Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schriftformbedürfnis bei Überlassung eines Kellerraums

Aktenzeichen  32 U 2728/16

Datum:
16.3.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154857
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 126, § 127, § 535, § 542 Abs. 2 Nr. 1, § 550

 

Leitsatz

1. Wird an den Mieter ein Kellerraum überlassen, der im Mietvertrag nicht bezeichnet ist, kann die Überlassung auf einer Vereinbarung, auf einer einseitigen rechtsverbindlichen Erlaubnis oder einer unverbindlichen Gestattung beruhen.
2. Auf welcher Grundlage die Überlassung an den Mieter erfolgt, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Bei der Auslegung kommt es vorrangig darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vermieter die Rückgabe der Nebenfläche verlangen können soll.
3. Die jederzeit widerrufliche Gestattung des Gebrauchs eines Kellerraums bedarf nicht der Schriftform des § 550 BGB.

Verfahrensgang

12 O 15055/15 2016-05-24 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.05.2016, Az. 12 O 15055/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 36.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung der Kläger erweist sich in der Sache als unbegründet. Das Landgericht ist im Ergebnis in zutreffender Weise davon ausgegangen, dass die Kündigungen der Klägerin unwirksam sind und sie deshalb nicht die Räumung und Herausgabe der Mieträumlichkeiten verlangen kann.
Die ordentlichen Kündigungen der Klägerin sind unwirksam. Aufgrund der Ausübung der Option durch die Beklagte hat sich die Dauer des Mietverhältnisses bis zum 31.12.2026 verlängert. Nach § 542 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann das Mietverhältnis nur außerordentlich gekündigt werden. Ein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag gilt nicht nach § 550 BGB für unbestimmte Zeit geschlossen. Der Mietvertrag wurde schriftlich geschlossen. Eine Verletzung der Schriftform liegt weder im Hinblick auf die Überlassung des Kellerraumes noch im Hinblick auf den Umfang der von der Beklagten vorgenommenen Um- und Ausbauten vor.
1. Die Mitvermietung eines Kellerraumes ist zwar grundsätzlich formbedürftig. Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Senat aber zu der Überzeugung gelangt, dass die Überlassung an die Beklagte nur auf einer Erlaubnis oder Gestattung der damaligen Vermieter beruhte.
Auch Nebenabreden unterliegen der Schriftform, wenn sie den Inhalt des Mietverhältnisses gestalten und nach dem Willen der Vertragsparteien wesentliche Bedeutung haben (BGH, Urteil vom 25. November 2015 – XII ZR 114/14 -, NJW 2016, 311). Damit sind auch mitvermietete Nebenflächen, zu denen insbesondere Kellerflächen oderabteile gehören, in dem Mietvertrag bestimmbar zu bezeichnen (Staudinger/V.Emmerich, 2014, § 550 BGB Rn. 24b; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Schweitzer, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 32; Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 121). Lediglich die Lage muss im Mietvertrag nicht exakt angegeben werden (Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl., § 550 BGB Rn. 68).
Das von der Beklagten genutzte Kellerabteil wurde von der damaligen Vermieterin nicht an die Beklagte vermietet. Darf der Mieter bspw. einen Keller oder andere Teile der Gemeinschaftsfläche für eigene Zwecke nutzen, so kann das Nutzungsrecht auf einer vertraglichen Vereinbarung, einer einseitigen rechtsverbindlichen Erlaubnis oder einer unverbindlichen Gestattung beruhen (Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Aufl., § 535 BGB Rn. 596). Auf welcher Grundlage die Überlassung an den Mieter erfolgt, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Bei der Auslegung kommt es vorrangig darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vermieter die Rückgabe der Nebenfläche verlangen können soll.
Die Beweisaufnahme hat den Sachvortrag der Beklagten, dass das Kellerabteil nicht mit vermietet sei, bestätigt. Die Zeugen C und U L haben ausgesagt, das Kellerabteil habe nicht dauerhaft überlassen werden sollen. Es habe nicht für alle Einheiten Kellerabteile gegeben. Diese seien daher nach Bedarf vergeben worden. Sie hätten daher auch ohne Begründung zurückgefordert werden können. Tatsächlich sei das Kellerabteil auch schon im Jahr 2011 einmal von der Beklagten zurückgefordert worden.
Der Senat hält die Aussagen für glaubhaft. Es ist kein Motiv dafür erkennbar, dass die Zeugen zugunsten der Beklagten aussagen wollten. Im Gegenteil hat der Zeuge U L ausgesagt, dass er zahlreiche Prozesse gegen den Ehemann der Beklagten, der Büroräume im selben Anwesen angemietet hatte, u.a. wegen Räumung geführt hat. Die Aussagen werden auch von den vorgerichtlichen Schreiben der Zeugen gestützt, deren Echtheit die Zeugen bestätigt haben.
Danach liegt eine reine Gestattung vor, nach der der Vermieter berechtigt ist, die überlassene Nebenfläche jederzeit wieder zurückzuverlangen, begrenzt nur durch das Gebot von Treu und Glauben (Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Aufl., § 535 BGB Rn. 596). Damit gehört das Kellerabteil nicht zum Mietgegenstand und unterlag die Überlassung desselben nicht dem Schriftformgebot des § 550 BGB.
2. Ein Formmangel, der eine ordentliche Kündigung durch die Klägerin ermöglichte, besteht auch nicht aufgrund des Umfangs der von der Beklagten zu Beginn des Mietverhältnisses vorgenommenen Um- und Ausbauten, insbesondere der Leitungseinbauten.
Grundsätzlich unterfallen über den Vertragstext hinausgehende Vereinbarungen zu von Mietern vorgenommenen und vom Vermieter gestatteten Umbauarbeiten dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB. Nebenabreden unterliegen der Schriftform, wenn sie den Inhalt des Mietverhältnisses gestalten und nach dem Willen der Vertragsparteien wesentliche Bedeutung haben. Treffen die Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und wer die Kosten zu tragen hat, so liegt die Annahme nicht fern, dass diesen Abreden vertragswesentliche Bedeutung zukommt (BGH, Urteil vom 25. November 2015 – XII ZR 114/14 -, NJW 2016, 311). Einer Formbedürftigkeit der Abreden zu den Umbaumaßnahmen steht nicht entgegen, dass die Maßnahmen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss durchgeführt werden sollten (BGH a.a.O.).
Eine Vereinbarung zu den von der Beklagten geplanten Baumaßnahmen findet sich in Ziffer 2.2 des Mietvertrages vom 07.11.2006. Darin haben die Vertragsparteien geregelt, dass die für den Betrieb als Zahnarztpraxis erforderlichen Einbauten von der Beklagten vorgenommen und bezahlt werden und sie verpflichtet ist, diese bei Beendigung des Mietvertrages wieder auf eigene Kosten zu entfernen. Der Umfang der Baumaßnahmen wird nicht ausgeführt. Insbesondere ist die von der Beklagten vorgelegte Ausbaubeschreibung, Anlage B 3, nicht zum Gegenstand des Mietvertrages gemacht worden.
Die Vertragsparteien haben in dem Mietvertrag alle vertragswesentlichen Aspekte, die den Umund Ausbau durch die Beklagte betreffen, schriftlich geregelt. Es war nicht erforderlich, dass der von der Beklagten geplante Umbau im einzelnen schriftlich niedergelegt wird. Denn aus dem Mietvertrag ergibt sich, dass die Beklagte nach ihrem Ermessen Umbauten vornehmen durfte. Ein Erwerber kann bei Durchsicht des Vertrages erkennen, dass die zum Betrieb einer Zahnarztpraxis erforderlichen und vorhandenen Einbauten von der Beklagten stammen und hat Gelegenheit konkret nachzufragen (Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 6. Aufl., Kap. 5 Rn. 135).
III.
1. Die Entscheidung des Landgerichts war deshalb aufrechtzuerhalten und die Berufung zurückzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Entscheidung in einem Einzelfall, die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

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