Medizinrecht

Irreführende Werbeangaben für homöopathisches Arzneimittel gegen Kopfschmerzen

Aktenzeichen  33 O 15788/16

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HWG HWG § 3
UWG UWG § 3 Abs. 1, § 3a, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Die Bezeichnung einer Tablette als “natürliche Kopfschmerztablette” erweckt den Eindruck, diese sei ausschließlich aus natürlichen Inhaltsstoffen hergestellt.  (Rn. 31) (red. LS Dirk Büch)
2 Im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung gelten strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von Werbeangaben, die nur erfüllt sind, wenn diese gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen.  (Rn. 36) (red. LS Dirk Büch)
3 Bei Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels entsprechen, ist davon auszugehen, dass diese regelmäßig dem gesicherten Stand der Wissenschaft im Zeitpunkt der Zulassung entsprechen.  (Rn. 37) (Rn. 49 – 50) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von 5,00 € bis zu 250.000,00 €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Antragsgegnerin,
zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das homöopathische Arzneimittel Neodolor® mit den Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen:
1. „Neodolor – die natürliche Kopfschmerztablette“
und/oder
2. „Neodolor ist zu 100 % natürlich“
und/oder
3. „Die stark gegen Kopfschmerzen wirkt“
und/oder
4. „Es wirkt stark bei allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen – aber auf natürliche Art!“
und/oder
5. „Ideale Wahl bei allen behandelbaren Kopfschmerzarten wie beispielsweise Spannungskopfschmerz und Migräne“
jeweils geschehen wie aus den nachfolgend eingeblendeten Screenshots der Webseitewww.n….deersichtlich:
II.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 60 % und die Antragsgegnerin 40 % zu tragen.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung in Ziff. II durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V.
Der Streitwert wird auf 90.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist teilweise begründet.
A.)
Die geltend gemachten Unterlassungsanträge sind in Ziffern I. 1., 2., 6., 7. und 8. gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3 a UWG i.V.m. § 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG begründet.
I.
Der Antragsteller ist als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, dem unstreitig eine erhebliche Zahl von Unternehmen als (mittelbare und unmittelbare) Mitglieder angehört, die Waren und Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Antragsgegnerin, prozessführungsbefugt gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
II.
Die mit Verfügungsanträgen I. 1. und 2. angegriffenen Werbeaussagen „Neodolor – die natürliche Kopfschmerztablette“ sowie „Neodolor ist zu 100 % natürlich“ stellen irreführende Werbeangaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG über die Merkmale des beworbenen homöopathischen Arzneimittels Neodolor dar.
1. Die streitgegenständliche Werbung auf der Internetseite www.n….de richtet sich nicht nur an Fachkreise, sondern insbesondere auch an Endverbraucher. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Werbeangaben, die ein Unternehmer zur stofflichen Beschaffenheit des angebotenen Produkts macht, für den angesprochenen Verkehr von wesentlicher Bedeutung sind, da aus diesen Angaben auf bestimmte Eigenschaften oder Wirkungen, insbesondere auf die Güte der Ware, geschlossen wird und diesbezügliche Fehlvorstellungen grundsätzlich für die Kaufentscheidung relevant sind (vgl. Köhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, 34. Auflage 2016, § 5 Rdnr. 4.3). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Inhaltsstoffe eines zur Einnahme bestimmten Arzneimittels geht.
2. Die hier angegriffenen Werbeaussagen „Neodolor – die natürliche Kopfschmerztablette“ sowie „Neodolor ist zu 100 % natürlich“ suggerieren den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören, unter Berücksichtigung des zugrunde zu legenden Maßstabs eines durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, dass das beworbene Arzneimittel ausschließlich aus natürlichen Inhaltsstoffen besteht. Diese durch die angegriffenen Formulierungen hervorgerufene Vorstellung wird noch verstärkt durch die Gestaltung der Internetseite (vgl. Urteilstenor Ziff. I. sowie Anlage ASt 4), bei welcher das dem beworbenen Präparat zugeschriebene Adjektiv „natürlich“ mehrfach hervorgehoben und durch die grafische Gestaltung mit grünen Pflanzen und grünen Farbelementen unterstrichen wird. Wenngleich dem durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und verständigen Verbraucher durchaus bewusst ist, dass Arzneimittel in der Regel aufgrund eines technischen Fertigungsprozesses hergestellt werden, wird er durch die gegenständlichen Werbeaussagen zu der Annahme veranlasst, dass hierbei vorliegend nur natürliche Inhaltsstoffe verwendet wurden. Dieser durch die streitgegenständliche Werbung hervorgerufene Eindruck ist jedoch unzutreffend, da das beworbene Arzneimittel unstreitig den mittels eines chemischen Verfahrens gewonnenen Inhaltsstoff Magnesiumstearat enthält, mögen seine Ausgangsstoffe auch natürlichen Ursprungs sein. Dabei führt aus der Irreführung nicht heraus, dass es sich hierbei nicht um einen Wirkstoff, sondern lediglich um einen sonstigen Bestandteil des Präparats handelt, da die streitgegenständlichen Werbeangaben insoweit nicht zwischen Wirkstoffen und sonstigen Inhaltsstoffen differenzieren und der Verkehr aufgrund der streitgegenständlichen Formulierungen der Werbeaussagen unter Berücksichtigung der Gesamtaufmachung der Werbung auch nicht zu einer entsprechenden Differenzierung veranlasst wird.
3. Die gegenständliche Irreführung ist wettbewerblich relevant, da sie geeignet ist, die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. Denn der angesprochene Verkehr misst der stofflichen Beschaffenheit eines zur Einnahme bestimmten Arzneimittels grundsätzlich eine maßgebliche Bedeutung bei, insbesondere gilt dies bezüglich eines homöopathischen Arzneimittels in Bezug auf die Information, ob und welche Inhaltsstoffe natürlich sind oder nicht.
III.
Die streitgegenständliche Behauptung laut Verfügungsantrag Ziffer I. 6. „die stark gegen Kopfschmerzen wirkt“ ist gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3 a UWG i.V.m. 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG unzulässig.
1. Die Werberegelungen des HWG, insbesondere in § 3 HWG, stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 a UWG dar, da diese Bestimmungen den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 13 – Äquipotenzangabe in Fachinformation; Köhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, 34. Auflage 2016, § 3 a Rdnr. 1. 218).
2. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HWG ist eine Werbung für ein Arzneimittel unzulässig, wenn diesem Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Eine derartige Werbung erfüllt zugleich den Tatbestand der wettbewerbsrechtlichen Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
3. Im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung gelten strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von Werbeangaben, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 15 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Köhler/Bornkamm, Kommentar zum UWG, 34. Auflage 2016, § 5 Rdnr. 4. 181). Für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung gilt danach im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 16 – Äquipotenzangabe in Fachinformation; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rdnr. 4. 183). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage nicht dartun kann, wobei die Darlegungs- und Beweislast, dass die Werbeangaben zutreffend sind, den Werbenden trifft (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rdnr. 4. 183; Harte/Henning, Kommentar zum UWG, 4. Auflage 2016, § 5 Rdnr. 145). Derjenige, der die betreffende Werbeangabe angreift, muss aber darlegen, dass die gegenständliche Werbeaussage wissenschaftlich umstritten ist. Wurde die behauptete gesundheitsbezogene Wirkung in der Wissenschaft noch nicht umfassend untersucht, genügt allerdings eine substantiierte Beanstandung durch den Kläger (Harte/Henning, Kommentar zum UWG, 4. Auflage 2016, § 5 Rdnr. 146; OLG Karlsruhe, NJOZ 2013, 1371, 1374). Vorliegend hat der Antragsteller eine wissenschaftliche Absicherung der hier beworbenen Wirkungen des Arzneimittels Neodolor hinreichend substantiiert in Abrede gestellt. Er hat unbestritten vorgetragen, dass es zu dem Arzneimittel Neodolor keine klinischen wissenschaftlichen Studien gebe, die sich mit den Wirkungen dieses Präparats befassten (vgl. eidesstattliche Versicherung Prof. Dr. G…, Anlage ASt 20). Vor diesem Hintergrund obliegt es grundsätzlich der Antragsgegnerin, die hinreichende Absicherung ihrer Werbeaussagen darzutun.
4. Das Vorhandensein eines wissenschaftlichen Nachweises der Richtigkeit ihrer werblichen Behauptung „die stark gegen Kopfschmerzen wirkt“ (Ziff. I. 6. des Verfügungsantrags) hat die Antragsgegnerin vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Zwar kann sich der Werbende in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels grundsätzlich auch auf den Inhalt der Zulassung berufen. Insoweit ist davon auszugehen, dass Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, regelmäßig dem im Zeitpunkt der Zulassung gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 35 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 35 – Äquipotenzangabe in Fachinformation). Hierauf kann sich die Antragsgegnerin in Bezug auf die gegenständliche Werbeangabe aber schon deshalb nicht berufen, da diese über die mit der Zulassung bescheinigten Wirkungen, nämlich: Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab; dazu gehören: Kopfschmerzen; Migräne; Nervenschmerzen hinausgehen. Aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, zu dem auch die Mitglieder der Kammer gehören, wird die Auslobung einer „starken“ Wirkung eines Schmerzmittels nicht nur im Sinne von „wirksam“, „wirkungsvoll“ oder „nutzbringend“ verstanden, sondern vielmehr dahingehend, dass das Mittel besonders schnell und/oder besonders effektiv wirke, also ein starkes Schmerzmittel darstelle, das insbesondere gegen starke Schmerzen helfe. Eine derartige Wirkung ist aber vom Inhalt der Zulassung des Präparats nicht gedeckt.
5. Nachdem sich die Antragsgegnerin zur Darlegung der Richtigkeit ihrer werblichen Behauptung ausschließlich auf den Inhalt der Zulassung berufen hat und keinerlei sonstige Glaubhaftmachung zum wissenschaftlichen Nachweis der gegenständlichen Werbebehauptung erfolgt ist, ist ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HWG i.V.m. § 3 a UWG bzw. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG zu bejahen. Wegen der Einflussmöglichkeit der gegenständlichen Werbebehauptung auf die Kaufentscheidung der angesprochenen Verbraucher ist die gegenständliche Irreführung auch wettbewerblich relevant.
IV.
Auch die mit Verfügungsantrag I. 7. angegriffene Werbeaussage „es wirkt stark bei allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen – aber auf natürliche Art!“ ist wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG i.V.m. § 3 a UWG bzw. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG unzulässig.
1. Die Behauptung der ausgelobten „starken“ Wirkung ist aus den oben ausgeführten Gründen unlauter.
2. Auch die Behauptung, das Arzneimittel wirke stark bei „allen behandelbaren Formen von Kopfschmerzen“ ist mit §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HWG bzw. 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG nicht vereinbar. Wie die Antragstellerin unbestritten vorträgt, gibt es aktuell über 360 Kopfschmerzarten, wovon etliche zwar grundsätzlich behandelbar sind, indes nicht alle mit „Kopfschmerzmitteln“ im Rahmen der Selbstmedikation. Der durchschnittlich informierte, situationsbedingt aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher versteht die Werbeaussage auch nicht so, dass sich diese nur auf die mitKopfschmerzmitteln behandelbaren Formen von Kopfschmerzen beziehe. Vielmehr wird die ausgelobte Wirkung einschränkungslos auf alle behandelbaren Formen von Kopfschmerzen bezogen, wobei beim angesprochenen Durchschnittsverbraucher außerhalb der Fachkreise nicht die Kenntnis vorausgesetzt werden kann, dass es auch behandelbare Formen von Kopfschmerzen gibt, die jedoch nicht mit Schmerzmitteln behandelbar sind bzw. welche Kopfschmerzarten darunter fallen und welche nicht. Insoweit ist die Werbeaussage auch nicht von der Zulassung gedeckt, da diese lediglich allgemein „Kopfschmerzen; Migräne; Nervenschmerzen“ nennt.
3. Schließlich ist auch die Behauptung „– aber auf natürliche Art!“ jedenfalls im Zusammenhang mit den weiteren gegenständlichen Aussagen sowie der Aufmachung der Werbung wegen Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG unzulässig, da der angesprochene Verkehr darüber getäuscht wird, dass das Arzneimittel auch nicht – natürliche Inhaltsstoffe, nämlich Magnesiumstearat, enthält. Auch insoweit wird der angesprochene Verkehr die Werbeaussage aufgrund des Gesamtzusammenhangs nicht allein auf die unstreitig natürlichen Wirkstoffe des Präparats beziehen, sondern auf dessen Inhaltsstoffe insgesamt. Insoweit trifft die Werbeaussage wegen des in dem Präparat enthaltenen Zusatzstoffes Magnesiumstearat jedoch nicht zu.
V.
Schließlich ist auch die mit Verfügungsantrag I. 8. angegriffene Werbeangabe „Ideale Wahl bei allen behandelbaren Kopfschmerzarten wie beispielsweise Spannungskopfschmerz und Migräne“ gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 HWG i.V.m. § 3 a UWG bzw. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG unzulässig. In Bezug auf die Aussage „bei allen behandelbaren Kopfschmerzarten“ ist – wie bereits ausgeführt – eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise zu bejahen. Auch die Auslobung, es handele sich bei dem Präparat diesbezüglich um die „ideale Wahl“, ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, da die Richtigkeit dieser Aussage eine vergleichende Untersuchung gegenüber anderen in Betracht kommenden Kopfschmerzpräparaten voraussetzen würde, bei dem das beworbene Mittel als „ideal“, also „nicht besser vorstellbar“ abgeschnitten hätte. Ein solches positives Vergleichsergebnis in Bezug auf das Präparat Neodolor gegenüber anderen Kopfschmerzmitteln ist jedoch nach dem zugrundeliegenden Sachvortrag unstreitig nicht vorhanden.
VI.
Die Wiederholungsgefahr im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG wird durch die jeweiligen Verletzungen indiziert und besteht mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fort.
VII.
Die erforderliche Dringlichkeit ist anzunehmen. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Insbesondere hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er nicht länger als einen Monat vor Antragstellung Kenntnis von den streitgegenständlichen Werbeangaben hatte. Dies ergibt sich aus den eindeutigen Angaben in der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin des Antragstellers L… M… vom 26.09.2016 (Anlage ASt 19), wonach die gegenständliche Werbung dem Antragsteller seit dem 17.08.2016 bekannt sei. Hätte der Antragsteller vor diesem Datum Kenntnis von der gegenständlichen Werbung erlangt, wäre diese eidesstattliche Versicherung schlichtweg falsch, wofür aber keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Insbesondere kann aus dem von der Antragsgegnerin ins Feld geführten früheren Start der gegenständlichen Werbekampagne nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass maßgebliche Wissenträger beim Antragssteller hiervon auch schon früher Kenntnis erlangt hätten.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist binnen einen Monats ab der glaubhaft gemachten Kenntniserlangung, nämlich am 16.09.2016, bei Gericht eingegangen, so dass der Antragsteller nicht in dringlichkeitsschädlicher Weise über Gebühr zugewartet hat.
B.)
Im Hinblick auf die geltend gemachten Unterlassungsanträge zu Ziffern I. 3., 4., 5., 9., 10., 11. und 12. besteht ein Verfügungsanspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 5, 3 a UWG, § 3 HWG nicht.
I.
Die vom Antragsteller angegriffenen Werbeaussagen „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“, „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“ sowie „Effektiv gegen Kopfschmerzen“ sind von der Zulassung des beworbenen Arzneimittels gedeckt, so dass davon auszugehen ist, dass diese Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HWG bzw. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist daher zu verneinen.
1. Im Hinblick auf Angaben, die der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sie im Zeitpunkt der Zulassung auf dem gesicherten Stand der Wissenschaft beruhen (BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 35 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Dies gilt insbesondere für Angaben, die sich auf die therapeutische Wirksamkeit beziehen. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung genommen, kann also grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die der Zulassung entsprechenden Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 35 – Basisinsulin mit dewichtsvorteil; BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 35 – Äquipotenzangabe in Fachinformation). Zwar beschränkt sich der verfügende Regelungsgehalt einer Arzneimittelzulassung nach § 21 Abs. 1 AMG darauf, dem Antragsteller verbindlich das Recht zu gewähren, das im Bescheid bezeichnete Arzneimittel unter den dort genannten Voraussetzungen in Deutschland in Verkehr zu bringen; darüber hinausgehend hat die Zulassung aber eine indizielle Bedeutung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der dort enthaltenen Angaben (BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 32, 35 – Äquipotenzangabe in Fachinformation). Dies hat zur Folge, dass derjenige, der die werblichen Behauptungen in Bezug auf Eigenschaften eines Arzneimittels durch einen Dritten angreift, diese indizielle Bedeutung der Zulassung für die hinreichende wissenschaftliche Absicherung allein dadurch erschüttern kann, dass er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekannt gewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprechen (BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 36 – Äquipotenzangabe in Fachinformation, BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 42 ff, – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
2. Diese vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall übertragbar, unabhängig davon, dass es sich um die Zulassung eines homöopathischen Arzneimittels im Verfahren der Nachzulassung gemäß §§ 105, 21 ff. AMG handelt. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen im Arzneimittelgesetz für die Zulassung von Arzneimitteln spezifische Zulassungshürden aufgestellt, welche den zuständigen Behörden bestimmte Prüfkompetenzen und Prüfpflichten auferlegen. Wird auf Grundlage dieser spezifischen Regelungen einem Arzneimittel die Zulassung erteilt, darf sich der Inhaber der Zulassung zunächst darauf verlassen, dass er das Produkt entsprechend dem Inhalt der Zulassung auf den Markt bringen (und dementsprechend auch bewerben) darf. Denn hierin liegt die mit dem Verwaltungsakt der Arzneimittelzulassung verbundene Regelungswirkung (vgl. BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 32 – Äquipotenzangabe in Fachinformation). Die Entscheidung des Gesetzgebers, welche Anforderungen an die Erteilung der Zulassung – hier speziell für ein homöopathisches Arzneimittel im Nachzulassungsverfahren – zu stellen sind, kann also nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein Vertrieb und eine Bewerbung des zugelassenen Präparats entsprechend dem Inhalt der erteilten Zulassung in einem späteren wettbewerbsrechtlichen Zivilverfahren vom Zulassungsinhaber durch weitergehende Nachweise gerechtfertigt werden müssten, als sie im behördlichen Zulassungsverfahren erforderlich sind. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Äquipotenzangabe in Fachinformation“ festgestellt, dass es auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht geboten sei, einem Wettbewerber zu ermöglichen, „die Beurteilung der mit besonderer Fachkompetenz ausgestatteten Arzneimittelzulassungsbehörde ohne neue oder dieser bei ihrer Entscheidung unbekannte wissenschaftliche Erkenntnisse in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren anzugreifen und damit das Zivilgericht zu zwingen, seine Beurteilung – mit oder ohne sachverständige Unterstützung – an die Stelle derjenigen der Fachbehörde zu setzen, die der Gesetzgeber dafür eingesetzt hat“ (BGH GRUR 2015, 1244 Rdnr. 45 – Äquipotenzangabe in Fachinformation). Vielmehr hätten, wie der Bundesgerichtshof weiter ausführt, die Arzneimittelhersteller ein berechtigtes Interesse daran, durch die Zulassung eines Arzneimittels Rechtssicherheit hinsichtlich von Werbeaussagen zu gewinnen, die der von der Zulassungsbehörde geprüften Fachinformation entnommen seien. Die Wettbewerber hätten es daher hinzunehmen, dass sie Einwände gegen die Fachinformation in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nur aufgrund neuer oder der Zulassungsbehörde unbekannt gebliebener wissenschaftlicher Erkenntnisse erheben könnten (BGH a.a.O. Rdnr. 45). Diese Schlussfolgerungen sind auch auf den vorliegenden Fall übertragbar, da anderenfalls die spezifischen Voraussetzungen des Zulassungsverfahrens torpediert würden. Die indizielle Bedeutung der Zulassung ist auch unabhängig davon anzunehmen, ob eine Fachinformation für das Arzneimittel existiert oder nicht, da die Indizwirkung aus der Zulassungsentscheidung der Behörde als solcher aufgrund der vorgegebenen gesetzlichen Regelungen resultiert.
3. Die mit Verfügungsanträgen I. 3., 4. und 5. angegriffenen Werbeaussagen „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“, „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“ sowie „Effektiv gegen Kopfschmerzen“ sind von der indiziellen Bedeutung der Arzneimittelzulassung gedeckt. Die Zulassung des von der Antragsgegnerin beworbenen Arzneimittels Neodolor umfasst unstreitig folgende Anwendungsgebiete: „Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: Kopfschmerzen; Migräne; Nervenschmerzen.“ Eine darüberhinausgehende Wirkaussage entnimmt der angesprochene Verkehr den hier zu beurteilenden Werbeangaben nicht. Vielmehr versteht der durchschnittlich informierte, verständige und situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher die Aussagen „bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“ bzw. „Wirkungsvolle Schmerzbekämpfung“ bzw. „Effektiv gegen Kopfschmerzen“ entsprechend dem zugelassenen. Anwendungsgebiet dahingehend, dass das Präparat gegen Kopfschmerzen wirken solle. Eine darüber hinausgehende Tatsachenbehauptung enthalten die Werbeangaben demgegenüber nicht.
Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass neuere, erst nach dem Zulassungszeitpunkt bekannt gewordene oder der Zulassungsbehörde bei der Zulassungsentscheidung sonst nicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen würden, die gegen die wissenschaftliche Tragfähigkeit der durch die Zulassung belegten Aussagen sprächen.
II.
Auch die Werbeaussage „Durch die Kombination der Einzelkomponenten entfaltet Neodolor seine natürliche Kraft. Der natürliche 5-fach-Wirkstoffkomplex ist speziell in Tablettenform aufbereitet – für ein optimales Zusammenspiel der Arzneistoffe“ verstößt weder gegen § 3 HWG, noch gegen § 5 UWG. Es handelt sich dabei vielmehr um eine gewöhnliche werbemäßige Anpreisung, die in ihrem Tatsachenkern nicht über den Inhalt der Arzneimittelzulassung hinausgeht. Der angesprochene Verkehr, zu dem auch die Mitglieder der Kammer gehören, ist auch bei Arzneimitteln an die Verwendung einer oftmals blumigen Werbesprache gewöhnt und kann dies auch entsprechend einordnen. Die Aussage „für ein optimales Zusammenspiel der Arzneistoffe“ stellt vor diesem Hintergrund eine unspezifische werbliche Anpreisung dar, die unter Berücksichtigung der indiziellen Bedeutung der Zulassung keine unzutreffende Behauptung erkennen lässt. Auch die Aussagen, dass Neodolor durch die Kombination der Einzelkomponenten „seine natürliche Kraft“ entfalte und der „natürliche 5-fach-Wirkstoffkomplex“ speziell in Tablettenform aufbereitet sei, wird vom angesprochenen Verkehr hier – anders als die oben zu beurteilenden Aussagen zur Natürlichkeit des Präparats – auf die Wirkstoffe des Arzneimittels bezogen und nicht dahingehend verstanden, dass das Präparat ausschließlich aus natürlichen Inhaltsstoffen bestehe.
III.
Die mit Verfügungsantrag zu Ziffer I. 10. 11. und 12. angegriffenen Aussagen „bestens verträglich“, „ohne bekannte Neben- und Wechselwirkungen“ sowie „Optimale Verträglichkeit dank natürlicher Wirkstoffe“ sind ebenfalls zulässig. Eine Irreführung im Sinne von § 5 UWG bzw. § 3 HWG ist nicht ersichtlich. Unstreitig ist das Arzneimittel mit dem genehmigten Text der Packungsbeilage „Nebenwirkungen bei Neodolor sind bisher keine bekannt Bisher sind keine Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bekannt.“ zugelassen. Anhaltspunkte, dass das Präparat beim Anwender gleichwohl zu Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten führen würde, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor. Vor dem Hintergrund der indiziellen Bedeutung der Zulassung, wie auch des Umstands, dass das Arzneimittel Neodolor schon seit vielen Jahren auf dem Markt ist und einer ständigen Überprüfung im Rahmen der Regelungen der §§ 63 b) ff AMG unterliegt, obläge es insoweit der Antragstellerin, substantiiert Umstände vorzutragen, welche geeignet wären, die angegriffenen Behauptungen zur Verträglichkeit und zum Fehlen von bekannten Neben- und Wechselwirkungen in Frage zu stellen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Soweit dem Antrag stattgegeben wurde, ist die einstweilige Verfügung auch ohne besonderen Ausspruch vorläufig vollstreckbar (Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 37. Auflage 2016, § 708 Rdnr. 7). Im Übrigen folgt die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 S. 1, S. 2 ZPO.

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