Bankrecht

Verkauf einer fondsgebundenen Rentenversicherung: Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger Inkassozession und Forderungskauf

Aktenzeichen  11 O 4968/16

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142897
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134
RDG § 2 Abs. 2, § 3, § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
KWG § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 9, § 32 Abs. 1 S. 1
ZAG § 1 Abs. 2 Nr. 6, § 8 Abs. 1 S. 1
VVG § 5a

 

Leitsatz

1. Bei der Veräußerung von Ansprüchen und Rechten aus einer Renten- oder Lebensversicherung an ein Unternehmen, das sich geschäftsmäßig mit der Kündigung und Rückabwicklung solcher Versicherungsverträge befasst, handelt es sich weder um eine erlaubnispflichtige selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen noch um eine erlaubnispflichtige Inkassotätigkeit nach § 2 Abs. 2 RDG, wenn die Prüfung der Werthaltigkeit der abgetretenen Rechte und deren Geltendmachung durch den Erwerber allein in dessen Interesse, auf dessen Gefahr und auf dessen Rechnung erfolgen und er insbesondere das Bonitätsrisiko trägt, während der Veräußerer nur an einer ggf. vorzunehmenden Neuberechnung des Rückkaufwerts, an einer Steuerrückerstattung und allenfalls noch an Zahlungen nach Ausübung anderer Gestaltungsrechte als der Kündigung partizipiert (vgl. insoweit auch BGH BeckRS 2014, 00034; BeckRS 2017, 100481). (Rn. 60 – 62) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG regelt nur, dass derjenige, der im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben will, der schriftlichen Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bedarf. Das Verbot richtet sich damit nur einseitig an den Betreiber von Bankgeschäften (Anschluss an OLG Köln, Beschl. v. 23.9.2016 – 20 U 78/16; vgl. auch KG BeckRS 2017, 116294; VG Frankfurt a.M. BeckRS 2011, 55301; s. ferner LG München I BeckRS 2016, 124250 Rn. 26; BeckRS 2016, 124252 Rn. 33). (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 80.090,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2016 abzüglich eines Betrages in Höhe von 5.579,16 € für Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Steuerbescheinigung gemäß § 45 a Absatz 2 EStG nach amtlich vorgeschriebenem Muster (Muster II des BMF-Schreibens vom 20.12.2012, IV C 1/S 2401/08/10001:008) in Höhe von 5.579,16 € für Kapitalertragsteuer und einzubehaltenden Solidaritätszuschlag auszustellen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 88.300,– € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 81.090,48 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth gemäß § 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 GVG sachlich und gemäß § 17 ZPO örtlich zuständig.
Die Änderung des Zeitpunkts, für den zunächst Auskunft und nun Auszahlung des Rückkaufswerts beantragt wurden und ab dem Zinsen beantragt werden, ist nach § 267 ZPO mangels Widerspruch der Beklagten zulässig. Die Bezifferung ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.
B.
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts zum 01.05.2016 und auf Erteilung einer Steuerbescheinigung.
I. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Die Zedentin hat ihre Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag wirksam an die Klägerin abgetreten. Mit umfasst von der Abtretung sind insbesondere der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts nach Kündigung und das Recht zur Kündigung.
1. Die Versicherung ist – soweit für das Verfahren relevant – abtretbar, arg. e contr. § 400 BGB, § 17 VVG, §§ 850 ff ZPO. Abtretbar sind Forderungen nicht erst mit ihrer Entstehung sondern bereits wenn ihre Entstehung möglich erscheint (vgl. Palandt-Grüneberg, 75. Auflage § 398 Rn. 11), so dass auch insoweit gegen die Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufswerts keine Einwände bestehen. Mitumfasst von der Abtretung sind die unselbständigen Gestaltungsrechte wie z.B. das Recht zur Kündigung, was sich daraus ergibt, dass diese in § 1 (2) des Kauf- und Abtretungsvertrags (K 2) explizit aufgeführt sind.
2. Die Abtretung wurde wirksam erklärt.
a) Die Zedentin hat der Klägerin den Kauf und die Abtretung ihrer Rentenversicherung am 29.03.2016 angeboten. Unter diesem Datum hat sie das als Kauf- und Abtretungsvertrag bezeichnete Formular (K 2) unterzeichnet. Gegenstand der angebotenen Abtretung sind die Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in vorgenanntem Umfang.
b) … nahm das Angebot namens der Klägerin am 31.03.2016 entgegen und bestätigte die modifizierte Regelung zum Bearbeitungsentgelt (K 2).
c) Die Annahme dieses Angebots durch die Klägerin, vertreten durch die Handlungsbevollmächtigte erfolgte mit Schreiben vom 31.03.2016 (K 2).
d) Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Annahme der Zedentin zugegangen ist. Das in Kopie vorgelegte Schreiben vom 31.03.2016 ist unterschrieben, was ein Indiz dafür ist, dass die Erklärung fertig ist und wirksam werden soll. Zudem befand sich das Schreiben in einem Ordner mit abgearbeiteten Schreiben. Die Unterzeichnung des Kauf- und Abtretungsvertrags durch … am 31.03.2016 bedeutet, dass der Vorgang hier von ihr bearbeitet wurde. Zur Bearbeitung gehört auch der Versand der Annahme. Hieraus und aus der Bezugnahme auf die Annahme in der auch von der Zedentin unterzeichneten Bestätigung der Wirksamkeit (Schreiben vom 18.04.2016: Erklärung zu Kaufvertrag und Abtretungserklärung, K 3) ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Zedentin die Annahme erhalten hat.
3. Die Abtretung ist wirksam.
a) Die Abtretung ist nicht infolge eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam, § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG.
Das Verbot nach § 3 RDG setzt voraus, dass es sich entweder um eine selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistung oder um eine Inkassotätigkeit nach § 2 Abs. 2 RDG handelt. Der Ankauf einer fremden Forderung im Sinne eines Vollerwerbs der Forderung, d.h. dass das Ausfallrisiko der Erwerber trägt, ist vom Anwendungsbereich des RDG ausgenommen. Es handelt sich um eine ausschließlich eigene Angelegenheit, wenn die Prüfung der Werthaltigkeit der Forderung und deren Geltendmachung allein im Interesse, auf Gefahr und Rechnung des Erwerbers erfolgt (vgl. Deckenbrock/Henssler RDG, 4. Auflage, § 2 Rn. 67 ff). Dafür spricht vorliegend, dass das Bonitätsrisiko die Klägerin trägt. Die Zedentin partizipiert nur an der ggf. vorzunehmenden Neuberechnung des Rückkaufwerts, an einer Steuerrückerstattung und allenfalls noch an Zahlungen nach Ausübung anderer Gestaltungsrechts als der Kündigung.
Soweit kein ausschließliches Eigeninteresse der Klägerin angenommen wird, ist ihre Tätigkeit als eigenständiges Geschäft des Forderungseinzugs auch auf fremde Rechnung zu qualifizieren. Die dann nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG erforderliche Registrierung besitzt die Klägerin jedoch, so dass sie insoweit zur Rechtsdienstleistung berechtigt ist. Eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Zedentin zur Prüfung der Erfolgsaussichten unterschiedlicher Gestaltungsrechte, die von einer reinen Inkassotätigkeit nicht umfasst wäre, besteht nach dem Kauf- und Abtretungsvertrag nicht. Dies kann auch nicht § 4 Abs. 3 des Kauf- und Abtretungsvertrags entnommen werden, wonach die Klägerin das von der Versicherungsgesellschaft ermittelte Vertragsguthaben überprüft und bei Zweifeln eine Neuberechnung auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ermittlung von Vertragsguthaben einfordert. Vertragsguthaben ist in § 2 (2) des Kauf- und Abtretungsvertrages definiert als aktueller Rückkaufswert abzüglich ggf. anfallender Kapitalertragssteuer, Solidaritätszuschlag und rückständiger Prämien. Bei anderen Gestaltungsrechten wird nicht nach dem Rückkaufswert abgerechnet. Auch dem als Anlage B 1 vorgelegten Screenshot der Homepage der Klägerin lässt sich eine Verpflichtung zur Prüfung der Erfolgsaussichten nicht entnehmen. Gleiches gilt für das Gebot von Treu und Glauben: Die Klägerin erwirbt die abtretbaren Rechte und Ansprüche aus der Versicherung. Gegenleistung ist das Vertragsguthaben, welches sich wie ausgeführt ausgehend vom Rückkaufswert berechnet, abzüglich des Bearbeitungsentgelts. Zudem nimmt die Klägerin die Prüfung anderer Gestaltungsrechte grundsätzlich nicht selbst vor. Die in den neueren Verträgen wie vorliegend erfolgte bloße Abtretung der Gestaltungsrechte, insbesondere auch des Widerspruchrechts ohne Prüfungsverpflichtung, führt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass es sich mindestens vorrangig um einen Forderungskauf handelt, zu keiner anderen Beurteilung.
b) Die Abtretung ist nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG unwirksam.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt ist nach § 134 BGB nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies jedoch nur dann, wenn es sich um ein beiderseitiges Verbotsgeschäft handelt (vgl. Palandt-Ellenberger, 75. Auflage, BGB, § 134 Rn. 9). § 32 Abs. 1 S. 1 KWG regelt jedoch nur, dass derjenige, der im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben will, der schriftlichen Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bedarf. Das Verbot richtet sich damit nur einseitig an den Betreiber von Bankgeschäften (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23.09.2016 – 20 U 78/16 mit Verweis auf BGH Urteil vom 19.04.2011 – XI ZR 256/10). Aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg vom 05.12.2014 – 14 W 2263/14 ergibt sich nichts anderes. Die Entscheidung befasst sich nicht damit, ob § 32 Abs. 1 KWG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ist, sondern damit, ob es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
c) Die Abtretung ist nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 1, 1 Abs. 1 a S. 2 Nr. 9 KWG nichtig.
§ 32 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 KWG regelt zwar, dass derjenige, der im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanzdienstleistungen erbringen will, der schriftlichen Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bedarf. Nach § 1 Abs. 1 a S. 2 Nr. 9 KWG ist der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff (Factoring), eine Finanzdienstleistung. Ein solches Factoring liegt hier aber mangels Rahmenvertrag nicht vor. Die umgangssprachliche Bezeichnung der Klägerin auf ihrer Homepage als „Vermögensfactoring“ führt nicht dazu, dass ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Factoring im Sinne des KWG vorliegt (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
d) Die Abtretung ist nicht nach § 134 BGB i.V.m. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG nichtig.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 ZAG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Zahlungsdienste als Zahlungsinstitut erbringen will. Die Klägerin kauft jedoch Versicherungen an und nimmt Zahlungen im eigenen Namen und zur eigenen Verwendung entgegen. Dass sie die Endabrechnung mit dem Zedenten erst nach Abrechnung/Auszahlung des Rückkaufswerts vornimmt, führt nicht dazu, dass sie die Zahlungen in dessen Namen oder nur zur Weiterleitung an den Dritten entgegennimmt (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht aus dem Versicherungsvertrag einen Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufwerts in Höhe von 80.090,48 € abzüglich eines Betrages in Höhe von 5.579,16 € für Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag.
1. Die Kündigung der Klägerin wurde wirksam erklärt. Die Kündigungserklärung wurde vom einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin mitunterzeichnet (K 3). Die Klägerin war infolge der Abtretung zur Ausübung dieses Gestaltungsrechts berechtigt.
2. Die im April 2016 erklärte Kündigung „zum nächst möglichen Termin“ beendet die Versicherung zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode, hier nach § 12 VVG aufgrund der monatlichen Beitragszahlung zum Ablauf des Kalendermonats, also zum Ablauf des April 2016. Der auszuzahlende Rückkaufswert beläuft sich auf 80.090,48 € abzüglich eines Betrages in Höhe von 5.579,16 € für Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag
3. Die Kündigung ist nicht als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB oder wegen mangelnder Ernstlichkeit nach § 118 BGB oder wegen eines geheimen Vorbehalts nach § 116 BGB unwirksam. Vorliegend will die Klägerin gerade den Erfolg der Kündigung, d.h. die Auszahlung des Rückkaufswerts.
4. Die Kündigung ist nicht sittenwidrig, § 138 Abs. 1 BGB, wegen eines Zusammenwirkens der Klägerin mit der ….
Es fehlt bereits an einer Zusammenarbeit der Klägerin mit der … betreffend den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag. Bislang hat die Klägerin ihre Rechte und Ansprüche aus diesem nicht weiter abgetreten.
Zum anderen fehlt es an Anknüpfungspunkten für eine Sittenwidrigkeit. Die Klägerin hat konkret vorgetragen, dass sie nicht prüft, ob ein Widerspruchsrecht tatsächlich besteht. Gegenteiliges ist dem Vortrag der Beklagten, wie bereits ausgeführt, nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist die Klägerin zur Überprüfung des Vertrags auf die Ausübung weiterer Gestaltungsrechte und zur Einforderung sich daraus ergebender Nachzahlung sowie Beteiligung des Kunden an diesen vertraglich gegenüber der Zedentin – wie bereits ausgeführt – nicht verpflichtet (K 2). Für den Vorwurf, dass die Klägerin versucht, günstig an Versicherungsverträge zu gelangen und dass sie den Zedenten bei Nachzahlungen in verwerflicher Weise bewusst außen vor lässt, gibt es daher keine tatsächliche Grundlage.
Auch eine Benachteiligung der im Kollektiv verbleibenden Versicherungsnehmer führt nicht zur Sittenwidrigkeit. Für das Kollektiv der Versicherungsnehmer macht es keinen Unterschied, ob der Zedent selbst (kündigt und später) widerspricht oder ob die Klägerin oder die … widerspricht. In allen Fällen sind bei erfolgreichem Widerspruch Zahlungen zu leisten und das Geld dem Kollektiv entzogen. Die Rückabwicklung nach Widerspruch ist auch häufig Gegenstand gerichtlicher Verfahren, verursacht also in einer Vielzahl von Fällen Kosten, die die Versicherungsnehmer belasten können. Auch hieraus ergibt sich kein Unterschied. Die Bearbeitungskosten für die Kündigung sind der Höhe nach nicht geeignet, eine Sittenwidrigkeit zu begründen.
5. Aus vorstehenden Gründen ist die Kündigung auch nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 263 StGB unwirksam.
6. Der Kündigung steht auch nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens nach § 242 BGB entgegen.
Aus dem in § 242 BGB normierten Gebot der Redlichkeit ergibt sich zwar die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils, aus dieser Pflicht ergibt sich jedoch kein Anspruch auf einen Verzicht bzgl. eines Widerspruchsrechts vor Kündigung.
Der Vertragspartner ist in der Ausübung und Wahl der Gestaltungsrechte frei. Gestaltungsrechte können grundsätzlich auch nacheinander ausgeübt werden. So steht eine Vertragskündigung einer späteren – und sei es auch Jahre später – Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5 a VVG a.F. nicht entgegen (vgl. Beschluss des OLG Nürnberg vom 17.01.2017 – 8 U 1726/16). Ob einem gewerblichen Aufkäufer der Widerspruch nach Kündigung versagt ist, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Es besteht jedenfalls kein Anspruch auf einen Verzicht auf das Widerspruchsrecht.
Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten trifft auch die Klägerin. Aus dieser kann sich im Hinblick auf die bei der Beklagten durch die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung anfallenden Bearbeitungskosten im dreistelligen Bereich aber allenfalls dann ein „Anspruch auf Festlegung“ ergeben, wenn die Klägerin die Erfolgsaussichten von Kündigung und Widerspruch bereits bei Ausübung des ersten Gestaltungsrechts, hier der Kündigung, geprüft hätte und dieses „zweistufige Vorgehen“ nicht durch schutzwürdige Belange der Beklagten gerechtfertigt wäre. Die Klägerin prüft und kennt die Erfolgsaussichten des Widerspruchs nach ihrem Vortrag jedoch gerade nicht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten: Das „zweistufige Geschäftsmodell“ verlangt keine Prüfung der Erfolgsaussichten eines Widerspruchs zum Zeitpunkt der Kündigung. Zumal die Klägerin diese Bearbeitung nicht selbst übernimmt, sondern die nach Weiterabtretung. Auch das als Anlage B 5 vorgelegte Schreiben spricht gegen einen von Anfang an beabsichtigten Widerspruch – jedenfalls in Altfällen. Der dortige Kauf- und Abtretungsvertrag ist vom 15.12.2010, das Schreiben vom 07.10.2016.
Im Übrigen wäre bei der Prüfung, ob eine Rücksichtnahmepflicht besteht, auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Wirksamkeit der Abtretung an die Klägerin bei Widerspruch ohnehin prüfen müsste, so dass nicht ohne weiteres von einem zusätzlichen Aufwand ausgegangen werden kann.
III. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 01.05.2016 folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 2 Nr. 2 und Abs. 4 BGB.
IV. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Ausstellung einer Steuerbescheinigung nach dem amtlichen vorgeschriebenen Muster II des Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 20.12.2012 (IV C 1 – S 2401/08/10001/008) in Höhe der bei Auszahlung des Rückkaufswerts einzubehaltenden Kapitalertragsteuer und des einzubehaltenden Solidaritätszuschlags gemäß §§ 45 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG. Die Beklagte ist nach § 45 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG als Schuldnerin der Kapitalerträge dem Gläubiger der Kapitalerträge auf Verlangen eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster auszustellen, die die nach § 32 d erforderlichen Angaben enthält. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Erträge aus Kapitalversicherungen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Von diesen wird nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG Kapitalertragsteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben.
Gläubigerin der Kapitalerträge ist infolge der – wie bereits ausgeführt – wirksamen Abtretung die Klägerin. Diese ist auch die Steuerpflichtige:
In Rn. 53 des von der Beklagten zitierten BMF-Schreibens vom 01.10.2009 – IV C 1 – S 2252/07/0001BStBl 2009 I S. 1172 ist geregelt, dass bei einer Abtretung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung der Abtretungsempfänger (Zessionar) nur dann Steuerpflichtiger wird, wenn er und nicht der Abtretende (Zedent) die Erträge erzielt. Das Erzielen von Erträgen setzt voraus, dass nach den getroffenen Vereinbarungen die Versicherungsleistung das Vermögen des Zessionars und nicht das des Zedenten mehren soll. Dient beispielsweise die Versicherungsleistung dazu, eigene Verbindlichkeiten des Zedenten gegenüber dem Zessionar zu tilgen, bleibt der Zedent Steuerpflichtiger.
Vorliegend wurden die Ansprüche auf Erträge nach § 1 (2) des Kauf- und Abtretungsvertrages (K 2) explizit mit abgetreten. Sie stehen also der Klägerin zu, so dass sie steuerpflichtig ist.
Gleiches ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts, welches der Klägerin vorliegend in dem Kauf- und Abtretungsvertrag unwiderruflich eingeräumt wird (vgl. Rn. 52 des BMF-Schreibens vom 01.10.2009 – IV C 1 – S 2252/07/0001BStBl 2009 I S. 1172: Mit der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts (vgl. Rz. 10) für die steuerpflichtige Versicherungsleistung gilt grundsätzlich der Bezugsberechtigte als Steuerpflichtiger der erzielten Erträge. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht wird der Bezugsberechtigte erst bei Eintritt des Erlebensfalls Steuerpflichtiger).
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a ZPO. Der Auskunftsantrag war zulässig und begründet, so dass die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen waren.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
D.
Vom Streitwert entfallen auf Ziffer I 80.090,48 € und auf Ziffer II 5 Prozent aus dem Streitwert von Ziffer I.

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