Aktenzeichen 26 O 6952/16
KWG KWG § 32 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2
RDG RDG § 2 Abs. 2, § 3
Leitsatz
1. Auf Grund der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins darf der Versicherer der Lebensversicherung den Inhaber der Originalpolice als zur Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt ansehen und den Rückkaufswert mit schuldbefreiender Wirkung an ihn leisten (Anschluss an BGH BeckRS 2010, 08770). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Kauf einer Lebensversicherung durch einen gewerblichen Aufkäufer und die erfolgte Abtretung der Rechte aus dem Vertrag durch den Versicherungsnehmer sind nicht wegen Verstoßes gegen § 32 KWG oder §§ 3, 2 Abs. 2 RDG gemäß § 134 BGB nichtig (nachgehend offen gelassen durch OLG München BeckRS 2017, 117597). Jedenfalls könnte sich aber der Versicherer, der den Rückkaufswert an den Zessionar auszahlt, auf die Bestimmung des § 409 Abs. 1 BGB berufen (so auch OLG München BeckRS 2017, 117597). (Rn. 32 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 36.536,80 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig, das angerufene Gericht ist sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich (§ 17 Abs. 1 ZPO) zuständig. Die Klägerin hat das für die Erhebung der Feststellungsklage notwendige rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisses, da die Beklagte das Fortbestehen negiert (§ 256 Abs. 1 ZPO).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung des Fortbestehens des Versicherungsvertragsverhältnisses zu und demzufolge kann sie auch keine Freistellung von den angefallenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend machen. Die … war als Rechtsinhaberin berechtigt, den Versicherungsvertrag zu kündigen.
Die Kündigung ist mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 formwirksam unter Vorlage des Originalversicherungsscheins erklärt worden. Zum einen ist in dem Kündigungsschreiben vermerkt, dass die Original-Police beiliegt (Anlage …6). Zum anderen ist das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Original des Versicherungsscheins tatsächlich beilag. Der Zeuge … Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Beklagten, berichtete zunächst, dass bei der Beklagten alle Unterlagen digitalisiert sind. Er führte glaubhaft aus, dass nach dem Kündigungsschreiben die ersten beiden Seiten des Versicherungsscheins eingescannt worden sind (s. Versicherungsschein vom 13.12.1988, Anlage …11). Eine Verlust- und Haftungserklärung wurde nicht eingescannt. Diese wäre jedoch verlangt worden, wenn der Versicherungsschein dem Kündigungsschreiben nicht beigelegen hätte. Deshalb ist davon auszugehen, dass das Original des Versicherungsscheins eingescannt wurde. Ein Kopiestempel ist darauf nicht angebracht, so dass auch keine Kopie eingescannt wurde.
Somit kann die Beklagte sich auf die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins gemäß § 808 Abs. 1 BGB berufen. Der Versicherungsschein einer Lebensversicherung fingiert als qualifiziertes Legitimationspapier zu Gunsten des Versicherers als Schuldner, dass er den Inhaber des Versicherungsscheins als verfügungsberechtigt ansehen kann. Sinngemäß erstreckt sich die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins auch auf das Kündigungsrecht zur Erlangung des Rückkaufswertes. Der Versicherer kann den Inhaber des Originalpolice als zur Kündigung berechtigt ansehen (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2010, Az.: IV ZR 207/08). Das Versicherungsvertragsverhältnis wurde durch die Kündigung beendet. Die Beklagte hat den Rückkaufswert mit schuldbefreiender Wirkung an die … geleistet. Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag bestehen gegenüber der Klägerin nicht mehr.
Die von der Klägerin geltende gemachte Nichtigkeit von Kaufvertrag und Abtretung wegen Verstoßes gegen Verbotsgesetze gemäß §§ 134, 139 BGB liegt nicht vor.
Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 32 KWG kommt nicht in Betracht. Es kann insofern dahinstehen, ob der Forderungskauf der … mangels entsprechender Erlaubnis den Tatbestand des unerlaubten Einlagengeschäfts im Sinne des KWG erfüllt. Denn selbst wenn ein Verstoß gegen § 32 KWG vorläge, so wäre zu beachten, dass nicht jeder Verstoß gegen ein Verbotsgesetz automatisch die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts nach sich zieht gemäß § 134 BGB. Entscheidend ist der Schutzzweck der jeweiligen Norm im Einzelfall und an welche der beteiligten Parteien sich das Verbot richtet. Die Norm des § 32 KWG ist als gewerberechtliche Vorschrift einzuordnen, die sich an Betreiber von bestimmten Bankgeschäften richtet und diesen vorschreibt, auf welche Art und Weise sie die Geschäfte zu führen haben (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2011, Az.: XI ZR 256/10). Da sich die Verbotsnorm somit nur an eine der vertragsschließenden Parteien richtet, kann der Verstoß nicht zur Gesamtnichtigkeit führen. Auch lässt sich die Nichtigkeitsfolge von ohne Erlaubnis betriebenen Bankgeschäften gerade nicht aus § 32 KWG folgern. Hieraus ergibt sich lediglich ein einseitiges Verbot, welches sich an die Betreiber richtet. Dies lässt sich schon daraus folgern, dass die Sanktionsfolge des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG sich ebenfalls nur an die jeweiligen Betreiber des Bankgeschäfts richtet.
Eine Nichtigkeit ergibt sich vorliegend auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 3 RDG. Denn der Anwendungsbereich des § 3 RDG ist überhaupt nur eröffnet, wenn eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 RDG vorliegt. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt der Ankauf einer Lebensversicherung, wie vorliegend durch die … geschehen, keine Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG dar. Bei einer Inkassodienstleistung erlangt der Zessionar zwar Gläubigerstellung im Außenverhältnis durch die erfolgte Abtretung. Jedoch erfolgt die Einziehung der Forderung im Innenverhältnis auf Risiko und Rechnung des Zedenten, so dass dieser das wirtschaftliche Risiko des Schuldners weiterhin trägt. Bei der hier vorliegenden Konstellation handelt es sich dagegen um einen echten Forderungskauf, durch den die … materiell-rechtliche Forderungsinhaberin wurde. Sie wurde Forderungsinhaberin, ohne das ein wirtschaftliches Restrisiko bei der Klägerin verblieb. Die Klägerin trat der … ausdrücklich und unwiderruflich sämtliche Ansprüche aus der Lebensversicherung ab. Die Klägerin stimmte zu, dass die … als neue Versicherungsnehmerin in das bestehende Versicherungsverhältnis eintrat und hat ihr im Zuge dessen das alleinige Bezugsrecht sowie das Kündigungsrecht eingeräumt.
Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass der Ankauf der Lebensversicherung unter das RDG zu subsumieren ist und somit zu einem Verstoß gegen § 3 RDG käme, so könnte sich die Beklagte jedoch auf § 409 Abs. 1 BGB berufen. Denn danach muss der Gläubiger eine auch unwirksame Abtretung gegen sich gelten lassen, sobald diese dem Schuldner angezeigt wurde.
Generell lässt der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zwar den Schuldnerschutz des § 409 Abs. 1 BGB entfallen (vgl. Palandt-Grüneberg, 75. Auflage, § 409 Rn. 5), dies gilt aber nur dann, wenn dem Gläubiger schon die Berechtigung fehlt, überhaupt über die Forderung zu verfügen. Die Abtretung selbst muss gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Selbst wenn also der Ankauf als Verpflichtungsgeschäft gegen § 3 RDG und damit gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätte, so würde sich dies nicht auf die Wirksamkeit der Abtretung auswirken, da die Klägerin als Inhaberin grundsätzlich frei über die Forderung verfügen konnte. Die Möglichkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit einer Abtretung abstrakt erkennen zu können, ist das dominierende Prinzip bei der Begründung der Ausnahme. Ein grundsätzliches gesetzliches Abtretungsverbot besteht für Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen nicht. Die Beklagte, die das Kausalgeschäft nicht kannte, konnte eine Nichtigkeit des Kausalgeschäfts nicht erkennen.
Aus dem Sinn und Zweck der §§ 409, 808 BGB ergibt sich keine generelle Prüfungspflicht des Versicherungsunternehmens, die Wirksamkeit einer vorgelegten Abtretung zu überprüfen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine konkreten Tatsachen vorgetragen, dass die Beklagte die Hintergründe der Abtretung hätte prüfen müssen. Der Vertrag zwischen der Klägerin und der … wurde am 30. September 2009 abgeschlossen. Die von der Klägerin vorgelegten Pressemitteilungen über „dubiose Versicherungskäufe“ (Anlagenkonvolut K 6) tragen ein späteres Datum. Die Beklagte kannte die streitgegenständliche Vereinbarung über die Übertragung einer Kapitalversicherung (Anlage K 2) nicht. Sie durfte die im Rahmen der Privatautonomie gefällte Entscheidung der Klägerin ohne eine klare Rechtsgrundlage für die Unwirksamkeit der Abtretung nicht überprüfen. Die … hat als Inhaberin des Versicherungsscheins ihre Berechtigung durch Vorlage der Abtretungserklärung nachgewiesen (§ 11 AVB).
Mangels begründeter Hauptforderung kann die Beklagte nicht verurteilt werden, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten freizustellen. Über die Hilfswiderklage muss nicht entschieden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Der Streitwert in Höhe von 36.536,80 € ergibt sich aus der kalkulierten Versicherungssumme im Erlebensfall in Höhe von 45.671 € unter Abzug von 20 %, da nur ein Feststellungsantrag vorliegt.