Aktenzeichen M 10 S 17.617
AO AO § 34, § 69, § 191 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Die grundsätzlich mit Widerspruch und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) tritt kraft Gesetzes nicht ein, soweit für öffentliche Abgaben – wie etwa Gewerbesteuer – gehaftet wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Haftung nach § 69 AO wird nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (wie BFH BeckRS 2006, 25011410). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine unbillige Härte iSd § 80 Abs. 3 S. 4 VwGO liegt nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabepflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet wäre (wie BayVGH BeckRS 2008, 28135 Rn. 5). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine unbillige Härte iSd § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO setzt das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Haftungsbescheid vom 19. Dezember 2016 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 25.844,25 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Gewerbesteuerschulden für die Jahre 2008 und 2009.
Der Antragsteller war vom 6. Juni 2011 bis zum 30. November 2011 und vom 7. November 2012 bis zum 6. Mai 2013 als Geschäftsführer der „… – T. GmbH“, zuvor „… GmbH“ im Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war Handel und Vertrieb von Photovoltaikanlagen und die Vermietung von Fahrzeugen. Am 16. Juli 2013 wurde das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft eröffnet.
Der Antragsteller ist verheiratet und hat ein zweijähriges Kind; seine Frau ist im 6. Monat schwanger. Der Antragsteller und seine Frau haben im Januar 2017 eine Immobilie zum Preis von 470.000 EUR gekauft; der Kaufpreis ist fällig bis zum 25. April 2017. Die Grunderwerbsteuer wurde mit Bescheid vom 23. Februar 2017 festgesetzt und ist bis zum 27. März 2017 fällig. Der Kaufpreis wird über ein Darlehen bei der …bank AG finanziert.
Am 19. Dezember 2016 erließ die Antragsgegnerin einen Haftungsbescheid wegen Gewerbesteuern für die Jahre 2008 und 2009 sowie Nachzahlungszinsen und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 103.377 EUR. Als Fälligkeitszeitpunkt gibt der Haftungsbescheid jeweils den 12. September 2013 an.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, der Antragsteller habe die ihm obliegende Pflicht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, Steuererklärungen abzugeben und zu berichtigen, Steuern aus dem verwalteten Vermögen zu entrichten und Auskünfte zu erteilen, grob fahrlässig verletzt. Es sei durch unterlassene, verspätete oder unvollständige Abgabe einer Steuererklärung eine aussichtsreiche Vollstreckungs- oder Aufrechnungsmöglichkeit vereitelt worden. Der Haftungsbescheid beruhe auf der Pflichtverletzung im Rahmen der Nichterfüllung der Steuerpflicht. Die genannten Forderungen seien nicht entrichtet worden, so dass der Bescheid an den Antragsteller ergehe. Da der Antragsteller als Geschäftsführer die erforderlichen Unterlagen nicht abgegeben habe, seien die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig erfüllt worden. Die Pflicht eines Geschäftsführers zur Berichtigung der Gewerbesteuererklärung ergebe sich aus § 153 Abs. 1 AO. Infolgedessen seien die Gewerbesteuerzahlungen nicht rechtzeitig festgesetzt worden und auch nicht rechtzeitig, nämlich bei Fälligkeit der Erstbescheide erfüllt worden. Da das Insolvenzverfahren bezüglich der Gesellschaft eröffnet sei, könne die Forderung nicht anders beigetrieben werden. Zur Angemessenheit findet sich der folgende Satz: „Angemessen ist der Erlass eines Haftungsbescheids, da die Nachteile für [den Antragsteller] nicht außer Verhältnis stehen und durch die oben erläuterte Pflichtverletzung erlassen werden kann.“
Der Antragsteller habe seine Pflichten verletzt, da er die Steuererklärung nicht berichtigt habe und die durch den Steuerbescheid nach Betriebsprüfung festgesetzten Steuern nicht angegeben habe. Es sei daher ermessensgerecht, den Antragsteller persönlich in Haftung zu nehmen. Es würden auch noch weitere Geschäftsführer in Haftung genommen. Der Gleichheitsgrundsatz sei beachtet worden. Auf die weitere Begründung wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2017 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung bei der Antragsgegnerin beantragt.
Bereits am 20. Juli 2015 hatte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller einen Haftungsbescheid erlassen. Die Antragsgegnerin hatte ihn aufgehoben, nachdem das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 (M 10 S. 15.3903) dem Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines damaligen Widerspruchs anzuordnen, stattgegeben hatte. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Am 16. Februar 2016 hat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 9. Januar 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt: Die Antragsgegnerin habe ihr Entschließungsermessen nicht ausgeübt, denn sie gehe davon aus, die Inanspruchnahme des Antragstellers sei die einzig zielführende Möglichkeit. Im Widerspruch dazu habe die Antragsgegnerin jedoch ausgeführt, dass noch weitere Geschäftsführer in Haftung genommen würden, ohne die Geschäftsführer, die Zeiträume ihrer Haftung, die Haftungsbeträge oder die jeweils zur Verfügung gestandenen Mittel zu benennen. Eine Abwägung habe nicht stattgefunden, vielmehr handele es sich um leere Worthülsen. Die Antragsgegnerin missachte den Beschluss des Gerichts vom 15. Dezember 2015. Dort sei ausgeführt, dass fraglich sei, ob überhaupt ein Pflichtenverstoß vorliege. Denn der Antragsteller sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung noch gar nicht Geschäftsführer der GmbH gewesen. Die Antragsgegnerin führe im Bescheid nicht aus, wann die Betriebsprüfung stattfand und zu welchem Ergebnis diese kam. Auch bleibe unklar, inwieweit sich die Betriebsprüfung auf die Gewerbesteuermessbescheide oder die Gewerbesteuerbescheide bezogen habe. Nicht verständlich sei die Formulierung im Bescheid, „dass der Antragsteller […] nach Betriebsprüfung festgesetzten Steuern nicht „angegeben“ habe.“ Die berichtigten Steuerbescheide seien am 9. August 2013 ergangen und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller bereits nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei. Bereits das Verwaltungsgericht habe darauf hingewiesen, dass bei Fälligkeit der Steuerforderungen im Jahr 2013 das Insolvenzverfahren der GmbH bereits eröffnet gewesen sei, so dass sich auch keine Pflichtverletzung des Antragstellers ergeben könne. Unklar bleibe, ob die Antragsgegnerin Fristverlängerung und für welchen Zeitraum gewährt habe oder ob sie die Identität der Gesellschaft überprüft habe. Anlass hierzu seien die Sitzverlegung sowie die Umfirmierung gewesen. Die Antragsgegnerin hätte bei gesellschaftsrechtlichen Veränderungen und erst Recht bei einer etwaigen verspäteten Abgabe der Steuererklärungen Schätzungen vornehmen müssen, andernfalls träfe sie ein Mitverschulden. Die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide und die Änderungsbescheide vom 31. Juli 2013 seien dem Antragsteller nicht zugegangen. Es sei anzunehmen, dass die Änderungsbescheide unmittelbar an den damaligen steuerlichen Berater bekannt gegeben worden seien. Die Buchführung selbst sei von einer Holding in Österreich durchgeführt worden, was zumindest dem Finanzamt Traunstein bekannt gewesen sein dürfte. Es fehlten Angaben zu den Vorgängen, die Gegenstand des Änderungsbescheids waren und wann und durch wen diese Änderungen festgestellt worden seien. Die Änderungsbescheide seien möglicherweise dem Insolvenzverwalter zugestellt worden. Es sei zu vermuten, dass dieser die Vorgänge, die zu dem Änderungsbescheid geführt hätten, nicht geprüft habe. Dies sei dem Antragsteller jedoch nicht zuzurechnen. Die Jahresergebnisse seien nach Informationen des Antragstellers sowie des vorhergehenden Geschäftsführers in den Jahren 2008 bis 2010 positiv gewesen, das Ergebnis des Jahres 2011 sei ausgeglichen gewesen und im Jahr 2012 habe es wiederum ein positives Ergebnis gegeben. Es werde zudem nicht hinreichend deutlich, ob die Antragsgegnerin die Zahlungen ausschließlich aufgrund der Änderungsbescheide oder auch auf Grund der ursprünglichen Steuerbescheide begehre. Sei letzteres der Fall, liege ein Mitverschulden der Antragsgegnerin vor. Denn diese oder das Finanzamt Traunstein hätten sich um rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen oder eine Schätzung bemühen müssen. Ein Unterlassen des Finanzamts Traunstein sei der Antragsgegnerin zuzurechnen. Zudem fehlten Angaben dazu, wer wann welche Gewerbesteuererklärungen abgegeben habe.
Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schreiben vom 13. März 2017 trug die Bevollmächtigte des Antragstellers vor, es liege eine unbillige Härte vor. Es stehe zu befürchten, dass der Antragsteller die Grunderwerbsteuer zahlen müsse und der Verkäufer der Immobilie wegen fehlender Kaufpreiszahlung vom Kaufvertrag zurücktreten werde. Es liege auch keine „Gefahr im Verzug“ vor, da der Antragsteller in soliden Verhältnissen lebe. Im Vertrauen auf den Hauskauf müsse die momentan bewohnte Wohnung bis Ende Juni 2017 geräumt werden. Zudem legte die Bevollmächtigte des Antragstellers vier Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2017 vor, deren Drittschuldner sind: … Investitions- und Förderbank, …bank AG, … Sparkasse sowie die … GmbH (Einkommenspfändung). Des Weiteren legte sie die folgenden Unterlagen vor: Eine Abrechnung des Gehalts des Antragstellers vom Februar 2017 vor, einen Kaufvertrag, mit dem der Antragsteller und seine Frau ein Grundstück zum Preis von 470.00 EUR, fällig bis zum 25. April 2017, gekauft haben, den Bescheid über die Grunderwerbsteuer in Höhe von 10.575 EUR, fällig zum 27. März 2017, die Auftragsbestätigung für einen Wintergarten zum Preis von 38.965 EUR sowie Nachweise, dass bei der …bank AG und der … Investitions- und Förderbank Darlehen zur Finanzierung der Immobilie aufgenommen wurden.
Mit weiterem Schreiben vom 13. März 2017 teilte die Bevollmächtigte des Antragstellers mit, das gemeinsame Konto des Antragstellers und seiner Frau sei auch gepfändet worden. Die aktuelle Liquidität der Eheleute betrage nach eigenen Angaben etwa 1.000 EUR.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Widerspruchsakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Die grundsätzlich mit Widerspruch und Anfechtungsklage verbundene aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) tritt kraft Gesetzes nicht ein, wenn ein Verwaltungsakt die Anforderung von öffentlichen Abgaben betrifft (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Das Gleiche gilt, soweit für öffentliche Abgaben – wie hier Gewerbesteuer – gehaftet wird (st. Rspr., vgl. z.B. VG München, B.v. 22.12.2006 – M 10 S. 06.3614 – juris).
Das Gericht der Hauptsache kann jedoch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage durch Beschluss anordnen (§ 80 Abs. 5 VwGO), was in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO dann zu geschehen hat, wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte oder wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides so erheblichen Bedenken begegnet, dass eine Aufhebung oder Abänderung im Hauptsacheverfahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann.
Im vorliegenden Fall bestehen bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids (dazu unter 1.). Darüber hinaus liegt eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte vor (dazu unter 2.).
1. Der Haftungsbescheid vom 19. Dezember 2016 beruht auf § 191 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. §§ 69, 34 AO. Gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 3 Abs. 2 AO sind § 191 sowie §§ 69, 34 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer direkt anwendbar. Bei summarischer Prüfung bestehen Bedenken hinsichtlich des Tatbestands (dazu unter a.) sowie hinsichtlich der Ermessensausübung (dazu unter b.).
a. Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Die grundsätzliche Haftung des Antragstellers ergibt sich aus § 69 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO. Danach haften gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Haftungsschuldner kraft Gesetzes sind nach § 69 S. 1 AO unter anderem die in § 34 AO bezeichneten Personen. Eine Haftung nach § 69 AO wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann ausgelöst, wenn die dafür in Betracht kommende Person eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat und diese Pflichtverletzung einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat (vgl. BFH, U.v. 29.11.2006 – I R 103/05 – juris Rn. 12; U.v. 05.03.1991 – VII R 93/88 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 11.08.2005 – VII B 244/04 – juris Rn. 9). Es ist bereits fraglich, ob überhaupt ein Pflichtverstoß betreffend der Abgabe der Steuererklärungen für die Jahre 2008 und 2009 des Antragstellers vorliegt, weil der Antragsteller zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Steuererklärungen noch gar nicht Geschäftsführer der GmbH war. Die Antragsgegnerin hat trotz Aufforderung dem Gericht keine Akten vorgelegt, aus denen sich nachweisbar eine Pflichtverletzung des Antragstellers ergibt. Auch aus dem Bescheid erklärt sich nicht, weshalb der Antragsteller nachträglich die Steuererklärung hätte prüfen und berichtigte Unterlagen hätte einreichen müssen. Im Haftungsbescheid wird auf § 153 Abs. 1 AO abgestellt. Dieser setzt jedoch für die Pflicht zur nachträglichen Berichtigungspflicht voraus, dass der Pflichtige Kenntnis (nicht: fahrlässige Unkenntnis) von der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung hatte (Koenig, AO, § 153 Rn. 19). Dass der Antragsteller solche Kenntnis hatte, ist weder aus dem Bescheid noch aus den sonstigen vorgelegten Unterlagen ersichtlich. Es ist von einer Betriebsprüfung die Rede, ohne dass der Zeitpunkt des Ergebnisses und sich daraus ergebende Kenntnis von Nachzahlungen klar sind. Vielmehr liegt nahe, dass die Finanzverwaltung selbst durch die Betriebsprüfung von etwaigen Nachforderungen noch vor dem Antragsteller Kenntnis erlangte.
b. Auch eine rechtmäßige Ermessensausübung ist bei summarischer Prüfung nicht erfolgt. Die Inanspruchnahme des Haftenden steht im pflichtgemäßen Entschließungs- und Auswahlermessen der Antragsgegnerin, das gemäß § 114 Satz 1 VwGO auch darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Wegen der gerichtlichen Aufgabe zur Kontrolle behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht angesichts des Grundsatzes der Gewaltenteilung keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid begründet werden; andernfalls ist sie im Regelfall fehlerhaft. Das Fehlen einer ausreichend substantiellen, nachvollziehbaren Begründung oder die „Vagheit“ einer Begründung, der nichts Wesentliches zur Sache entnommen werden kann, ist bei Ermessenentscheidungen an sich schon ein Mangel, der als solcher den Verwaltungsakt rechtswidrig macht (vgl. Decker, in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1.1.2017, § 114 Rn. 10 n.w.N.). Dabei müssen die bei der Ausübung des Ermessens angestellten Erwägungen – die Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners – aus der Entscheidung erkennbar sein. Insbesondere hat die Behörde zum Ausdruck zu bringen, warum sie den Haftungsschuldner anstatt des Steuerschuldners oder neben oder anstelle anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen in Anspruch nimmt (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2005 – 4 ZB 03.3250 – juris Rn. 14; Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand: November 2015, § 191 Rn. 36, 42). Dies ist hier bei summarischer Prüfung bereits zweifelhaft, da weitere Haftungsschuldner nicht benannt wurden und keinerlei Begründung erfolgte, weshalb der Antragsteller zusätzlich zu ihnen heranzuziehen war. Auch die Begründung des Entschließungsermessens ist sehr knapp ausgefallen („Angemessen ist der Erlass eines Haftungsbescheides, da die Nachteile für Herrn H. nicht außer Verhältnis stehen und durch die oben erläuterte Pflichtverletzung erlassen werden können.“). Es liegt nahe, bei einer solch hohen Summe, die von einer Privatperson eingefordert wird, und bei der zeitlichen Dauer des Verfahrens Erwägungen zur Leistungsfähigkeit und zur Qualität der Pflichtverletzung anzustellen.
2. Zudem liegt in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO eine unbillige Härte vor.
Eine unbillige Härte liegt nur dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Abgabepflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet wäre (BayVGH, B.v. 30.6.2008 – 4 CS 08.1409 – juris).
Eine unbillige Härte im Sinn des § 80 Abs. 4 VwGO setzt das Vorliegen eines persönlichen Billigkeitsgrundes in der Person des Abgabepflichtigen voraus, wobei Gegenstand der Beurteilung gerade die Vollziehung des Abgabenbescheides bzw. die sofortige Zahlung durch den Abgabepflichtigen darstellt. Im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist entscheidend darauf abzustellen, ob die sofortige Vollziehung bzw. Zahlung der geforderten Abgabe eine wesentliche Ursache für die Existenzgefährdung darstellen würde.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Gerade die sofortige Vollziehung noch vor dem Fälligkeitszeitpunkt von Grunderwerbsteuer und Kaufpreis des neuen Hauses bedrohen die Existenz des Antragstellers. Er und seine (dann) zwei kleinen Kinder und seine Ehefrau müssen Ende Juni aus ihrer Wohnung ausziehen. Der Erwerb des neuen Hauses hängt maßgeblich von der rechtzeitigen Kaufpreiszahlung ab, welche wegen der Vollstreckung im Wege der Kontenpfändung bei der …bank AG momentan unmöglich ist. Solange seine Konten und auch sein Arbeitslohn gepfändet sind, ist nicht ersichtlich, wie der Antragsteller sich die Mittel beschaffen soll, um kurzfristig eine andere Unterkunft für sich und seine Familie zu finden. Der hochschwangeren Frau des Antragstellers ist ebenfalls nicht zumutbar, zum Einkommen beizutragen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Haftungsbescheids ist daher begründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.