Aktenzeichen 1 N 15.705
Leitsatz
Die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan ist zu verneinen, wenn die Abwägungsrelevanz der privaten nachbarlichen Belange für die Gemeinde deswegen nicht erkennbar ist, weil der Antragsteller lediglich auf eine frühere Stellungnahme seinerseits verweist, die aber wegen einer geänderten Planung überholt ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Er ist unzulässig. Der Antragsteller ist nicht antragsbefugt, weil er nicht dargelegt hat, dass er durch oder aufgrund der Festsetzungen des (geänderten) Bebauungsplans in seinen Rechten verletzt sein könnte (§ 47 Abs. 2 VwGO).
Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2004 – 4 CN 1.03 – NVwZ 2004, 1120). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es – wie hier – um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) eines Eigentümers geht, dessen Grundstück außerhalb des Bebauungsplangebiets liegt. Auch insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154; U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten Belang berufen kann; denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 a.a.O.; U.v. 30.4.2004 a.a.O.). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet. Denn nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 30.11.2016 – 4 BN 16.16 – ZfBR 2017, 154; U.v. 24.9.1998 a.a.O.; B.v. 9.11.1979 – 4 N 1.78 u.a. – BVerwGE 59, 87).
Nach diesen Maßstäben ist die Antragsbefugnis zu verneinen. Die vom Antragsteller geltend gemachten Belange gegen den geänderten Bebauungsplan sind ungeachtet der grundsätzlichen Abwägungsrelevanz privater nachbarlicher Belange im hier zu entscheidenden Fall für die Gemeinde teilweise nicht erkennbar, jedenfalls aber geringwertig und damit nicht abwägungserheblich.
a) Soweit der Antragsteller mit Schreiben vom 17. Februar 2013 auf seine Einwendungen im Rahmen der Auslegung nach § 3 Abs. 1 BauGB im Schreiben vom 22. August 2012 verwiesen hat, ist für die Gemeinde nicht erkennbar gewesen, dass sich der Antragsteller auch durch die reduzierte Bebauung auf der nördlichsten Bauparzelle im Plangebiet beschwert fühlt. Denn die geänderte Planung sieht nicht mehr die vom Antragsteller gerügte 40 m lange riegelartige Bebauung an seiner südlichen Grundstücksgrenze vor, sondern nur noch ein Gebäude im Nord-Osten des an das Grundstück des Antragstellers angrenzenden Baugrundstücks. Da die geänderte Planung das Grundstück des Antragstellers somit weniger als anfänglich vorgesehen belastet, hätte der Antragsteller gegenüber der Gemeinde vortragen müssen, warum er diese geänderte Planung auch weiterhin nicht billigt und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er seine bisherigen Einwendungen aufrechterhalten will. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war er daran nach dem 18. Februar 2013 auch nicht wegen des Ablaufs der Auslegungsfrist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB gehindert. Denn die Auslegungsbekanntmachung enthielt keinen Hinweis darauf, dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan unberücksichtigt bleiben können (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB), sodass eine substantiierte Äußerung des Antragstellers nach Einsicht in die vorliegenden Unterlagen möglich und geboten gewesen wäre.
b) Soweit der Antragsteller sich gegen eine vermeintliche wirtschaftliche Benachteiligung seines Grundstücks im Vergleich zu der im Bebauungsplan gelegenen nördlichsten Bauparzelle wendet, handelt es sich um geringwertige und nicht schutzwürdige Belange, die in der Abwägung nicht berücksichtigt werden müssen. Nicht schutzwürdig in diesem Sinn sind Interessen, wenn sich deren Träger vernünftigerweise darauf einstellen müssen, dass „so etwas geschieht“ und auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht. Zu einer möglichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung trägt der Antragsteller vor, dass er durch die konkrete Situierung und Ausgestaltung des benachbarten Gebäudes auf der nördlichsten Bauparzelle einschließlich der Garage, die nicht als Grenzgarage errichtet werden müsse, benachteiligt werde. Das Nachbargebäude könne – im Gegensatz zu dem von ihm errichteten Gebäude – wesentlich weiter weg von der Erschließungs Straße, mit stärkerer Ausrichtung nach Süden und mit Führung des Dachfirsts in Nord-Süd-Richtung ohne öffentliche Grünfläche an seiner Grundstücksgrenze errichtet werden. Damit liege das Nachbargebäude, das zudem zwei Vollgeschosse aufweise, „perspektivisch in seinem Garten“. Das hier zugrunde liegende Interesse, dass ein Bebauungsplan die Struktur der angrenzenden Bebauung aufnimmt und fortsetzt oder dass eine Formgleichheit bei Gebäuden erhalten bleibt, ist in der vorliegenden Situation jedoch nicht schützenswert. Denn es handelt sich lediglich um eine tatsächliche Begünstigung, auf deren Fortbestand der Antragsteller nicht vertrauen kann. Eine mögliche Rechtsverletzung des Antragstellers scheidet daher offensichtlich aus.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt in der geänderten Planung auch keine unzumutbare Beeinträchtigung seines benachbarten Grundstücks. Ungeachtet dessen, dass es für ein gesondertes „bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot“ im Sinn einer eigenständigen rechtlichen Kategorie neben dem in § 1 Abs. 7 BauGB normierten Abwägungsgebot keinen Raum gibt (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215) ist nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit die geänderte Planung, die einen Baukörper in der nördlichsten Bauparzelle unter Einhaltung der Abstandsflächen im süd-östlichen Grundstücksbereich vorsieht, nachteilige Auswirkungen auf das Grundstück des Antragstellers und seine Nutzung haben kann. Angesichts der Situierung des Nachbargebäudes im Plangebiet erweist sich die zugelassene Bebauung dem Antragsteller gegenüber keinesfalls als rücksichtslos. Insbesondere die Einsehbarkeit des Gartenbereichs des Grundstücks des Antragstellers und die zum Grundstück des Antragstellers ausgerichteten Fenster des Nachbargebäudes sind vom Antragsteller hinzunehmen und überschreiten auch die für die Abwägungserheblichkeit maßgebende Geringfügigkeitsschwelle nicht.
c) Schließlich ergibt sich ein abwägungserheblicher privater Belang nicht aus dem Umstand, dass der Antragsteller (Mit-)Eigentümer eines unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks ist. Die Ausführungen des Antragstellers, die Eigentümerstellung sei ausreichend, weil der Bebauungsplan an formellen Mängeln leide, insbesondere die Auslegungsdauer nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 2 BauGB entsprochen habe, überzeugen schon deshalb nicht, weil es sich hierbei um eine Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags handelt. Der Antrag ist jedoch – wie vorstehend ausgeführt – unzulässig.
d) Über den Normenkontrollantrag konnte ohne weitere Schriftsatzfrist auch unter Berücksichtigung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs entschieden werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet nur dann die Einräumung einer Schriftsatzfrist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO, wenn eine Erwiderung auf das Vorbringen eines neuen Sachvortrags ermöglicht werden muss. Einen solchen Sachvortrag enthält das Schreiben der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 2. März 2017 in Bezug auf die Antragsbefugnis nicht. Vielmehr wird lediglich auf die bereits bekannten Ausführungen im Schreiben vom 30. August 2016 verwiesen. Eine Erwiderung war ebenso wenig geboten wie ein weiterer richterlicher Hinweis zur unzureichenden Darlegung der Antragsbefugnis. Ungeachtet des Schreibens der Berichterstatterin vom 6. Juli 2016, in dem der Antragsteller ausdrücklich u.a. darauf hingewiesen wurde, zur Antragsbefugnis auszuführen, wurde das Thema in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Im Übrigen besteht keine Pflicht, vor der Entscheidung auf die (vorläufige) Rechtsauffassung des Gerichts hinzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.2016 – 8 B 31.15 – juris Rn. 9).
2. Da der Antrag bereits aufgrund der fehlenden Antragsbefugnis unzulässig ist, kommt es ungeachtet der Frage, ob eine noch nicht vollständige Bebauung des Plangebiets überhaupt dazu führen kann, das Rechtsschutzbedürfnis in Frage zu stellen (vgl. BVerwG, B.v. 29.9.2015 – 4 BN 25.15 – BayVBl 2016, 387), auf diesen Gesichtspunkt nicht entscheidungserheblich an. Ein Anspruch des Antragstellers auf weitere Gewährung rechtlichen Gehörs über die mündliche Verhandlung hinaus zu den Ausführungen der Gegenseite im Schriftsatz vom 2. März 2017 war daher nicht veranlasst. Gleichermaßen kann die Frage einer möglichen Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO dahingestellt bleiben.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr.11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.