IT- und Medienrecht

Regress gegen einen Soldaten wegen Beschädigung eines Dienstfahrzeugs

Aktenzeichen  M 21 K 15.3238

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
SG SG § 7, § 11, § 24

 

Leitsatz

1 Ein Soldat verstößt grob fahrlässig gegen seine Pflicht, mit dem Eigentum des Dienstherrn fürsorglich umzugehen und ist deshalb zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er mit einem Kleinbus in ein nicht hinreichend hohes Parkhaus fährt, obwohl im Einfahrtsbereich eine Höhenangabe angebracht ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Dienstherr ist nicht gehalten, zugunsten des Soldaten eine Regresshaftpflichtversicherung abzuschließen oder die Haftung sonst aus Gründen der Fürsorgepflicht zu beschränken. Eine Existenzbedrohung wird durch die Praxis des Dienstherrn ausgeschlossen, die Haftung auf drei Monatsgehälter zu beschränken. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid und der Beschwerdebescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 24 Abs. 1 SG hat der Soldat, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Bei einem Verstoß gegen diese Pflicht kann der Dienstherr den Soldaten durch Leistungsbescheid zum Ersatz des Schadens heranziehen.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 SG liegen vor. Der Kläger hat bei Wahrnehmung seiner Aufgaben durch eine Verletzung seiner Treuepflicht nach § 7 SG den entstandenen Schaden auf Seiten der Beklagten verursacht.
Der Kläger hat dabei die ihm obliegenden Pflichten unter Berücksichtigung der für ihn geltenden Anforderungen und individueller Gesichtspunkte im besonders schweren Maße verletzt und damit die Voraussetzungen für eine grobe Fahrlässigkeit erfüllt.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn der Handelnde nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wenn er nur die einfachsten Überlegungen angestellt hätte. Im Gegensatz zum rein objektiven Maßstab bei einfacher Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen (BVerwG, B.v. 6.8.2009 – 2 B 9/09 – juris Rn. 5; BGH, U.v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01 – juris Rn. 10). Es kommt also nicht nur darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, wozu auch gehört, ob die Gefahr erkennbar und der Schaden vermeidbar waren. Abzustellen ist vielmehr auch darauf, ob der Schädiger nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte.
Die Beurteilung der Voraussetzungen für eine grobe Fahrlässigkeit erfolgt regelmäßig einzelfallbezogen. Der Hinweis der Klägerseite auf eine – im Übrigen hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts erkennbar nicht vergleichbare – Beurteilung der Fahrlässigkeit bei einer Schädigung eines gemieteten Fahrzeugs wegen Nichtbeachtung einer Höhenbegrenzung durch das OLG München in einem zivilgerichtlichen Verfahren ist daher ohne Belang.
Die Voraussetzungen für einen grob fahrlässigen Pflichtenverstoß gegen die Treupflicht, die auch einen fürsorglichen Umgang mit Eigentum des Dienstherrn einschließt, liegen bei einer Einfahrt in ein Parkhaus mit einer nicht ungewöhnlichen Höhenbeschränkung von 2,10 m mit einem Fahrzeug, das mit 2,31 m erkennbar über die üblichen Maße eines Kfz hinausgeht, vor. Zur Vermeidung von Schäden muss sich der Soldat aufgrund seiner Treuepflicht bereits bei Übernahme eines Dienstfahrzeugs mit bedienungsrelevanten Aspekten wie den Fahrzeugmaßen vertraut machen. Ziff. 349 des Zentralerlasses B-1050/3 stellt dementsprechend klar, dass der Soldat mit der Übernahme eines Dienstfahrzeugs, für das eine Einweisung nicht vorgeschrieben ist, bestätigt, dass er mit der Bedienung vertraut ist.
Der Kläger wird auch nicht dadurch entlastet, dass er aus früherer Erfahrung mit – im Übrigen hinsichtlich der Höhe mit dem beschädigten Fahrzeug auch nach seinen eigenen Angaben nicht identischen – anderen Kleinbussen darauf vertraut hat, dass in Teilen des Parkhauses (bis in die erste Etage) ein Parken mit Kleinbussen möglich sei. Die Nutzung eines Parkhauses unter Verstoß gegen die – auch vom Kläger nicht bestrittene – Höhenangabe im Einfahrtsbereich im Vertrauen auf hiervon abweichende bauliche Gegebenheiten stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen Sorgfaltspflichten dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welcher Form an der Einfahrt eine mechanische Höhenbegrenzung angebracht ist.
Die erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung des Klägers, im Bereich der ersten Etage des Parkhauses seien gesonderte Parkplätze für Fahrzeuge mit einer Höhe, die über die gewöhnliche Fahrzeughöhe von KFZ hinausgehe, ausgewiesen, und er habe zunächst beabsichtigt, dort zu parken, ändert an der gesteigerten Vorwerfbarkeit seines Verhaltens nichts.
Anhaltspunkte für eine gesonderte Ausweisung von Parkplätzen bestehen unter Berücksichtigung der Aktenlage und entsprechend allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen (vgl. die von der Beklagten eingeholten allgemeinen Parkinformationen zum Isarparkhaus-Parkplatz, bestätigt durch eine Internetrecherche zu dem Parkhaus unter www.parkinglist.de) nicht. Die vom Kläger behauptete Ausweisung von Sonderparkflächen für Fahrzeuge mit einer über die allgemeine Höhenvorgabe im Parkhaus hinausgehenden Fahrzeughöhe durch Pylonen begegnet insofern Zweifeln.
Letztlich kann dies aber dahinstehen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass in der ersten Etage Parkplätze zur Nutzung für Fahrzeuge mit einer Höhe von mehr als 2,10 m und selbst für Fahrzeuge wie das beschädigte mit einer Höhe von mehr als 2,30 m ausgewiesen wären, würde dies am Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nichts ändern. Der Kläger hat selbst angegeben, dass sich die Ausweisung von Parkplätzen für Fahrzeuge mit besonderer Fahrzeughöhe lediglich auf den Bereich der ersten Etage beschränkte. Er war sich darüber im Klaren, dass er jedenfalls an der Auffahrt zur zweiten Etage des Parkhauses in einen Bereich einfuhr, für den die Höhenbeschränkung uneingeschränkt galt, entschied sich aber aufgrund der Parksituation bewusst hierfür. Gerade der geschilderte Geschehensablauf, wonach der Kläger zunächst aus dem Fahrzeug ausstieg und die Höhenverhältnisse abschätzte, zeigt, dass er sich der Höhenbeschränkung bewusst war und sich nur im Vertrauen auf die tatsächlichen Verhältnisse für eine Einfahrt in die zweite Etage entschied.
Schließlich ist der Fahrlässigkeitsvorwurf auch nicht im Hinblick auf die erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Drucksituation gemindert. Dem Kläger obliegt als Soldat im Hinblick auf seine Treuepflicht in besonderem Umfang die Bewältigung belastender Stresssituationen. Das gilt auch beim Umgang mit Eigentum des Dienstherrn. Die Anforderungen für die Annahme eines schuldgeminderten Augenblicksversagens sind entsprechend hoch.
Die vom Kläger geschilderte Situation lässt bereits nicht erkennen, dass die Einfahrt in die zweite Etage eine Spontanreaktion auf eine Drucksituation war. Der Kläger hat selbst darauf hingewiesen, dass er vor der Einfahrt aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei und sich die Höhenverhältnisse angesehen habe. Dem Kläger wäre es in dieser Situation ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, in der ersten Etage zu bleiben und das Parkhaus – ungeachtet damit verbundener Unannehmlichkeiten – wieder zu verlassen.
Schließlich ist auch eine von der Klägerseite geltend gemachte Beschränkung der Haftung nach arbeitsrechtlichen Maßstäben – etwa im Hinblick auf die Möglichkeit eines Versicherungsschutzes des Dienstherrn – aus den hier maßgeblichen soldatenrechtlichen Regelungen nicht abzuleiten. Seit der Beschränkung der Haftung von Soldaten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit durch das 9. Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. Juni 1992 (BGBl I S. 1030) ist für einen differenzierten Haftungsmaßstab nach arbeitsrechtlichen Maßstäben kein Raum mehr (vgl. Vogelsang in GKÖD, 9. Lieferung 2010, SG, § 24 Rn 22). Der Dienstherr ist auch nicht aus Gründen der Fürsorgepflicht gehalten, zugunsten des Soldaten eine Regresshaftpflichtversicherung abzuschließen bzw. die Haftung sonst wie aus Gründen der Fürsorgepflicht zu beschränken (vgl. Vogelsang in GKÖD a.a.O., § 24 Rn. 23). Eine Existenzbedrohung, die im Übrigen im Hinblick auf den streitigen Betrag ersichtlich nicht droht, wird allgemein durch die vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erläuterte Begrenzung der Haftung auf drei Monatsgehälter vermieden.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO

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