Aktenzeichen M 26 S 16.4697
FeV FeV § 46 Abs. 1
VwVfG VwVfG § 23 Abs. 1
Leitsatz
Eine von der Fahrerlaubnisbehörde gesetzte Frist von drei Monaten zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist grundsätzlich auch dann angemessen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber der deutschen Sprache kaum mächtig ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis u.a. der Klassen B und C1.
Am … November 2012 und am … Februar 2015 führte er jeweils ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,38 mg/l bzw. 0,31 mg/l.
Die Fahrerlaubnisbehörde forderte ihn mit Schreiben vom 15. Februar 2016 zur Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auf. Für die Vorlage des Gutachtens wurde eine Frist von drei Monaten festgesetzt.
Nachdem der Antragsteller in der Folgezeit das Gutachten nicht beibrachte, wurde er mit Schreiben vom 2. Juni 2016 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört. Mit Schreiben vom … Juni 2016 bestellte sich der derzeitige Bevollmächtigte des Antragstellers und bat um Fristverlängerung, da der Antragsteller der deutschen Sprache kaum mächtig sei, was mit Schreiben vom 3. August 2016 abgelehnt wurde.
Mit Bescheid vom 16. September 2016 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und forderte ihn zur Ablieferung des Führerscheins auf. Insoweit wurde jeweils die sofortige Vollziehung angeordnet. Für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € angedroht. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag der Beteiligten ergibt sich, ob der Führerschein tatsächlich abgeliefert wurde.
Am … Oktober 2016 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Anfechtungsklage erheben und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die zur Beibringung des Gutachtens gesetzte Frist sei unangemessen kurz, nachdem der Antragsteller der deutschen Sprache fast nicht mächtig sei. Die Frist hätte verlängert werden müssen.
Die Antragsgegnerin hat die Akten vorgelegt, bislang aber keinen Antrag gestellt.
Die Verwaltungsstreitsache wurde mit Beschluss vom heutigen Tag auf den Einzelrichter übertragen.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung, die sich – soweit überschaubar – in erster Linie an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, fällt zulasten des Antragstellers aus.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Die Behörde hat einzelfallorientiert dargelegt, dass die für den Fall der Einlegung eines Hauptsacherechtsbehelfs eintretenden Gefahren für die Verkehrssicherheit und damit das öffentliche Interesse das individuelle Interesse des Antragstellers am vorläufigen weiteren Gebrauchmachen seiner Fahrerlaubnis überwiegt.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Zum Vorbringen im gerichtlichen Verfahren wird ergänzend ausgeführt, dass die von der Fahrerlaubnisbehörde gesetzte Frist von drei Monaten zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens grundsätzlich angemessen ist. Die von einem möglicherweise Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn betreibenden Inhaber einer Fahrerlaubnis ausgehenden Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit für die Allgemeinheit wiegen so schwer, dass ein weiteres Zuwarten nicht vertretbar gewesen wäre. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Antragsteller der deutschen Sprache möglicherweise kaum mächtig ist. In Deutschland, das nicht als Mehrsprachenstaat konzipiert ist, ist Deutsch alleinige Gerichts- und Amtssprache (vgl. § 23 Abs. 1 VwVfG bzw. Art. 23 Abs. 1 BayVwVfG und § 184 Satz 1 GVG). Die Festlegung des Deutschen als Schul-, Amts- und Gerichtssprache bedeutet trotz der mittelbaren Nachteilswirkungen für in Deutschland lebende, der deutschen Sprache jedoch nicht oder nicht ausreichend mächtige Personen keine Grundrechtsverletzung (BVerfG, B.v. 17.5.1983 – 2 BvR 731/80 − BVerfGE 64, 135 ff.) und führt nicht zur grundsätzlichen Pflicht des Staates, Dolmetscher und Übersetzungen zu stellen. Vielmehr musste dem Antragsteller jedenfalls klar sein, dass ihm mit der Aufforderung vom 15. Februar 2016 ein amtliches Schreiben zugegangen ist, das einen für ihn bedeutsamen Inhalt haben könnte. Vor diesem Hintergrund hätte er sich frühzeitig um eine Übersetzung bemühen müssen. Dass ihm dies auch mit zumutbarem Aufwand möglich gewesen wäre, zeigt bereits der Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers, dieser sei am … Juni 2016 zusammen mit einem hinreichend Deutsch sprechenden Landsmann in der Kanzlei des Bevollmächtigten erschienen, was eine Besprechung der Angelegenheit ermöglicht habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.