Verwaltungsrecht

Kein Aufenthaltstitel bei befristeter Beschäftigung mit geringfügiger Entlohnung

Aktenzeichen  AN 5 K 16.00338, AN 5 S 16.00337

Datum:
11.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 18 Abs. 2
AuslG AuslG § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

Übt ein Ausländer eine befristete Beschäftigung mit geringfügiger Entlohnung aus, die nicht die in der Beschäftigungsverordnung aufgeführten Anforderungsprofile erfüllt, bleibt kein Raum für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 AufenthG. (Rn. 23 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1967 geborene Kläger und Antragsteller (künftig: Antragsteller) ist irakischer Staatsangehöriger, der am 12. März 2001 in das Bundesgebiet eingereist ist. Auf Asylantrag hin wurde ihm mit Bescheid des Bundesamtes vom 25. Februar 2002 ein Status nach § 51 Abs. 1 AuslG eingeräumt. Der Antragsteller war daraufhin im Zeitraum von April 2003 bis Dezember 2006 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis bzw. einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG). Mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. April 2006 wurde der Status nach § 51 AufenthG bestandskräftig widerrufen. Der Antragsteller war in der Folgezeit im Besitz von Duldungsbescheinigungen gemäß § 60 a AufenthG und erhielt nach Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung hinsichtlich seines eingebürgerten am …1994 geborenen Sohnes am 2. August 2010 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, zunächst bis 12. Juli 2011 befristet, die ihm bis 12. Juli 2014 – über die Volljährigkeit des Sohnes im September 2012 hinaus – verlängert wurde.
Am 18. Juni 2014 beantragte der Antragsteller die Verlängerung des Aufenthaltstitels und am 9. Oktober 2014 die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
Bereits mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 25. Februar 2015 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Versagung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie zur Abschiebungsandrohung angehört.
Nach Aktenlage ging der Antragsteller keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhaltes in der Vergangenheit nach. Erst im Dezember 2015 hat er eine Beschäftigung bei der Firma …, jedoch befristet, aufgenommen. Vorgelegt wurde eine Lohnabrechnung für den halben Dezember. Nach Aktenlage lebt der Antragsteller nach wie vor mit seinem Sohn im gemeinsamen Haushalt. Der Sohn befindet sich in keiner Ausbildung und hat ebenfalls bei der Firma … eine Beschäftigung begonnen.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts … vom 9. Februar 2015 wurde der Sohn des Antragstellers zu einer Einheitsjugendstrafe von zehn Monaten und der Antragsteller selbst zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu 15,00 EUR sowie drei Monaten Fahrverbot wegen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt.
Mit Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin (künftig: Antragsgegnerin) wurde die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer I). Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer II). Dem Antragsteller wurde die Abschiebung unter Fristsetzung bis 25. Februar 2016 in den Irak bzw. in einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat angedroht.
Hiergegen ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. Februar 2016, bei Gericht am 29. Februar 2016 eingegangen, Klage erheben mit dem Antrag,
dem Antragsteller unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2016 die Aufenthaltserlaubnis nach § 18, 25 b AufenthG zu erteilen.
Außerdem begehrte er mit gleichem Schriftsatz vorläufigen Rechtschutz und ließ beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen,
hilfsweise anzuordnen.
Darüber hinaus ließ der Antragsteller beantragen, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterfertigten zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragte
Antragsablehnung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Behördenakte und der Gerichtsakte.
II.
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten waren abzulehnen, da weder für das Klageverfahren noch für das Eilrechtsschutzverfahren eine Aussicht auf Erfolg besteht (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 ZPO). Zur Begründung wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen kraft Gesetzes – wie vorliegend – ausgeschlossen ist, die aufschiebende Wirkung anordnen. Dabei ist das Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug abzuwägen. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt, wenn sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung als ohne Erfolgsaussichten erweist. Dagegen überwiegt das Interesse des Antragstellers, wenn diese Überprüfung ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein wird, da kein öffentliches Interesse am Sofortvollzugs eines voraussichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht.
Die erforderliche, aber auch hinreichende summarische Überprüfung des angegriffenen Bescheids ergibt, dass der Rechtsbehelf hiergegen voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Erteilung von Aufenthaltstiteln abgelehnt und dem Antragsteller zutreffend unter Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung angedroht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels.
Der Antragsteller war im Hinblick auf die Sorgerechtserklärung und Vaterschaftsanerkennung vom 27. April 2010 bezüglich des am …1994 geborenen deutschen Sohnes, mit dem er zusammenlebte und auch noch zusammenlebt, vom 2. August 2010 bis zuletzt 12. Juli 2014 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Nachdem der deutsche Sohn seit September 2012 volljährig ist, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht mehr vor.
Die Antragsgegnerin legte nachvollziehbar dar, dass eine mögliche weitere Verlängerung dieses Aufenthaltstitels, wie in § 28 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geregelt, nicht möglich ist, da dies nur unter der Voraussetzung möglich wäre, dass sich das Kind in einer zu einem anerkannten Abschluss führenden Ausbildung befindet. Der Sohn des Antragstellers befindet sich seit Eintritt seiner Volljährigkeit jedoch in keiner Ausbildung, so dass die Verlängerung nach dieser Vorschrift ausscheidet.
Zutreffend führt die Antragsgegnerin auch aus, dass der Antragsteller unter keinem Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis besitzt.
Nach der allgemeinen Vorschrift des § 9 AufenthG kommt eine solche schon deswegen nicht in Betracht, da der Antragsteller die zeitliche Voraussetzung – fünf Jahre Besitz der Aufenthaltserlaubnis – nicht erfüllt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist dem Ausländer in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
Die Antragsgegnerin geht in diesem Zusammenhang offensichtlich davon aus, dass die tatbestandliche Voraussetzung des § 28 Abs. 2 AufenthG nur dann eingreift, wenn der Drei-Jahres-Zeitraum bis zur Volljährigkeit des ledigen deutschen Kindes erreicht wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall; der Antragsteller war im Zeitraum von August 2010 bis 12. Juli 2014 im Besitz der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, der Sohn ist jedoch bereits am …2014 volljährig geworden. Ob diese Sichtweise der Ausländerbehörde angesichts der mit der Vorschrift bezweckten Förderung der Integration übereinstimmt, kann jedoch dahinstehen. Der Erteilung der Niederlassungserlaubnis steht, worauf die Antragsgegnerin zutreffend verweist, entgegen, dass im Fall des Antragstellers auf Grund des strafrechtlich relevanten Verhaltens, das der o. g. Verurteilung zu Grunde liegt, ein Ausweisungsinteresse besteht (vgl. § 54 Nr. 9 AufenthG) und dass der Antragsteller darüber hinaus nicht nachgewiesen hat, über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache zu verfügen. Damit aber sind die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AufenthG nicht erfüllt.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 18 AufenthG.
Nach § 18 Abs. 2 AufenthG kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist.
Vorliegend kommt die Antragsgegnerin – ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit – im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens zum Abwägungsergebnis, dass dem Zweckwechsel, der zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 3 AufenthG führen würde (Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt), die in § 18 Abs. 1 AufenthG genannten staatlichen Belange entgegenstehen.
Es kann dahinstehen, ob sich diese Ermessensentscheidung ausreichend an ausländerrechtlichen oder arbeitsmarktpolitischen Grundsätzen orientiert, da nach Auffassung der Kammer das ausländerrechtliche Ermessen mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 und 3 AufenthG nicht eröffnet ist.
§ 18 AufenthG verweist auf § 42 AufenthG und damit letztlich auf die Beschäftigungsverordnung (BeschV), die durchaus auch im Bundesgebiet bereits lebende Ausländer erfasst. Die Tätigkeit des Antragstellers – befristete Beschäftigung mit geringfügiger Entlohnung bei einem Bahnhofsrestaurant, die keine qualifizierte Berufsausbildung erfordert – erfüllt jedoch keines der in der Beschäftigungsverordnung aufgeführten Anforderungsprofile für zustimmungsbedürftige bzw. zustimmungsfreie Beschäftigungen.
Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht auf die Zustimmungsfreiheit einer Beschäftigung bei Vorbeschäftigungszeiten oder längerem Voraufenthalt gemäß § 9 BeschV berufen. Zum einen hat er nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BeschV zwei Jahre rechtmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet ausgeübt und zum anderen ist der Antragsteller seit 12. Juli 2014 nicht mehr im Besitz eines Aufenthaltstitels; die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aber ist kein Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 9 Abs. 1 BeschV (vgl. z. B. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9.2.2016, Az. 4 MB 6/16 – juris -).
Auch aus der bestehenden Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 bzw. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann der Antragsteller keine für ihn günstige Rechtsposition ableiten. Diese Fortgeltungsfiktion bezieht sich nur auf den bisherigen Aufenthaltstitel zum Zweck des Zusammenlebens mit dem minderjährigen deutschen Sohn, der dem Antragsteller derzeit die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ermöglicht (§ 27 Abs. 5 AufenthG). Ein Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit gemäß § 18 AufenthG wird damit nicht fingiert. Die Fortgeltungsfiktion des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist auch lediglich während eines anhängigen Verfahrens statusbewahrend und nicht antragsbegründend. Sie wirkt sich auf die Beurteilung eines materiellen Anspruchs auf Verlängerung oder Neuerteilung eines anderen Aufenthaltstitels somit nicht aus (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.4.2013, Az. 19 CS 13.141 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 20.3.2010, Az. 1 C 6.09 – juris – Rn. 21).
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 b AufenthG scheitert vorliegend schon daran, dass der Antragsteller weder im Besitz einer Duldung ist noch in seiner Person Duldungsgründe gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG vorliegen (vgl. Bergmann/Dienelt, Rn. 9 zu § 25 b; Beck-Online). Inwieweit die anderen Voraussetzungen des § 25 b vorliegen bzw. die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Überprüfung.
Auch die getroffene Abschiebungsandrohung unter Fristsetzung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zur weiteren Begründung wird analog § 117 Abs. 5 VwGO auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen.
Kosten: §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Bezüglich Ziffer 1) des Beschlusses gilt folgende

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