Europarecht

Arrestverfahren bei einem hinreichenden Verdacht der Beteiligung des Arrestschuldners an einer gegen das Vermögen des Antragstellers gerichteten Straftat

Aktenzeichen  11 O 386/17

Datum:
6.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 120821
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 917 Abs. 1

 

Leitsatz

Alleine der hinreichende Verdacht der Beteiligung des Arrestschuldners an einer gegen das Vermögen des Antragstellers gerichteten Straftat rechtfertigt die Annahme eines Arrestgrundes nur dann, wenn die Umstände der Straftat im konkreten Einzelfall den Schluss zulassen, dass sich der Antragsteller auch künftig nicht rechtstreu verhalten wird, indem er den Versuch unternimmt, die Vollstreckung zu vereiteln (Entgegen OLG Bamberg BeckRS 2017, 120820 Rn. 106).   (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass eines dinglichen Arrestes vom 15.2.2017 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.590,76 € festgesetzt.

Gründe

Das Gericht bejaht seine Zuständigkeit. Zwar liegt der Streitwert unter 5.000 €, die Zuständigkeit ist jedoch als Gericht der Hauptsache gegeben, §§ 919 I, 32 ZPO. Der gegenteilige Hinweis des Gerichts erfolgte rechtsirrig. Es kommt nicht darauf an, dass bisher kein Hauptsacheverfahren anhängig ist.
Zumindest ein Arrestgrund für den dinglichen Arrest ist jedoch nicht gegeben, weshalb der Antrag zurückzuweisen war.
Gemäß § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
Alleine der hinreichende Verdacht der Beteiligung des Arrestschuldners an einer gegen das Vermögen des Arrestgläubigers gerichteten Straftat rechtfertigt die Annahme eines Arrestgrundes im Sinne des § 917 Abs. 1 ZPO nur dann, wenn die Umstände der Straftat im konkreten Einzelfall den Schluss zulassen, dass sich der Arrestschuldner auch künftig nicht rechtstreu verhalten wird, indem er den Versuch unternimmt, z.B. durch Leugnen oder Beiseiteschaffen des Vermögenszuwachses die Vollstreckung zu vereiteln (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22.07.2013, Az: 4 W 26/13 m.w.N.).
Entscheidend ist demgemäß immer, ob nach den Umständen des Einzelfalles das Verhalten des Schuldners die ernsthafte Befürchtung einer Wiederholung vertragswidriger und betrügerischer Maßnahmen rechtfertigt. Nur dann ist die Gefährdung der Vollstreckung zu besorgen (OLG Saarbrücken a.a.O.).
Es existiert kein Erfahrungssatz dahingehend, dass sich ein Schuldner, der durch kriminelle Handlungen den Gläubiger geschädigt hat, nach deren Aufdeckung weiterhin unredlich verhalten und versuchen wird, die ihm wegen der Schadensersatzforderung des Geschädigten drohende Vollstreckung in sein Vermögen zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschluss vom 10.03.2016, Az: 3 W 18/16 m.w.N.).
Nur im Ausnahmefall können sich daher die von den Antragstellern behauptete, Besorgnis aus der Art und den Umständen der Straftat ergeben (OLG Bamberg a.a.O. m.w.N.).
Danach ist jedenfalls vorliegend ein Arrestgrund, der Voraussetzung für den Erlass der beantragten Arreste wäre, jedenfalls nicht hinreichend dargetan.
Insbesondere ist der Erwerb einer Immobilie in der Dominikanischen Republik für sich gesehen nicht ausreichend, um einen Verfügungsgrund zu rechtfertigen, zumal ausgeführt wird, dass diese Immobilie vom Antragsgegner im Rahmen einer Selbstauskunft vom 19.2.2014 angegeben wurde. Genausowenig ist der Kauf eines teuren PKW aus veruntreuten Geldern ausreichend, um einen Arrestgrund bejahen zu können.
Das der Antragsgegner im Strafverfahren keine Angaben zu seinem Vermögen gemacht habe, lässt nicht den Schluss zu, dass er insbesondere nach Beginn der Ermittlungen Vermögen ins Ausland verschoben hat, um dies vor den Geschädigten zu verschleiern. Aus der Untersuchungshaft heraus ist dies von vornherein nur schwer möglich.
Der Antragsteller hat also nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ohne die Anordnung des dinglichen Arrestes die Vollstreckung eines Urteils durch den Antragsgegner vereitelt oder wesentlich erschwert würde.
Ebensowenig hat der Antragsteller dargelegt und glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner jeweils den Bestand seines Privatvermögens verschleiert habe oder dieses in Sicherheit bringen wollte, nachdem die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeleitet worden und ihre Taten bekannt geworden sind, um Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern oder zu erschweren.
Soweit der Antragsteller darauf abstellt, dass hier die Begehung eines Vermögensdelikts ansich auch einen Arrestgrund darstellt ist daraufhinzuweisen, dass sich die Taten des Antragsgegners vor allem zu Lasten der beteiligten Gesellschaften ausgewirkt haben und es sich vorliegend um das Privatvermögen der Antragssteller geht.
Es kann somit auch dahinstehen, ob hier auf Grund des Zuwartens mit der Antragstellung eine sogenannte „Selbstwiderlegung“ betreffend des Arrestanspruchs vorliegt, wofür allerdings viel spricht.
Ob darüber hinaus ein Arrestanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegner gegeben ist, kann mangels Arrestgrund dahingestellt bleiben. Vorsorglich weist das Gericht aber darauf hin, dass voraussichtlich ein sogenannter Gesamtschaden i.S.d. § 92 InsO vorliegt, da die – vorliegend auch von dem Antragsteller vorgetragenen Vermögensverschiebungen die Durchsetzbarkeit aller Gläubiger verschlechtert hat und daher ein Individualschaden des Antragstellers nicht vorliegt.
Zu beachten ist, dass die streitgegenständlichen Beteiligungen bereits 2003 getätigt wurden und nach den Feststellungen der Strafkammer ein strafbares Verhalten erst ab 2009 vorliegt, wie der Antragsteller auch selbst vortragen lässt. Damit ist schon nicht erkennbar, dass es sich bei den beteiligten Gesellschaften um ein von Anfang an auf Schädigung der Anleger ausgerichtetes betrügerisches System gehandelt hat. Damit kommt auch ein Anspruch nach § 826 BGB nicht in Betracht.
Der Antragsgegner wurde hier zwar auch wegen Betrugs zu Lasten der Anleger/Gesellschafter verurteilt. Eine Pflicht des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller zur Aufklärung, die mit einer strafrechtlichen Selbstbelastung einhergehen würde, dürfte aber im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfGE 56/37 nicht anzunehmen sein.
Die in den Strafurteilen festgestellten Untreuehandlungen betreffen die jeweiligen Gesellschaften und nicht die einzelnen Anleger, da insoweit ein Schaden bei der jeweils betroffenen Gesellschaft eingetreten ist.
Letztendlich kann dies jedoch dahinstehen, da jedenfalls bereits ein Arrestgrund nicht ausreichend dargelegt ist.
Der beantragte dingliche Arrest war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.

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