Aktenzeichen W 2 K 15.1392
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 35 S. 1, Art. 37 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
1. Bei den Holznutzungsrechten am Gemeindewald Stettfeld handelt es sich um öffentlich-rechtliche, auf der Zugehörigkeit zur Gemeinde („Gemeindeverband“) beruhende Gemeindenutzungsrechte. (redaktioneller Leitsatz)
2. Gemeindenutzungsrechte stellen für den einzelnen Rechtler von den übrigen Rechtlern unabhängige Sonderansprüche gegen die Gemeinde dar, sodass die „Gemeinschaft“ der Rechtler als solche nicht rechtsfähig ist. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Frage, ob ein Nutzungsrecht ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dient, richtet sich grundsätzlich nicht danach, ob das Recht ursprünglich nur Landwirten zustand; vielmehr ist auf die Art des Rechts abzustellen, d.h. darauf, ob das Recht seiner Natur nach ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dient. (redaktioneller Leitsatz)
4. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht besteht nur im Rahmen der durch die Rechtsordnung gezogenen Schranken und gibt keine Rechtgrundlage dafür, das Recht auf Forderung des Nutzungsberechtigten gegenüber der Gemeinde auf Zuteilung eines bestimmten Anteils an den anfallenden Nutzungen ohne hinreichenden sachlichen Grund auszusetzen. (redaktioneller Leitsatz)
5. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Gemeinde, die mit Nutzungsrechten belasteten Grundstücke selbst zu verwalten und zu bewirtschaften, wobei gem. Art. 29 BayGO Entscheidungen über die Verwaltung des mit Nutzungsrechten belasteten Gemeindevermögens regelmäßig vom Gemeinderat zu treffen sind (ähnlich auch VGH München BeckRS 2015, 43796). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Bescheide der Beklagten vom 14. und 17. November 2015 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, ihr Einvernehmen zum Betriebsplan vom 10. November 2015 für den Gemeindewald Stettfeld über den Holzeinschlag 2015/2016 zu erteilen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
* * *
Gründe
1. Die zulässige Klage ist im vollen Umfang begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 14. und 17. November 2015 sind rechtwidrig. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Einvernehmen zum Betriebsplan vom 10. November 2015 für den Gemeindewald Stettfeld über den Holzeinschlag 2015/2016 erteilt. Die Verweigerung des Einvernehmens verletzt den Kläger auch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte eine Entscheidung ohne – weitere – mündliche Verhandlung erfolgen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1.1
Die Klage ist zulässig.
1.1.1
Unstreitig ist für den vorliegenden Streitgegenstand der Verwaltungsrechtsweg i.S.v. § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.
Bereits im Urteil vom 6. Dezember 1965 (Nr. 337 II 64 – S. 10 d.a.U.) ist das erkennende Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (U.v. 20.11.1912 – Nr. 76 II 10) davon ausgegangen, dass der auch vorliegend streiterhebliche Vergleich vom 23. Juni 1901 zwischen Rechtlern und Nichtrechtlern in Stettfeld, der u.a. die der Beklagten und den Rechtlern sowie Nichtrechtlern zustehenden Nutzungsrechte am Gemeindewald Stettfeld sowie die den Rechtlern gegenüber der Gemeinde obliegenden Rechtspflichten regelt, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt. Es handelt sich – wie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung rechtskräftig festgestellt – bei den Holznutzungsrechten am Gemeindewald Stettfeld um öffentlich-rechtliche, auf der Zugehörigkeit zur Gemeinde („Gemeindeverband“) beruhende Gemeindenutzungsrechte.
1.1.2
Die Verweigerung des Einvernehmens stellt einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Nach der eigenen Aussage der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 18.7.2016, Bl. 119 d. GA) war der Zweck der beiden streitgegenständlichen Bescheide die „förmliche Untersagung des Holzeinschlages“.
Die Klagebefugnis ist bezüglich beider Bescheide – entgegen der Ansicht der Beklagten – gegeben (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Es ist bereits unzutreffend, dass der Bescheid vom 17. November 2015 an „alle Inhaber eines Nutzungsrechtes“ adressiert war. Vielmehr ist Adressat dieses Bescheides der Kläger selbst.
Aber auch der an „alle Inhaber eines Nutzungsrechtes“ adressierte Bescheid vom 14. November 2015 betrifft den Kläger persönlich in seiner Stellung als Rechtler, es sei denn, man wollte diesen Bescheid wegen seiner unbestimmten Adressierung von vorne herein als nichtig ansehen. Zu diesem Ergebnis könnte man etwa gelangen, weil die Beklagte bereits im vorgenannten Urteil des erkennenden Gerichts vom 6. Dezember 1965 (S. 12 d.a.U.) darauf hingewiesen wurde, dass Gemeindenutzungsrechte für den einzelnen Rechtler von den übrigen Rechtlern unabhängige Sonderansprüche gegen die Gemeinde darstellen, weshalb die „Gemeinschaft“ der Rechtler als solche nicht rechtsfähig ist. Zugunsten der Beklagten geht die Kammer aber lediglich von der Rechtswidrigkeit und einem dadurch persönlichen Betroffensein des Klägers insoweit aus, weil die Verweigerung des Einvernehmens auch ihn betrifft.
Auch der weitere Einwand der Beklagten, das Recht des Klägers sei „infolge der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes nach Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 GO erloschen“, geht ersichtlich fehl. Unabhängig von der Entwicklung der Holznutzungsrechte am Gemeindewald Stettfeld als solche, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (U.v. 30.9.1994 – 4 B 94.1162 – VGH n.F. 48, 21) die Frage, ob ein Nutzungsrecht ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dient, grundsätzlich nicht danach, ob das Recht ursprünglich nur Landwirten zustand. Vielmehr ist auf die Art des Rechts abzustellen, d.h. darauf, ob das Recht seiner Natur nach ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dient. Das gilt etwa für Weide-, Streu- oder Ackerrechte. Insbesondere Brennholzrechte sind dagegen in der Regel nicht ausschließlich auf den Bedarf landwirtschaftlicher Betriebe bezogen. Sie dienen jedenfalls nicht ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken. Auch das über das Brennholzrecht hinausgehende Nutzholzrecht dient nicht ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken. Nutzholz kann – ebenso wie Brennholz – auch für ein Wohnhaus eingesetzt werden. Deshalb ist der Betrieb einer Landwirtschaft für die Ausübung eines Holznutzungsrechts nicht allgemein Voraussetzung.
1.2
Die Klage ist auch begründet.
Die Ablehnung der Erteilung des Einvernehmens zum Jahresbetriebsplan vom 10. November 2015 für den Gemeindewald Stettfeld über den Holzeinschlag 2015/2016 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger auch in seinem bestehenden Holznutzungsrecht am Gemeindewald Stettfeld. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte das Einvernehmen zum vorgenannten Jahresbetriebsplan erteilt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.2.1
Die angefochtenen Bescheide sind bereits formell rechtswidrig.
1.2.1.1
Beide Bescheide leiden unter dem Mangel der fehlenden Anhörung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Die Beklagte hat den Kläger weder vor Erlass des Bescheides vom 14. November 2015 noch vor Erlass des – an den Kläger persönlich adressierten – Bescheides vom 17. November angehört, obwohl beide Bescheide als Verwaltungsakte anzusehen sind, die in das Holznutzungsrecht des Klägers eingreifen, weil sie ihm die zustehenden Nutzungen vorenthalten.
Die Ausnahmen nach Art. 28 Abs. 2 und 3 BayVwVfG liegen ersichtlich nicht vor.
Die Nachholung der Anhörung ist zwar bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz noch möglich (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG), bisher aber nicht erfolgt. Die Stellungnahmen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren reichen dazu allein nicht aus (vgl. dazu Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 86/87, m.w.N.). Insbesondere ist auch im Klageverfahren seitens der Beklagten keine hinreichende inhaltliche Auseinandersetzung mit den Einwänden des Klägers erfolgt, die einem Verwaltungsverfahren materiell gleichwertig wäre.
1.2.1.2
Der Bescheid vom 14. November 2015 mangelt im Hinblick auf die Adressierung auch an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Er ist adressiert an „alle Inhaber eines Nutzungsrechtes aus dem Gemeindewald Stettfeld vertreten durch die ‚Gemeinderechtler Stettfeld‘ (Vorstandschaft)“. Die Vorstandschaft der Rechtler in Stettfeld ist aber nicht Vertreter des einzelnen Rechtlers, weil – wie schon dargelegt – die Gemeindenutzungsrechte für den einzelnen Rechtler von den übrigen Rechtlern unabhängige Sonderansprüche gegen die Gemeinde darstellen und nicht von einer allgemeinen Bevollmächtigung insoweit auszugehen ist.
Abgesehen davon bestreitet die Beklagte gerade die Inhaberschaft von Holznutzungsrechten bei einer größeren Anzahl von Rechtlern, insbesondere auch dem Kläger, weshalb der Adressatenkreis schon deshalb nicht hinreichend bestimmt ist. Dies führt bereits zur formellen Rechtswidrigkeit.
1.2.1.3
Beiden Bescheiden fehlt es darüber hinaus auch an einer hinreichenden Begründung im Sinne von Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG.
In den Bescheiden werden vier Gründe für den Erlass genannt:
(1) Die Unklarheit hinsichtlich der Stellung als Rechtler aufgrund von Übertragungen,
(2) die Gültigkeit des Vergleiches vom 23. Juni 1901 sei fraglich,
(3) der Inhalt und Umfang der Nutzungsrechte sei unklar und (4) die Sach- und Rechtslage sei zu überprüfen.
Es fehlt aber schon an jeglicher Begründung, weshalb die Klärung dieser von der Beklagten aufgeworfenen Fragen die Versagung des Einvernehmens zum vom Forstamt erstellten Jahresbetriebsplan vom 10. November 2015 für den Gemeindewald Stettfeld über den Holzeinschlag 2015/2016 erfordert und insbesondere rechtfertigt. Es ist zunächst Aufgabe einer ordnungsgemäßen Verwaltungstätigkeit der Beklagten den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (Art. 24 Abs. 1 und 2 BayVwVfG) und erst danach zu entscheiden. Dazu hätte es vorliegend insbesondere gehört, zu klären, wer tatsächlich noch Inhaber eines Holznutzungsrechtes ist bzw. welches Holznutzungsrecht gegebenenfalls erloschen ist, und das Bestehen oder Nichtbestehen im Streitfall durch Feststellungsklage klären zu lassen.
Die Beklagte hat darüber hinaus weder in den angefochtenen Bescheiden noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt, ob und welche Mängel der von der Fachbehörde erstellte Jahresbetriebsplan 2015/2016 nach ihrer Ansicht aufweist. Nur solche könnten allenfalls eine Verweigerung des Einvernehmens rechtfertigen.
Dieser erhebliche Begründungsmangel wurde bisher ebenfalls nicht – auch nicht durch die Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren – geheilt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG).
1.2.1.4
Im Hinblick auf die bereits dargestellten formellen Mängel, muss nicht weiter darauf eingegangen werden, ob nicht – jedenfalls – der Bescheid vom 14. November 2015 schon deshalb rechtswidrig ist, weil der 1. Bürgermeister diesen Bescheid dem 2. Vorsitzenden der Rechtler persönlich am 14. November 2015 übergeben hat, obwohl er kraft Gesetzes wegen persönlicher Beteiligung (selbst Rechtler) an der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren insoweit ausgeschlossen war (vgl. Bescheid des Landratsamtes Haßberge vom 13.10.2015). Gleiches gilt für die – wie die Beklagte selbst vorträgt – vom 1. Bürgermeister gegenüber dem Vorstand der Rechtler ausgesprochene „Untersagung“ der Gewinnausschüttung.
1.2.2
Die streitgegenständliche Verweigerung des Einvernehmens ist auch materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in der Ausübung seines Holznutzungsrechtes, weshalb er einen individuellen, vom weiteren Ausgang anderer anhängiger Rechtsstreite unabhängigen Anspruch auf Erteilung des Einvernehmens hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.2.2.1
Für die Verweigerung des Einvernehmens zum Forstwirtschaftsplan durch die Beklagte fehlt es bereits an einer hinreichenden Rechtsgrundlage.
Eine solche folgt ersichtlich nicht – wie die Beklagte meint – aus Art. 1 GO, der in den Bescheiden zitiert wird. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht – Finanz-, Personal-, Organisations- und Planungshoheit – besteht nur im Rahmen der durch die Rechtsordnung gezogenen Schranken und gibt keine Rechtgrundlage, das Recht auf Forderung des Nutzungsberechtigten gegenüber der Gemeinde auf Zuteilung eines bestimmten Anteils an den anfallenden Nutzungen ohne hinreichenden sachlichen Grund auszusetzen.
Aus § 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Gemeinderechtler Stettfeld vom 24. März 2012 folgt ebenfalls keine Rechtsgrundlage für die Verweigerung des Einvernehmens der Beklagten. Dort wird vielmehr die Erteilung des Einvernehmens der Beklagten als Grundlage für die Umsetzung des jeweiligen Jahresbetriebsplans vorausgesetzt. Diese Geschäftsordnung ist aber lediglich eine interne Ordnung für die Gemeinderechtler.
Grundsätzlich ist es aber Aufgabe der Gemeinde, die mit Nutzungsrechten belasteten Grundstücke selbst zu verwalten und zu bewirtschaften. Gemäß der kommunalrechtlichen Zuständigkeitsregelung des Art. 29 GO sind Entscheidungen über die Verwaltung des mit Nutzungsrechten belasteten Gemeindevermögens regelmäßig vom Gemeinderat zu treffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2015 – 4 ZB 14.359 – juris – m.w.N.). Die Rechtler sind demnach grundsätzlich nicht befugt, sich die Erträgnisse oder sonstige Bestandteile der mit dem Nutzungsrecht belasteten Grundstücke unmittelbar mit der Rechtsfolge des § 954 BGB anzueignen. Alle Erzeugnisse und Erträgnisse fallen vielmehr grundsätzlich zunächst in das Eigentum der Gemeinde und müssen von dieser den Rechtlern zugeteilt und übertragen werden. (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2015 – 4 ZB 14.359 – juris – m.w.N.). Diese Übertragung wurde mit den angefochtenen Bescheiden vorliegend verweigert.
Der Einwand der Beklagten, eine Mit- oder Eigenverwaltung durch die Rechtler komme weder in Betracht noch sei sie rechtlich zulässig, findet in der Rechtsprechung allerdings keine Stütze. Die Gemeinde kann sich zur Verwaltung und Bewirtschaftung der belasteten Grundstücke im Einzelfall durchaus der Rechtler bedienen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2015 – 4 ZB 14.359 – juris – m.w.N.). Ob der Vortrag des Klägers zutrifft, den Rechtlern sei nach einem Protokoll vom November 1929 die Bewirtschaftung des Gemeindewaldes in eigener Regie übertragen worden, was auch der Umstand bestätige, dass der Gemeindewald in den vergangenen Jahrzehnten ausschließlich von den Rechtlern bewirtschaftet worden sei, kann insoweit offen bleiben. Der Beklagten könnte dadurch nicht die Mitsprache an der Verteilung der in ihr Eigentum fallenden Erzeugnisse und Erträge aus dem Gemeindewald nach Maßgabe des Herkommensrechts von vorne herein völlig genommen werden. Es kann daher auch offen bleiben, ob das vorliegend streitige Herkommensrecht auch die Bewirtschaftung durch die Rechtler mit umfasst.
Die beklagte Gemeinde hat allerdings nicht das Recht, die Bewirtschaftung des von Holznutzungsrechten betroffenen Gemeindewaldes ohne sachlichen Grund zu verweigern und damit den Holzeinschlag insgesamt zu verhindern („untersagen“). Das ergibt sich schon aus dem Vergleich vom 23. Juni 1901, zu dem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 20.11.1912 – Nr. 76 II 10) rechtskräftig entschieden hat, dass dieser Vergleich wirksam abgeschlossen wurde und keine neuen Rechte begründet, sondern die bereits bestehenden beiderseitigen Rechte lediglich aufgrund des damals bekannten Herkommens neu beschrieben und abgegrenzt hat (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 6.12.1965 – Nr. 337 II 64). Der Inhalt dieses Vergleichs ist maßgeblich, soweit er – wie hier – ab dem 18. Januar 1922 (Art. 80 Abs. 2 Satz 1 GO) ununterbrochen kraft gemeinsamer Rechtsüberzeugung zwischen Rechtlern und Gemeinde ausgeübt wurde. Nach diesem Vergleich steht der Gemeindewald im Eigentum der Gemeinde und seine Bewirtschaftung erfolgt nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Die Nutzungsrechte der Gemeinde (damals) waren zum einen das Bauholz, soweit ihr bestimmte Baulasten oblagen, zum anderen das Brennholz, Besoldungsholz und Schulholz, das durch die Rechtler zu liefern war. Auf diese Rechte kommt es vorliegend aber nicht entscheidungserheblich an. Die Rechtler und Nichtrechtler haben (nach wie vor) gleichmäßig das Recht auf Lese- und Brennholz und Streunutzungen nach Maßgabe des Wirtschaftsplanes und Bedürfnis sowie bei der Streunutzung Sonderlose nach Wirtschaftsplan und Viehbestand. Darüber hinaus steht „alles“ übrige anfallende Holz, insbesondere das Nutz-, Brenn- und Stammholz den Rechtlern zu. Der dauernde Bestand dieser Rechte wird den Rechtlern und Nichtrechtlern zugesichert, wobei die Regelung der Rechte und Pflichten für „alle Zeiten“ so bleiben soll. Zwar wurde dieser Vergleich zunächst nur zwischen den Rechtlern und Nichtrechtlern geschlossen, allerdings hat – was die Beklagte bisher übersehen hat – der Vertreter der gemeindlichen Interessen diesem Vergleich mit Genehmigung des Bezirksamtes und unter Beteiligung der Regierung zugestimmt, weil bereits damals die gemeindlichen Gremien der Beklagten beschlussunfähig waren (vgl. dazu BayVGH, U.v. 20.11.1912 – Nr. 76 II 10 – S. 20 d.a.U.). Entgegen der Ansicht der Beklagten unterliegt sie deshalb ebenfalls der Bindungswirkung dieses Vergleichs. Sie geht im Übrigen in den angefochtenen Bescheiden selbst davon aus, dass der Vergleich auch mit ihr geschlossen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Vergleich nicht mehr wirksam wäre, hat die Beklagte schon nicht ansatzweise dargelegt, solche sind auch nicht ersichtlich. Der Wunsch der Beklagten, künftig an den Erlösen des Stammholzverkaufes beteiligt zu werden (vgl. die Forderung der Gemeinde in der Rechtlerversammlung vom 10.11.2015 – vgl. Akte Eilverfahren), stellt ersichtlich keinen Grund dar, an der Gültigkeit der Regeln im Vergleich „Zweifel“ auszulösen. Die Beklagte verkennt dabei durchgängig, dass sie nicht berechtigt ist, einseitige Änderungen am Inhalt der Nutzungsrechte vorzunehmen. Eine einseitige Änderung der rechtlichen Bewertung durch die Gemeinde oder deren reines Wunschdenken reicht nicht aus, um eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen, vielmehr muss ein Wandel der Rechtsüberzeugung die Ausübung der Nutzungsrechte selbst prägen und auch von den Rechtlern zumindest hingenommen werden (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.1994 – 4 B 94.1162 – VGH n.F. 48, 21). Rechtlich maßgeblich ist allein die gemeinsame Rechtsüberzeugung von Rechtlern und Gemeinde (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2015 – 4 ZB 14.359 – juris – m.w.N.).
Selbst wenn man mit der Beklagtenseite davon ausginge, dass einzelne Nutzungsrechte erloschen wären, was Gegenstand weiterer anhängiger Verfahren ist, folgt auch daraus keineswegs ein sachlicher Grund, den anderen Rechtlern ihre Rechtsansprüche vorzuenthalten. Nach dem wirksamen Vergleich von 1901 stehen den Rechtlern und Nichtrechtlern gleichmäßig das Recht auf Lese- und Brennholz und Streunutzungen nach Maßgabe des Wirtschaftsplanes und Bedürfnis sowie bei der Streunutzung Sonderlose nach Wirtschaftsplan und Viehbestand zu. Darüber hinaus steht – wie dargelegt – „alles“ übrige anfallende Holz, insbesondere das Nutz-, Brenn- und Stammholz den Rechtlern zu. Selbst wenn etwa Holznutzungsrechte in der Vergangenheit erloschen wären, hätte das deshalb nur zur Folge, dass sich insoweit der Anteil der übrigen Rechtlern vergrößert hätte. Der im Vergleich von 1901 festgelegte Umfang der Rechte der Gemeinde auf Lieferung von zum einen Bauholz, soweit der Gemeinde bestimmte Baulasten obliegen, zum anderen von Brennholz, Besoldungsholz und Schulholz durch die Rechtler, wird durch das Erlöschen eine Nutzungsrechtes nicht verändert, weil „alles“ übrige anfallende Holz den Rechtlern zusteht.
Das ist auch im vorliegenden Fall nicht unbillig, wie teilweise (vgl. Bauer in: Praxis der Gemeindeverwaltung, Öffentliche Nutzungsrechte in Bayern, Stand: 1/2016, S. 131) – wenn auch für andere Konstellationen – vertreten wird. Vorliegend ist das Herkommensrecht seit 1901 so ausgestaltet, dass durch das Erlöschen einzelner Rechte keine über den Vergleich hinausgehenden Rechte der Gemeinde entstehen sollen. Diese gemeinsame Rechtsüberzeugung ist seitdem auch so in der Praxis – bis 2015 – umgesetzt worden. Bereits im Urteil von 1965 hat die Kammer dazu festgestellt, dass die Rechte der Gemeinde – damals ging es um das Schulholz – sog. Bedarfsrechte sind. Diese geben keinen Anspruch, wenn ein tatsächlicher Bedarf nicht (mehr) besteht. Insbesondere geben sie aber keinen Anspruch darauf, Nutzungen zu ziehen, um diese für andere Zwecke zu verwenden oder in Geld umzusetzen. So verhält es sich aber mit der Forderung der Beklagten, am Erlös des Stammholzverkaufes beteiligt zu werden. Denn darin läge eine inhaltliche Umgestaltung und Ausweitung der gemeindlichen Rechte, die schon 1965 unzulässig war (vgl. Urteil der Kammer vom 6.12.1965 – 337 II 64 – zu Art. 68 Abs. 1 GO 1960) und nunmehr durch Art. 80 Abs. 1 GO ausdrücklich ausgeschlossen ist. Darin liegt auch keine Erweiterung i.S.v. Art. 80 Abs. 1 GO, weil dieser Zuwachs Teil des radizierten Holznutzungsrechtes ist und das Recht seit dem Vergleich von 1901 und insbesondere seit 18. Januar 1922 kraft gemeinsamer Rechtsüberzeugung in dieser Weise ausgeübt wurde. Seit 1922 gab es keinen Zuwachs bei den der Gemeinde zustehenden Rechten.
1.2.2.2
Der Kläger hat aus diesem bestehenden (siehe unten) Holznutzungsrecht einen Anspruch auf Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach dem – wie oben dargelegt wirksamen – Vergleich vom 23. Juni 1901 erfolgt die Bewirtschaftung des im Eigentum der Gemeinde stehenden Gemeindewaldes nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Forstrechtes und den darauf beruhenden jeweiligen Jahreswirtschaftsplänen.
Sind diese Bestimmungen eingehalten, haben die Rechtler aus ihrem jeweiligen Holznutzungsrecht einen – nicht dinglichen (vgl. BayVGH, U.v. 13.6.1973 – Nr. 146 IV 68 – VGH n.F. 26, 148/151; zuletzt BayVGH, B.v. 16.3.2015 – 4 ZB 14.359 – juris) – Anspruch auf Gewährung der ihnen gebührenden Nutzungen, oder anders ausgedrückt auf Zuteilung ihres jeweiligen durch den Vergleich von 1901 bestimmten Anteils an den anfallenden Nutzungen (so ausdrücklich BayVGH, U.v. 13.6.1973 – Nr. 146 IV 68 – VGH n.F. 26, 148/151). Es handelt sich um einen individuellen vermögensrechtlichen Anspruch gegen die Gemeinde, der auch das Recht auf anteilsgemäße Verteilung gegenüber den anderen Rechtlern und durch die Gemeinde beinhaltet (vgl. BayVGH, U.v. 13.6.1973 – Nr. 146 IV 68 – VGH n.F. 26, 148/151). Dabei umfassen die Nutzungen im Hinblick auf Art. 74 Abs. 2 Satz 1 GO nur die Erträge, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Gemeindevermögens anfallen und den sonstigen forstwirtschaftlichen Vorschriften entsprechen (vgl. schon BayVGH, E.v. 22.12.1930, Nr. 101 I 30 – VGH 51, 145/154 – hält das für „selbstverständlich“; siehe auch Bauer in: Praxis der Gemeindeverwaltung, Öffentliche Nutzungsrechte in Bayern, Stand: 1/2016, S. 46).
Die Gemeinde darf deshalb – bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung – nicht durch irgendwelche Maßnahmen die Nutzungsansprüche des einzelnen Rechtlers gefährden oder sogar – wie hier – einschränken (vgl. Bauer, a.a.O., S. 46 f.). Zwischen ihr und den Rechtlern – hier dem Kläger – besteht aufgrund des Nutzungsrechts ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten. Diese Rechtsbeziehung zwischen Gemeinde und Bürgern – hier den Rechtlern – ist nach Struktur (gegenseitige Rechte und Pflichten) und Gegenstand (Forderungsrecht) mit einem bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnis vergleichbar. Daraus folgt u.a. die Verpflichtung der Beteiligten, den Vertragszweck nicht zu gefährden oder zu vereiteln (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2014 – 4 CS 14.77 – juris – m.w.N.). Die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens, die einer Untersagung der Ausübung des Nutzungsrechts gleichkommt, und der dadurch ausgesetzte Holzeinschlag mit dem Ergebnis, dass der Kläger die ihm zustehenden Nutzungen nicht erhält, ohne vorher die Rechtsstellung des Klägers (und der übrigen Rechtler, deren Nutzungsrechte die Beklagte bezweifelt,) im Wege ihrer Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (Art. 24 BayVwVfG) und gegebenenfalls einer Feststellungsklage (i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO) geklärt zu haben, stellt eine gravierende Sorgfaltspflichtverletzung dar. Daraus folgt ebenfalls die Rechtswidrigkeit der Bescheide, ohne dass es noch zusätzlich auf das (wohl nicht unwahrscheinliche) Motiv der von der Beklagten angestrebten, den radizierten Nutzungsrechten nicht entsprechenden Beteiligung am Stammholzverkauf ankommt.
Die Beklagte hat mit der Verweigerung ihres Einvernehmens – zumindest – gegenüber dem Kläger die Erfüllung seines individuellen vermögensrechtlichen Anspruchs auf Zuteilung seines Nutzungsanteils für unbestimmte Zeit ausgesetzt, obwohl sie keine Einwendungen fachlicher Art gegen den Jahresbetriebsplan dargelegt hat. Im Übrigen trifft auch die rechtfertigende Aussage nicht zu, die Aussetzung der Bewirtschaftung zeitige keine nachteiligen Folgen, weil ein Noteinschlag erforderlich wurde. Das muss aber nicht weiter erörtert werden.
1.2.2.3
Durch diese Verweigerung des Einvernehmens ist der Kläger auch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist Inhaber eines Holznutzungsrechtes am Gemeindewald Stettfeld, insbesondere ist dieses Recht nicht etwa wegen der – von der Beklagten behaupteten – Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes erloschen.
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger – wie er vorträgt – derzeit Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne von Art. 80 Abs. 2 Satz 3 GO (dazu vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 2 K 97.1621 – juris) ist, weil das Holznutzungsrecht als solches – wie bereits oben erörtert – nicht nur landwirtschaftlichen Zwecken dient und der Betrieb einer Landwirtschaft für die Ausübung eines Holznutzungsrechts deshalb nicht allgemein Voraussetzung ist (BayVGH, U.v. 30.9.1994 – 4 B 94.1162 – VGH n.F. 48, 21).
Auch Art. 80 Abs. 3 GO ist im Falle des Klägers nicht einschlägig, wie die Beklagte meint, weil es beim Kläger nicht um die isolierte Übertragung eines Nutzungsrechtes geht. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass eine solche im Falle des Grundstücks des Klägers jemals erfolgt sei. Dafür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.
Unabhängig davon folgt auch aus der Dorfordnung von Stettfeld vom 7. Februar 1575 nicht, wie die Beklagte meint, dass die Nutzungsrechte am Stettfelder Gemeindewald ab 1575 nur landwirtschaftlichen Zwecken gedient hätten. Die Beklagte hat im Verfahren eine Transkription dieser „Dorffsordnung zue Stettfeld“ aus der Zeit Julius Echters vorgelegt und mit den Akten ein historisches Gutachten zu den „Waldrechten zu Stettfeld“ von Dr. S., aufgefunden im Staatsarchiv Würzburg 1953/1954, dessen Erstellungsdatum nicht genau feststellbar ist, das aber aus dem 20. Jahrhundert (nach 1912) stammen dürfte (vgl. dort S. 1, 13). Darin wird die Entwicklung der Nutzungsrechte in Stettfeld beschrieben. Zunächst habe die Gemeindewaldung zur Befriedigung aller „inwohner und nachtbauern“ gedient und auch des Gemeinbedarfs. Die Aufteilung in Rechtler und Nichtrechtler habe es damals noch nicht gegeben. Wiedergegeben ist dort auch der Inhalt der Dorfordnung von 1575, die eine noch ältere Dorfordnung ersetzt habe, die aber nicht mehr auffindbar gewesen sei. Die Dorfordnung von 1575 begünstigte „Bauern“ und „Häcker“ lediglich in den Ziffern 5 und 6 hinsichtlich Holz zur Anfertigung von Achsen, Riegeln und Stielen (Ziffer 5) sowie sechs Stangen für Leiterbäume (Ziffer 6). Allerdings hatte schon damals nach Ziffer 3 jeder Einwohner das Recht auf Bauholz, was die Beklagte verkennt. Nach Ziffer 8 wurden „Lagen“ („Lauben“) verteilt für Brennholz, die nicht nur an „Bauern“ und „Häcker“ verteilt wurden. Später sei aber ab 1671 in einer Einigung zwischen Bauern und „Söldnern“ (= „Gütlern“ = Kleinbauern, die keine Gemeindenutzungsrecht oder nur Bruchteilsrechte besaßen) festgelegt worden, dass jedem Bauern und „Söldner“ bei Austeilung des Holzes (Bauholz) und der „Lauben“ (Brennholz) gleiche Anteile zustünden. Das habe sich erst im 19. Jahrhundert mit Einführung der neuen Forstordnung sowie durch den Umstand geändert, dass sich infolge der Freizügigkeit neue Familien hätten ansiedeln können, die nicht mehr in den Verband der Rechtler aufgenommen worden seien. Hieraus seien Rechtsstreite entstanden, die sich bis ins 20. Jahrhundert hingezogen hätten, und erst mit dem Vergleich aus dem Jahr 1901 (und letztlich der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes von 1912) beendet worden seien.
Daraus folgt mehr als deutlich, dass die Nutzungsrechte in Stettfeld von Anfang an, insbesondere aber seit dem Vergleich von 1901 und zum maßgeblichen Stichtag nach Art. 80 Abs. 2 Satz 1 GO, dem 18. Januar 1922, nicht landwirtschaftliche Zwecken, sondern der Versorgung von Gemeinde, Rechtlern und sonstigen Gemeindebürgern mit Bau- bzw. Brennholz gedient haben und noch dienen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.