Aktenzeichen Au 7 S 16.1447
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 2 S. 3
FeV FeV § 11 Abs. 2 S. 2, Abs. 7, § 13 S. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
FEV § 47 Abs. 1 S. 1
GG GG Art. 2 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Schon aufgrund einer Alkoholerkrankung kann – ohne weitere Begutachtung – von Fahruntauglichkeit ausgegangen werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000.- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.
1. Der im Jahr 1956 geborenen Antragstellerin wurde im Jahr 1996 die Fahrerlaubnis der Klassen 1b und 3 nach vorherigem Entzug wiedererteilt.
Unter dem 10. August 2016 setzte das Amtsgericht …, Betreuungsgericht, die Fahrerlaubnisbehörde darüber in Kenntnis, dass für die Antragstellerin Betreuung angeordnet wurde und ihre vorläufige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses genehmigt wurde. Dem übersandten Beschluss des Amtsgerichts … vom 9. August 2016, Aktenzeichen …, ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin an einer psychischen Krankheit bzw. geistigen/seelischen Behinderung, nämlich einer schizoaffektiven Störung (ICD-10: F25.8) und einer Alkoholabhängigkeit leidet (ICD-10: F10.2). Es bestehe deshalb die Gefahr, dass die Betreute sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Ihr Gesundheitszustand habe sich in den letzten Wochen zusehends massiv verschlechtert. Sie habe ihren Alkoholkonsum gesteigert und den Zigarettenkonsum trotz akuter internistischer Lungenprobleme nicht eingeschränkt. Sie habe ihre Trinkgewohnheiten deutlich bagatellisiert, so sei sie etwa bereits mehrfach früh morgens zu einer Tankstelle gefahren und volltrunken mit dem Auto zurückgekehrt. Es bestehe unbehandelt bei der krankheitsuneinsichtigen und behandlungsunwilligen Betroffenen die konkrete und akute Gefahr von Elektrolytentgleisungen und Pneumonien, die bereits in der Vergangenheit zu lebensbedrohenden Zuständen geführt hätten, sowie von Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss. Die Betreute bedürfe ärztlicher Behandlung, die derzeit ohne geschlossene Unterbringung nicht geschehen könne. Sie habe derzeit keine ausreichende Krankheitseinsicht.
Unter dem 23. August 2016 hörte die Straßenverkehrsbehörde die Antragstellerin deshalb wegen erheblicher Zweifel an der Fahreignung zur geplanten Anordnung der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zur Fahreignung an und beantragte Akteneinsicht in die Akten des Betreuungsgerichts. Dementsprechend wurde vom Betreuungsgericht das nervenärztliche Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie vom 16. August 2016 übersandt. Die Gerichtsakten insgesamt seien nicht abkömmlich, da die weitere Unterbringung geprüft werde.
Das nervenärztliche Gutachten vom 16. August 2016, das auf einer Untersuchung der Antragstellerin im Bezirkskrankenhaus am 12. August 2016 beruht, diagnostiziert bei der Antragstellerin eine langjährige Verlaufsform einer als schizoaffektiv vordiagnostizierten Psychose mit ausgeprägtem Residuum und daraus resultierender psychischer Krankheit/seelischer Behinderung, aktuell erheblicher Komplikation durch organische Folgeerscheinungen einer Alkoholerkrankung mit derzeit Korsakow-Syndrom-Symptomatik, Entzugs-Symptomatik und massiv körperlich reduziertem Allgemeinzustand. Die aus der Suchterkrankung resultierende zusätzliche psychische Krankheit/seelische Behinderung bestehe derzeit bei gesicherter Abstinenz auch ohne Alkoholkonsum zumindest befristet fort (Gutachten vom 16. August 2016, Nr. 2.2, Bl. 14 der Behördenakten).
Unter dem 12. September 2016 hörte die Fahrerlaubnisbehörde die Antragstellerin deshalb wegen des geplanten Entzugs der Fahrerlaubnis aufgrund der diagnostizierten Alkoholabhängigkeit an. Die Anhörung wurde der Antragstellerin im Be 4 zirkskrankenhaus am 14. September 2016 zugestellt. Eine Äußerung erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides), ordnete an, dass der Führerschein der Klasse 3 unverzüglich beim Landratsamt abzugeben sei, sollte er unauffindbar sein, so sei stattdessen innerhalb derselben Frist eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib des Führerscheins vorzulegen (Nr. 2 des Bescheides), die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheides). Für den Fall, dass der Führerschein nicht innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung des Bescheids abgeliefert werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 € angedroht (Nr. 4 des Bescheides).
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dass bei Alkoholabhängigkeit eine Fahreignung nicht gegeben sei. Aufgrund des nervenärztlichen Gutachtens vom 16. August 2016 stehe fest, dass die Antragstellerin alkoholabhängig sei. Wegen der durch dieses Gutachten ebenfalls diagnostizierten schizoaffektiven Störung müsste das Ausmaß der Erkrankung im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr durch ein ärztliches Gutachten überprüft werden. Da die mangelnde Fahreignung wegen der Alkoholabhängigkeit jedoch feststehe, habe die Fahrerlaubnisbehörde als „milderes Mittel“ den Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund der bestehenden Alkoholabhängigkeit vorzuziehen. Die Abklärung des Krankheitsbildes hinsichtlich der schizoaffektiven Störung sei deshalb aktuell nicht geboten. Da das letzte aktenkundige Gutachten vom 16. August 2016 erstellt worden sei und Alkoholabhängigkeit diagnostiziere, könne der Nachweis einer mindestens einjährigen Abstinenz derzeit nicht erbracht werden. Damit könne auch von einer etwaigen Wiedererlangungen der Kraftfahreignung noch nicht ausgegangen werden, die Antragstellerin sei als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen einzustufen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Entzugs der Fahrerlaubnis und der Ablieferungspflicht sei unerlässlich um die Entziehung der Fahrerlaubnis unmittelbar und wirkungsvoll durchzusetzen. Die ständig wachsende Motorisierung der Gesellschaft und die damit verbundene Zunahme der Verkehrsdichte stellten hohe Anforderungen sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht. Das Landratsamt verkenne nicht, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung einen gravierenden Eingriff in die persönlichen Belange der Betroffenen darstelle. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sei allerdings dem öffentlichen Interesse, bei der Teilnahme am Straßenverkehr vor ungeeigneten Fahrzeugführern ausreichend geschützt zu werden, höheres Gewicht beizumessen, als dem Interesse der Betroffenen vorerst von der Wirkung der Fahrerlaubnisentziehung verschont zu bleiben. Nur durch einen sofortigen Ausschluss der Betroffenen von der weiteren aktiven Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug könnten die damit verbundenen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Bürger ausreichend vermieden werden. Nicht zu vergessen sei außerdem, dass das Amtsgericht …, Betreuungsgericht, es hinsichtlich der Gefahrenabwehr für Dritte oder für die öffentliche Sicherheit für erforderlich gehalten habe, eine Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde zu machen.
Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 7. Oktober 2016 zugestellt.
2. Am 14. Oktober 2016 wurde hiergegen Klage erhoben mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheides.
Außerdem wurde Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gestellt und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 4. Oktober 2016 wieder herzustellen.
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, die Antragstellerin besitze die Fahrerlaubnis der Klasse 3 seit dem Jahr 1975/80. Sie sei seither unfallfrei gefahren, habe noch nie einen Menschen im Straßenverkehr geschädigt und verfüge über keinerlei Eintragungen im Verkehrszentralregister. Nach ihrer Erinnerung habe sie auch noch nie einen Bußgeldbescheid bekommen. Sie habe völlig unauffällig am Straßenverkehr teilgenommen.
Sie leide allerdings seit über 27 Jahren an einer schizoaffektiven Störung/ Psychose. Diese Krankheit habe sie aber seit 27 Jahren relativ gut im Griff. Sie habe auch trotz dieser Erkrankung als Buchhalterin arbeiten können und habe in der Vergangenheit regelmäßig am Straßenverkehr teilgenommen, ohne dass es zu irgendwelchen Auffälligkeiten gekommen sei. Die Krankheit lasse sich relativ gut medikamentös einstellen. Es komme kaum zu nennenswerten Auffälligkeiten, wenn die Antragstellerin regelmäßig ihre Medikamente in der entsprechenden Dosis einnehme. Allerdings komme es zugegebenermaßen im Schnitt ca. einmal im Jahr dazu, dass die Antragstellerin ihre Medikamente nicht regelmäßig oder nicht in der richtigen Dosis einnehme. Sie sei zwar in regelmäßiger ambulanter Kontrolle im Bezirkskrankenhaus, allerdings komme es gelegentlich dazu, dass die Medikamente nicht richtig wirken. Dies seien dann die schlimmen Phasen, in denen die Antragstellerin auch Alkohol konsumiere. Während der Phasen, in denen sie ihre Medikamente normal nehme, trinke sie keinerlei Alkohol. Der Ehemann der Antragstellerin, der ebenfalls im Ruhestand sei und mit ihr zusammen seit 35 Jahren in einer kleinen Wohnung lebe, könne dies jederzeit bestätigen. Während der Phasen, in denen die Medikamente nicht richtig eingestellt seien, lasse sich die Antragstellerin regelmäßig für zwei bis drei Wochen ins Bezirkskrankenhaus einweisen. Danach könne die Antragstellerin ihr Leben ganz normal fortsetzen, sie trinke dann auch keinerlei Alkohol und unternehme keine Trunkenheitsfahrten.
Allein im Jahr 2016 sei es insoweit zu Problemen gekommen. Die Antragstellerin habe sich wieder ins Bezirkskrankenhaus einliefern lassen wollen. Da bei ihr aber eine Lungenentzündung festgestellt worden sei, sei sie ans Zentralklinikum überstellt worden. Nachdem sie dort als geheilt entlassen worden sei, habe sie von sich aus nicht mehr in eine stationäre Behandlung ins Bezirkskrankenhaus zurückkehren wollen, die aber dringend erforderlich gewesen sei. Deshalb sei es auch zu dem Gerichtsbeschluss hinsichtlich der Einweisung der Antragstellerin gekommen. In wenigen Wochen seien die Medikamente wieder so eingestellt, dass die Antragstellerin ganz normal am Leben teilnehmen könne.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei somit nicht gerechtfertigt. Die Behörde trage selbst vor, dass die Auswirkung der Krankheit der Antragstellerin auf die Teilnahme am Straßenverkehr nicht untersucht worden sei. Insoweit sei ein Gutachten erforderlich. Die Behörde stütze sich lediglich auf eine angebliche Alkoholkrankheit der Antragstellerin. Dieser Vorwurf stütze sich allein auf das nervenärztliche Gutachten vom 16. August 2016. Der Gutachter sei aber Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er habe im Rahmen der gerichtlichen Einweisung ein Gutachten erstellt, das hier jedoch nicht anerkannt werden könne. Der Arzt habe lediglich 10 bis 15 Minuten mit der Antragstellerin gesprochen. In dieser Zeit habe er gar keine richtige Anamnese betreiben können. Blut- oder Leberwerte seien in das Gutachten nicht mit eingeflossen. Es stütze sich lediglich auf die Angaben der Antragstellerin die sie selbst gegenüber dem Facharzt gemacht habe. Zum damaligen Zeitpunkt sei sie jedoch in einer extremen Krankheitsphase gewesen. Sie sei nicht in der Lage gewesen ihr Handeln, Tun oder ihre Worte einzuschätzen bzw. zu erkennen. Das Gutachten sei daher in einer Phase entstanden, in der den Aussagen der Antragstellerin kein Beweiswert zukomme. Jedenfalls rechtfertige dies keine Entziehung der Fahrerlaubnis. Die Antragstellerin sei mittlerweile wieder aus dem BKH entlassen worden und habe seit drei Monaten keinen Alkohol mehr zu sich genommen.
Die aufschiebende Wirkung der Klage sei somit wiederherzustellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei durch die Behörde auch nicht ausreichend begründet worden. Hier seien lediglich allgemein gehaltene Ausführungen gemacht worden, die Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere dass die Antragstellerin bereits seit 27 Jahren mit ihrer Krankheit lebe, seien jedoch nicht berücksichtigt worden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Bürgers dar, dieses Interesse sei von der Behörde nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Der Entlassbericht des Bezirkskrankenhauses wurde auf Anfrage nicht vorgelegt.
3. Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt …,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragstellerin sei am 2. Dezember 1996 eine Fahrerlaubnis der Klassen 1b und 3 neu erteilt worden. Die Gründe, weswegen die Fahrerlaubnis seinerzeit zuvor entzogen worden war, lägen dem Landratsamt nicht mehr vor, da die Akten wegen Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden seien.
Nach Auffassung des Landratsamtes sei die Entziehung der Fahrerlaubnis zu Recht erfolgt. Die Antragstellerin könne die Suchtproblematik in der Kürze der Zeit nicht überwunden haben. Auch die nach dem Gutachten bestehende endogene Psychose mit residualer Ausprägung und aufgehobener Kritikfähigkeit sowie massiv geminderter Selbststeuerungsfähigkeit, schließe die Fahreignung ebenfalls aus.
Ergänzend wurde das dem Beschluss des Betreuungsgerichts zugrundeliegende ärztliche Attest der Bezirkskliniken Bezirkskrankenhaus vom 26. Juli 2016 vorgelegt, wonach die Antragstellerin an einer schizoaffektiven Störung (ICD-10 F26.8) und einer Alkoholabhängigkeit (ICD-10 F10.0) leidet.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO schon seinem Wortlaut nach dahingehend auszulegen ist, dass die aufschiebende Wirkung der Klage (nur) gegen Nrn. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids wiederhergestellt werden soll, ist zulässig, führt aber in der Sache nicht zum Erfolg.
1. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs im angefochtenen Bescheid entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vor schrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch. Ein solcher Fall lag hier aus der Sicht des Landratsamts vor. Die Behörde hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Entzugs der Fahrerlaubnis ausreichend begründet. Das Landratsamt hat bei der vorzunehmenden Interessenabwägung insbesondere auch berücksichtigt, dass das Amtsgericht …, Betreuungsgericht, es wegen der Gefahrenabwehr für Dritte oder für die öffentliche Sicherheit es für erforderlich angesehen hat, eine Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde über die Antragstellerin zu machen. Die im Bescheid gegebene Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs entspricht somit den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Eine inhaltliche Überprüfung der Abwägungsentscheidung der Behörde erfolgt im gerichtlichen Verfahren nicht (BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris; B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.).
2. Das Gericht hat bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine über die Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs hinausgehende, eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist das Interesse der Antragstellerin, zumindest vorläufig weiter von ihrer Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, zu gewichten. Ausschlaggebend im Rahmen der Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll, hier also diejenigen der Klage vom 12. Oktober 2016. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass das Rechtsmittel mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollzie hung des Verwaltungsakts bestehen, andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zu Gunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Sind die Erfolgsaussichten der Klage offen, so hat eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung stattzufinden.
3. Die im Eilverfahren insoweit vorzunehmende, aber auch ausreichende summarische Überprüfung ergibt hier, dass die Klage wohl ohne Erfolg bleiben wird, sodass die Interessenabwägung mangels Erfolgsaussichten der Klage nicht zu einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führt. Auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung ergibt jedoch, dass eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen ist.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Fahreignung oder -befähigung begründen, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FahrerlaubnisVerordnung hinweisen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FeV).
Gemäß Nr. 8.3. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung besteht bei Alkoholabhängigkeit keine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr. Ergeben sich Zweifel an einer Fahreignung im Hinblick auf eine Alkoholproblematik, so sind diese nach den Bestimmungen des § 13 FeV aufzuklären. Nach § 46 Abs. 3, § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde daher die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen.
Bei affektiven Psychosen bzw. schizophrenen Psychosen kommt es Nrn. 7.5 und 7.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung für die Frage der Fahreignung auf die jeweilige Schwere der Krankheit und ihren Verlauf an.
Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt jedoch die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.
b) So liegt die Sache hier. Die Behörde hat auf die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Überprüfung der Alkoholabhängigkeit und/oder zur Überprüfung der Fahreignung im Hinblick auf die schizoaffektive Störung der Antragstellerin verzichtet, weil sie nach den ihr vorliegenden Unterlagen zu Recht davon ausging, dass die Antragstellerin schon aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit nicht fahrgeeignet ist.
Die Behörde hat ihre Feststellung der Nichteignung aufgrund Alkoholabhängigkeit im Bescheid zum einen auf den Beschluss des Betreuungsgerichts vom 9. August 2016 gestützt, der bezugnehmend auf ein fachärztliches Gutachten von einer Alkoholabhängigkeit nach den Kriterien der ICD-10 bei der Antragstellerin ausgeht, zum anderen stützt die Behörde ihre Überzeugung auf das nervenärztliche Gutachten vom 16. August 2016, mit dem die medizinischen Voraussetzungen der zwangsweisen Unterbringung der Antragstellerin im Bezirkskrankenhaus beurteilt wurden.
Auch wenn letztgenanntes Gutachten für die Frage der Alkoholabhängigkeit der Antragstellerin wenig erhellend ist, weil es sich insoweit insbesondere nicht auf eigene medizinische Anamnese stützt, so bescheinigt doch auch dieses Gutachten der Antragstellerin erhebliche Komplikationen durch organische Folgeerscheinungen einer Alkoholerkrankung mit Korsakow-Syndrom-Symptomatik, Entzugssymptomatik und massiv körperlich reduziertem Allgemeinzustand (Bl. 14 der Behördenakten). Das Landratsamt hat nachgehend jedoch auch noch das Attest Dr.med. Gartenmaier/Dr.med. Campanelli, Bezirkskliniken Bezirkskrankenhaus …, vom 26. Juli 2016 vorgelegt, auf das das Betreuungsge 35 richt sich gestützt hat. Dieses Attest diagnostiziert der Antragstellerin nicht nur eine schizoaffektive Störung, sondern auch eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10 F10.2) und stellt hierzu fest, dass die Antragstellerin einen kontinuierlichen Alkoholkonsum betreibt und aufgrund der Kritikminderung im Rahmen der schi-zoaffektiven Störung mittlerweile nicht mehr in der Lage ist, die hieraus entstehende Gefährdung kritisch abzuwägen; sie sei zunehmend denk- und handlungszerfahren, vernachlässige gesundheitliche Belange massiv, bagatellisiere den inzwischen ausgeprägten Alkoholkonsum und sei hierdurch gesundheitlich schwer gefährdet, insbesondere hinsichtlich Elektrolytentgleisungen und Pneu-monien, die in der Vergangenheit in schweren Trinkphasen wiederholt aufgetreten seien.
c) Die Fahrerlaubnisbehörde kann aufgrund dieser Feststellungen von der fehlenden Fahreignung der Antragstellerin ausgehen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Diagnose der Ärzte des Bezirkskrankenhauses, wo die Antragstellerin häufiger stationär behandelt wird, die Annahme der Alkoholabhängigkeit, und damit die fehlende Fahreignung (Nr. 8.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) nicht ausreichend stützt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Antragstellerin inzwischen ihre Fahreignung wiedererlangt hätte. Zum einen kann nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nach einer Alkoholabhängigkeit nur dann davon ausgegangen werden, dass die Fahreignung wiedererlangt wurde, wenn die Abhängigkeit nach einer Entwöhnungsbehandlung nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist, was hier schon allein aufgrund des zeitlichen Aspekts nicht der Fall sein kann. Zum anderen hat die Antragstellerin selbst vortragen lassen, dass es bei ihr immer wieder zu Krankheitsschüben kommt, während derer sie dann auch unkontrolliert Alkohol trinkt, weshalb sie regelmäßig in das Bezirkskrankenhaus müsse, um medikamentös erneut eingestellt zu werden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Alkoholproblematik der Antragstellerin sozusagen von selbst erledigt hat, zumal es sich um eine immer wiederkehrende Problematik handelt.
d) Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FEV und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
e) Da die Entziehung der Fahrerlaubnis somit wohl zu Recht erfolgt ist, kommt auch eine Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin nicht in Betracht, da die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
Auch eine von den Erfolgsaussichten der Klage unabhängige umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen führt hier jedoch zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse daran, die Teilnahme der Antragstellerin im Straßenverkehr mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, ein größeres Gewicht einzuräumen ist, als dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben gebieten es, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr zu stellen (BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – juris, Rn. 52). Eine Wiederherstellung er aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen die für sofort vollziehbar erklärte Fahrerlaubnisentziehung kommt deshalb in der Regel nur in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B.v. 1.4.2008 – 11 CS 07.2281 – juris). Da es auch nach dem eigenen Sachvortrag der Antragstellerin zu Alkoholproblemen bei ihr dann kommt, wenn sie ihre Medikamente nicht regelmäßig einnimmt, diese vergisst, oder sie zu niedrig dosiert, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass das Gefährdungspotential der Antragstellerin nicht über dasjenige durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer hinausgeht. Nach dem ärztlichen Attest vom 26. Juli 2016 kommt es bei ihr durch den ausgeprägten Alkoholkonsum dann auch zu gesundheitlich schwerwiegenden Gefährdungen, insbesondere hinsichtlich Elektrolytentgleisungen. Durch Elektrolytstörungen können jedoch z.B. Herzrhythmusstörungen, Bewusstseinseintrübungen und Muskelkrämpfe hervorgerufen werden (www.gesundpedia.de). Bei der Antragstellerin besteht daher nicht nur die Gefahr einer Verkehrsteilnahme unter Wirkung von Alkohol, sondern zusätzlich auch die Gefahr weiterer gesundheitlicher Probleme bei der Verkehrsteilnahme. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit hier das Interesse der Antragstellerin an vorläufig weiterer Verkehrsteilnahme erheblich überwiegen. Dagegen wurden auch Interessen der Antragstellerin, die über dieses Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit hinausgehen würden und ein überwiegendes Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung trotz der von ihr ausgehenden Gefährdung begründen könnten, nicht vorgetragen. Da die Antragstellerin auch den Entlassbericht des Bezirkskrankenhauses vom Sommer oder Herbst 2016 nicht vorgelegt hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass von ihr derzeit wegen ordnungsgemäßer Medikamenteneinstellung und -kontrolle keine Gefährdung ausgeht.
4. Da der Antrag somit erfolglos bleibt, hat die Antragstellerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – sowie den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14). Danach sind für den Führerschein der Klasse 3 erteilt nach dem 31. Dezember 1988 die Führerscheinklassen B, BE und C1E mit einem Streitwert von jeweils 5.000,00 EUR zu werten. Der sich so ergebende Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren. Die Fahrerlaubnisklasse A1 (Klasse 1b erteilt nach dem 31. 12. 1988, Nr. 9 Anl. 3 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) wirkt sich hingegen nicht streitwerterhöhend (Nr. 46.2 des Streitwertkatalogs) aus, da sie bei dem Führerschein Klasse 3, erteilt nach dem 31. Dezember 1988, gemäß Nr. 19 Anlage 3 zur Fahrerlaubnis-Verordnung durch die Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 eingeschränkt und damit gemäß Nrn. 53, 54 der Anlage 9 zur Fahrerlaubnis-Verordnung auf dreirädrige Fahrzeuge beschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2014 – 11 CS 14.2202 – juris).