Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Einsatz von Vermögen bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Aktenzeichen  12WF 49/17

Datum:
19.1.2017
Fundstelle:
FamRZ – 2017, 1143
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114, § 120a Abs. 1

 

Leitsatz

Im Rahmen einer Änderungsentscheidung ist dem Beteiligten Vermögen zuzurechnen, das er nach der Bewilligungsentscheidung erworben, aber in Kenntnis der Abänderungsmöglichkeit wieder ausgegeben und hierdurch seine zeitweilig entfallene Leistungsunfähigkeit böswillig wieder herbeigeführt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

002 F 20/14 2016-08-08 Bes AGALTOETTING AG Altötting

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Altötting vom 08.08.2016 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

l. Der Antragsgegnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Altötting vom 27.03.2014 Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren Scheidung bewilligt und Rechtsanwalt J. beigeordnet. Die Beiordnung erfolgte mit Ratenzahlung, wobei die Ratenhöhe 225 € betrug. Mit Beschluss vom 22.05.2014 hat das Amtsgericht Altötting die Ratenzahlung gestundet. Nach der notariellen Scheidungsvereinbarung vom 05.01.2016 im Scheidungsverfahren erhielt die Antragsgegnerin gemeinsam mit ihrer Mutter einen Betrag von 180.000 € für die Aufgabe eines Wohnrechts aus einem früheren ehelichen Anwesen. Hiervon hat sie 17.582,95€ an den anwaltlichen Vertreter als Honorar in Abstimmung mit der Mutter und Mitgläubigerin bezahlt; weitere 86.700 € erhielt die Mutter und Mitgläubigerin aus einer valutierten Buchgrundschuld in Höhe von 75.000 € sowie einem Kostenerstattungstitel in Höhe von 11.700 €. Der Antragsgegnerin verblieben somit 75.717,05 €. Das Amtsgericht Altötting hat mit Beschluss vom 08.08.2016 eine Einmalzahlung in Höhe der Verfahrenskosten angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die geltend macht, dass sie sich gemäß notariellem Kaufvertrag 02.08.2016 eine Zweizimmerwohnung für einen Kaufpreis von 130.000 € gekauft hat. Diese Wohnung stelle ein Surrogat für das frühere eheliche Anwesen dar und diene dazu, den Wohnbedarf der Antragsgegnerin in bescheidenem Umfang zu decken. Der Bezirksrevisor des Landgerichts Traunstein hat in seiner Stellungnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2008, 302) verwiesen, wonach der Umstand, dass aus dem erworbenen Vermögen eine neue Eigentumswohnung im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII erworben worden ist, der Zurechnung nach § 120a Abs. 1 ZPO nicht entgegenstehe. Das Amtsgericht Altötting hat der Beschwerde daher nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.
1. Da die Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts Altötting bereits zum neuen Recht (Verfahrenskostenhilfeantrag nach dem 01.01.2014) erging, war auch das Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren nach neuem Recht durchzuführen (Thomas/Putzo/Seiler ZPO, 37. Aufl., Vorbem. §114Rn.4).
2. Die Antragsgegnerin hat das Vermögen, welches ihr aus der notariellen Scheidungsvereinbarung vom 05.01.2016 im Scheidungsverfahren zugeflossen ist, für die Verfahrenskostenhilfe einzusetzen.
A. Nachdem der Antragsgegnerin nach Abzug aller Verbindlichkeiten nach eigenem Vortrag tatsächlich ein Überschuss von 75.717,05 € verblieb, muss sie diesen Betrag für die Kosten der Verfahrensführung gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. 115 Abs. 3, 120a Abs. 1, 3 ZPO einsetzen.
Diese Rechtsfrage hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden. So führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 31.10.2007 (BGH NJW-RR 2008, 302 Rn. 5) aus, dass dem Beteiligten im Rahmen einer Änderungsentscheidung Vermögen zugerechnet werden könne, das er inzwischen erworben, aber in Kenntnis der Abänderungsmöglichkeit wieder ausgegeben habe, womit er seine zeitweilig entfallene Leistungsunfähigkeit böswillig wieder herbeigeführt habe. Das gelte wegen der im Gesetz normierten Möglichkeit zur Änderung einer Verfahrenskostenhilfeentscheidung innerhalb der folgenden vier Jahre (§ 120 Abs, 4 ZPO, jetzt § 120a Abs. 1 S. 4 ZPO) generell und sei auch nicht vom Zugang einer entsprechenden Verfügung des Gerichts abhängig.
Dieser gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (auch FamRZ2007, 1720) schließt sich der Senat an, da sich dies auch gerade aus der Neufassung des § 120a ZPO noch deutlicher als bei § 120 Abs. 4 ZPO a. F. ergibt. Der Beteiligte muss danach immer mit der Verpflichtung des Einsatzes des aus dem Verkauf erlangten Vermögens rechnen und er kann das Vermögen nur für berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten verwenden, die schon vorhanden waren. Ist das Verfahren oder der Rechtsstreit bereits absehbar, darf ein Vermögenszufluss vorrangig zum Abtrag dieser Verbindlichkeiten verwendet werden und führt erst im Übrigen zu einem für die Prozesskosten einzusetzenden Vermögen i. S. von § § 115 Abs. 3 ZPO. Diese Abzüge wurden hier beim Amtsgericht Altötting hinsichtlich der Buchgrundschuld und den Rechtsanwaltskosten sowie dem Kostenfestsetzungsverfahren bereits unstreitig vorgenommen, so dass lediglich ein einzusetzendes Vermögen von 75.717,05 € verblieb.
B. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin nunmehr gemäß notariellem Kaufvertrag 02.08.2016 eine Zweizimmerwohnung gekauft hat, welche als privilegierte Wohnung nach § 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII anzusehen wäre, und daher unberücksichtigt bleiben müsste, steht dem nicht entgegen (BGH NJW-RR 2008, 302 Rn. 6).
Der Sinn der Vorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII liegt darin, der bedürftigen Partei den Mittelpunkt ihres bisherigen sozialen Lebens zu erhalten und sie davor zu bewahren, ein schon vorhandenes privilegiertes Eigenheim zur Finanzierung der Verfahrenskosten veräußern zu müssen. Ein sonstiges Vermögen will das Gesetz im Regelfall gerade nicht schützen, auch wenn dies dazu bestimmt ist, später ein privilegiertes Hausgrundstück zu erwerben (BGH a.a.O.). Der Bundesgerichtshof zieht hierzu den Umkehrschluss aus § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, wonach sonstiges Vermögen nur dann berücksichtigungsfrei bleibt, soweit es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks i. S. des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bestimmt ist, falls dieses Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll (BGH a.a.O.). Dies ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Anwendungsbereich des § 120a ZPO ist daher eröffnet.
C. Zuletzt kann sich die Antragsgegnerin auch nicht darauf berufen, dass sie ihr Vermögen aus dem Verkauf ihres früher privilegierten Hausgrundstücks i. S. von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII erlangt hat. Mit der Verwertung des früheren Familienheims ist dessen Privilegierung entfallen und hat sich nicht an dem Verkaufserlös fortgesetzt (BGH NJW-RR 2008, 302 Rn. 7). Sie kann sich somit nicht auf das Surrogat berufen, da mit dem Verkauf bereits die Privilegierung entfallen ist.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
Gründe, die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO zuzulassen, sind nicht ersichtlich, da sich die Entscheidung im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hält und auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 26.01.2017.

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