer individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erforderliche Gefahrdichte auch nur möglicherweise annähernd erreicht worden ist:
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bis in die jüngste Vergangenheit hinein die Einschätzung bestätigt hat, dass gemessen an den aktuellen Erkenntnismitteln weiterhin davon auszugehen ist, dass das Risiko, durch willkürliche Gewalt infolge eines bewaffneten Konflikts Schaden zu erleiden, in der Zentralregion, welche auch die Heimatprovinz des Antragstellers, Kabul, umfasst, weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt (BayVGH, B. v. 30.1.2017 – 13a ZB 16.30824 – juris Rdnr. 5, B. v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rdnr. 9, B. v. 20.12.2016 – 13a ZB 16.30129 – juris Rdnr. 7, B. v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – juris Rdnr. 10, U. v. 1.2.2013 – 13a B 12.30045 – juris Rdnr. 15 jew. m.w.N.). An dieser Einschätzung hat insbesondere auch die in den UNHCR-Richtlinien vom April 2016 beschriebene Entwicklung und Bewertung nichts geändert (BayVGH, B. v. 25.1.2017, a.a.O., juris Rdnr. 11, B. v. 20.12.2016, a.a.O., juris Rdnr. 9, B. v. 17.8.2016, a.a.O., juris Rdnr. 10). Der Antragsteller hat nicht schlüssig dargelegt, inwiefern sich aus dem UNHCR-Bericht vom Dezember 2016 ergeben soll, dass die Schwelle beachtlicher Wahrscheinlichkeit mittlerweile möglicherweise erreicht wäre. In diesem Zusammenhang genügt es keinesfalls, unsubstantiiert auf eine weitere Verschlechterung der Gefährdungslage hinzuweisen, etwa, dass sich laut dem UNHCR-Bericht von Dezember 2016 der innerstaatliche bewaffnete Konflikt weiter ausgebreitet habe. Der Antragsteller lässt nicht schlüssig darlegen, inwiefern die konkreten Opferzahlen so massiv angestiegen wären, so dass zwischenzeitlich möglicherweise eine ausreichende Gefahrendichte vorhanden wäre. Dem Bericht lässt sich derartiges auch nicht einmal ansatzweise entnehmen: Die dort genannten Opferzahlen (1.601 zivile Tote und 3.565 verletzte Zivilpersonen in der ersten Jahreshälfte 2016 in ganz Afghanistan) sowie der dort genannte Anstieg (4% gegenüber der absoluten Zahl der Opfer im Verhältnis zu den ersten sechs Monaten 2015), geben jedenfalls keinen Anlass zu der Annahme, das bislang sehr weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegende Risiko, in Kabul ziviles Opfer willkürlicher Gewalt infolge eines bewaffneten Konflikts zu werden, könnte nunmehr möglicherweise im Sinne einer ausreichenden Gefahrdichte erhöht sein.
Entscheidend hinzu kommt, dass der UNHCR-Bericht vom Dezember 2016 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ohnehin durch den UNAMA – Bericht vom Februar 2017 (UNAMA, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2016, Februar 2017, im Internet abrufbar unter: https://unama.unmissions.org) überholt ist (vgl. als aktuelles Erkenntnismittel ferner auch den EASO-Bericht vom November 2016: EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan, Security Situation, November 2016, im Internet abrufbar unter https://www.easo.europa.eu): Der Antragsteller stammte ursprünglich aus Kabul, so dass hinsichtlich der Gefahrensituation primär auf diese Region abzustellen ist. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) und das European Asylum Support Office (EASO) ordnen die Provinz Kabul (mit der Stadt Kabul) und die Provinzen Kapisa, Panjshir, Parwan, Wardak, Logar der Zentralregion Afghanistans zu. Aus dem EASO-Bericht (a.a.O.) vom November 2016 ergibt sich, dass in der Provinz Kabul 4.372.977 Menschen leben, davon mindestens 3.678.034 in der Stadt Kabul, sowie in allen Provinzen der Zentralregion zusammen 6.620.308 Menschen. Aus dem UNAMA-Bericht vom Februar 2017 (a.a.O., S. 4) geht wiederum hervor, dass in der Zentralregion insgesamt 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) des bewaffneten Konflikts zu beklagen waren. Mithin ergibt sich auf der Grundlage der Zahlen für 2016 für die Zentralregion ein Risiko von 0,0355%, als Zivilperson Opfer des bewaffneten Konflikts zu werden. Vergleicht man die Bevölkerungszahl allein der Stadt Kabul mit der Anzahl der Opfer in der gesamten Zentralregion (unterstellte man also, alle Opfer der Zentralregion entfielen auf die Stadt Kabul), errechnet sich ein Risiko von 0,0638%. Wenngleich die von UNAMA und EASO ermittelten Zahlen nicht exakt sein können, weil die Listen der Vorfälle nicht unbedingt erschöpfend sind und in Einzelfällen nur schwer zwischen Opfern eines bewaffneten Konflikts und von Kriminalität unterschieden werden kann, so vermitteln sie jedenfalls eine realistische Basis, die eine verlässliche Risikobewertung ermöglichen. Danach ist unverändert davon auszugehen, dass die Situation u.a. in den Zentralprovinzen nicht durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Die festgestellten Risiken von 0,0355% bzw. 0,0638% liegen weiterhin sehr deutlich unter der Gefahrendichte von 1:800 oder 0,125%, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts so weit von der Schwelle den subsidiären Schutz beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich das Fehlen einer wertenden Gesamtbetrachtung neben der rein quantitativen Ermittlung nicht auszuwirken vermag. Dem gefundenen Ergebnis steht deshalb auch nicht die im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende unzureichende medizinische Versorgungslage in Afghanistan entgegen, die eine Notfallbehandlung Schwerverletzter nur eingeschränkt ermöglichen dürfte. Hinsichtlich individueller gefahrerhöhender Umstände in der Person des Antragstellers, die das allgemeine Risiko, als Zivilperson Opfer eines bewaffneten Konflikts zu werden, erhöhen könnten, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die vom Antragsteller im Antragsschriftsatz genannten „gefahrerhöhenden Momente“ sind schon im Ansatz nicht geeignet, die von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG umfasste Gefahr, als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts getötet oder verletzt zu werden – nur hierum geht es an dieser Stelle -, zu erhöhen (zur „Gefahrerhöhung“ im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG siehe sogleich).
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Zuerkennung subsidiären Schutzes an den Antragsteller wohl ohnehin durch § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ausgeschlossen wäre, weil schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Diese Voraussetzung dürfte in der Person des Antragstellers gegeben sein, da er nach Aktenlage wegen massiver Straftaten in den Jahren 2011 bis 2013 (serienweise Einbruchsdiebstähle, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten, vorsätzliche Körperverletzung) zuletzt zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden war. Allein die Höhe dieser Jugendstrafe zeigt, dass es sich um schwere Straftaten gehandelt hat. In diesem Zusammenhang weist das Gericht auf die Neuregelung des § 54 Abs. 1 AufenthG hin, wonach das Ausweisungsinteresse sogar besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrere vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist (vgl. dazu auch VG München, U. v. 13.5.2016 – M 4 K 14.31011 – juris Rdnr. 14).
4. Der Antrag nach § 123 VwGO ist begründet. Der Antragsteller hat hinsichtlich des zu sichernden materiellen Anspruchs auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG die für Anordnungsanspruch (sogleich a)) und Anordnungsgrund (sogleich b)) maßgeblichen Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO).
a) Es besteht ein Anordnungsanspruch, weil gemessen an den vom Antragsteller glaubhaft gemachten Tatsachen – entscheidend ist insbesondere das ärztliche Attest vom 6. März 2017 – zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag davon auszugehen ist, dass beim Antragsteller die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.
Das Bestehen einer sich allein aus individuellen Umständen ergebenden erheblichen konkrete Gefahr i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere sind hinsichtlich der vorgebrachten psychiatrischen Erkrankung (siehe das ärztliche Attest vom 6. März 2017) keine Tatsachen glaubhaft gemacht, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Voraussetzungen eines krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses (s. dazu BVerwG, U. v. 25.11.1997 – Az. 9 C 58.96 – juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris; OVG NW, U. v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris) bestehen könnten.
Soweit sich der Antragsteller auf eine extrem verschlechterte Wirtschafts- und Sicherheitslage beruft, ist eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG angesprochen. Diese kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 – 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Antragsteller angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2; zum Ganzen: BayVGH, U. v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rdnr. 14).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 – 1 B 60.06 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226; zum Ganzen: BayVGH, U. v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rdnr. 15 f.).
Vorliegend hat der Antragsteller Tatsachen glaubhaft gemacht, aufgrund derer zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über diesen Eilantrag davon auszugehen ist, dass sich die schlechte Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan (siehe dazu den Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016, S. 21 ff.) in seinem besonderen Einzelfall ausnahmsweise derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass von Verfassungs wegen eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist.
Im Ausgangspunkt ist allerdings zunächst festzustellen, dass das Gericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage unverändert daran festhält, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Insbesondere gilt entgegen der Auffassung des Antragstellers nach wie vor, dass ein arbeitsfähiger, gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (BayVGH, B. v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rdnr. 12 m.w.N.; B. v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rdnr. 4 m.w.N.; B. v. 20.12.2016 – 13a ZB 16.30129 – juris Rdnr. 10). An dieser Einschätzung vermag insbesondere der vom Antragsteller vorgelegte UNHCR-Bericht vom Dezember 2016 nichts zu ändern: In diesem wird ausdrücklich konstatiert, dass UNHCR seine in der Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom April 2016 vorgenommene Bewertung der Risikoprofile aufrecht erhält (S. 3). In den UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 (im Internet abrufbar unter: http://www.refworld.org) vertritt der UNHCR indes selbst die Auffassung, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage sind, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen zu leben (S. 10; vgl. hierzu und auch im Übrigen zu den UNHCR-Richtlinien: BayVGH, B. v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rdnr. 11; B. v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rdnr. 5).
Zu keiner hinreichenden Gefahrenverdichtung führt auch der vom Antragsteller vorgebrachte Umstand, dass er in der Bundesrepublik Deutschland sozialisiert sei und mit den Bräuchen und Gegebenheiten in Afghanistan nicht vertraut sei, ihm insbesondere die religiösen Kenntnisse fehlten. Die o.g. Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich der arbeitsfähigen, gesunden Männer gilt auch bei Afghanen, die im Ausland geboren sind und die sich niemals oder nur kurz in Afghanistan aufgehalten haben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie eine der Landessprachen beherrschen. Ein spezielles „Vertraut sein mit den afghanischen Verhältnissen“ ist nicht erforderlich (BayVGH, B. v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rdnr. 7; B. v. 20.12.2016 – 13a ZB 16.30129 – juris Rdnr. 10 m.w.N; B. v. 19.12.2014 – 13a ZB 14.30065 – juris Rdnr. 7 m.w.N.). Nicht glaubhaft machen konnte der Antragsteller in diesem Zusammenhang, dass seine Dari-Kenntnisse nicht hinreichend wären: Es ist gerichtlich festgestellt, dass der Antragsteller jedenfalls auf einfachem Niveau in der Lage ist, sich auf Dari zu verständigen, ferner, dass er selbst erklärt hat, mit seiner Mutter, mit der zusammen er bis zu seiner Inhaftierung in einer Wohnung in … gewohnt hat, ausschließlich Dari zu sprechen (siehe das vom Antragsteller vorgelegten Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 3. Dezember 2014 – M 25 K 14.30909 – n.V., UA S. 7). Soweit sich der Antragsteller nunmehr im Gegensatz zu diesen gerichtlichen Feststellungen erneut auf seine angeblich mangelnden Sprachkenntnisse beruft, wertet dies das Gericht als Schutzbehauptung, woran auch die insoweit abgegebene eidesstattliche Versicherung nichts zu ändern vermag.
Tatsachen, die zu einer Verdichtung zu einer extremen Gefahrenlage geführt haben, hat der Antragsteller allerdings durch Vorlage des ärztlichen Attests vom 6. März 2017 glaubhaft gemacht: Hierbei handelt es sich um ein aktuelles Attest, das von einem Oberarzt und einer Assistenzärztin des Klinikums der … … Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, ausgestellt ist. Danach leidet der Antragsteller, der sich dort regelmäßig seit 1. Oktober 2015, aktuell wieder seit 16. Januar 2017 und zuletzt am 3. März 2017 in psychiatrischer Behandlung befunden habe, nach Vorbehandlung wegen einer rezidivierenden depressiven Störung derzeit unter einer Anpassungsstörung aufgrund psychosozialer Belastungssituation. Am 15. Januar 2017 habe er in einem Anflug tiefster Verzweiflung einen Suizidversuch unternommen (Versuch, sich die Pulsadern aufzuschneiden bzw. vor die U-Bahn zu springen). Grund hierfür seien starke Ängste und Panik gewesen, weil er an diesem Tag seine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan hätte antreten sollen. Seitdem wisse er nicht mehr weiter und mache sich große Vorwürfe. Er habe sich um die Chance einer freiwilligen Ausreise gebracht. Die Vorstellung, ohne seine Familie in Afghanistan alleine zurechtkommen zu müssen, sei für ihn unerträglich. Seitdem könne er nachts nur 2 – 3 Stunden schlafen, er wache schweißgebadet auf und komme nicht mehr zur Ruhe. Tagsüber fühle er sich müde und erschöpft, gleichzeitig getrieben und unruhig. Er habe Angst, dass er sich wieder etwas antun könne. Aus ärztlicher Sicht stellte die Rückführung eine erhebliche Belastung für den Antragsteller dar. Der psychopathologische Zustand des Antragstellers habe sich seit dem Abschiebungstermin deutlich verschlechtert, da dieser mit einer konkreten Bedrohungssituation konfrontiert ist. Die ständige Angst vor der Abschiebung, was glaubhaft eine ständige Ausnahmesituation und einen hohen Stressfaktor für den Antragsteller bringe, bedeute einen dramatischen Leidensdruck. Die Selbstverletzungen und der Suizidversuch zeigten die Überforderung und Verzweiflung des Antragstellers. Der Antragsteller sei unter den gegenwärtigen Bedingungen in Afghanistan und mit seiner psychiatrischen Erkrankung nicht in der Lage, ein Existenzminimum erwirtschaften zu können. Mithin liegt ein aktuelles, fachärztliches Attest vor, in dem trotz gewisser Zweifelsfragen für eine Glaubhaftmachung hinreichend substantiiert dargestellt wird, dass und warum der Antragsteller jedenfalls derzeit an einer psychiatrischen Erkrankung leidet und wie sich diese Erkrankung konkret zeigt. Für vorliegendes Eilverfahren hinreichend glaubhaft gemacht ist damit auch, dass der Antragsteller im Falle seiner Abschiebung aufgrund seiner Erkrankung und unter Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Afghanistan jedenfalls derzeit nicht in der Lage wäre, sich durch eine Erwerbstätigkeit ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Beim Antragsteller handelt es sich derzeit nach Maßgabe des Attests gerade nicht um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann, der ohne erhebliche konkrete Gefährdung für Leib und Leben in sein Heimatland zurückgeführt werden könnte.
b) Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Ohne einstweilige Anordnung wäre die Ausländerbehörde jedenfalls asylrechtlich nicht gehindert, die Abschiebung des Antragstellers zu vollziehen. Dies würde den zu sichernden Anspruch des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG offensichtlich vereiteln. Zur Sicherung dieses Anspruchs ist es erforderlich, aber auch ausreichend (keine Vorwegnahme der Hauptsache), der Antragsgegnerin aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des Antragstellers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen