Aktenzeichen L 12 EG 70/15
BEEG 2012 § 2d Abs. 3
Leitsatz
1. Nach der Neuregelung des § 2d Abs. 3 BEEG i. d. F. des Gesetzes vom 10.09.2012 (BGBl I 1878) errechnet sich das elterngeldrechtlich relevante Einkommen von Gewerbetreibenden mit Gewinnanteilen an einer Personengesellschaft im Bezugszeitraum nicht mehr anhand des sich aus dem Steuerbescheid ergebenen Jahresgewinns und den daraus ermittelten monatlichen Durchschnittseinkommens. (amtlicher Leitsatz)
2. Maßgeblich sind vielmehr die Gewinneinkünfte aus einer Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. (amtlicher Leitsatz)
Verfahrensgang
S 5 EG 10/15 2015-11-18 SGAUGSBURG SG Augsburg
Tenor
I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.
Das Sozialgericht Augsburg hat mit dem angefochtenen Urteil vom 18.11.2015 den Beklagten zu Recht verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 21.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 11.03.2015 der Klägerin Elterngeld ohne Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum zu gewähren.
Die Klägerin erfüllt zunächst die Grundvoraussetzungen für den Bezug von Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 BEEG, weil sie ihren Wohnsitz in Deutschland hat, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Elterngeld wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BEEG in Höhe von 67% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.
Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus 1. nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sowie 2. Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG). Die monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Summe der positiven “Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit” (Gewinneinkünfte), vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e bis 2f ergibt das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (§ 2d Abs. 1 BEEG). Maßgeblicher Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens der Klägerin aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2d BEEG ist gemäß § 2b Abs. 2 BEEG der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes im November 2014, also das Kalenderjahr 2013. Auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2013 ist der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise im Wege einer Zwölftelung der Summe der positiven Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Gewinneinkünfte) über ein monatliches Elterngeld-Brutto in Höhe von 9.687,83 Euro zu einem Elterngeld-Netto in Höhe von 5.197,54 Euro gelangt. Da das maßgebliche monatliche Elterngeld in Höhe von 3.378,40 Euro (5.197,54 Euro x 65,00%, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG) den Höchstbetrag von 1.800,00 Euro übersteigt, ist letzterer maßgebend. Für das weitere Kind Natalie (geb. 17.05.2012) war zudem ein Geschwisterbonus in Höhe von 180,00 Euro zu gewähren (§ 2a Abs. 1 Satz 1 BEEG). Dies alles ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein, ob und inwieweit nach der Geburt des Kindes auf den Elterngeldanspruch der Klägerin Einkommen aus Erwerbstätigkeit anzurechnen ist.
Nach § 2 Abs. 3 BEEG wird für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist, als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 oder 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt.
Gemäß § 2d Abs. 3 BEEG ist Grundlage der Ermittlung der in den Bezugsmonaten zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte eine Gewinnermittlung, die mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entspricht.
Bei den Einkünften der Klägerin aus ihrer 50%-Beteiligung an der GbR M. und R. A. handelt es sich zunächst steuerrechtlich um Einkünfte aus Gewerbetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Diese Einkünfte sind grundsätzlich im Sinne von § 2 Abs. 2 BEEG elterngeldrechtlich beachtlich. Ohne Bedeutung ist es, dass die Klägerin im Bezugszeitraum einer Tätigkeit für die GbR nicht nachgegangen ist.
Allerdings ist die Entscheidung des Beklagten zur Anrechnung des Erwerbseinkommens im Bezugszeitraum schon im Ansatz verfehlt, weil der Beklagte zu Unrecht – wie zur alten Rechtslage vor der Neuregelung des § 2d Abs. 3 BEEG i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 20.09.2012 (BGBl. I S. 1878) – zur Ermittlung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum im vorläufigen Bescheid vom 21.01.2015 vom Steuerbescheid für das Jahr 2013 ausgegangen ist, indem der dort ausgewiesene Gewinn gezwölftelt wurde und fiktiv auf die streitgegenständlichen Bezugsmonate verteilt wurde, wobei zugunsten der Klägerin anstelle der danach eigentlich anzusetzenden 9.687,83 Euro wegen zu erwartender niedriger Einkünfte nach der Geburt des Kindes nur 6.000,00 Euro monatlich fiktiv angesetzt wurden. Auch für die endgültige Berechnung soll auf die Steuerbescheide für 2014 und 2015 abgestellt werden.
Das entspricht nach Auffassung des Senats nicht der Rechtslage, wie sie sich durch die Neuregelung des BEEG vom 10.09.2012 mit Wirkung ab 18.10.2012 darstellt. Bezüglich der hier maßgeblichen Vorschrift des § 2d BEEG ist hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zwar zunächst festzustellen, dass diese sowohl für den Bemessungszeitraum (§ 2b BEEG) als auch für den Bezugszeitraum (§ 2 Abs. 3 BEEG) gilt. Bei den insoweit heranzuziehenden Einkommensnachweisen wird aber eine klare Unterscheidung dahingehend getroffen, dass für die Gewinneinkünfte im Bemessungszeitraum die im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne maßgeblich sind (§ 2d Abs. 2 BEEG), während für die Gewinneinkünfte im Bezugszeitraum die in einer Gewinnermittlung, die mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entspricht, enthaltenen Gewinne maßgebend sind. Der Grund für diese besonderen Vorgaben für die Ermittlung der Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit liegt nach Auffassung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 17/9841, S. 23) darin, dass der Steuerbescheid im Bezugszeitraum nicht als maßgeblicher Nachweis herangezogen werden kann, da das auf den Bezugszeitraum anteilig umgerechnete Einkommen, das die elterngeldberechtigte Person im jeweiligen Veranlagezeitraum hat keine zuverlässigen Rückschlüsse auf das Einkommen im Bezugszeitraum erlaubt. Angesichts des klaren, einer abweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlauts des § 2d Abs. 3 BEEG und des ebenso eindeutigen dahinter stehenden Willens des Gesetzgebers ist für die Ermittlung der in den Bezugsmonaten zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte auf eine mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG genügende Berechnung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (sog. Überschussrechnung) zurückzugreifen, ein Rückgriff auf den Steuerbescheid ist ausgeschlossen. Damit steht zugleich fest, dass die Ermittlung der Gewinneinkünfte in den streitigen Bezugsmonaten anhand des tatsächlichen Zuflusses erfolgen kann und nicht auf eine fiktive Zurechnung von Einkünften zurückgegriffen werden muss.
Hinsichtlich der vorläufigen Bewilligung des Elterngeldes konnte freilich noch nicht auf eine Einnahmen-Überschussrechnung zurückgegriffen werden, vielmehr lag insoweit nur der 2. Nachtrag vom 05.05.2014 zum Sozietätsvertrag vom 31.12.2004 vor, wonach für den bevorstehenden Mutterschutz bzw. die Elternzeit der Klägerin vom 25.09.2014 (Beginn Mutterschutzfrist) bis 06.05.2015 (geplantes Ende der Elternzeit) kein Anteil am Gewinn der Sozietät besteht. Dementsprechend gibt bzw. wird es nach Angaben der Klägerin im Widerspruchsschreiben vom 12.02.2015 für die Jahre 2014 und 2015 jeweils zwei unterjährige Gewinnermittlungen geben, nämlich vom 01.01.2014 bis 24.09.2014, an deren Ergebnis die Klägerin zu 50% beteiligt ist und eine zweite vom 25.09.2014, bis 31.12.2014, an der sie zu 0% beteiligt ist. Gleiches gilt für 2015: am Gewinn der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG vom 01.01.2015 05.06.2015 ist sie zu 0% beteiligt, am Gewinn der Gewinnermittlung vom 05.05.2015 bis 31.12.2015 dann wieder zu 50%.
Vor diesem Hintergrund gibt es keine rechtliche oder tatsächliche Grundlage dafür, der Klägerin in den streitigen Bezugsmonaten auf der Grundlage des Steuerbescheides 2013 pro Monat 6.000,00 Euro als fiktive Einkünfte anzurechnen, vielmehr sind die Einkünfte mit 0,00 Euro anzusetzen.
Für die endgültige Festsetzung des Elterngeldes in den Bezugsmonaten in den Jahren 2014 und 2015 ist dagegen auf eine den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entsprechende Gewinnermittlung abzustellen, wie es die Klägerin bereits mit Widerspruchsschreiben vom 12.02.2015 angeboten hat.
Soweit der Beklagte ab dem Tag der Geburt des Kindes (06.11.2014) bis zum 01.01.2015 das kalendertäglich zustehende Mutterschaftsgeld angerechnet hat, entspricht dies § 3 Abs. 1 BEEG.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. f1 SGG) zuzulassen.
Das BSG hat die Frage der Berücksichtigung von Einkommen aus Gewinnanteilen an einer Personengesellschaft ab Inkrafttreten der Neuregelung des § 2d Abs. 3 BEEG i. d. F. des Gesetzes vom 10.09.2012 (BGBl. I 1878) bislang nicht entschieden, sondern in der Entscheidung vom 21.06.2016, B 10 EG 3/15 R ausdrücklich offen gelassen.