Steuerrecht

Rückforderung von Versorgungsbezügen wegen Anrechnung von Erwerbseinkommen

Aktenzeichen  W 1 K 15.897

Datum:
21.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 52 Abs. 2 S. 3, § 53
VwVfG VwVfG § 37
BGB BGB § 820 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Ausschluss der Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn die zurückgeforderten Beträge von entscheidender Bedeutung für den Lebensunterhalt des Versorgungsempfängers sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Regelmäßig genügt es den Anforderungen, die an die Billigkeitsentscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG zu stellen sind, wenn dem Verpflichteten Rückzahlungsraten eingeräumt werden, deren Höhe zum einen dem insgesamt zu erstattenden Betrag und zum anderen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten angemessen Rechnung tragen (BVerwG BeckRS 2016, 40079). (redaktioneller Leitsatz)
3 Versorgungsbezüge, die wegen des Bezugs von Erwerbseinkommen den Ruhensvorschriften unterliegen, stehen unter dem Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung und Rückforderung, wenn sich das zu berücksichtigende Einkommen ändert. Dem Versorgungsempfänger als Empfänger beider Bezüge ist die Änderung der anzurechnenden Bezüge typischerweise bekannt und er muss deshalb mit einer Rückforderung rechnen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
* * *

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2015 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge beruht in Fällen wie dem vorliegenden auf § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG. Danach regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
a) Eine Zuvielzahlung des § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG liegt vor, wenn der Versorgungsempfänger mehr erhält, als ihm nach dem BeamtVG zukommt. Maßgeblich sind die Monate August 2014 und September 2014, sodass § 53 BeamtVG in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung anwendbar ist.
Nach § 53 Abs. 1 BeamtVG erhält ein Versorgungsberechtigter, der Erwerbs-einkommen im Sinne des Abs. 7 bezieht, daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen einer in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze. Der Ruhensbetrag ergibt sich dabei aus der Differenz zwischen dem Einkommen zuzüglich des Versorgungsbezugs einerseits und der Kürzungsgrenze andererseits. In Höhe des überschießenden Betrags ruht also die Versorgung mit der Folge, dass der Auszahlung kraft Gesetzes ein rechtliches Hindernis entgegensteht (BVerwG, U.v. 26.11.2013 – 2 C 17/12 – juris – Rn. 10). Im vorliegenden Fall ergab sich die Überzahlung entsprechend der Berechnung in dem Regelungsblatt des angefochtenen Rückforderungsbescheids vom 12. November 2014 aus dem für die Monate August 2014 und September 2014 anzurechnenden Erwerbseinkommen einschließlich Urlaubsgeld der Klägerin.
Zum Erwerbseinkommen gehören nach § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Einkommens- und Einkünftebegriff entspricht demjenigen des Einkommensteuerrechts, sofern Strukturprinzipien des Versorgungsrechts dem nicht entgegenstehen (BVerwG, U.v. 26.11.2013 – 2 C 17/12 – juris – Rn. 11; BVerwG 26.5.2011 – 2 C 8/10 – juris). Damit knüpfen diese Regelungen hinsichtlich des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG an, wonach sämtliche vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers erfasst sind, die Arbeitnehmer aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses als Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung erhalten. Neben Gehältern gehören hierzu auch die Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile. Auch das ausgezahlte Urlaubsgeld fällt daher unter das Erwerbseinkommen nach § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG.
Beim anzusetzenden monatlichen Erwerbseinkommen ist stets vom Bruttobetrag auszugehen (BVerfG, B.v. 11.12.2007 – BvR 797/04 – juris; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Band II, § 53 Rn. 178 ff.). Das Erwerbseinkommen ist also vor Abzug von Steuern sowie Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung anzusetzen. Vom Bruttobetrag sind jedoch stets die Aufwendungen abzuziehen, die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung dieser Einnahmen dienen. Durch Abzug eines Zwölftel der jährlichen Werbungskostenpauschale wurde dem vorliegend Rechnung getragen.
Vorliegend wurden die Ruhensbeträge für die Monate August 2014 und September 2014 richtig berechnet und die Überzahlung von 719,59 EUR zu Recht zurückgefordert.
b) Auf die Einrede der Entreicherung kann sich die Klägerin vorliegend nicht berufen. Beim Verweis auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung in § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf die Bestimmungen über den Umfang des Bereicherungsanspruchs (§§ 818 – 820 BGB, vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 29; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Band II, § 53 Rn. 96). Nach § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Wertersatz ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Etwas anderes gilt aber bei ungewissem Erfolgseintritt nach § 820 Abs. 1 BGB, bzw. wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang nach § 819 Abs. 1 BGB kennt. Festsetzung und Zahlung der Versorgungsbezüge stehen unter einem – ohne Hinweis oder Belehrung des Dienstherren wirksamen – gesetzesimmanenten Vorbehalt derart, dass auch der insoweit entreicherte Versorgungsberechtigte zur Rückgewähr der Beträge gehalten ist, die sich bei einer nachträglichen Ruhensberechnung (§§ 53 ff. BeamtVG) oder bei rückwirkenden Änderungen in der Höhe des anzurechnenden anderweitigen Erwerbs- oder Erwerbsersatz-, Versorgungs- oder Renteneinkommens als „zu viel gezahlt“ erweisen (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Band II, § 53 Rn. 37, 39; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 58).
Da die §§ 818 ff. BGB Ausfluss des in § 242 BGB niedergelegten Grundsatzes sind, ist die Entreicherungseinrede in den Fällen verschärfter Haftung nach Treu und Glauben – ausnahmsweise – dann beachtlich, wenn die zurückgeforderten Beträge von entscheidender Bedeutung für die Sicherung des Lebensunterhalts der Familie gewesen sind, das Empfangene zufällig untergegangen ist oder „besondere Umstände“ eine Rückforderung als „treuwidriges Verhalten“ erscheinen lassen (Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 64). Diesbezüglich hat die Klägerin nichts vorgetragen. Die Klägerin hat auch ohne die Versorgungsbezüge monatliche Einnahmen von ca. 1.800,00 EUR netto, so dass nicht ersichtlich ist, dass die zurückgeforderten Beträge von entscheidender Bedeutung für die Sicherung ihres Lebensunterhaltes gewesen sind. Selbst wenn der zurückgeforderte Betrag nach Auszahlung zunächst verbraucht wurde, so hat sie ausweislich der Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers einen Betrag in gleicher Höhe nachträglich wieder erhalten und ist insoweit auch faktisch nicht entreichert.
2. Nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Entscheidung darüber, ob aus Billigkeitserwägungen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen wird, ist in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. In die Erwägungen sind vornehmlich die Möglichkeiten für die Rückabwicklung der rechtsgrundlosen Leistung einschließlich der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf den Betroffenen und seine Familie, daneben die Ursachen einzubeziehen, auf denen die rechtsgrundlose Leistung einerseits – und insoweit insbesondere auch ein etwaiges Mitverschulden der Verwaltung – und der Bereicherungsfall andererseits beruhen. Die „Härte“, die jede Rückforderung unabhängig von individuelle Umständen darstellt, ist dagegen nicht berücksichtigungsfähig (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4/11 – juris Rn. 18 f.; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 69).
Regelmäßig genügt es den Anforderungen, die die Billigkeit stellt, wenn dem Verpflichteten Rückzahlungsraten eingeräumt werden, deren Höhe zum einen dem insgesamt zu erstattenden Betrag und zum anderen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten angemessen Rechnung tragen muss (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4/11 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 15.5.1997 – 2 C 26.95 – juris Rn. 23; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 71). In der Gewährung der Ratenzahlung in Höhe von 240,00 EUR ist daher auch die Ermessensausübung hinsichtlich des „ob“ der Rückforderung zu sehen. Ein Ermessensausfall ist daher nicht ersichtlich. Auch die Höhe der festgesetzten Raten ist nicht zu beanstanden.
Außerdem wird die Billigkeit einen gänzlichen Verzicht auf Rückforderung nur selten gebieten, zumal die Fälle, in denen ein solcher infrage kommen könnte, durch die Möglichkeit eines Ausschlusses der verschärften Haftung nach Treu und Glauben zumeist erfasst werden (Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 71).
Die Klägerin beruft sich außerdem darauf, dass ihr der modus operandi der Behörde nicht dauerhaft zuzumuten sei und dass in den Überzahlungen ein Mitverschulden der Beklagten liege, das im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen sei. Versorgungsbezüge, die wegen des Bezugs eines relevanten Einkommens den Ruhensvorschriften unterliegen, stehen jedoch unter dem Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung und Rückforderung, wenn sich das zu berücksichtigende Einkommen ändert. Dem Versorgungsempfänger als Empfänger beider Bezüge ist die Änderung der anzurechnenden Bezüge typischerweise bekannt. Aufgrund der vorauszusetzenden Kenntnisse muss er davon ausgehen, dass die Änderung der einen Bezüge eine Änderung der anderen Bezüge zur Folge haben kann (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Band II, § 53 Rn. 115). Da die Klägerin regelmäßig Nachzahlungen ihres Arbeitgebers erhält und dementsprechend gemäß ihrer Anzeigepflicht auch der Beklagten anzeigt, ändert sich dahingehend auch regelmäßig der Ruhensbetrag und es kommt zu Rückforderungen. Da die Nachzahlungen in unterschiedlicher Höhe erfolgen, sind diese für die Beklagte nicht voraussehbar und können nicht vorab berücksichtigt werden. Durch regelmäßige Anrechnungsbescheide versucht die Beklagte die Rückforderungsbeträge für die Klägerin gering zu halten. Ein Verschulden der Beklagten ist hierbei nicht erkennbar. Auch ein anderes Vorgehen der Behörde, wie z.B. die Anrechnung höherer Beträge und spätere Auszahlung des zu wenig gezahlten Versorgungsbetrages scheint hier nicht zielführend. Ziel der Zahlung ist hier die Versorgung der Klägerin als Witwe eines Beamten. Bei Auszahlung zu geringer Versorgungsbezüge könnte aber die angemessene Versorgung nicht mehr sichergestellt werden. Bei dem gewählten modus operandi wird hingegen der Ruhensbetrag zurückgefordert, der nach den gesetzlichen Regelungen aufgrund ihres eigenen Erwerbseinkommens nicht zur Versorgung der Klägerin erforderlich war.
3. Letztlich greift auch die Einwendung der Klägerin, der Verwaltungsakt sei nicht nachvollziehbar und daher zu unbestimmt, nicht durch.
Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz gegebenenfalls im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 5). Der Entscheidungsinhalt muss in dem Sinne für die Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und den Adressaten in die Lage versetzen, zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird bzw. was in der betreffenden Sache geregelt oder verbindlich durch den VA (Feststellungsbescheid) festgestellt wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 12). Ist in der Sache ein Widerspruchsbescheid ergangen, so genügt es, wenn dieser die erforderliche Bestimmtheit herstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 6).
Nach diesen Vorgaben ist der Bescheid vom 12. November 2014 hinreichend bestimmt. Es lässt sich unschwer, auch für den juristischen Laien, ablesen, was von der Adressatin verlangt wird, nämlich die Rückforderung einer Überzahlung in Höhe von 719,59 EUR. Die Verweisung in dem Bescheid auf das beiliegende Regelungsblatt, das Bestandteil des Bescheids ist, dient letztlich der Transparenz der getroffenen Regelung und führt das anrechenbare Erwerbseinkommen sowie die Berechnung des zahlbar bleibenden Versorgungsbezugs im Einzelnen auf. Auch im Widerspruchsbescheid vom 17. August 2015 wird das anzurechnende Erwerbseinkommen im Einzelnen aufgeschlüsselt. Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots gem. § 37 VwVfG liegt daher nicht vor.
Daher ist der Bescheid rechtmäßig und die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des rückgeforderten Betrages.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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