Aktenzeichen 5 K 1331/16
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid vom 07.07.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte hat zu Recht die Einkommensteuer 2014 ohne Berücksichtigung des erweiterten Härteausgleichs nach § 46 Abs. 5 EStG i.V.m. § 70 EStDV festgesetzt.
1. Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nur bei Vorliegen der in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 EStG aufgeführten besonderen Voraussetzungen durchgeführt. So ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG etwa dann zu veranlagen, wenn die – um bestimmte Beträge ggf. zu vermindernde – positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, mehr als 410 € beträgt.
a) In denjenigen Fällen, in denen nach § 46 Abs. 2 EStG die Veranlagung durchzuführen ist, ist gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 EStG ein Betrag in Höhe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist und die nicht nach § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Einkommen-steuer unterworfen wurden, vom Einkommen abzuziehen, wenn diese Einkünfte insgesamt nicht mehr als 410 € betragen (sog. Härteausgleich). Betragen diese Einkünfte in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG mehr als 410 €, dann kann durch eine Rechtsverordnung die Besteuerung so gemildert werden, dass auf die volle Besteuerung dieser Einkünfte stufenweise übergeleitet wird (§ 46 Abs. 5 EStG, sog. erweiterter Härteausgleich). Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber Gebrauch gemacht und zum Ausgleich von Härten in § 70 EStDV Folgendes geregelt: Betragen in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 des Gesetzes die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist und die nicht nach § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Einkommensteuer unterworfen wurden, insgesamt mehr als 410 €, so ist vom Einkommen der Betrag abzuziehen, um den die bezeichneten Einkünfte, vermindert um den auf sie entfallenden Altersentlastungsbetrag (§ 24a des Gesetzes) und den nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zu berücksichtigenden Betrag, niedriger als 820 € sind (Härteausgleichsbetrag). Der Härteausgleichsbetrag darf nicht höher sein als die nach Satz 1 verminderten Einkünfte.
b) Ausgangspunkt der Härtefallregelungen in § 46 Abs. 3 und 5 EStG ist danach die in § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG enthaltene 410 € bzw. die in § 70 EStDV enthaltene 820 €-Grenze für „Nebeneinkünfte“ eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitslohn als „Haupteinkunftsquelle“ bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren der Besteuerung unterworfen wurde (vgl. BFH, Beschluss vom 27.11.2014 I R 69/13, BStBl II 2015, 793).
Bei der Bestimmung, welche Einkünfte in den (erweiterten) Härteausgleich einbezogen werden können, ist § 2 Abs. 5b EStG zu beachten, der besagt, dass „Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG und § 43 Abs. 5 EStG nicht einzubeziehen“ sind, „soweit Rechtsnormen dieses Gesetzes an die in den vorstehenden Absätzen definierten Begriffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) anknüpfen.“
§ 2 Abs. 5b EStG erstreckt sich in seiner Wirkung ausweislich seines Wortlauts auf „Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5“ EStG.
Diese Formulierung ist nach Auffassung des Senats dahingehend auszulegen, dass keine kumulativen, sondern alternative Voraussetzungen gemeint sind (ebenso FG Köln, Urteil vom 22.01.2014 4 K 2001/13, EFG 2014, 766 und FG Münster, Urteil vom 07.12.2016 11 K 2115/15, BB 2017, Bodden in: Korn, ESt-Kommentar, 98. EL., § 2 Rn. 234, offen gelassen durch BFH, Urteil vom 12.8.2015, I R 18/14, BFH/NV 2016, 288). § 2 Abs. 5b EStG greift also bereits dann ein, wenn Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG oder § 43 Abs. 5 EStG vorliegen.
Dafür spricht bereits die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/4841, S. 46): „Nach Satz 1 bleiben die Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 1 mit einem besonderen Steuersatz besteuert wurden oder die der Kapitalertragsteuer mit abgeltender Wirkung nach § 43 Abs. 5 unterlegen haben, für Zwecke der Einkommensteuer bei der Ermittlung der Einkünfte, der Summe der Einkünfte, dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Einkommen und dem zu versteuernden Einkommen unberücksichtigt.“ Darüber hinaus würde der Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich verengt, würde man die Formulierung im Sinne kumulativer Voraussetzungen verstehen. Diese Auslegung widerspricht auch nicht dem Wortlaut des § 2 Abs. 5b EStG. In dem gegebenen Sinnzusammenhang kann die Formulierung „und“ durchaus im Sinne einer Aufzählung von zwei Alternativen verstanden werden.
c) Einkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG sind solche Kapitalerträge, die dem besonderen Steuersatz von 25% unterliegen. Während § 43 Abs. 5 EStG darauf abstellt, ob die dort genannten Kapitalerträge der Kapitalertragsteuer mit abgeltender Wirkung unterlegen haben, kommt es im Rahmen des § 32d Abs. 1 EStG auf den grundsätzlich anwendbaren Steuersatz an.
Vorliegend hat die Klägerin eine Überprüfung nach § 32d Abs. 4 EStG beantragt, so dass die zunächst eingetretene abgeltende Wirkung des § 43 Abs. 5 EStG entfiel. Es handelt sich jedoch um Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 1 EStG mit 25% besteuert wurden, so dass der Anwendungsbereich von § 2 Abs. 5b EStG eröffnet ist.
d) Nach den Grundsätzen der Schedulenbesteuerung der Abgeltungssteuer (§ 2 Abs. 5b EStG) ist daher vom Einkommen der Klägerin ein Härteausgleichsbetrag nicht abzuziehen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Tatsache der Rechtsänderung zum VZ 2014: Bis VZ 2013 konnten Arbeitnehmer im Einzelfall die steuerpflichtigen Kapitalerträge über die Bestimmungen zum Härteausgleich nach § 46 Abs. 3 Satz 1 EStG bzw. § 70 EStDV über den Sparerpauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG hinaus befreien und die Steuerschuld auf Kapitalerträge zusätzlich reduzieren. Mit dem Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BGBl. I 2014, 1266) wurden die Bestimmungen über den Härteausgleich mit Wirkung ab VZ 2014 angepasst. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der tariflichen Einkommensteuer nach § 32d Abs. 6 EStG unterliegen, sind seither nicht mehr über den Härteausgleich begünstigt.
Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass Kapitaleinkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG mit dem gesonderten Steuersatz von 25% (Abgeltungssteuer) besteuert werden, Nebeneinkünfte im Sinne des Härteausgleichs darstellten, da insoweit – wie oben dargelegt – die Vorschrift des § 2 Abs. 5b EStG eingreift (ebenso Hummel, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-Kommentar, 274. EL, § 46 Rn. C 7, Musil, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG-Kommentar, 276. EL, § 2 Anm. 872, Schmieszek, in: Bordewin/Brandt, EStG-Kommentar, 392. EL, § 46 Rz. 100, a.A. Eisgruber, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 2016, § 46 EStG, Rz. 33). Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungssteuer unterliegen, erfahren damit eine vollständige Trennung von den anderen Einkünften.
e) Kapitaleinkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG mit 25% besteuert wurden, stellen keine „einkommensteuerpflichtigen Einkünfte“ im Sinne von § 46 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 EStG i.V.m. § 70 Satz 1 EStDV dar, so dass ein Härteausgleich nicht zu gewähren ist.
2. Die Klage war daher abzuweisen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).