Verwaltungsrecht

Im Rahmen des Schutzes des Privatlebens nach Art. 8 EMRK erfolgt eine familienbezogene Betrachtung

Aktenzeichen  W 7 E 17.192

Datum:
20.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2, § 25 Abs. 5, § 25a, § 60a Abs. 2 S. 1
AsylG AsylG § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3
JGG JGG § 1 Abs. 2
EMRK EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1 Ein Ausreisehindernis ist auch dann (noch) verschuldet gem. § 25 Abs. 5 S. 3 und 4 AufenthG, wenn es auf einem in der Vergangenheit liegenden Fehlverhalten beruht und für die Unmöglichkeit der Ausreise und Abschiebung ursächlich ist (BVerwG BeckRS 2011, 51723). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Rahmen des Art. 8 EMRK hat eine familienbezogene Betrachtung zu erfolgen, sodass regelmäßig davon auszugehen ist, dass auch ein Minderjähriger, der im Bundesgebiet geboren wurde oder lange dort gelebt hat und vollständig in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik integriert ist, dessen Eltern aber wegen ihrer mangelnden Integration kein Aufenthaltsrecht zusteht, auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen im Heimatland verwiesen werden kann. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller sind armenische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 1) und 2) reisten nach eigenen Angaben am 28. November 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellten am 8. Dezember 2004 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) unter den Personalien „S* …, S* …, geb. am … in K* …Aserbaidschan“ bzw. „Ch* …, A* …, geb. am … in K* … “ und unter Angabe der russischen Staatsangehörigkeit.
Die Antragsteller zu 3) und 4) wurden am … bzw. am … in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Für den Antragsteller zu 3) wurde von den Eltern der Familienname „S* …“ und für die Antragstellerin zu 4) der Familienname „Ch* …“ bei der standesamtlichen Beurkundung angegeben. Für den Antragsteller zu 3) wurde am 1. September 2005 ein Asylantrag als gestellt erachtet, für die Antragstellerin zu 4) am 22. Oktober 2012.
Mit Bescheiden vom 18. Januar 2005 lehnte das Bundesamt die Anträge der Antragsteller zu 1) und 2) auf Asylanerkennung ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen. Die Antragsteller wurden zudem unter Androhung der Abschiebung in die Russische Föderation zur Ausreise binnen einen Monates nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005, rechtskräftig seit dem 23. Dezember 2005, lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers zu 3) auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen. Der Antragsteller zu 3) wurde zudem unter Androhung der Abschiebung in die Russische Föderation zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.
Gegen die Bescheide vom 18. Januar 2005 ließen die Antragsteller zu 1) und 2) Klage erheben. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. März 2006 wurde die Klage abgewiesen. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. April 2011 wurde die Berufung zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 wurde die Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesverwaltungsgericht verworfen.
Die Antragsteller sind seit dem 26. Januar 2012 im Besitz von Duldungen, zuletzt verlängert bis zum 21. März 2017.
2. Mit E-Mail vom 4. September 2012 teilte die von der Antragsgegnerin zur Identifizierung beauftragte Regierung von Oberbayern mit, dass die Antragsteller im (behaupteten) Herkunftsdorf nicht bekannt und sie weder über die Passbilder noch über die Nationale Datenbank Aserbaidschans zu identifiziert seien. Mit E-Mail vom 6. November 2012 teilte die Regierung von Oberbayern weiter mit, dass es sich bei dem Antragsteller zu 1) um den armenischen Staatsangehörigen S* … S* … (geb. am …*) und bei der Antragstellerin zu 2) um die armenische Staatsangehörige A* … K* … (geb. am …*) handele.
Am 7. November 2012 legte der Antragsteller zu 1) Kopien der armenischen Nationalpässe der Antragsteller zu 1) und 2) vor und erklärte gegenüber der Antragsgegnerin zur Niederschrift, dass die Originalpässe sowie die Geburtsurkunde verloren gegangen seien. Er wolle aber in Kürze neue Passdokumente beantragen und die Familie werde freiwillig aus Deutschland ausreisen.
Bereits am 29. Juli 2012 hatten die Antragsteller zu 1) und 2) Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren (Folgeantrag) gestellt. Mit Bescheiden vom 28. Juni 2016 und vom 1. Juli 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 und 2); die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags wurde auf § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 AsylG gestützt. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3); es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Antragsteller wurden zudem unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Ziffer 5). Ferner wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Die dagegen gerichteten Anträge der Antragsteller zu 1) und 2) nach § 80 Abs. 5 VwGO wurden jeweils mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. Juli 2016 abgelehnt (W 7 S. 16.30965; W 7 S. 16.30967). Mit Urteilen des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Januar 2017 wurden die Klagen gegen die genannten Bescheide abgewiesen (W 7 K 16.30966; W 7 K 16.30964). Auf die Begründungen wird jeweils Bezug genommen.
Am 26. Juli 2012 stellte der Antragsteller zu 3) einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag), der mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2016 abgelehnt wurde. Mit Bescheid vom 2. Juni 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung für die Antragstellerin zu 4) ab (Ziffern 1 und 2). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3); es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Antragstellerin zu 4) wurde zudem unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Ziffer 5). Ferner wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Die dagegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht Würzburg wurde in der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2017 zurückgenommen (W 7 K 16.30797).
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 2. März 2015 wurden die Antragsteller auf die Erfüllung ihrer Passpflicht hingewiesen. Im Juli 2015 bzw. im September 2015 legten die Antragsteller zu 1) und 2) gültige armenische Nationalpässe vor. Die der Antragstellerin zu 2) am 1. Dezember 2015 ausgehändigten Anträge auf Erteilung von Passersatzpapieren für die Antragsteller zu 3) und 4) wurden von den Antragstellern trotz wiederholter Aufforderung seitens der Antragsgegnerin – auch gegenüber dem Bevollmächtigten – nicht ausgefüllt.
3. Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 und vom 20. Februar 2016 beantragte der Bevollmächtigte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. § 25a AufenthG.
Mit Schreiben vom 25. November 2015, 22. März 2016 und 29. März 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht komme, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht einschlägig seien, die Antragsteller zu 3) und 4) ihre gesetzliche Passpflicht nicht erfüllen würden und bzgl. des Antragstellers zu 1) infolge gehäufter Straffälligkeit ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (a.F.) vorliege.
Mit Bescheid vom 21. April 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG bereits der Wortlaut des § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG entgegenstehe. Danach dürfe eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert sei. Sie dürfe daher im Umkehrschluss nicht erteilt werden, wenn der Ausländer die zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfülle. Dieser Tatbestand sei vorliegend durch die konsequente Nichtvorlage der ausgefüllten Passersatzanträge für die Antragsteller zu 3) und 4) realisiert. Darüber hinaus liege auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 8b) AufenthG bzgl. der Antragsteller zu 1) und 2) vor, hinsichtlich des Antragstellers zu 1) zusätzlich gem. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Auch der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG für den Antragsteller zu 3) werde abgelehnt, da dieser kein Jugendlicher bzw. Heranwachsender im Sinne des § 25a AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 2 JGG sei. Im Übrigen seien die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen aufgrund der Nichterfüllung der Passpflicht (vgl. § 3 AufenthG) nicht erfüllt. Wegen der Begründung wird im Übrigen auf den Inhalt des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21. April 2016 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 23. März 2016 wurden die Antragsteller zu 1) und 2) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Ziffern 1 und 2). Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid verwiesen.
4. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. Mai 2016, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, ließen die Antragsteller Klage erheben (W 7 K 16.568), mit der sie unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 21. April 2016 die Neubescheidung ihrer Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen begehren. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. Juni 2016, bei Gericht am 8. Juni 2016 eingegangen, ließen die Antragsteller Klage gegen die Ausweisung erheben (W 7 K 16.593), mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2016 begehren.
Mit Schreiben vom 16. Februar 2017 beantragte der Klägerbevollmächtige bei der Antragsgegnerin, den Antragstellern für die Dauer des Gerichtsverfahrens eine Verfahrensduldung auszustellen.
Mit Schreiben vom „29. März 2016“ (richtig wohl 17. Februar 2017) teilte die Antragsgegnerin mit, dass die aktuell bestehenden Duldungen verlängert würden, solange gesetzliche Duldungsgründe entsprechend § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorlägen. Die anhängigen Gerichtsverfahren seien für die gebotenen ausländerrechtlichen Maßnahmen im Hinblick auf den illegalen Aufenthalt der Antragsteller nicht rechts- und entscheidungsbegründend.
5. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. Februar 2017, bei Gericht am selben Tag per Fax eingegangen, ließen die Antragsteller beantragen,
„der Antragsgegnerin aufzugeben, bis zum Erlass einer Hauptsacheentscheidung im Verfahren W 7 K 16.568 beim VG Würzburg die Antragsteller weiterhin zu dulden und Abschiebemaßnahmen zu unterlassen.“
Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass die Antragsteller zu 3) und 4) ihr Heimatland nicht kennen und auch die dort gesprochene Sprache nicht beherrschen würden. Eine entsprechende Prüfung im Hinblick auf die Europäische Menschenrechtskonvention sei nicht erfolgt. Die Antragsteller hätten zwar falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht; diese Falschbeurkundungen seien aber nur eine Konsequenz aus der ersten Falschbeurkundung, da die Antragsteller aus ihrer Sicht bei den falschen Personalien bleiben mussten, um nicht aufzufallen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 1) schwer krank sei und seit 2014 unter Betreuung stehe. Der Kläger leide neben rezidivierenden schweren depressiven Episoden mit psychotischen Anteilen und schizoaffektiven Störungen auch an Hp-Gastritis, Morbus Crohn und rechtsbetonter Pancolitis und Ileitis terminalis. Darüber hinaus seien auch die besonderen Integrationsleistungen der Familie zu beachten. Insbesondere hinsichtlich des Antragstellers zu 3) sei zu berücksichtigen, dass der Rückgriff auf den Jugendlichenbegriff des Strafverfahrens im Rahmen des § 25a AufenthG keine Stütze im Gesetz finde, zumal das Aufenthaltsrecht auch sonst bei Handlungsfähigkeit Minderjähriger eigene Wege gehe. Auch ein Anordnungsgrund liege vor, da die aktuell bestehenden Duldungen nach Mitteilung der Antragsgegnerin nur bis zum Vorliegen der Rückreisedokumente für die Antragsteller zu 3) und 4) verlängert würden. Da die Antragsgegnerin ihre Abschiebemaßnahmen nicht ankündigen werde, bleibe nach Erhalt der Heimreisedokumente nicht ausreichend Zeit, um das zuständige Gericht anzurufen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf die Schriftsätze des Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Februar 2017 und vom 2. März 2017 Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren verwiesen und ergänzend vorgetragen, dass die Antragsteller ihrer gesetzlichen Pflicht zur Mitwirkung von Passersatzpapieren für die Antragsteller zu 3) und 4) nicht nachgekommen seien. Es sei unter Einschaltung der Regierung von Oberbayern jedoch gelungen, ohne Mitwirkung der Eltern verbindliche Heimreisescheinzusagen zu erhalten. Diese Heimreisedokumente besäßen eine Gültigkeitsdauer von vier Monaten; mit dem Vorliegen der Dokumente sei innerhalb der nächsten drei bis sechs Wochen zu rechnen. Soweit auf gesundheitliche Probleme des Antragstellers zu 1) abgestellt werde, sei festzustellen, dass der Antragsgegnerin keine aktuellen Atteste vorgelegt worden seien. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 2. März 2017 und vom 6. März 2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der (beigezogenen) Gerichtsakten – auch in den Verfahren W 7 K 16.568, W 7 K 16.593, W 7 K 16.30964, W 7 K 16.30966 und W 7 K 16.30797 – sowie der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der Antragsgegnerin Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragsteller bis zu einer Entscheidung im Verfahren W 7 K 15.568 zu untersagen, hat keinen Erfolg.
1. Soweit der Antrag auf die Aussetzung der Abschiebung aufgrund fehlender Rückreisedokumente der Antragsteller zu 3) und 4) gerichtet ist (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), ist der Antrag mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Denn die Antragsteller sind derzeit bereits im Besitz von Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, da die erforderlichen Heimreisepapiere für die Antragsteller zu 3) und 4) nicht vorliegen.
Im Übrigen ist der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig, weil durch den Bescheid vom 21. April 2016 kein vorläufiges Bleiberecht i.S.d. § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG beendet worden ist. Auch sind die Antragsteller zu 1) und 2) aufgrund der ablehnenden Bescheide des Bundesamts vom 28. Juni 2016 und vom 1. Juli 2016 sowie der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. Juli 2016 (W 7 S. 16.30967; W 7 S. 16.30965) vollziehbar ausreisepflichtig gem. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Der Antragsteller zu 3) ist seit der bestandskräftigen Ablehnung des Asylfolgeantrags mit Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2016 ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtig; die Antragstellerin zu 4) ist dies aufgrund des Bescheides des Bundesamts vom 2. Juni 2016 bzw. der Rücknahme ihrer dagegen gerichteten Klage am 23. Januar 2017. Somit kommt vorliegend nur eine Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in Betracht (BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 19 CE 14.1137, juris Rn. 2; B.v. 22.7.2014, 10 CS 14.1534, 10 C 14.1535 – juris).
2. Der Antrag ist allerdings unbegründet. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
2.1. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach, das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Zur Bejahung des Anordnungsanspruchs genügt die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen ist und die Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller ausfällt. Denn bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind ähnliche Grundsätze wie bei der Aussetzung des sofortigen Vollzugs nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuwenden (BVerfG, B.v. 13.6.1979 – 1 BvR 699/77, BVerfGE 51,268/280 ff.; BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 19 CE 14.1137, juris, Rn. 6).
Vorliegend haben die Antragsteller den erforderlichen Anordnungsanspruch auf vorläufige vorübergehende Aussetzung ihrer Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a AufenthG nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Aus rechtlichen Gründen unmöglich ist die Abschiebung unter anderem dann, wenn die effektive Verfolgung und Geltendmachung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dadurch vereitelt oder wesentlich erschwert würde. In diesen Fällen kommt eine einstweilige Anordnung zur Sicherung der effektiven Rechtsverfolgung in Betracht (BayVGH, B.v. 17.12.2014 – 10 CE 14.2751, juris, Rn. 3).
2.2. Die Abschiebung ist nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Die Antragsteller haben weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (2.2.1.) noch aus § 25a Abs. 1, Abs. 2 AufenthG (2.2.2.) hinreichend glaubhaft gemacht. Auch die vom Antragsteller zu 1) geltend gemachten gesundheitlichen Probleme vermögen die rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung nicht zu begründen (2.2.3.).
2.2.1.
Die Antragsteller haben bei summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, weshalb durch eine Abschiebung der Antragsteller die effektive Verfolgung und Geltendmachung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Norm nicht vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse nicht in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Die Ausreise eines Ausländers ist dann aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige rechtliche Hindernisse können sich aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u. a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. Beim Bestehen von Abschiebungsverboten hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Abschiebung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Ausreise aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit rechtlich unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05, BVerwGE 126, 192, 197 f.).
Bei den Antragstellern zu 1) und 2) folgt bereits aus der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, dass bei ihnen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG von vornherein ausscheidet. Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG darüber hinaus nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt nach § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, so dass die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen auf der Grundlage des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG für die Antragsteller nicht in Betracht kommt.
Dabei kann offen bleiben, ob die in der Vergangenheit erfolgte Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit durch die Antragsteller zu 1) und 2) (noch) als verschuldet im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG einzuordnen ist. So darf die erfolgte Täuschung zwar den Antragstellern grundsätzlich weiterhin entgegengehalten werden, auch wenn die Identität bzw. die Staatsangehörigkeit der Antragsteller, freilich ohne deren Zutun, mittlerweile geklärt ist. Denn ein Ausreisehindernis ist auch dann (noch) verschuldet gem. § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG, wenn es auf einem in der Vergangenheit liegenden Fehlverhalten beruht (BVerwG, B.v. 19.4.2011 – 1 C 3/10, Rn. 19). Dem Betroffenen kann sein Fehlverhalten in der Vergangenheit jedenfalls so lange entgegengehalten werden, wie es für die Unmöglichkeit der Ausreise und Abschiebung ursächlich ist. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn der zu vertretende Umstand durch andere Ursachen für ein Ausreisehindernis – in der Art einer überholenden Kausalität – überlagert wird, die der Ausländer nicht mehr zu vertreten hat (vgl. BVerwG, a.a.O.). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Umstand der fehlenden Heimreisedokumente für die Antragsteller zu 3) und 4), der gegenwärtig das maßgebliche Ausreisehindernis bildet, eine solch andere (überholende) Ursache darstellt oder noch mit der in der Vergangenheit erfolgten Täuschung über die Identität bzw. der Staatsangehörigkeit (kausal) verknüpft ist.
Denn jedenfalls haben die Antragsteller die ihnen obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt, weil sie zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllen (vgl. § 25 Abs. 5 Satz 4 Alt. 2 AufenthG). Eine wissentliche und willentliche Behinderung oder Verzögerung aufenthaltsbeendender Maßnahmen liegt nämlich dann vor, wenn der Betroffene von der Ausländerbehörde ausdrücklich zur (zumutbaren und erheblichen) Mitwirkung angehalten wird und sich der Mitwirkung verweigert (BVerwGE 135, 219 = NVwZ 2010, 918, Rn. 21). Nach der Rechtsprechung zählen zu den erforderlichen und zumutbaren Handlungen in diesem Sinne auch die Mitwirkung bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, insbesondere die eigenhändige Antragstellung zur Beschaffung eines Passersatzpapiers (BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18/09, NVwZ-RR 2011, 210, Rn. 22; BayVGH, B.v. 25.05.2007 – 19 ZB 07.362, BeckRS 2007, 29843). Die Antragsteller zu 1) und 2) haben vorliegend – trotz mehrfacher Aufforderung der Antragsgegnerin – die entsprechenden Formulare für die Beschaffung der Passersatzpapiere für die Antragsteller zu 3) und 4) nicht ausgefüllt, so dass sie nicht unverschuldet im Sinne des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG an der Ausreise gehindert sind. Das Verhalten ist für die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung des Ausreisehindernisses ursächlich, da aufgrund der fehlenden Heimreisepapieren die Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann. Diese fehlende Mitwirkung ihrer Eltern müssen sich die Antragsteller zu 3) und 4) im Übrigen auch zurechnen lassen (BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18/09, NVwZ-RR 2011, 210; OVG Münster, B.v. 8.12.2006 – 18 A 2644/06, BeckRS 2006, 27637 m.w.N.; im Lichte der EMRK auch EGMR, U.v. 4.12.2012, Nr. 47017/09 – Butt/Norway; siehe ferner Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: November 2015, § 25 AufenthG, Rn. 203; Burr, in: GK-AufenthG, Stand: September 2012, § 25 AufenthG, Rn. 173).
Insoweit steht also bereits § 25 Abs. 5 Satz 3, Satz 4 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG entgegen, ohne dass es auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG weiter ankommt. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ferner voraussetzt, dass mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ein Wegfall der Ausreisehindernisse ist in absehbarer Zeit dann zu erwarten, wenn die Ausreise des Ausländers voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten möglich ist (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: November 2015, § 25 AufenthG, Rn. 165; Burr, in: GK-AufenthG, Stand: September 2012, § 25 AufenthG, Rn. 167; so auch Nr. 25.5.14 AVV-AufenthG). Nach Angaben der Antragsgegnerin ist vorliegend jedenfalls mit der Ausstellung von Heimreisepapieren für die Antragsteller zu 3) und 4) innerhalb der nächsten drei bis sechs Wochen zu rechnen.
Auch verfassungs- und konventionsrechtliche Maßstäbe führen im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann die Abschiebung der Antragsteller aus rechtlichen Gründen unmöglich sein, wenn sie diese in ihrem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 1.3.2004 – 2 BvR 1570/03, juris Rn. 10) und auf Privatleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verletzen (vgl. nur BayVGH, B.v. 12.3.2013 – 10 C 12.2700, BeckRS 2013, 49136, Rn. 15). Hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und 2) ist insoweit anzumerken, dass sie in der Vergangenheit Falschangaben zu ihrer Identität und ihrer Staatsangehörigkeit gemacht haben. Ein Ausländer, der auf diese Art und Weise seine Ausreise und Abschiebung verhindert und damit wesentlich zur langen Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet beträgt, darf regelmäßig nicht darauf vertrauen, ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erhalten (vgl. OVG Münster, B.v. 27.3.2006 – 18 B 787/05, juris Rn. 35; OVG Lüneburg B.v. 18.5.2010 – 8 PA 86/10, BeckRS 2010, 49405; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: November 2015, § 25 AufenthG, Rn. 184). Darüber hinaus sind die Antragsteller seit der bestandskräftigen Ablehnung ihrer Asylanträge vollziehbar ausreisepflichtig; seither war ihre Abschiebung lediglich durch die Erteilung von Duldungen vorübergehend ausgesetzt. Schon deshalb kann eine dem Schutz des Art. 8 EMRK unterfallende Integration in deutsche Lebensverhältnisse bei ihnen nicht erfolgt sein. Im Übrigen ist eine hinreichende Verwurzelung im Sinne des Art. 8 EMRK („faktischer Inländer“) bei den Antragstellern zu 1) und 2) nicht zu erkennen, zumal der Antragsteller zu 1) nicht unerheblich straffällig geworden ist. Diese sind auch erst im Erwachsenenalter in das Bundesgebiet eingereist sind, so dass von einer Reintegration in ihr Heimatland ausgegangen werden kann, da sie die dortige Sprache sprechen und mit den Verhältnissen in ihrem Heimatland vertraut sind.
Soweit der Bevollmächtigte auf die Integration der Kinder, der Antragsteller zu 3) und 4), hinweist ist es zwar richtig, dass von einer Unzumutbarkeit der Abschiebung auszugehen sein kann, wenn die Verwurzelung des Ausländers in Deutschland infolge fortgeschrittener beruflicher und sozialer Integration bei gleichzeitiger Unmöglichkeit seiner (Re-)Integration im Herkunftsland dazu führt, dass das geschützte Privatleben nur noch im Bundesgebiet geführt werden kann. Dies setzt grundsätzlich eine abgeschlossene und gelungene Integration des Ausländers in die Lebensverhältnisse in Deutschland voraus, wobei eine solche Konstellation insbesondere bei Ausländern der zweiten Generation denkbar ist, die in Deutschland aufgewachsen sind und keinerlei Beziehung zum Herkunftsstaat der Eltern haben (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2010 – 19 ZB 10.1129, juris Rn. 7; B.v. 22.7.2010 – 19 C 10.1496, juris Rn. 6). Allerdings ist regelmäßig davon auszugehen, dass auch ein Minderjähriger, der im Bundesgebiet geboren wurde oder lange dort gelebt hat und vollständig in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik integriert ist, dessen Eltern aber wegen ihrer mangelnden Integration kein Aufenthaltsrecht zusteht, auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen im Heimatland verwiesen werden kann. Insoweit hat im Rahmen des Art. 8 EMRK eine familienbezogene Betrachtung zu erfolgen (vgl. OVG Greifswald, B.v. 16.09.2010 – 2 M 107/10, juris; BayVGH, B.v. 13.07.2010 – 19 ZB 10.1129, juris; OVG Saarlouis, B.v. 20.04.2011 – 2 B 208/11, NVwZ-RR 2011, 660; VGH BW, U.v. 22.07.2009 – 11 S 1622/07, juris; OVG Lüneburg, B.v. 12.03.2013 – 8 LA 13/13, juris). Kinder unter 14 Jahren müssen sich das Verhalten ihrer sorgeberechtigten Eltern(teile) daher zurechnen lassen, weil sie als Kinder deren aufenthaltsrechtliches Schicksal teilen und im Hinblick auf die Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen sind. Es ist folglich im Rahmen einer familiären Gesamtschau bedeutsam, inwieweit sich die Eltern kulturell, sozial und wirtschaftlich in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert haben. Steht den Eltern – wie im vorliegenden Fall (siehe oben) – wegen deren mangelnder Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland über Art. 8 EMRK kein Aufenthaltsrecht zu, so ist davon auszugehen, dass auch ein Minderjähriger, der im Bundesgebiet geboren wurde oder dort lange Zeit gelebt hatte und vollständig integriert ist, auf die von den Eltern nach der Rückkehr im Familienverband zu leistenden Integrationshilfen im Heimatland verwiesen werden kann (vgl. VGH BW, U.v. 22.07.2009 – 11 S 1622/07, juris). Es kann nur ausnahmsweise etwas anderes gelten, wenn kein Elternteil in der Lage sein wird, diese Hilfen zu erbringen (vgl. BayVGH, B. v. 13.7.2010 – 19 ZB 10.1129, juris Rn. 7; VGH BW, U. v. 22.7.2009 – 11 S 1622/07, juris, Rn. 81; OVG Lüneburg B.v. 18.5.2010 – 8 PA 86/10, BeckRS 2010, 49405; VGH BW, B.v. 10.5.2006 – 11 S 2354/05, BeckRS 2006, 23807). Insoweit obliegt es den Antragstellern, substantiierte Gesichtspunkte vorzutragen, aus welchen sich eine solche atypische Konstellation ergeben kann. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend aber weder ersichtlich noch sind hierfür konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen worden.
2.2.2.
Durch die Abschiebung der Antragsteller wird ferner die effektive Verfolgung und Geltendmachung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vereitelt oder wesentlich erschwert, weil ein solcher Anspruch nicht besteht.
Der elfjährige Antragsteller zu 3) erfüllt nicht den Tatbestand des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll. Hiervon erfasst sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 JGG nur Jugendliche, die vierzehn, aber noch nicht achtzehn, und Heranwachsende, die achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt sind.
Zwar ist dem Wortlaut des § 25a Abs. 1 AufenthG selbst nicht unmittelbar zu entnehmen, dass zur näheren Bestimmung des von dieser Norm erfassten Personenkreises auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 JGG zurückzugreifen ist. Die Anlehnung an diese Legaldefinition geht allerdings eindeutig aus der Begründung zum Gesetzentwurf hervor (BT-Drs. 18/4097, S. 42, Nr. 12). Auch das Aufenthaltsgesetz selbst unterscheidet offensichtlich zwischen Minderjährigen und Jugendlichen. Die Verwendung des Attributes „jugendlich“ anstelle des in anderen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes anzutreffenden Begriffes „minderjährig“ wäre nicht nachvollziehbar, wenn ein Mindestalter für den begünstigten Personenkreis des § 25a Abs. 1 AufenthG nur mittelbar durch die Regelvoraussetzung eines vierjährigen erfolgreichen Schulbesuchs (§ 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) festgelegt werden sollte (für den Rückgriff auf § 1 Abs. 2 JGG auch OVG Saarland, B.v. 06.10.2015 – 2 B 166/15, juris Rn. 8; VG Bayreuth, B.v. 14.04.2016 – B 4 E 16.255, BeckRS 2016, 45816; VG Stuttgart, U.v. 10.01.2017 – 11 K 2461/16, BeckRS 2017, 102150, Rn. 20; Wunderle, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 25a, Rn. 10; Göbel-Zimmermann, in: Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 25a, vor Rn. 7).
Erhält demnach der Antragsteller zu 3) keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG, kann auch den Antragstellern zu 1), 2) und 4) als Eltern und Geschwister weder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt noch ihre Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2b) AufenthG ausgesetzt werden.
2.2.3.
Auch die vom Antragsteller zu 1) geltend gemachten gesundheitlichen Probleme vermögen eine rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung nicht zu begründen. Hiervon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (hinsichtlich der zielstaatsbezogenen gilt § 42 Abs. 1 AsylG und die Bindung an die asylrechtliche Entscheidung) bestünden. Ist der Gesundheitszustand des Ausländers so kritisch, dass eine konkrete Leibes- oder Lebensgefährdung durch den Abschiebevorgang selbst zu befürchten ist, so würden sich rechtliche Bindungen unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben. Bei alledem ist unbedingt zu beachten, dass die eine entsprechende Unterlassungspflicht auslösende Schutzpflicht erst einsetzt, wenn die Abschiebung eine erhebliche bzw. wesentliche, d. h. nicht nur geringfügige Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes zur Folge hätte oder gar ein lebensbedrohlicher Zustand einträte. Solches muss dem oder der Betroffenen konkret drohen, es muss ein ernsthaftes Risiko für ihn oder sie bestehen. Gemäß § 60a Abs. 2c) Sätze 1 und 2 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen; eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, muss der Ausländer durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung unverzüglich vorzulegen (vgl. § 60a Abs. 2d) Satz 1 AufenthG).
Vorliegend ist der Antragsteller zu 1) bereits seiner Pflicht aus § 60a Abs. 2d) Satz 1 AufenthG nicht nachgekommen, da er der Antragsgegnerin (aktuelle) ärztliche Bescheinigungen, die eine Reiseunfähigkeit belegen, nicht vorgelegt hat. Aktuelle Nachweise über die Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1) wurden auch im vorliegenden Eilverfahren nicht beigebracht. Aus den im Verfahren W 7 K 16.568 vorgelegten Attesten vom 6. Oktober 2016, vom 30. September 2016, vom 17. März 2016 und vom 29. Februar 2016, die im Übrigen nicht aktuell sind, geht eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 1) ebenfalls nicht hervor. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Form der unzureichenden medizinischen Versorgung im Heimatland nicht Gegenstand des ausländerrechtlichen Verfahrens sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG. In dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ist dabei nach dem Streitwertkatalog von der Hälfte des Regelstreitwertes auszugehen.

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