Aktenzeichen M 9 S 16.51309
Leitsatz
1. In Norwegen bestehen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch der Umstand, dass der Asylantrag in Norwegen bereits abgelehnt wurde, begründet keine systemischen Mängel. Mehrfachprüfungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten sollen durch die vorab vorzunehmende Prüfung des zuständigen Mitgliedsstaates verhindert werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der nach eigenen Angaben am … Mai 1996 geborene Antragsteller (Bl. 3 d. Behördenakts – i.F.: BA -) reiste nach eigener Aussage am 8. November 2015 von Norwegen kommend in das Bundesgebiet ein (Bl. 25f. d. BA). Er beantragte am 21. September 2016 Asyl (Bl. 3 d. BA). Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Äthiopiens.
Aufgrund eines Eurodac-Treffers der Kategorie 1 vom 21. September 2016 (Bl. 36 d. BA) wurde am 16. November 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Norwegen gerichtet (Bl. 44ff. d. BA); eine Zugangsbestätigung liegt vor (Bl. 58ff. des BA). Die norwegischen Behörden haben das Wiederaufnahmegesuch mit Schreiben vom 23. November 2016 ausdrücklich akzeptiert (Bl. 85f. d. BA).
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Norwegen an (Nr. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 28. Dezember 2016 Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt sie, das Bundesamt sowie die zuständige Behörde anzuweisen, bis zum Abschluss des Verfahrens den Kläger nicht abzuschieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der zugunsten des Antragstellers als gegen die Abschiebungsanordnung gerichteter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verstandene Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat u.a. aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, v.a. nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Norwegen ist hier für die Prüfung zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO. Die norwegischen Behörden haben das Wiederaufnahmegesuch vom 16. November 2016 innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO ausdrücklich akzeptiert.
Die Überstellung an Norwegen ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen im Einklang mit nahezu der gesamten Rechtsprechung davon aus, dass in Norwegen keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden (vgl. aus jüngster Zeit nur VG München, B.v. 19.1.2017 – M 1 S. 16.51253 – juris; VG Greifswald, B.v. 29.12.2016 – 3 B 1707/16 As HGW – juris; VG Ansbach, B.v. 10.11.2016 – AN 14 S. 16.50337 – juris). Eine bekannte Gegenmeinung (VG München, B.v. 30.9.2016 – M 8 S. 16.50314 – juris), die systemische Mängel in Norwegen für nicht ausgeschlossen hielt, ist vereinzelt geblieben und hob auf eine Konstellation ab, die beim Antragsteller nicht gegeben ist, nämlich auf die Einreise von Asylbewerbern nach Norwegen über Russland, insbesondere im Falle von Syrern (vgl. auch VG München, B.v. 21.10.2016 – M 6 S. 16.50867 – juris). Diese Ansicht ist durch nachfolgende Entscheidungen derselben Kammer, die auch aufgrund einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19. Dezember 2016 systemische Mängel für ausgeschlossen halten, mittlerweile überholt (VG München, Gerichtsbescheide vom 24.1.2017 – M 8 K 16.50316 und M 8 K 16.50317 – noch unveröffentlicht). Es bestanden für die Antragsgegnerin keine Gründe, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben.
Auch der Umstand, dass der Asylantrag in Norwegen bereits abgelehnt wurde (Bl. 85 d. BA), begründet keinen systemischen Mangel, der eine nochmalige Prüfung des Asylantrages durch die Antragsgegnerin gebietet. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es gerade, eine Prüfung jedes Asylantrages sicherzustellen und Mehrfachprüfungen in verschiedenen Mitgliedsstaaten durch die vorab vorzunehmende Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zu verhindern, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Dublin III-VO (VG Greifswald, B.v. 10.1.2017 – 3 B 2155/16 As HGW – juris).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris) wurden nicht behauptet bzw. belegt. Dass der Antragsteller nach eigener Aussage an Diabetes leide (Bl. 73 d. BA), ändert hieran nichts, da die Krankheit bereits laut seinem Vortrag mit entsprechender Medikation eingestellt ist und eine Weiterbehandlung auch in Norwegen erfolgen kann.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
…