Aktenzeichen M 1 K 16.3740
BayWG 1988 Art. 59 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 S. 2, Abs. 7
Leitsatz
Eine 20 Meter lange und 1,50 Meter hohe Mauer widerspricht dem Wohl der Allgemeinheit und ist deshalb materiell rechtswidrig, wenn sie im faktischen Überschwemmungsgebiet eines Wildbachs liegt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 3. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung im Bescheid ist Art. 76 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
1. Die gegenständliche Mauer, die eine bauliche Anlage nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO und damit eine Anlage im Sinne des Art. 76 Satz 1 BayBO darstellt, wurde im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet.
Das Gericht geht auf der Grundlage des klägerischen Vortrags von der Errichtung der Mauer im Jahr 1989 aus, obwohl nähere Nachweise hierfür nicht vorgelegt wurden. Diese zeitliche Einordnung ist jedenfalls mit dem äußeren Erscheinungsbild der Mauer, wie es sich nach den bei den Akten befindlichen Fotos darstellt, vereinbar. Zum Errichtungsjahr hätte die Mauer entweder einer Baugenehmigung oder einer wasserrechtlichen Anlagengenehmigung bedurft, welche aber nicht vorliegt. Die Mauer wurde also im Widerspruch zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Genehmigungspflicht errichtet (sog. formelle Illegalität der Errichtung der Mauer).
Nach Art. 65 BayBO in der damals geltenden Fassung vom 1. Januar 1983 (im Folgenden Art. 65 BayBO 1983; diese Fassung der Vorschrift galt bis zum 31. Mai 1994) bedurfte die Errichtung der Mauer einer Baugenehmigung, wenn nicht einer der in der Vorschrift genannten Ausnahmetatbestände vorlag. Nach dem hier allein relevanten Ausnahmetatbestand des Art. 66 Abs. 1 Nr. 14 BayBO 1983 bedurfte keiner Genehmigung die Errichtung oder Änderung von Mauern und Einfriedungen, ausgenommen im Außenbereich, soweit sie den Festsetzungen eines Bebauungsplans oder einer örtlichen Bauvorschrift über Einfriedungen entsprachen (Buchstabe a der Vorschrift), oder außerhalb des Geltungsbereichs solcher Vorschriften mit einer Höhe bis zu 1,5 m (Buchstabe b der Vorschrift). Da Buchstabe a des Ausnahmetatbestands nicht zutraf, kam es gemäß Buchstabe b auf die Höhe der Mauer an. Über die Höhe der Mauer liegen unterschiedliche Angaben vor. Die unterschiedlichen Höhen mögen auf unterschiedlichen Messstellen an der nicht einheitlich hohen Mauer oder auf bloßen Schätzungen beruhen. Legt man die vom Klägerbevollmächtigten genannten Werte zu Grunde (zwischen 1,65 m und 1,68 m bzw. an der höchsten Stelle knapp 1,67 m), ergibt sich eine Überschreitung der kritischen Höhe von 1,50 m jedenfalls in bestimmten Bereichen der Mauer. Das genügt für die Baugenehmigungspflichtigkeit der Errichtung der gesamten Mauer. Denn bei der Beurteilung der Genehmigungsfreiheit einer Anlage ist die Anlage – hier die im Jahr 1989 als Hochwasserschutz einheitlich errichtete Mauer – in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen, sie darf nicht in genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Teile aufgespalten werden (zur Gesamtbetrachtung einer Anlage bei der Beurteilung ihrer Genehmigungsfreiheit siehe Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 57 Rn. 6). Die Errichtung der Mauer wäre also nur dann genehmigungsfrei gewesen, wenn sie an jeder Stelle eine Höhe von 1,50 m nicht überschreiten würde. Das ist nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten indes nicht der Fall.
Selbst wenn aber eine baurechtliche Genehmigungsfreiheit bestanden hätte, die Mauer also an jeder Stelle nicht höher als 1,50 m wäre, so wäre eine von der Höhe der Mauer unabhängige wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 59 des Bayerischen Wassergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1988 (GVBl. S. 33 – im Folgenden Art. 59 BayWG 1988; diese Fassung der Vorschrift galt bis zum 30. April 2007) erforderlich gewesen. Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 BayWG 1988 dürfen Anlagen in oder an Gewässern erster und zweiter Ordnung, die nicht der Benutzung, der Unterhaltung oder dem Ausbau dienen, nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde errichtet oder wesentlich geändert werden (sog. wasserrechtliche Anlagengenehmigung). Anlagen an Gewässern sind nach Art. 59 Abs. 1 Satz 2 BayWG 1988 unter anderem solche, die weniger als sechzig Meter von der Uferlinie entfernt sind, was beim …graben, an den die Mauer unmittelbar anschließt, unstreitig der Fall ist. Allerdings handelt es sich bei dem Wildbach …graben nicht um ein Gewässer erster oder zweiter Ordnung, sondern um ein Gewässer dritter Ordnung (siehe Schreiben der Fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft vom 7.12.2015, Bl. 177 der Behördenakte). Für Gewässer dritter Ordnung oder Teile davon können aber nach Maßgabe des Art. 59 Abs. 2 BayWG 1988 die Regierungen durch Rechtsverordnung die Genehmigungspflicht nach Art. 59 Abs. 1 BayWG 1988 begründen. Das ist für den …graben als Teil der … Ache durch (bis heute gültige) Verordnung der Regierung von Oberbayern über die Genehmigungspflicht für Anlagen in oder an Gewässern dritter Ordnung im Regierungsbezirk Oberbayern vom 7. April 1989 (RABl. OB 1989, S. 101), in Kraft ab dem 1. Juni 1989, in lfd. Nr. 379 geschehen, ebenso für den Zeitraum vor dem 1. Juni 1989 durch die Rechtsverordnung der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 1979 (Amtsblatt der Regierung von Oberbayern vom 15. Februar 1980, Nr. 3, S. 21 in lfd. Nr. 307).
Die Errichtung der Mauer hätte deshalb auf jeden Fall einer Genehmigung, entweder einer baurechtlichen oder einer wasserrechtlichen Analgengenehmigung, bedurft. Da die Genehmigung nicht vorliegt, war die Errichtung der Mauer formell illegal.
2. Die gegenständliche Mauer war darüber hinaus auch materiell illegal. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung genügt bei Beseitigungsanordnungen für die Bejahung eines Widerspruchs zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht die formelle Illegalität der Errichtung der Anlage. Aus Gründen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes und der Verhältnismäßigkeit muss danach die sog. materielle Illegalität der Anlage hinzutreten, d.h. eine Beseitigungsanordnung darf dann nicht ergehen, wenn die Anlage zum Zeitpunkt ihrer Errichtung (oder später) während eines gewissen, der Dauer eines Genehmigungsverfahrens entsprechenden Zeitraums genehmigungsfähig gewesen ist, also dem materiellen Recht entsprochen hat; dabei ist auf die für den Betroffenen günstigste Sach- und materielle Rechtslage während des Bestehens der Anlage abzustellen (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 79 ff.). Hiernach muss von der Bauaufsichtsbehörde und vom Gericht nachträglich im Rahmen des Erlasses bzw. der Kontrolle der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung geprüft werden, ob die betreffende Anlage zum Zeitpunkt der Errichtung (oder später) in Übereinstimmung mit dem jeweils geltenden materiellen Recht gestanden hat oder nicht. Eine im Vordringen begriffene Auffassung verweist demgegenüber auf die neuere Eigentumsdogmatik, wonach die Inhalte des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 des Grundgesetzes (GG) nicht unmittelbar aus dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fließen, sondern sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erst nach Maßgabe der Bestimmung von Inhalt und Schranken durch die (einfachen) Gesetze ergeben (siehe grundlegend hierfür den sog. Nass-auskiesungsbeschluss des BVerfG, B.v. 15.7.1981 – 1 BvL 77.78 – BVerfGE 58, 300, wonach sich Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG aus der Gesamtheit der zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden, insbesondere dem öffentlichen Recht angehörenden Regelungen über die Eigentumsnutzung bestimmen; zum Fortfall des „verfassungsunmittelbaren Bestandsschutzes“ siehe grundlegend BVerwG, U. v. 12.3.1998 – 4 C 10.97- BVerwGE 106, 228). Daraus ist nach der genannten Auffassung abzuleiten, dass Inhalt und Schranken des Grundeigentums auch durch Genehmigungspflichten begründende gesetzliche Verfahrensvorschriften bestimmt werden mit der Folge, dass sich auf sein Eigentumsgrundrecht nicht mehr berufen könne, wer es versäumt habe, eine für sein Vorhaben bzw. seine fertiggestellte Anlage erforderliche Baugenehmigung während eines Zeitraums einzuholen, in dem das Vorhaben bzw. die Anlage im Einklang mit dem materiellen Recht stand (zur neueren Eigentumsdogmatik und zur vordringenden Auffassung siehe Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 12 m.w.N.). Genehmigungspflichten dienten auch der Einbringung und Würdigung der von einem Bauvorhaben berührten öffentlichen Belange, insbesondere den Planungsinteressen der beteiligten Gemeinde (siehe § 36 BauGB), die ein auch ansonsten zulässiges Vorhaben durch den Erlass einer Veränderungssperre nach §§ 14, 16 ff. BauGB oder eines Zurückstellungsgesuchs nach § 15 BauGB verhindern könnte, wenn sie den gemeindlichen Planungsvorstellungen nicht entsprechen sollte. Außerdem führe ein Absehen von der Notwendigkeit, eine erforderliche Genehmigung einzuholen, zu einer Bevorzugung derjenigen, die das Genehmigungsverfahren umgehen würden. Die abweichende Auffassung hat Gründe für sich. Ein gesetzlich angeordnetes Genehmigungsverfahren ist ein Instrument präventiver Kontrolle, in dessen Rahmen ein Bauvorhaben vor seiner Realisierung ohne Druck durch geschaffene Fakten im Umfang des gesetzlich angeordneten Prüfprogramms auf seine Vereinbarkeit mit dem Recht überprüft werden soll. Das reine Abstellen auf die materielle Legalität einer Anlage bei einer bauaufsichtlichen Maßnahme relativiert diese vom Gesetzgeber gewollte Funktion des Genehmigungsverfahrens und führt in der Tat zu einer Bevorzugung gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Bürgern, die ein vorgeschriebenes Genehmigungsverfahren durchlaufen.
Im vorliegenden Fall kann indes offenbleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit der abweichenden Meinung zu folgen ist. Denn die Errichtung der gegenständlichen Mauer war mit dem materiellen Recht zu keinem Zeitpunkt vereinbar. Die Mauer widersprach von Anfang an dem materiellen Wasserrecht.
Nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 BayWG 1988 darf die wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 59 Abs. 1 BayWG 1988 nur versagt, an Bedingungen und Auflagen geknüpft oder widerrufen werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die in Art. 59 Abs. 2 BayWG 1988 aufgezählten Gründe – nämlich Gründe der Wasserwirtschaft, insbesondere der Unterhaltung, des Ausbaus und der Gewässerökologie, der öffentlichen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs oder des Schutzes von Leben, Gesundheit oder Eigentum – es erfordern. Ist für die betreffende Anlage eine Baugenehmigung erforderlich (siehe hierzu oben Nr. 1), ersetzt diese gemäß Art. 59 Abs. 7 BayWG 1988 die wasserrechtliche Anlagengenehmigung nach Art. 59 Abs. 1 BayWG 1988, wobei aber im Baugenehmigungsverfahren die genannten materiellen Kriterien des Art. 59 BayWG 1988 zu prüfen sind (sog. Konzentrationswirkung der Baugenehmigung).
Zutreffend legt der streitgegenständliche Bescheid dar, dass die Mauer dem Wohl der Allgemeinheit im oben definierten Sinne widerspricht. Der Bescheid kann sich dabei auf die Stellungnahmen der Fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft (siehe Bl. 23 und 177 der Behördenakte) und die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein vom … Juni 2005 im Verfahren zur Änderung des das Grundstück des Klägers umfassenden Bebauungsplans Nr. 25 der Gemeinde … stützen. Danach liegt die Mauer – wie fast das gesamte Grundstück des Klägers – im faktischen Überschwemmungsgebiet des …grabens. Nach den fachlichen Gutachten wird bei einem 100-jährigen Hochwasserereignis das Grundstück des Klägers Fl.Nr. 511/3 und das östlich anschließende benachbarte Grundstück Fl.Nr. 516/7 größtenteils überflutet. Die quer zur Flussrichtung des Wildbachs errichtete 20 m lange Mauer lenkt den Hochwasserabfluss vom klägerischen Grundstück zum Nachbargrundstück hin und beeinflusst den Wasserabfluss insgesamt negativ.
Die wasseranlagenrechtliche Einschätzung des Bescheides bezieht sich auf den Zeitraum ab Inkrafttreten des Bebauungsplans am 25. April 1995, wobei das faktische Bestehen des Überschwemmungsgebiets von Klägerseite nicht bestritten wird. Die Klägerseite wendet insoweit nur ein, es handle sich bei dem Überschwemmungsgebiet nicht um ein förmlich festgesetztes oder vorläufig gesichertes Überschwemmungsgebiet. Dieser Einwand hat indes nichts mit den nach Art. 59 BayWG 1988 zu prüfenden tatsächlichen Gefährdungen zu tun, die unabhängig vom Rechtscharakter eines unbestritten vorhandenen Überschwemmungsgebiets bestehen oder nicht.
Zum Zeitpunkt der Errichtung der Mauer im Jahr 1989 verhält sich die wasseranlagenrechtliche Einschätzung des Bescheides nicht ausdrücklich. Es gibt aber nicht den geringsten Anhalt, dass die Situation sechs Jahre vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans eine andere gewesen wäre. Schon damals – und wohl schon seit unvordenklichen Zeiten – gab es den Wildbach …graben mit seinem Überschwemmungsgebiet. Das Bestreiten des Bestehens eines Überschwemmungsgebiets zum Errichtungszeitpunkt der Mauer durch den Klägerbevollmächtigten ist ohne jede Substanz und steht außerdem im Widerspruch zu seinem sonstigen Vortrag, wonach die Mauer im Jahr 1989 aus Gründen des Hochwasserschutzes errichtet worden ist.
Unzutreffend ist auch die Behauptung der Klägerseite, die Mauer sei im Bebauungsplan zeichnerisch dargestellt, so dass von deren Legalität auszugehen sei. Abgesehen davon, dass die Schlussfolgerung für sich schon unzutreffend ist (reine Bestandswiedergaben in einem Bebauungsplan haben nichts mit einer Legalisierung zu tun), findet sich im Bebauungsplan nichts über die Mauer. Lediglich die nördliche Grenze des klägerischen Grundstücks, entlang der die Mauer verläuft, ist – wie die anderen Grenzen auch – im Bebauungsplan wiedergegeben. Schließlich streitet für die Mauer auch keine von der Behörde zu widerlegende Vermutung der Rechtmäßigkeit und hindert der bloße Zeitablauf allein die Bauaufsichtsbehörde nicht, gegen einen auch seit langen Jahren bestehenden rechtswidrigen Baubestand einzuschreiten (siehe BayVGH, B.v. 4.10. 2016 – 9 ZB 14.2173 – juris). Es trifft nicht zu, dass die Mauer von den zuständigen Behörden „fortdauernd als zu Recht bestehend behandelt worden“ sei, wie der Klägerbevollmächtigte behauptet.
3. War die Errichtung der Mauer im Jahr 1989 formell und materiell illegal, so hat sich die Situation in der Folgezeit nicht zu Gunsten des Klägers geändert. Der Beseitigungsanordnung kann nicht eine spätere formelle und materielle Legalität der Mauer entgegengehalten werden.
Die dargestellte Gesetzeslage galt bis zum 31. Mai 1994 unverändert fort. Bis dahin war die Mauer also nach wie vor formell wie materiell illegal. Für die Folgezeit ab dem 1. Juni 1994 bis zum 31. Dezember 1997 galt für das baurechtliche Genehmigungserfordernis von Mauern Art. 68 und Art. 69 Abs. 1 Nr. 21 Buchstabe a und b der BayBO in der Fassung vom 18. April 1994 (GVBl. S. 251 – BayBO 1994). Danach lag auch hier die kritische Grenze für die baurechtliche Genehmigungsfreiheit von Mauern bei einer Höhe von 1,50 m. Für die wasserrechtliche Anlagengenehmigung galt für den Zeitraum vom 1. Juni 1994 bis zum 31. Dezember 2007 die Vorschrift des Art. 59 BayWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1994 (GVBl. S. 822), die mit Art. 59 BayWG 1988 inhaltlich identisch war. Bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 25 „… Straße“ der Gemeinde … am 25. April 1995 war deshalb die Rechtslage dieselbe wie zum Errichtungszeitpunkt der Mauer, diese war also bis zum 24. April 1995 formell wie materiell illegal.
Ab Inkrafttreten des Bebauungsplans am 25. April 1995 bis heute ist die Mauer jedenfalls deshalb materiell illegal, weil sie den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht. Die Mauer widerspricht der planlichen Festsetzung des Bebauungsplans, wonach das zeichnerisch dargestellte Überschwemmungsgebiet des …grabens von jeglicher Bebauung freizuhalten ist. Gegen diese Festsetzung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 16 des Baugesetzbuchs (BauGB), wonach im Bebauungsplan die Wasserflächen sowie die Flächen für die Wasserwirtschaft, für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses festgesetzt werden können (siehe hierzu BayVGH, B.v. 10.10.2016 – 1 NE 16.1765 – juris; die Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB ist für Baufreihaltungsregelungen im faktischen Überschwemmungsgebiet die gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 10 bzw. Nr. 24 BauGB speziellere Festsetzungsmöglichkeit). Weiter widerspricht die steinerne Mauer der textlichen Festsetzung in § 2 Nr. 5 des Bebauungsplans, wonach zwischen den Baugrundstücken als Einfriedungen nur Maschendrahtgewebezäune mit durchgehender Hinterpflanzung zulässig sind.
4. Die Beseitigungsanordnung ist ermessensgerecht und verhältnismäßig. Insbesondere können nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden, da die Anlage seit ihrer Errichtung bis heute jedenfalls dem materiellen Baurecht widersprach und widerspricht und kein Raum für eine nachträgliche Legalisierung, etwa durch eine nachträgliche Genehmigung (vgl. Art. 76 Satz 3 BayBO), besteht.
Die Anordnung berücksichtigt auch das Gleichbehandlungsgebot. Wie die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht haben, trifft es nicht zu, dass die Behörde rechtmäßige Zustände nur beim Kläger durchsetzt, bei anderen vergleichbaren rechtswidrigen Vorhaben aber nicht. Die vom Gericht nur im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO zu prüfende Ermessensausübung der Behörde ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung bedarf bei Illegalität einer Anlage ein bauaufsichtliches Einschreiten grundsätzlich keiner besonderen Rechtfertigung. Die Bauaufsichtsbehörden können ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn sie gegen illegale Anlagen in der Regel vorgehen, soweit geboten deren Beseitigung verlangen und die Anordnungen auch durchsetzen (BayVGH, B.v. 18.5.2012 – 1 ZB 11.1210 – juris; vgl. auch BVerwG, B.v. 17.4.1998 – 4 B 14.97 – juris).
Die Androhung eines Zwangsgeldes im streitgegenständlichen Bescheid für den Fall der Nichterfüllung der Beseitigungspflicht innerhalb von vier Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage dafür sind Art. 18, 19, und 31 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG); die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes entspricht den Vorgaben des Art. 31 Abs. 2 VwZVG.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.