Aktenzeichen Au 1 V 17.79
VwVG VwVG § 6, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1
Leitsatz
1 Die Vollstreckung der Pflicht zur Reduzierung des Tierbestandes aus einem gerichtlichen Vergleich erfolgt durch den Vorsitzenden des Gerichts nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes durch die Androhung eines Zwangsgeldes. (Rn. 13 und 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Betroffene kann sich seiner Verpflichtung zur Reduzierung des Tierbestandes aus tierschutz-rechtlichen Gründen nicht durch formale Eigentumsübertragung entziehen, solange er für den Tierbestand in jeder Hinsicht verantwortlich ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Dem Antragsgegner wird für den Fall, dass er seinen Tierbestand nicht bis spätestens 7. April 2017 auf die in der Ziffer I. des Vergleichs vom 13. März 2015 genannte Anzahl an Tieren reduziert, ein Zwangsgeld in Höhe von 100,- EUR je Tier, das über diese Anzahl hinausgeht, angedroht.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsgegner bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb im Landkreis … Nach mehreren Beanstandungen wegen tierschutzrechtlicher Mängel verpflichtete das Landratsamt … den Antragsgegner mit Bescheid vom 23. Mai 2014 dazu, den Tierbestand seiner Rinderhaltung zu begrenzen. Weiterhin untersagte es ihm, darüber hinaus landwirtschaftliche Nutztiere zu halten und zu betreuen. Hiergegen ließ der Antragsgegner am 10. Juni 2014 durch seine Bevollmächtigte Klage erheben (Au 1 K 14.889). In diesem Verfahren wurde zunächst ein Gutachten eingeholt, welches zu dem Ergebnis kam, dass der Betrieb des Antragsgegners angesichts seiner Personalausstattung in der Lage ist, einen Tierbestand von 75 Milchkühen sowie zusätzlich einer Nachzucht in der Größenordnung von 100 Tieren ordnungsgemäß zu bewirtschaften. In der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2015 schlossen die Beteiligten dann einen Vergleich, in welchem sich der Antragsgegner verpflichtete, seinen Tierbestand ab 1. Mai 2015 auf 75 Milchkühe, 3 Bullen und 90 Stück Nachzucht zu reduzieren (Ziffer I. des Vergleichs).
Am 18. Januar 2017 beantragte das Landratsamt … die Vollstreckung dieser Verpflichtung durch das Gericht. Zur Begründung trug es vor, bei einer Betriebskontrolle am 7. November 2016 durch den Veterinärdienst sei festgestellt worden, dass der Rinderbetrieb des Antragsgegners einen Tierbestand von insgesamt 126 Milchkühen, 3 Bullen und 87 Stück Nachzucht zu verzeichnen gehabt habe. Der Antragsgegner halte neben seinen Tieren auch Tiere, die in der HI-Tierdatenbank auf seinen Neffen gemeldet seien. Das Landratsamt gehe aber davon aus, dass der Antragsgegner der tatsächliche Tierhalter aller Tiere sei. Weiter wurde vorgetragen, dass bei einer weiteren Kontrolle der Rinderhaltung am 18. Januar 2017 insgesamt 199 Tiere vorgefunden worden seien (136 aus dem Bestand des Antragsgegners sowie 36 aus dem Bestand seines Neffen).
Der Antragsteller
bittet das Gericht um die Einleitung entsprechender Vollstreckungsmaßnahmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung trägt seine Bevollmächtigte vor, es komme aus Sicht des Antragsgegners nur darauf an, welche Tiere sein Eigentum seien. Ob er neben seinen Tieren auch Tiere auf seinem Hof untergebracht habe, die auf seinen Neffen gemeldet seien oder nicht, spiele keine Rolle. Zum Zeitpunkt der Kontrolle habe der Antragsgegner 175 Rinder gehalten, davon 61 Kühe. Es könne also sein, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle ein paar Tiere zu viel gehalten worden seien. Fakt sei, dass überzählige Tiere zwischenzeitlich nicht mehr vorhanden seien.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (auch im Verfahren Au 1 K 14.889) sowie der beigezogenen Behördenakten.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg und führt zu der im Tenor ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung.
1. Gegenstand des Antrags ist die begehrte Vollstreckung der Verpflichtung des Antragsgegners aus der Ziffer I. des gerichtlichen Vergleichs vom 13. März 2015 im Verfahren Au 1 K 14.889.
2. Dem Antrag war zu entsprechen.
Die Vollstreckung soll vorliegend zu Gunsten der öffentlichen Hand erfolgen, so dass gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) maßgebend sind. Vollstreckungsbehörde ist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Der gerichtliche Vergleich vom 13. März 2015 stellt nach § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO einen Vollstreckungstitel dar. Ausweislich der Gerichtsakten im Verfahren Au 1 K 14.889 wurde dieser den Bevollmächtigten des Antragsgegners am 30. März 2015 zugestellt.
Ebenso sind die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt. Die Zulässigkeit des Zwangs folgt aus § 6 VwVG, da der am 13. März 2015 geschlossene Vergleich auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist. Zulässiges Zwangsmittel ist gemäß § 9 Abs. 1 b) VwVG das Zwangsgeld. Die Ersatzvornahme erscheint derzeit noch untunlich (§ 11 Abs. 1 VwVG), da die Reduzierung des Tierbestands sinnvoll nur durch den Antragsgegner selbst erfolgen kann. Letztlich muss er selbst entscheiden, von welchen Tieren er sich trennt, um die Verpflichtung aus dem Vergleich zu erfüllen. Die Höhe des Zwangsgelds beträgt gemäß § 11 Abs. 3 VwVG bis zu 25.000 EUR. Nach § 13 Abs. 1 VwVG muss das Zwangsmittel angedroht werden.
Zuletzt hat der Antragsgegner die ihm obliegenden Verpflichtungen aus der Ziffer I. des Vergleichs vom 13. März 2015 nicht innerhalb der festgelegten Frist erfüllt. Seine Bevollmächtigte trägt hierzu selbst vor, dass am 7. November 2017 mehr Tiere gehalten wurden, als dies nach dem Vergleich zulässig ist. Keine Rolle spielt es dabei angesichts des eindeutigen Wortlauts des Vergleichs, ob die Tiere „versehentlich“ oder absichtlich gehalten wurden. Angesichts der im Vergleich eingegangenen Verpflichtung wäre es Aufgabe des Antragsgegners gewesen, nachhaltig und ernsthaft dafür zu sorgen, dass die genannten Tierzahlen nicht überschritten werden. Nicht zu folgen vermag das Gericht auch der Auffassung des Antragsgegners, es wäre nur auf diejenigen Tiere abzustellen, die in seinem Eigentum stehen. Im Vergleich vom 13. März 2015 hat sich der Antragsgegner verpflichtet, „seinen Tierbestand“ zu reduzieren. Auf die Frage des Eigentums wird an keiner Stelle eingegangen, weder für das Gericht noch für die Beteiligten war es maßgebend, wer zu welchem Zeitpunkt letztlich Eigentümer der Tiere ist. Vielmehr sollte die Frage geregelt werden, wieviel Tiere insgesamt auf dem Hof des Antragsgegners gehalten werden dürfen. Diese Auslegung wird auch durch einen Blick auf den dem Verfahren zu Grunde liegenden Bescheid gestützt. Darin wurde der Antragsgegner verpflichtet, seinen Tierbestand zu reduzieren, ihm 13 wurde die Haltung weiterer Tiere untersagt. Auch daraus ergibt sich eindeutig, dass es darum ging, dem Antragsgegner nur eine bestimmte Anzahl von Tieren auf seinem Hof zuzugestehen. Auch das vom Gericht eingeholte Gutachten hat sich ganz ausdrücklich mit der Frage beschäftigt, welcher Tierbestand auf dem Hof des Antragsgegners vertretbar ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die vom Antragsgegner gehaltenen Tiere nun tatsächlich in seinem Eigentum stehen oder nicht. Entscheidend war also stets, wie viele Tiere der Antragsgegner -unabhängig vom Eigentum – auf seinem Hof hält und versorgt. Die Summe dieser Tiere stellt „seinen Tierbestand“ dar. Hinzu kommt, dass vorliegend alles dafür spricht, dass ein Teil der Tiere des Antragsgegners lediglich formal auf den Neffen übertragen wurden. Den nachvollziehbaren und für das Gericht überzeugenden Ausführungen des Antragstellers hierzu im Schreiben vom 13. Januar 2017 ist der Antragsgegner in keiner Weise entgegengetreten. Damit geht das Gericht davon aus, dass der Antragsgegner die Tiere nach wie vor versorgt, den wirtschaftlichen Nutzen zieht und in jeder Hinsicht für sie verantwortlich ist. Mit der lediglich formalen Übertragung des Eigentums kann sich der Antragsgegner aber nicht der im Vergleich vom 13. März 2015 eingegangenen Verpflichtung entziehen. Nach Auffassung des Gerichts ist er nach wie vor verantwortlicher Halter bzw. Betreuer der Tiere, die damit seinem Tierbestand zuzurechnen sind.
Der Antragsgegner ist durch das fehlende Eigentum an einem Teil der Tiere auch nicht daran gehindert, der Verpflichtung aus dem Vergleich nachzukommen. Soweit er mehr Tiere in seinem Bestand hält, als dies zulässig ist, kann er seiner Verpflichtung nach wie vor dadurch nachkommen, dass er Tiere abgibt, die in seinem Eigentum stehen.
Auch im Übrigen ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, was es dem Antragsgegner unmöglich oder unzumutbar machen würde, die im Vergleich eingegangene Verpflichtung zu erfüllen.
Die vom Gericht für die Erfüllung der Vergleichsverpflichtung festgesetzte Frist von etwa einem Monat erscheint angemessen und ausreichend, um den Tierbestand auf das zulässige Maß zu reduzieren.
3. Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.