Medizinrecht

Beihilfe zur künstlichen Befruchtung

Aktenzeichen  RO 8 K 17.102

Datum:
15.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV BayBhV § 43
SGB V SGB V § 27a Abs. 4

 

Leitsatz

1 Die Übertragung der kryokonservierten Embryonen ist kein eigenständiger Behandlungsversuch nach dem ICSI-Verfahren. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) besteht aus mehreren Behandlungsschritten, die einen Behandlungszyklus iSd 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BayBhV bilden. Es erfolgt zunächst eine Vorbehandlung (hormonelle Stimulation, LP), dann wird der Eisprung ausgelöst (OI), eine Eizelle entnommen und befruchtet (FP) und schließlich die befruchtete Eizelle auf die Frau übertragen (ET).  (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Embryonentransfer (ET) ist nur ein Behandlungsschritt, unabhängig davon, ob der Embryonentransfer in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den vorhergehenden Schritten der ICSI-Behandlung oder aber nach Kryokonservierung erst später erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Bescheide des Landesamts für …, …, vom 16.11.2016 und vom 28.11.2016 sowie des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 13.12.2016 verpflichtet, der Klägerin hinsichtlich der mit Anträgen vom 29.10.2016, vom 4.11.2016 und vom 14.11.2016 eingereichten Rechnungen über eine im Oktober 2016 durchgeführte ICSI-Behandlung Beihilfe zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Beihilfe für die ICSI-Behandlung von Oktober 2016. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayBhV sind bei künstlicher Befruchtung nach der ICSI-Methode drei Versuche beihilfefähig, wenn in einem von zwei Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat. Ein Behandlungszyklus ist bei der Klägerin im April 2016 und ein weiterer im Juli 2016 erfolgt. Nach ärztlichem Attest vom 27.10.2016 ist bei der Behandlung im Juli 2016 eine Schwangerschaft eingetreten. Die ICSI-Behandlung von Oktober 2016 stellt damit den dritten Versuch im Sinne der Vorschrift dar. Soweit die Beklagtenseite meint, die Embryonentransfers von Juni und September 2016 seien als selbständige Behandlungszyklen im Sinne der Vorschrift zu berücksichtigen, trifft das nicht zu. Die Behörde setzt sich insoweit bereits mit ihrer eigenen Sachbehandlung in Widerspruch, weil Aufwendungen sowohl für die ICSI-Behandlungen im April und Juli als auch für die Embryonentransfers im Juni und September als beihilfefähig behandelt worden sind. Jedenfalls verkennt die Behörde aber, dass die Intracytoplasmatische Spermeninjektion (ICSI) aus mehreren Behandlungsschritten besteht, die einen Behandlungszyklus im Sinne der Vorschrift bilden. So erfolgt zunächst eine Vorbehandlung (hormonelle Stimulation, LP), dann wird der Eisprung ausgelöst (OI), eine Eizelle entnommen und befruchtet (FP) und schließlich die befruchtete Eizelle auf die Frau übertragen (ET). Der Embryonentransfer (ET) ist damit grundsätzlich nur ein Behandlungsschritt, unabhängig davon, ob der Embryonentransfer in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den vorhergehenden Schritten der ICSI-Behandlung oder aber nach Kryokonservierung erst später erfolgt. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayBhV schließt nicht aus, dass ein einzelner dieser Behandlungsschritte wiederholt vorgenommen wird. So werden etwa auch bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) regelmäßig mehrere befruchtete Eizellen auf die Frau übertragen. Die Übertragung der kryokonservierten Embryonen ist damit kein eigenständiger Behandlungsversuch nach dem ICSI-Verfahren (vgl. VG Köln, U. v. 14.6.2013 – 19 K 12/12 und U. v. 14.6.2013 – 19 K 13/12 unter Hinweis auf Nr. 12.8 der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 27a Abs. 4 SGB V erlassenen Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung).
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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