IT- und Medienrecht

Anspruch auf nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplans nur bei unumgänglicher Plankorrektur

Aktenzeichen  13 A 15.2546

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG FlurbG § 57, § 58, § 64 S. 1, § 142 Abs. 2 S. 1
BayAGFlurbG BayAGFlurbG Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 48, Art. 49, Art. 51
VwGO VwGO § 88

 

Leitsatz

Nach Anordnung der Ausführungsanordnung genügt allein die (behauptete) Rechtswidrigkeit des Flurbereinigungsplans nicht für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses zur Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 64 FlurbG. Erforderlich ist das Vorliegen einer unumgänglichen Plankorrektur.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 25,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Verwaltungsstreitsache ist trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif. Nach § 102 Abs. 2 VwGO konnte auch ohne sie verhandelt und entschieden werden.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 FlurbG zulässig, aber unbegründet.
Eine Auslegung des Klagebegehrens nach § 88 VwGO ergibt, dass die Klägerin die Wiederzuteilung ihres Einlageflurstücks begehrt und sich damit an das ALE bzw. dessen Rechtsträger wendet, da das Schreiben vom 23. November 2015 sowohl an das ALE als auch den Verwaltungsgerichtshof adressiert war und zudem in ihren Ausführungen lediglich das ALE, nicht aber die TG erwähnt wird. Hinzu kommt, dass bei wohlwollender Auslegung ihrer Ausführungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie eine Klage gegen die TG erheben wollte, da dieser offensichtlich die Rechtskraft der bereits ergangenen Urteile entgegenstehen würde. Der Klage gegen den Freistaat Bayern als Rechtsträger des ALE steht dagegen die Rechtskraft der Urteile vom 17. Juli 2007 und vom 18. März 2010 in den Verfahren 13 A 05.1710 und 13 A 08.1366 nicht entgegen, da in den beiden vorhergehenden Verfahren jeweils die TG Beklagte war. Da die Rechtskraft nur inter partes wirkt, kommt es für das vorliegende Verfahren mit dem Freistaat Bayern als Beklagten nicht auf § 121 VwGO an.
Die Verpflichtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage ist nach § 142 Abs. 2 Satz 1 FlurbG zulässig geworden, da das ALE nicht innerhalb von einem Jahr über den Antrag der Klägerin vom 23. November 2015 entschieden hat und die Untätigkeitsklage bereits vor Ablauf der Jahresfrist erhoben werden kann (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 142 Rn. 18 m.w.N.). Wegen des Ablaufs der Jahresfrist kann vorliegend offen bleiben, ob für die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplans im Wege einer Untätigkeitsklage die Sechsmonatsfrist oder die Jahresfrist zur Anwendung kommt.
Um ihr Klageziel, die Wiederzuteilung ihres Einlageflurstücks zu erreichen, kommt gegenüber dem Beklagten die Geltendmachung eines Anspruchs auf nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 64 Satz 1 FlurbG dergestalt in Betracht, dass der Klägerin ihr Einlageflurstück 184 („Langwiese“) wieder zugeteilt wird. Da der Flurbereinigungsplan für die Klägerin aufgrund der rechtskräftigen Abweisung ihrer hiergegen erhobenen Klage(n) bestandskräftig und insbesondere am 2. Dezember 2005 die vorzeitige Ausführungsanordnung ergangen ist, kann nurmehr gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 64 Satz 1 FlurbG geltend gemacht werden, der als Sondervorschrift die Art. 48, 49 und 51 BayVwVfG verdrängt und bis zur Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anwendbar ist (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 1). Für eine nachträgliche Änderung nach § 64 Satz 1 FlurbG ist in Bayern nach Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 BayAGFlurbG nicht die TG, sondern das ALE zuständig (vgl. hierzu Linke in Linke/Mayr, BayAGFlurbG, 2012, Art. 1 Rn. 9).
Es liegen aber die – im Interesse der Beschleunigung, der Rechtssicherheit und des Bestandsschutzes eng auszulegenden (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 2) – Tatbestandsvoraussetzungen des § 64 Satz 1 FlurbG nicht vor, wonach der Flurbereinigungsplan auch nach der Ausführungsanordnung (§§ 61 und 63 FlurbG) geändert oder ergänzt werden kann, wenn öffentliche Interessen oder wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten es erfordern oder wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird. Die Befugnis zur nachträglichen Planänderung ist auf Fälle einer durch die in § 64 Satz 1 FlurbG angeführten, besonders gewichtigen Interessen unumgänglich gewordenen Plankorrektur beschränkt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1989 – 5 C 41.84 – RdL 1989, 183 = RzF 24 zu § 64 m.w.N.).
Ein öffentliches Interesse kann vorliegend insbesondere nicht in der von der Klägerin im Wesentlichen behaupteten Rechtswidrigkeit des Flurbereinigungsplans gesehen werden, selbst wenn dies tatsächlich der Fall wäre. Zwar kann die Behebung von Fehlern des Flurbereinigungsplans grundsätzlich ein derartiges öffentliches Interesse begründen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 3). Auch gebietet es das öffentliche Interesse, dass ein Verwaltungsakt in rechtmäßiger Form ergeht (BayVGH, U.v. 13.10.1977 – 215 XIII 75 – RdL 1978, 181/182) und liegt die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zweifelsohne im öffentlichen Interesse (BayVGH, U.v. 15.3.2001 – 13 A 98.3480 – RdL 2001, 238 = BayVBl 2001, 750). Bereits dem Gesetzeswortlaut lässt sich jedoch entnehmen, dass das Vorliegen eines öffentlichen Interesses allein nicht genügt. Vielmehr muss dieses die Planänderung „erfordern“. § 64 FlurbG räumt dem Interesse der Beschleunigung, der Rechtssicherheit und des Bestandsschutzes Vorrang ein. Mit der Anordnung der (vorzeitigen) Ausführung des Flurbereinigungsplans ist ein gewisses Maß an Rechtssicherheit entstanden, das nur unter bestimmten Voraussetzungen durchbrochen werden kann. Dementsprechend geht auch die ständige Rechtsprechung davon aus, dass § 64 FlurbG eng auszulegen ist und nur die Plankorrektur in Betracht kommt, die unumgänglich erscheint (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2001 a.a.O. m.w.N.). Allein die „richtige Rechtsanwendung“ erfordert damit keine Änderung des Flurbereinigungsplans nach Anordnung der (vorzeitigen) Ausführungsanordnung (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 3).
Nach dem Vortrag der Klägerin sind auch keine, nicht vorherzusehenden wirtschaftlichen Bedürfnisse der Beteiligten gegeben, die eine nachträgliche Planänderung rechtfertigen könnten. Insbesondere kann in dem Vortrag der Klägerin, sie habe im Wunschtermin nach § 57 FlurbG ihren Wunsch auf Wiedererlangung ihrer Einlagefläche vorgetragen, kein nicht vorhersehbares Bedürfnis erblickt werden, zumal dem die Rechtskraft des Urteils vom 17. Juli 2007 (13 A 05.1710) entgegenstehen würde. Zwar handelt es sich bei möglichen Bewirtschaftungsnachteilen des Abfindungsflurstücks gegenüber dem Einlageflurstück um betriebswirtschaftliche Erfordernisse, die als wirtschaftliche Bedürfnisse grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 64 FlurbG unterfallen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 5). Allerdings waren diese von Anfang an vorhersehbar, so dass sie keine Änderung nach § 64 FlurbG rechtfertigen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 6).
Schließlich ist auch keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt geworden, die ein an der Flurbereinigung beteiligtes oder zu beteiligendes Recht der Klägerin im Sinne des § 10 FlurbG betrifft und dieses mit Rechtskraftwirkung feststellt (vgl. hierzu Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 64 Rn. 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 147 Abs. 1 FlurbG.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen

Gültigkeit von Gutscheinen

Sie erweisen sich immer wieder als beliebtes Geschenk oder werden oft bei Rückgabe von Waren statt Geld ausgezahlt: Gutscheine. Doch wie lange sind Gutscheine eigentlich gültig, ist eine Einlösbarkeit von einem Monat überhaupt rechtmäßig und was passiert, wenn der Gutschein doch einmal verfällt?
Mehr lesen