Medizinrecht

Keine Rückforderung einer geleisteten Krankenhauszahlung durch Aufrechnung

Aktenzeichen  S 39 KR 1348/16

Datum:
22.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 39 Abs. 1, § 109 Abs. 4 S. 3, § 275 Abs. 1c, § 301 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2, Abs. 3
KHEntgG KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
BGB BGB § 812, § 814
KHG KHG § 17b Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1 Grundsätzlich ist die Aufrechnung im Bereich der Krankenhausabrechnung zulässig, wenn ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch besteht. Dafür ist die Rechnungsprüfung innerhalb von sechs Wochen einzuleiten. Das gilt nicht, wenn die Rechnung im Zeitpunkt der Einleitung noch nicht fällig war. Die unvollständige Übermittlung von Daten nach § 301 SGB V führt dazu, dass die Forderung nicht fällig wird (Anschluss an BSG BeckRS 2016, 113302). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ergeben sich Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Abrechnung oder liegt eine Verletzung der Informationspflichten zur Abrechnungsgrundlage durch das Krankenhaus vor, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der Krankenkasse die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts durch Herausgabe der Behandlungsunterlagen mitzuwirken; die Sechs-Wochen-Frist gilt nicht (Anschluss an BSG BeckRS 2014, 73500).   (redaktioneller Leitsatz)
3 Maßgeblich ist der konkret kodierte OPS im Einzelfall (hier OPS-Kode 8-981.1). Bei diesem sind in zahlreichen Konstellationen keine Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V zu melden. (redaktioneller Leitsatz)
4 Leistet eine Krankenkasse vorbehaltlos auf eine Krankenhausabrechnung in Kenntnis der fehlenden Verpflichtung zur Leistung, ist die Rückforderung gemäß § 814 BGB ausgeschlossen (Anschluss an BSGE 104, 15).   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.602,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2015 zu bezahlen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 3.602,70 Euro festgesetzt.

Gründe

II.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (SGG) zulässig.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB V und dem Fallpauschalenkatalog.
Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i. V. m § 9 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen „Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V“ (OPS-301) verschlüsselt ( § 301 Abs. 2 S. 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung („Kodierung“) haben die Vertragspartner auf Bundesebene „Kodierrichtlinien“ beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R mwN).
Die Vergütungsregelungen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, müssen die zuständigen Stellen durch Änderung für die Zukunft Abhilfe schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013, B 3 KR 7/12 R).
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, RdNr. 11 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, RdNr. 13 mwN).
Die Beklagte hat auf Grund eines ihrer Auffassung nach bestehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs mit einer unstreitig bestehenden Forderung der Klägerin aufgerechnet.
Die Aufrechnung ist unabhängig von ihrer konkreten Form im Bereich der Krankenhausabrechnung zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 6/16 R -, SozR 4 (vorgesehen), BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 9/16 R -, SozR 4 (vorgesehen)). Maßgeblich ist daher, ob ein solcher öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch besteht.
Die Beklagte macht geltend, dass im Behandlungsfall C. das Erfüllen der von der Klägerin kodierten OPS 8-981.1 nicht nachgewiesen worden sei. Diese sei daher zu streichen. Es ergebe sich eine Differenz in Höhe von 3.602,70 Euro.
Die Rechnung wurde von der Klägerin am 18.05.2011 erstellt. Für die Prüfung von Krankenhausrechnungen gilt grundsätzlich die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V. Danach ist die Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen. Eine solche Einleitung des Prüfverfahrens und Anzeige durch den medizinischen Dienst ist erst im Oktober 2015 erfolgt. Die Sechs-Wochen-Frist war zu diesem Zeitpunkt bereits lange abgelaufen. Es kann daher von der Beklagten keine Prüfung, wie vom SMD angekündigt, nach § 275 Abs. 1c SGB V erfolgen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechnung im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens durch die Beklagte noch nicht fällig geworden ist. Die Frist des § 275 Abs. 1c SGB V beginnt erst mit der Fälligkeit der Forderung zu laufen.
Das BSG hat zuletzt mit Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 22/16 R, Rn. 27, nochmals bekräftigt, dass die unvollständige Übermittlung von Daten nach § 301 SGB V, dazu führt, dass die Forderung nicht fällig wird.
Die Beklagte selbst stützt sich darauf, dass sie im vorliegenden Fall eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vorgenommen habe und verweist auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R. Die Klägerin habe ihre Informationspflichten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V verletzt. Gemäß § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V sind die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser verpflichtet, den Krankenkassen im Wege elektronischer Datenübertragung Angaben über die durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu übermitteln. Diese Angaben zur medizinischen Rehabilitation habe die Klägerin nicht übermittelt. Es ergebe sich daher unter Anwendung des Urteils des BSG vom 14.10.2014 eine Auffälligkeit, welche die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung rechtfertige und mangels Vorlage der Unterlagen durch die Klägerin auch die Rechnungskürzung.
Das BSG führt im von der Beklagten zitierten Urteil aus, dass wenn sich auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllte, das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der Krankenkasse die Obliegenheit trifft, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben. Die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist (§ 275 Abs. 1c SGB V) gelte hier nicht (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 16). Daher wird auch in diesem Urteil die fehlende Fälligkeit der Forderung unterstrichen.
Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten bestehen, wenn die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zweifelhaft ist oder der Kodierpraxis widerspricht und wenn die erforderlichen Angaben unvollständig sind (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 17).
Im vom BSG entschiedenen Fall hatte die Beklagte nach Auffassung des BSG Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung bzw. zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten, weil die Klägerin keine Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V gemacht hat. Das BSG führt weiter aus, dass die Krankenkasse diese Angaben zur Durchführung ihrer Aufgaben benötige, da diese zur Abrechnungskontrolle erforderlich seien. Denn durchgeführte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind dabei solche, die das Krankenhaus bereits erbracht hat.
Maßgeblich ist, dass das BSG davon ausgeht, dass Angaben nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V dann erforderlich sind, wenn Leistungen zur medizinischen Rehabilitation tatsächlich durchgeführt und für die Abrechnung relevant sind. Der Leitsatz des Urteils lautet daher auch: „Beansprucht ein Krankenhaus Vergütung für eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung Versicherter, obliegt es ihm, die Krankenkasse über die durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu informieren.“ (vgl. BSG, a. a. O.).
Der Leitsatz des Urteils beschränkt sich dabei bereits nach seinem Wortlaut auf die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, welche zudem bereits das Rehabilitationselement in der Behandlungsbezeichnung enthält.
Im vorliegenden Fall ist hingegen die Kodierung der OPS 8-981.1 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) streitig. Diese ist in der hier maßgeblichen OPS-Version wie folgt definiert:
„Exkl.:
Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (8-98b ff.)
Hinw.:
Dieser Kode kann auch beim Vorliegen einer TIA angegeben werden Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale dieses OPS-Kodes erfüllt sind, die dortige Behandlungszeit auch für die Kodierung der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden, auch wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden Mindestmerkmale:
Behandlung auf einer spezialisierten Einheit durch ein multidisziplinäres, auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes Team unter fachlicher Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie mit: 24-stündiger ärztlicher Anwesenheit (Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.) gefordert, bei der sich der jeweilige Arzt auf der Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten ausschließlich um diese Patienten kümmert und keine zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen hat. Er kann sich in dieser Zeit nur von der Spezialeinheit entfernen, um Schlaganfallpatienten zum Beispiel zu untersuchen, zu übernehmen und zu versorgen. Während der 12-stündigen ärztlichen Anwesenheit in der Nacht sowie während der 24-stündigen ärztlichen Anwesenheit an Wochenenden und an Feiertagen ist es zulässig, dass der Arzt der Spezialeinheit noch weitere Patienten mit neurologischer Symptomatik versorgt, sofern sich diese in räumlicher Nähe befinden, so dass er jederzeit für die Schlaganfallpatienten der Spezialeinheit zur Verfügung steht)
24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale. Das Monitoring darf nur zur Durchführung spezieller Untersuchungen oder Behandlungen unterbrochen werden
6-stündlicher (maximaler Abstand nachts 8 Stunden) Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes zur Früherkennung von Schlaganfallprogression, -rezidiv und anderen Komplikationen Durchführung einer Computertomographie oder Kernspintomographie, bei Lyseindikation innerhalb von 60 Minuten, ansonsten innerhalb von 6 Stunden nach der Aufnahme, sofern diese Untersuchung nicht bereits extern zur Abklärung des akuten Schlaganfalls durchgeführt wurde Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie. Sie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich ätiologischer Diagnostik und Differentialdiagnostik des Schlaganfalls (z.B. transösophageale Echokardiographie, Hämostaseologie, Angiitisdiagnostik, EEG und andere Verfahren) im eigenen Klinikum. Spezialisierte Labordiagnostik darf auch in Fremdlabors erfolgen 24-Stunden-Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie, der digitalen Subtraktionsangiographie, der CT-Angiographie oder der MR-Angiographie kontinuierlicher Möglichkeit zur Fibrinolysetherapie des Schlaganfalls Beginn von Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie innerhalb von 24 Stunden mit mindestens einer Behandlungseinheit pro Tag pro genannten Bereich bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits und bestehender Behandlungsfähigkeit unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen (jeweils eigene Abteilung im Hause oder Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung, unabhängig vom Transportmittel)“
Den vom BSG entschiedenen Fällen lag hingegen, wie bereits erläutert, die OPS 8-550.- (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) zu Grunde. Diese wird in der hier maßgeblichen OPS-Version wie folgt definiert:
„Exkl.:
Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (8-552 ff.) Fachübergreifende und andere Frührehabilitation (8-559 ff.) Physikalisch-medizinische Komplexbehandlung (8-563 ff.)
Hinw.:
Mindestmerkmale:
Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich Klinische Geriatrie erforderlich). Die fachärztliche Behandlungsleitung muss überwiegend in der zugehörigen geriatrischen Einheit tätig sein
Standardisiertes geriatrisches Assessment zu Beginn der Behandlung in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) und vor der Entlassung in mindestens 2 Bereichen (Selbständigkeit, Mobilität). Lässt der Zustand des Patienten die Erhebung einzelner Assessmentbestandteile nicht zu, ist dies zu dokumentieren. Wenn der Zustand des Patienten es erlaubt, ist die Erhebung nachzuholen Soziales Assessment zum bisherigen Status in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen). Lässt der Zustand des Patienten die Erhebung einzelner Assessmentbestandteile nicht zu, ist dies zu dokumentieren. Sofern möglich sind die fehlenden Bestandteile fremdanamnestisch zu erheben bzw. ist die Erhebung nachzuholen, wenn der Zustand des Patienten es erlaubt Wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal Teamintegrierter Einsatz von mindestens 2 der folgenden 4 Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie Eine gleichzeitige (dauernde oder intermittierende) akutmedizinische Diagnostik bzw. Behandlung ist gesondert zu kodieren“
Die Anforderungen an die Kodierung der beiden OPS unterscheiden sich nach dem Wortlaut grundlegend. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, wo die Beklagte die Parallele der beiden OPS-Kodes sieht, welche die Anwendung der Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall rechtfertigen sollte.
Nach Auffassung der Kammer ist die Entscheidung des BSG vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, auf den hier streitigen Fall der Kodierung der OPS 8-981.1 nicht übertragbar. Zum einen beschränkt sich die Entscheidung nach ihrem Leitsatz auf die frührehabilitative Komplexbehandlung. Eine solche ist aber vorliegend nicht streitig und auch nicht erfolgt. Zum anderen sind in den Fällen des OPS 8-981.1 Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation im Sinn des § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V nicht zwingend erforderlich durchzuführen und hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zum vom BSG entschiedenen Fall des OPS 8-550.
Die Beklagte verweist darauf, dass solche Maßnahmen in Anhang A zu Anlage 2 der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V definiert seien und hierzu die im OPS-Kode 8-981.1 als Mindestmerkmal genannten Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie unzweifelhaft gehören würden.
Die Beklagte übersieht hierbei jedoch, dass die genannten Maßnahmen nach dem eindeutigen Wortlaut des OPS-Kodes 8-981.1 nur dann Mindestvoraussetzung sind, wenn beim Patienten ein entsprechendes Defizits vorliegt und Behandlungsfähigkeit besteht. Es ist damit durchaus möglich, den OPS-Kode 8-981.1 zu kodieren, ohne dass Rehamaßnahmen im Sinn des § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V durchgeführt worden sein müssen. Dies nämlich dann, wenn der jeweilige Patient nicht behandlungsfähig ist oder überhaupt kein Defizit hat. Hierin liegt der für die Kammer maßgebliche Unterschied zum vom BSG entschiedenen OPS 8-550. Dort sind die genannten Maßnahmen der aktivierend-therapeutischen Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal, der Physiotherapie/Physikalischen Therapie, der Ergotherapie, der Logopädie/faziooralen Therapie, der Psychologie/Neuropsychologie zwingend durchzuführen. Der Kode kann nur kodiert werden, wenn diese durchgeführt worden sind. Eine Beschränkung auf Behandlungsfähigkeit und vorliegendes Defizit existiert hier nicht. Dass Ausnahmen beim OPS-Kode 8-550 nicht möglich sind, bestätigt auch das BSG im Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, da die Kürzung des Vergütungsanspruchs mit der fehlenden Durchführung der aktivierend-therapeutischen Pflege begründet wird, ohne dass weitere Umstände geprüft worden wären.
Das BSG führt im Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, Rn. 18 auch aus, dass nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V diejenigen Rehamaßnahmen zu melden sind, die das Krankenhaus bereits erbracht hat. Eine Fehlanzeige wird damit auch vom BSG nicht für erforderlich gehalten. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bezüglich des OPS-Kodes 8-981.1 Einigkeit besteht, dass die Leistungen nicht zwingend durch Beschäftigte des Krankenhauses, sondern auch von extern erbracht werden können (vgl. DIMDI, FAQ-Center Klassifikationen: Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS), FAQ Nr. 8017, Ziffer 6). In diesem Fall hat das Krankenhaus auch die Maßnahmen nicht durchgeführt und der Wortlaut der Entscheidung des BSG vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, passt nicht. Zudem können die im Rahmen des OPS-Kodes 8-981.1 durchgeführten Maßnahmen nach allgemeiner Meinung diagnostisch oder therapeutisch sein (vgl. DIMDI, FAQ-Center Klassifikationen: Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS), FAQ Nr. 8017, Ziffer 6). Die Beklagte verweist darauf, dass Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V solche des Anhang A zu Anlage 2 der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V seien. Dort sind jedoch ausschließlich therapeutische, keine diagnostischen, Maßnahmen aufgeführt. Damit könnten auch diagnostische Rehamaßnahmen nicht über § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V gemeldet werden und der Kode wäre dennoch abrechenbar.
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass im Fall des OPS-Kode 8-981.1 in zahlreichen Konstellationen keine Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V zu melden sind und der Kode dennoch erfüllt sein kann. Dies ist der Fall, wenn der Patient kein Defizit hat, der Patient nicht behandlungsfähig ist, die Maßnahmen von extern durchgeführt werden oder nur diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden.
Das BSG geht davon aus, dass eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit immer dann zulässig ist, wenn sich nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und -pflichten nicht erfüllt hat (vgl. zuletzt BSG Vom 25.10.2016, B 1 KR 22/16, Rn. 34). Auf Basis dieser Annahme kommt das BSG im Fall des OPS 8-550 daher zum Ergebnis, dass eine fehlende Meldung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V einen solchen Anhaltspunkt gibt, da zur Erfüllung dieses Kodes solche Maßnahmen zwingend durchzuführen seien.
Der OPS 8-981.1 ist hier aber nicht vergleichbar. Wie eben ausgeführt, kann dieser sehr wohl kodiert werden, ohne dass derartige Maßnahmen vom Krankenhaus durchgeführt worden sein müssen. Aus der fehlenden Meldung von Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V kann damit nichts geschlossen werden. Es besteht somit kein Anhaltspunkt für eine unzutreffende Kodierung nur weil keine Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V übermittelt worden sind. Denn dies ist in den oben genannten Konstellationen korrekt. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht benannt. Daher war eine solche mangels Vorliegens eines Anhaltspunkts für eine unzutreffende Kodierung nicht zulässig und die Klägerin hat die Übermittlung der angeforderten Unterlagen zu Recht verweigert.
In den Fällen, in denen keine Maßnahmen im Sinn des § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V durchgeführt worden sind, besteht damit kein Anlass den OPS-Kode 8-981.1 ohne weitere Prüfung zu streichen und die Forderung war auch fällig, da alle Daten im Sinn des § 301 Abs. 1 SGB V übermittelt worden sind. Ein Erstattungsanspruch der Beklagten hat in diesen Fällen nicht bestanden.
In den Fällen, in denen die Klägerin den OPS-Kode 8-981 nach Durchführung von Maßnahmen im Sinn des Anhang A zu Anlage 2 der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V kodiert hat, wären unter Heranziehung der Rechtsprechung des BSG vom 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, wohl Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V von der Klägerin zu melden gewesen und die Forderung der Klägerin nicht fällig geworden (str., ablehnend z. B. SG Nürnberg, Urteil vom 01.12.2016, S 7 KR 375/16, SG Regensburg Urteil vom 28.07.2016, S 2 KR 183/16).
Allerdings ist in diesen Fällen zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Rechnung vorbehaltlos beglichen hat. Und hier liegt ein weiterer Unterschied zum vom BSG am 14.10.2014 entschiedenen Fall. Es wurde bis heute keine Prüfung der Rechnung auf Basis der übermittelten Daten nach § 301 SGB V vorgenommen. Es wird behauptet, der Kode habe nicht abgerechnet werden dürfen, ohne die Meldung nach § 301 Nr. 8 SGB V. Dies ist jedoch nicht zutreffend (s. o.). Es ist durchaus möglich, dass die Rechnungsstellung auf Basis der übermittelten Daten korrekt gewesen ist. Wenn die Beklagte aber nun davon ausgeht, dass ohne die Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V der OPS-Kode gar nicht habe abgerechnet dürfen (wasdies sei nochmals ausdrücklich klargestellt, das BSG in seinem Urteil vom 14.10.2014 weder für diesen noch für den dort streitigen OPS-Kode auch nur ansatzweise entschieden hat), hätte die Beklagte jedoch bereits im Jahr der Rechnungstellung (2011) wegen Implausibilität eine Rechnungsprüfung vornehmen müssen und die Zahlung verweigern müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan.
Wenn die Beklagte von einer unvollständigen Datenübermittlung ausgeht, wäre die Rechnung nicht fällig geworden. Sie hätte dann auf eine nicht fällige Rechnung geleistet. Die Grundsätze des Bereicherungsrechts (§§ 812ff Bürgerliches Gesetzbuch) gelten auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (vgl. SG Freiburg, Urteil vom 30.09.2015, S 11 KR 731/15 m. w. N., BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R -, BSGE 119, 150-164, SozR 4-5560 § 17c Nr. 3, in welchem das BSG die Prüfung der Einreden in Rn. 40ff vornimmt, zuletzt BSG, Urteil vom 25.10.2016, B 1 KR 22/16 R, Rn. 27).
Gemäß § 814 BGB analog kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Das BSG erläutert ausdrücklich, dass wenn eine Krankenkasse vorbehaltlos auf eine Krankenhausrechnung bezahlt, sie deshalb mit der Rückforderung – und damit auch mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht – ganz ausgeschlossen sein kann, wenn sie (positiv) gewusst hat, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war (vgl BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, RdNr. 30; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, RdNr. 47; zustimmend Wahl in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 109 RdNr. 170). Nach dem Vortrag der Beklagten liegt ein solcher Fall hier vor. Es ist für die Beklagte nach deren eigenem Vortrag offensichtlich, dass ohne Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V der OPS-Kode 8-981.1 nicht abrechenbar ist. Wenn dies für die Beklagte offensichtlich gewesen ist, hätte sie die Rechnung nicht bezahlen dürfen. Da sie dies jedoch dennoch vorbehaltlos getan hat, ist die Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen.
Die Anwendung des § 814 BGB analog ist auch gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des BSG vom 25.10.2016, B 1 KR 22/16 R angezeigt. In dieser Entscheidung verweist das BSG in Rn. 28 nochmals darauf, dass für die Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse eine Vertrauensbasis unerlässlich ist. Das BSG hat auch bereits am 13.12.2013, B 1 KR 14/12 R, Rn. 31, entschieden, dass eine flächendeckende Beanstandung von Rechnungen ohne Anhaltspunkt rechtsmissbräuchlich ist. Die Beklagte entzieht der erforderlichen Vertrauensbasis den Boden, wenn sie eine Rechnung zunächst vorbehaltlos bezahlt, obwohl sie nach ihrer Auffassung bereits auf Grund fehlender Daten weiß, dass ein OPS nicht hat kodiert werden dürfen und dann Jahre später eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung vornehmen möchte. Die Beklagte darf zwar nach der im Streitfall geltenden Rechtslage bis zum Ablauf der Verjährungsfrist der Forderung die sachlich-rechnerische Richtigkeit prüfen. Dieser Prüfung sind aber durch das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog), Verwirkung und § 814 BGB genau in dieser Zeit Grenzen gesetzt. Denn für die Zeit nach Verjährung der Forderung sind sie nicht mehr relevant. Ab Verjährungseintritt ist die Klägerin durch die Verjährungseinrede geschützt. Es ist deshalb durchaus zulässig, während der laufenden Verjährungsfrist die Einreden der Verwirkung, des Verstoßes gegen Treu und Glauben und des § 814 BGB zu prüfen. Und § 814 BGB steht der Forderung der Beklagten nach Auffassung der Kammer vorliegend entgegen.
Zusammenfassend ist daher Folgendes festzuhalten:
Die Klägerin hat keine Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V gemeldet. Es ist zur Erfüllung der Voraussetzungen der OPS 8-981.1 aber auch nicht zwingend, dass solche Daten gemeldet werden. Jedenfalls kann nicht allein auf Grund der Entscheidung des BSG vom 14.10.2014 darauf geschlossen werden. Dem Fall des BSG und dem hier streitigen Fall liegen verschiedene Sachverhalte zu Grunde.
Sollte die Klägerin trotz bestehender Pflicht zur Meldung (welche nur bestehen kann, wenn überhaupt Rehamaßnahmen durchgeführt worden sein sollten) die Daten nicht nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V gemeldet haben, wäre die Beklagte zu einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit befugt gewesen (so die Rechtsfolge des BSG im zitierten Urteil). Diese hat die Beklagte jedoch überhaupt nicht vorgenommen. Der pauschale Verweis, dass ohne die Daten die hier streitgegenständliche OPS nicht habe abgerechnet werden dürfe, verfängt jedenfalls nicht (s. o.).
Schließlich könnte die Beklagte zwar argumentieren, dass die Frist des § 275 Abs. 1c SGB V noch nicht zu laufen begonnen hat, da die Daten nicht vollständig übermittelt worden sind und deshalb die Forderung noch nicht fällig geworden ist. Für diesen Fall ist zum einen darauf hinzuweisen, dass aber die Prüfung überhaupt nicht stattgefunden hat, sondern der Rückforderungsanspruch pauschal behauptet wird. Darüber hinaus wäre die Beklagte dann – sollte die Prüfung einen Rückforderungsanspruch ergebenmit diesem nach § 814 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vortrag bereits auf Grund der fehlenden Daten nach § 301 Abs. 1 Nr. 8 SGB V gewusst, dass der OPS-Kode 8-981.1 nicht kodiert werden darf. Dann hätte sie auch nicht bezahlen dürfen und müssen. Da sie dies dennoch getan hat, ist die Beklagte mit einer Rückforderung nach § 814 BGB analog ausgeschlossen.
Daher war der Klage stattzugeben.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten.
Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Verfahrens und folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG, § 154 Abs. 1 VwGO).
Der Streitwert war in Höhe von 3.602,70 Euro festzusetzen, da die Zahlung des oben genannten Betrags streitig war und dieser nach § 52 Abs. 3 GKG zu Grunde zu legen ist.

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