IT- und Medienrecht

Abgrenzung Rahmenvertrag und Gesamtauftrag

Aktenzeichen  1 HK O 25/15

Datum:
10.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133759
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 649 S. 2
ZPO § 304

 

Leitsatz

Wenn Aufträge im hohen sechsstelligen Bereich bereits von einer Person vergeben wurden, bevor es zu den fraglichen Verträgen kam, handelte diese Person mit Anscheinsvollmacht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Klageanspruch wird in Ziff. I. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Gründe

Das Teil – Grundurteil ist zulässig, § 304 ZPO. Ziff. I des Klageantrags hat einen bezifferte Geldschuld zum Gegenstand. Grund und Höhe des Anspruchs sind streitig. Der Streit über den Grund ist entscheidungsreif.
Die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte sind dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Ansprüche aus § 649 S. 2 BGB.
Die Beklagte, vertreten durch den Zeugen …, hat dem Kläger mit den als Anlage K1 bis K6 vorgelegten Montageaufträgen den Auftrag zum Austausch aller in den genannten Objekten vorhandenen Jalousienantriebe erteilt.
Den Montageaufträgen selbst ist dem Wortlaut nach nicht zu entnehmen, ob ein Komplettaustausch vereinbart werden sollte oder ob es sich lediglich um einen sogenannten Rahmenvertrag handelt. Die dem Vertrag zugrundeliegenden Willenserklärungen sind nach § 133 BGB auszulegen. Nach der Aussage des Zeugen … war auch sein Wille bei Vertragsschluss auf die Erteilung eines Auftrags zum Komplettaustausch sämtlicher Antriebe in den streitgegenständlichen Bauobjekten gerichtet. Diese Aussage legt das Gericht seiner Entscheidung zugrunde.
Der Beklagten ist es nicht gelungen, die Glaubwürdigkeit des Zeugen … insgesamt zu erschüttern. Der Zeuge … untermauerte seine Kernaussage in 3 Sitzungen detailreich und mit zahlreichen schriftlichen Belegen. Er war der Einzige, der ausschließlich und durchgehend bis zu seiner Versetzung in eine andere Abteilung bei der Beklagten mit der Aufarbeitung der Motorproblematik betraut war. Ein persönliches Interesse des Zeugen … am Ausgang des Verfahrens ist nicht ersichtlich. Vielmehr gelang es ihm, auch auf teilweise penible Art und Weise, die Vorgänge bei der Beklagten im Zusammenhang mit den defekten Jalousienantrieben nachvollziehbar darzustellen und zu belegen.
Im Termin vom 09.09.16 erläuterte der Zeuge … das Ergebnis einer Überprüfung von Motoren in den Objekten … und … ging. Demnach stand am 01.02.2011 fest, dass in der … von 770 Motoren 549 defekt waren, am … von 940 Motoren 886 und in den … von 488 Motoren 447. Die einzig wirtschaftlich sinnvolle Konsequenz aus diesem Ergebnis konnte nur ein Gesamtaustausch aller verbauten Motoren sein.
Soweit die Beklagte vorträgt, es hätte im Falle eines in Auftrag gegebenen Gesamtaustausches keinen Sinn gemacht, sich gegenüber der Fa. … gegen einen Gesamtaustausch zu wehren, kann dem nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Zum Einen waren nach unwidersprochenem Klagevorbringen gar nicht genügend Motoren für einen zeitnahen Austausch aller Motoren verfügbar. Zum Anderen wollte die Beklagte nach außen hin nichts unternehmen, was wegen der zu erwartenden Kosten eine Rückgriffsmöglichkeit auf den Motorenhersteller … gefährdet hätte. Dies war nach Aussage des Zeugen … auch der Grund für den Inhalt seines Schreibens vom 24.02.2011 (Anlage B4).
Was die am 24.05.2011 eingerichtete Taskforce tatsächlich geleistet hat, wird beklagtenseits nicht ausgeführt. Der Zeuge … bekundete, sie habe nichts entschieden. Es sei weitergegangen wie bisher.
Die Mails des Zeugen … vom 24.06.13 bzw. 08.07.13 an den Zeugen … sind insoweit nicht nachvollziehbar, als der Zeuge … bekundete, die Verträge mit dem Kläger zwar gekannt, jedoch lediglich als Rahmenverträge ausgelegt zu haben.
Die Anweisung an den Zeugen …, weitere Angebote für einen Motorentausch einzuholen, kann auch nach dessen Aussage damit erklärt werden, dass die Beklagte die Kosten für die Schadensbehebung möglichst gering halten wollte.
Die einzig nachweisbare Unrichtigkeit in der Aussage des Zeugen … besteht darin, dass er am 09.09.2016 aussagte, es abgelehnt zu haben, neue Subunternehmer an Stelle des Klägers vorzuschlagen. Dem gegenüber bekundeten die Zeugen … und … im selben Termin, vom Zeugen … im Jahr 2013 zur Abgabe eines Angebots zum Austausch sämtlicher Motoren in fünf der streitgegenständlichen Objekte aufgefordert worden zu sein. Diese Tatsache wirft zwar einen Schatten auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen …. Sie ist aber insoweit auch von Interesse, als der Zeuge Angebote für den Austausch sämtlicher Motoren einholen sollte, während die Beklagte vorträgt, sich erst im März/April 2014 gegenüber … zum Gesamtaustausch verpflichtet zu haben.
Was die Aussagen der Zeugen … betrifft, waren diese zwar jeweils zeitweise in die Motorenproblematik eingebunden, durchgängig betraut war ausschließlich der Zeuge …. Ihre Kernaussage, dass ein Gesamtaustausch der Motoren jedenfalls bis zum Jahre 2014 nicht beabsichtigt und entsprechende Verträge unbekannt gewesen seien, wird zumindest teilweise widerlegt durch vom Zeugen … vorgelegte Schriftstücke. So legte der Zeuge … im Termin vom 09.09.16 für die Objekte … und … mit „Beanstandungsmangement Sonnenschutz (QM)“ überschriebene Papiere der Beklagten vor. Diese enthalten unter dem Datum vom 15.07.10 bzw. 02.09.10 bzw. 11.10.10 jeweils den Eintrag „pauschaler Motorentausch gemäß Freigabe Projektleitung“. Dass der Zeuge … vom Umfang der Beanstandungen informiert war, ergibt sich aus dem Schreiben des Zeugen … vom 15.02.11 an Herrn … (Anlage zum Protokoll vom 09.12.16). Schließlich kann dem in Anwesenheit der Zeugen … und … erstellten Baustellenprotokoll vom 22.03.12 (Anlage zum Protokoll Vom 09.12.16) eine Berechnung für die „Objekte“ entnommen werden, welche einen Gesamtaustausch der Motoren beinhaltet und welcher die mit dem Kläger vereinbaren Preise zugrundeliegen. Unter diesen Umständen bestehen durchaus Zweifel, ob nicht in den Gremien der Beklagten schon im Jahre 2010 der Gesamtaustausch der Motoren als unumgänglich betrachtet wurde, wie der Zeuge … bekräftigte. Die Aussagen der Zeugen … erscheinen vor diesem Hintergrund nicht glaubwürdiger als diejenige des Zeugen ….
Wenn die Beklagte ein wirtschaftliches Interesse des Zeugen … am Ausgang des Rechtsstreits ins Spiel bringt, so sind dem die Interessen der bei der Beklagten nach wie vor beschäftigten Zeugen gegenüberzustellen. Ausserdem trägt die Beklagte vor, dass der Zeuge … bei Erfolg der auf seine Aussage gestützten Klage Schadensersatzansprüchen ausgesetzt wäre.
Letztlich war der Zeuge … derjenige, welcher aufgrund seiner Befassung an zentraler Stelle und seiner Detailkenntnisse rund um die Motorenproblematik trotz mancher Weitschweifigkeit eine insgesamt nachvollziehbare Darstellung des gesamten Geschehensablaufs geben konnte. An der inhaltlichen Richtigkeit seiner zentralen Aussage besteht kein vernünftiger Zweifel.
Was den Einwand der Beklagten bezüglich der Vertretungsmacht des Zeugen … betrifft, hatte dieser bereits Aufträge im hohen sechsstelligen Bereich vergeben, bevor er die Verträge mit dem Kläger schloss. Er handelte damit mit Anscheinsvollmacht.
Das Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten unter Ziffer 6.3 ihrer AGB ist unwirksam.
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vom 08.09.2016 geht ins Leere. Der Beklagten, vertreten durch den Zeugen …, war bekannt, dass der Kläger Subunternehmer zum Einsatz brachte. Ebenso war die Grundlage der Kalkulation bekannt.
Der Anspruch des Klägers nach Ziff. I. des Klageantrags besteht dem Grunde nach.
Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung anfallender Mehrwertsteuer bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

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