Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag wegen Täuschungs über die Identität des Ausländers

Aktenzeichen  RN 5 S 17.30264

Datum:
7.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 2, § 36 Abs. 4 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

2 Klärt der Asylbewerber den von ihm zu verantwortenden Irrtum über seine Identität oder Staatsangehörigkeit auf oder trägt er die zunächst verweigerten Angaben nach, dann steht dies einer Wertung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) entgegen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Korrektur einer vom Asylbewerber zu verantwortenden falschen Angabe über Identität oder Staatsangehörigkeit muss bis zum Ende der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgen. Sobald das Bundesamt auf anderem Wege die Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers herausgefunden hat, kommen dessen nachträgliche Aufklärungsversuche zu spät. (redaktioneller Leitsatz)
1 Die Täuschung eines Asylbewerbers über Identität oder Staatsangehörigkeit setzt ein vorsätzliches Handeln voraus und kann darin liegen, dass ein Irrtum durch unwahre Behauptungen hervorgerufen oder ein beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits bestehender Irrtum aufrechterhalten wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsandrohung.
Am 25. Februar 2013 stellte der Kläger seinen Asylantrag und gab dabei an, ein am … 1986 geborener sierraleonischer Staatsangehöriger zu sein. Personalpapiere legte er nicht vor.
Der Antragsteller wurde am 1. März 2013 von der Regierung von Oberbayern befragt. Er gab auch hier seine Personalien wie bei der Asylantragstellung an. Die Regierung hielt schriftlich fest, dass und weshalb sie den dringenden Verdacht habe, der Antragsteller sei kein sierraleonischer Staatsangehöriger.
Am 24. September 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht. Am 26. September 2014 wurde diesem ein Ausdruck der elektronischen Akte zugeleitet.
Die Anhörung des Antragstellers erfolgte am 26. Oktober 2016. Dabei trug er zunächst vor, er heiße O… und stamme aus Nigeria und sei am … 1976 geboren. Er sei mit einem geschäftlichen Visum der Deutschen Botschaft in Lagos eingereist. Nach seiner Ankunft habe er während des Karnevals zwei Tage lang einen Freund in Köln besucht. Dort sei sein Reisepass geblieben und nicht mehr auffindbar. Er habe gesagt, aus Sierra Leone zu sein, weil er bei seiner Ankunft zu verängstigt gewesen sei, um die Wahrheit zu sagen.
Er sei Ende November 2012 nach Deutschland eingereist.
Das Bundesamt für … lehnte mit Bescheid vom 18. Januar 2017 die Anträge auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurde festgestellt (Nr. 4) und die Abschiebung unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Nigeria angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate befristet (Nr. 6).
Die Ablehnung als offensichtlich wurde auf § 30 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 AsylG gestützt.
Der Bescheid wurde am 19. Januar 2017 als Einschreiben zur Post gegeben.
Am 23. Januar 2017 ließ der Kläger Klage (RN 5 K 17.30265) erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Die Klage und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurden begründet.
Der Antragsteller beantragt:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung:
Der Antrag wird abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behörden- und der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist zulässig, aber unbegründet.
1. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsandrohung im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet kann nur dann Erfolg haben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Verwaltungsakt in diesem Sinne ist die vom Bundesamt gemäß § 34 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG, welche nach § 36 Abs. 1 AsylG mit einer Ausreisefrist von einer Woche versehen wurde. Die Setzung dieser kurzen Ausreisefrist ist nur zulässig, wenn der Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.
Der Asylantrag wurde zu Recht nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn ein Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert. Dieser Vorschrift liegt nach dem Willen des Gesetzgebers die Erwägung zugrunde, dass ein individuelles Verfolgungsschicksal nur festgestellt werden kann, wenn die Identität und die Staatsangehörigkeit des Verfolgten bekannt sind, und dass ein politisch Verfolgter in Deutschland um Asyl nachsucht, weil er auf den Schutz deutscher Behörden vertraut. Es ist dem Ausländer daher zuzumuten, spätestens gegenüber dem für die Entscheidung zuständigen Bundesamt seine Identität darzulegen oder seine Angaben dazu zu machen (vgl. BT-Drs. 12/4450, S. 22). Die Täuschung setzt ein vorsätzliches Handeln voraus und kann darin liegen, dass ein Irrtum durch unwahre Behauptungen hervorgerufen oder ein beim Bundesamt für … bereits bestehender Irrtum aufrechterhalten wird (vgl. Susanne Schröder, in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 30 AsylVfG, Rz. 24). Verletzt der Asylbewerber die Obliegenheit, seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit anzugeben, in dem er bewusst versucht, beim Bundesamt für … einen Irrtum über diese persönlichen Merkmale hervorzurufen oder aufrechtzuerhalten, dann trifft ihn die qualifizierte Ablehnung seines unbegründeten Asylantrags. Klärt der Asylbewerber den von ihm zu verantwortenden Irrtum über seine Identität oder Staatsangehörigkeit auf oder trägt er die zunächst verweigerten Angaben nach, dann steht dies einer Anwendung des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG entgegen. Die Korrektur muss bis zum Ende der Anhörung beim Bundesamt für … erfolgen. Sobald das Bundesamt für … auf anderem Wege die Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers herausgefunden hat, kommen dessen nachträgliche Aufklärungsversuche zu spät (vgl. Heusch, in Beck-OK AuslR, Stand: 1. November 2016, § 30 AsylG, Rz. 41). Lediglich die Angabe eines unzutreffenden Geburtsdatums soll für eine Anwendung des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht ausreichen (vgl. VG Köln vom 25. Juli 2012, 16 L 904/12.A, BeckRS 2013, 45280), weil eine Täuschung über die Identität voraussetzt, dass der Asylbewerber Angaben macht, die tatsächlich geeignet sind, eine Täuschung über seine eigene Identität herbeizuführen, was insbesondere dann vorliegt, wenn sie auf eine andere Person, also eine fremde Identität, hindeuten können (vgl. Susanne Schröder, a. a. O., Rz. 25).
Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antragsteller bei der Asylantragstellung Personalien und eine Staatsangehörigkeit angegeben, von der er bei seiner Anhörung behauptete, diese seien falsch gewesen. In Wirklichkeit seien seine Personalien ebenso andere wie seine Staatsangehörigkeit. Allein durch diese neuerliche Behauptung bei der Anhörung kann der Antragsteller aber nicht glaubhaft machen, dass seine ursprünglichen Angaben falsch waren und die neuen nunmehr der Wahrheit entsprechen. Zur Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit ist in einem solchen Fall mehr notwendig als die bloße Behauptung des Asylbewerbers. Der Asylbewerber, der selbst durch seine unterschiedlichen Angaben dafür gesorgt hat, dass seine Identität und Staatsangehörigkeit ungeklärt ist, kann diese Unklarheit nicht durch eine bloße Behauptung beseitigen, dazu muss er vielmehr Nachweise vorlegen. Solange dies nicht geschehen ist, ist von einer ungeklärten Identität und Staatsangehörigkeit aufgrund einer Täuschung durch den Asylbewerber auszugehen und der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG eröffnet.
Solange Identität und Staatsangehörigkeit eines Asylbewerbers nicht in der für das Asylverfahren ausreichenden Art und Weise geklärt sind, fehlt einer vorgetragenen Verfolgungsgeschichte die Basis. In diesem Fall kann eine Verfolgungsgeschichte nicht Grundlage für einen erfolgreichen Asylantrag oder für einen nationalen Schutz sein.
Ein näheres Eingehen auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht angezeigt.
Das Vorbringen des Antragstellers im Schriftsatz vom 23. Januar 2017 ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Bundesamtes für … im angefochtenen Bescheid zu wecken.
2. Hinsichtlich der Befristung des in § 11 Abs. 1 AufenthG angeordneten gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, obwohl eine isolierte Anfechtungsklage auf bloße Aufhebung der Befristungsentscheidung unzulässig und stattdessen eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre (vgl. die ausführlichen Darlegungen: VG Regensburg vom 14. Juni 2016, RN 5 S 16.30716, juris, Rz. 42 ff.).
Die Befristungsentscheidung stellt sich als rechtmäßig dar. Ein Grund, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, findet sich nicht.
3. Kosten: §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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