Familienrecht

Prozesskostenhilfe im Mahnverfahren

Aktenzeichen  33 T 36/16

Datum:
19.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 126383
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114, § 118 Abs. 1 S. 1, § 127 Abs. 2 S. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 568 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Mahnverfahren ist die Erfolgsaussicht zu prüfen; entscheidend ist, ob im Mahnverfahren mit einem Vollstreckungstitel gerechnet werden kann. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15-7917439-04-N 2016-10-05 AGCOBURG AG Coburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Mahngerichts Coburg vom 05.10.2016, Az. 15-7917439-04-N, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die Beschwerdeführerin beantragte am 31.12.2015 den Erlass eines Mahnbescheides gegen die … über eine Hauptforderung von 2.000.000,- € als „Schadensersatz aufgrund fehlerhaft erteilter GVVO Genehmigung, Schreiben vom 07.11.2011 an KSA und nachfolgende Korrespondenz vom 30.12.1991“. Gleichzeitig beantragte sie für die Kosten des Mahnverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Aus der von ihr eingereichten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen geht hervor, dass sie nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Sie bezieht eine geringe Altersrente.
Das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg leitete den Antrag zur Stellungnahme an den Antragsgegner zu, der mit Schreiben vom 1.2.2016 beantragte, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete. Die Antragsgegnerin werde gegen einen eventuellen Mahnbescheid Widerspruch einlegen. Ein konkreter Lebenssachverhalt, der dem Anspruch zugrundeliege, könne mangels hinreichender Angaben nicht ermittelt werden.
Mit Beschluss vom 5.10.2016, dem Beschwerdeführervertreter zugestellt am 7.10.2016, wies das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten des beabsichtigten Mahnverfahrens und Mutwilligkeit zurück. Hiergegen erhob der Beschwerdeführervertreter mit Schreiben vom 4.11.2016, eingegangen beim Amtsgericht Coburg am selben Tag, sofortige Beschwerde.
Das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16.11.2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Coburg zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2016 begründete der Beschwerdeführervertreter die Beschwerde damit, dass Erfolgsaussichten im Mahnverfahren nicht zu prüfen seien. Eine Schlüssigkeitsprüfung finde nicht statt. Auch sei keine Gewissheit oder Garantie des Erfolgs notwendig.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat die Einzelrichterin nach vorheriger Anhörung der Beschwerdeführerin das Verfahren auf die Kammer übertragen, § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO.
II.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst form- und fristgerecht (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht geht das Amtsgericht – Zentrales Mahngericht – Coburg davon aus, dass eine hinreichende Aussicht auf Erfolg des Mahnverfahrens nicht besteht. Eine solche Prüfung der Erfolgsaussichten ist auch im Rahmen eines Mahnverfahrens, für das Prozesskostenhilfe beantragt wird, vorzunehmen.
Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 114 ZPO, dass die antragstellende Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Grundsätzlich kann die Prozesskostenhilfe auf das Mahnverfahren beschränkt werden, vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 119, Rdnr. 16; OLG München, MDR 1997, 891; OLG Oldenburg, MDR 1999, 384; LG Berlin, NJW 1972, 2312. Sie erstreckt sich dann nicht auf den 33 t 36/16 – Seite 3 anschließenden Zivilprozess, zu dem es nach dem Übergang ins streitige Verfahren kommt.
Ob bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Mahnverfahren die Erfolgsaussicht zu prüfen ist, ist umstritten. Nach einer Rechtsauffassung findet grundsätzlich eine Schlüssigkeitsprüfung nicht statt, vgl. Motzer im Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 114, Rdnr. 32; Geimer in Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 119, Rdnr. 16. Jedoch finden die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO im Mahnverfahren uneingeschränkte Anwendung, somit auch die Vorschrift des § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der grundsätzlich eine Anhörung des Gegners vorsieht. Eine solche Anhörung wäre jedoch überflüssig, wenn das Vorbringen des Antragsgegners überhaupt keine Berücksichtigung finden würde. Aus diesem Grunde ist daher auch bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Mahnverfahren die Erfolgsaussicht zu prüfen, so auch Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.09.2004, Az.: 10 T 304/04 (RPfl 2005, 32); Landgericht Berlin, Beschluss vom 05.07.2007, Az.: 57 T 27/07, Landgericht Hagen, Beschluss vom 26.6.2014, Az. 3 T 42/14, Landgericht Fulda, Beschluss vom 24.2.2014, Az. 1 T 7/14 und Landgericht Hamburg, Beschluss vom 26.8.2014, Az. 331 T 6/14 (letztgenannte alle unveröffentlicht).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Prozesskostenhilfe nur für das Mahnverfahren und nicht für ein sich anschließendes streitiges Verfahren beantragt wird. Es kommt damit nur auf die Erfolgsaussicht des Mahnverfahrens und nicht auf die etwaigen Erfolgsaussichten eines streitigen Hauptsacheverfahrens an. Sinn und Zweck des Mahnverfahrens ist der Erwerb eines schnellen und kostengünstigen Vollstreckungstitels in Form eines Vollstreckungsbescheides. Gerade dieser Erfolg ist aber äußerst unwahrscheinlich. Der Antragsgegner hat im Rahmen der Anhörung Widerspruch gegen einen zu erlassenden Mahnbescheid angekündigt. Es besteht damit eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschwerdeführerin im Mahnverfahren keinen Vollstreckungstitels erlangen wird. Deshalb hat das Amtsgericht zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Mahnverfahren zurückgewiesen. Für ein von vorneherein aussichtsloses Mahnverfahren, bei dem bereits von Anfang an nicht damit zu rechnen ist, dass ein Vollstreckungsbescheid ergehen wird, kann ein Antragsteller nicht erwarten, dieses auf Kosten der Staatskasse durchführen zu können. Dem Antragsteller bleibt unbenommen, Klage beim zuständigen Gericht einzureichen und für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu beantragen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 22 GKG i.V.m. KV-Nr. 1812 zum GKG.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. In Instanzrechtsprechung und Literatur werden zur Frage der Zulässigkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten im Mahnverfahren sowie zum Umfang dieser Prüfung unterschiedliche Auffassungen vertreten.

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