Arbeitsrecht

Anrechnung von freiwilligen Rücknahmemengen auf Abholverpflichtungen nach dem ElektroG

Aktenzeichen  AN 11 K 15.00981

Datum:
8.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 43 Abs. 1
ElektroG 2015 § 3 Nr. 3, § 9 Abs. 8, § 13, § 16 Abs. 5, § 20, § 31 Abs. 6, § 46

 

Leitsatz

1 Die Rechtsfrage, ob alleine aus der Ortsgleichheit einer Sammelstelle eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und einer Rücknahmestelle/Lagerstätte des freiwilligen, herstellereigenen Rücknahmesystems eine Anrechnung von Eigenrücknahmemengen durch die Beklagte verweigert werden kann, ist kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. (redaktioneller Leitsatz)
2 Jedenfalls fehlt insoweit das berechtigte Interesse an einer Feststellung, insbesondere, soweit sie sich auf ein vergangenes Rechtsverhältnis bezieht, denn in diesem Fall übernimmt die allgemeine Feststellungsklage die Funktion der Fortsetzungsfeststellungsklage.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags Ziffer 2 wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die erhobene Klage ist – soweit über sie noch streitig zu entscheiden war – als allgemeine Feststellungsklage schon wegen Unstatthaftigkeit unzulässig, da nach Meinung des erkennenden Gerichts hier kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, sondern nur eine dem Rechtsverhältnis immanente Teilfrage zur Feststellung begehrt wird.
I.
Die mit Schriftsatz vom 9. Mai 2016 geänderte Klage ist gemäß § 91 VwGO zulässig, da es sich um eine in diesem Sinne sachdienliche Änderung handelt. Die Umstellung der Klageanträge diente lediglich zur Anpassung an die durch das Inkrafttreten des ElektroG 2015 eingetretene Änderung der Rechtslage und ließ den Prozessstoff im Übrigen gleichbleibend.
II.
Im Übrigen ist auch der Verwaltungsrechtsweg als Sachentscheidungsvoraussetzung im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Das Gericht stimmt mit der Klägerseite darin überein, dass Fragen der Anrechnung gemäß § 31 Abs. 6 Satz 5 ElektroG 2015 – auch wenn diese unmittelbar von der nicht hoheitlich tätigen Gemeinsamen Stelle vorgenommen wird – jedenfalls unproblematisch so lange dem öffentlichen Recht zugeordnet werden können, solange die hinter der Gemeinsamen Stelle stehende Stiftung gleichzeitig auch durch Beleihung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 ElektroG 2015 die Kompetenzen der zuständigen Behörde nach § 36 ElektroG hoheitlich wahrnimmt. Insbesondere aus § 38 Abs. 3 Satz 1 ElektroG 2015 folgt, dass der zuständigen Behörde eine hoheitliche Prüfpflicht hinsichtlich der Berechnungen der Gemeinsamen Stelle im Sinne von § 31 Abs. 5 ff. ElektroG 2015 zukommt.
III.
Die streitig zur Entscheidung verbliebene Klage ist jedoch als Feststellungsklage unstatthaft, da hier kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde und im Übrigen kein berechtigtes Feststellungsinteresse vorliegt.
1. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne liegt – unabhängig von der Frage des Rechtscharakters dieses Verhältnisses – vor, wenn die hierdurch bezeichnete Rechtsbeziehung durch subjektive Rechte oder Pflichten geprägt ist (Sodan/Ziekow VwGO § 43 Rn. 14; Kopp/Schenke VwGO § 43 Rn. 11, vgl. BVerwG v. 30.11.2011 – 6 C 20/10 – Rn. 12 = BVerwGE 141, 223). Auch selbständige Teile im Sinne einzelner subjektiver Rechte und Pflichten eines – aus einer Vielzahl von Rechten und Pflichten bestehenden – Rechtsverhältnisses sind feststellbar (Sodan/Ziekow VwGO § 43 Rn. 11, 24 ff; Kopp/Schenke VwGO § 43 Rn. 12). Bloße unselbstständige Teilelemente eines Rechtsverhältnisses sind kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (BVerwG v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – Rn. 24 = BVerwGE 136, 54). Dies gilt insbesondere für einzelne Tatbestandselemente eines subjektiven Rechts oder einer Pflicht (BVerwG v. 12.06.1992- 7 C 5/92 – Rn. 20 = BVerwGE 90, 220). Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis kann auch ein nur in der Vergangenheit bestehendes Rechtsverhältnis sein, wobei dann allerdings besonders strenge Anforderungen an das berechtigte Interesse i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO zu stellen sind, welche dann an die Anforderungen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angenähert sind (BVerwG v. 29.04.1997 – 1 C 2/95 – Rn. 16 f. = NJW 1997, 2534).
2. Ein nach diesen Grundsätzen zu beurteilendes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO liegt in den noch streitig zu entscheidenden Anträgen und den darin aufgeworfenen Fragen nicht vor.
Streitgegenständlich war im gestellten Klageantrag Ziffer 1 in all seinen unterschiedlichen Varianten nur die Rechtsfrage, ob alleine aus der Ortsgleichheit einer Sammelstelle eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 13 ElektroG 2015) und einer Rücknahmestelle/Lagerstätte des freiwilligen, herstellereigenen Rücknahmesystems (§ 16 Abs. 5 ElektroG 2015) eine Anrechnung von Eigenrücknahmemengen durch die Beklagte verweigert werden kann. Diese Auslegung hat die Klägerseite nicht nur im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf explizite Nachfrage des Gerichts nochmals bestätigt, sondern sie ist auch im Schriftsatz der Klägerseite vom 9. Mai 2016 (Seite 9) so bekundet. Diese Rechtsfrage, die durch den vorliegenden Klageantrag im Wege einer negativen Feststellungsklage auf „Feststellung der Nichtberechtigungen einer Verweigerung der Anrechnung“ zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht wurde, ist kein feststellungsfähiges Rechts- oder Teilrechtsverhältnis, da ein hierdurch vermeintlich angesprochenes subjektives „Recht auf Verweigerung“ der Beklagten nicht existiert. Die Klägerseite erweckt durch die Antragstellung den Eindruck, als stünde der Beklagten ein subjektives Recht auf Verweigerung der Anrechnung im Sinne einer Einrede/Einwendung zu. Indes beruft sich die Beklagte bei der „Verweigerung“ einer Anrechnung nicht auf ein eigenes subjektives Recht im Sinne einer Einrede/Einwendung, sondern vielmehr auf das Nichtvorliegen sämtlicher Tatbestandselemente, welche eine Anrechnung im Sinne von § 31 Abs. 6 Satz 5 ElektroG 2015 erst ermöglichen. So ist Voraussetzung für eine Anrechnung, wie schon der Wortlaut von § 31 Abs. 6 Satz 5 ElektroG 2015 zeigt, etwa das Vorliegen einer entsprechenden Meldung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ElektroG 2015. Auch muss darüber hinaus natürlich feststehen, dass tatsächlich entsprechende Mengen aus freiwilligen Rücknahmesystemen zurückgenommen wurden. Aus diesen Tatbestandselementen hat sich die Klägerseite lediglich eines – nämlich die Ortsverschiedenheit gemäß § 16 Abs. 5 Satz 3 ElektroG 2015 – herausgesucht. Diese Vorschrift ist auch im Gegensatz zu der Annahme der Klägerseite nicht nur eine bloße Ordnungsvorschrift, denn sie untersagt schon das Einrichten und den Betrieb einer Rücknahmestelle des freiwilligen Rücknahmesystems an Sammelstellen/Übergabestellen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Erst recht müsste dann eine Anrechnung von unter Verstoß gegen diese Vorschrift zurückgenommenen Eigenrücknahmemengen unterbleiben. Wie bereits oben dargelegt, sind jedoch einzelne Tatbestandselemente eines subjektiven Rechtes – hier des subjektiven Rechtes der Klägerin auf Anrechnung – nicht feststellungsfähig.
3. Selbst wenn man dies anders sehen wollte und in der isolierten Frage der Ortsgleichheit von freiwilligen Rücknahmestellen und öffentlich-rechtlichen Sammelstellen/Übergabestellen ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sehen wollte, fehlt der Klägerin das berechtigte Interesse an einer Feststellung, insbesondere soweit sie sich auf ein vergangenes Rechtsverhältnis bezieht. Denn in diesem Fall übernimmt die allgemeine Feststellungsklage die Funktion der Fortsetzungsfeststellungsklage (Sodan/Ziekow VwGO § 43 Rn. 17 m.w.N.).
Im Hinblick auf den Klageantrag Ziffer 1.a) ist festzuhalten, dass dieser sich ausschließlich auf zurückgenommene Mengen bis zum 23. Oktober 2015 im sog. Bringsystem bezieht. Ausweislich des Klageantrags bezieht sich die Klägerin hierbei auf eine Anrechnung unter der geltenden Rechtslage, denn sie nimmt explizit die Anrechnungsvorschrift des § 31 Abs. 6 Satz 5 ElektroG 2015 durch ihren geänderten Klageantrag in Bezug. Der Klägerin ist jedoch ausweislich ihrer eigenen Ausführungen bereits bewusst, dass unter der Geltung des ElektroG 2015 keine Anrechnungen von im Bringsystem zurückgenommenen Eigenrücknahmemengen mehr erfolgen kann (S. 23 ihres Schriftsatzes vom 9. Mai 2016). § 16 Abs. 5 Satz 3 ElektroG 2015 verhindert dies (s.o.). Mithin besteht überhaupt kein Streit über diese Rechtsfrage zwischen Klägerin und der Beklagten. Woraus die Klägerin wiederum eventuell ein (besonderes) Feststellungsinteresse für die Rechtslage unter dem ElektroG 2005 herleiten will, ist für das Gericht nicht erklärlich. Das ElektroG 2005 zeitigt außerhalb des Anwendungsbereichs von § 46 ElektroG 2015 keine Wirkungen mehr, denn es ist gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I 2015, S. 1739 (1773)) zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ElektroG 2015 außer Kraft getreten. Eine Anrechnungsmöglichkeit von vor dem Inkrafttreten des ElektroG 2015 zurückgenommenen, aber noch nicht angerechneten Eigenrücknahmemengen nach einer anderen Rechtslage als der des ElektroG 2015 ist für das Gericht in § 46 ElektroG 2015 nicht ersichtlich.
Die soeben getätigten Ausführungen gelten auch für den Klageantrag Ziffer 1.b) in seiner ersten Variante, denn auch dieser ist vergangenheitsbezogen und zielt offensichtlich auf die Rechtslage unter dem ElektroG 2005 ab, was jedoch keine Rechtswirkungen mehr zeitigt.
Was den Klageantrag Ziffer 1.b) in seiner zweiten Variante betrifft, ist ebenfalls kein berechtigtes Feststellungsinteresse ersichtlich. Die Beklagte hat nicht nur schriftsätzlich mit Schriftsatz vom 29. Juni 2016 (S. 30 f.), sondern auch nochmals in der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2017 konzediert, dass im Falle eines im Holsystem organisierten freiwilligen Rücknahmesystems im Sinne von § 16 Abs. 5 Satz 1 ElektroG 2015 alleine aus der Ortsgleichheit von reinen Lagerstätten dieses freiwilligen Rücknahmesystems und Sammelstellen/Übergabestellen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Sinne von § 13 ElektroG 2015 eine Anrechnung nicht „verweigert“ werden würde. Nur diese – nach Meinung des Gerichts nicht feststellungsfähige – Teilfrage war Streitgegenstand des Klageantrags. Hierüber besteht allerdings offensichtlich kein Streit, wie die obigen Ausführungen belegen. Dass die Anrechnung auch von im Holsystem zurückgenommenen Eigenrücknahmemengen eventuell noch an weitere Voraussetzungen geknüpft ist, war nicht Streitgegenstand und ist deswegen auch nicht zu klären.
Nach alledem ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
4. Im Hinblick auf den angekündigten Klageantrag Ziffer 2 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verfahren ist diesbezüglich deklaratorisch nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen (BVerwG v. 7.8.1998 – 4 B 75/98 – Rn. 2 = NVwZ-RR 1999, 407). Die Rechtshängigkeit der Klage endet diesbezüglich ipso iure (Kopp/Schenke VwGO § 161 Rn. 15).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens hat das Gericht nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten zu entscheiden. Dabei entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, dem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der ohne Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre und den somit die Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO getroffen hätte (BVerwG v. 24.06.2008 – 3 C 5/07 – Rn. 2). Schwierige Rechtsfragen müssen hier jedoch nicht gelöst werden und ebenso wenig ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich (BVerwG v. 14.3.2008 – 9 VR 3/07 – Rn. 5; vgl. auch BVerwG v. 24.3.1998 – 1 C 5/96 – Rn. 2 ff. = DVBl. 1998, 731).
Hiernach hat die Klägerin auch diesbezüglich die Kosten des Verfahrens zu tragen, denn auch der angekündigte Klageantrag Ziffer 2 betraf nur ein nicht feststellungsfähiges Element der Anrechnung von Eigenrücknahmemengen, soweit die Mengenmeldungen i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 ElektroG 2015 auf einer Sortieranalyse beruhten. Damit war auch dieser Antrag unzulässig.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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