Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot für Flüchtlinge, die in Italien internationalen Schutz erhalten haben

Aktenzeichen  M 12 K 16.33413

Datum:
6.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK EMRK Art. 3
RL 2013/32/EU Art. 51

 

Leitsatz

1 Die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in Italien stellen sich nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend iSv Art. 3 EMRK dar, da sie grundsätzlich italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken (ebenso OVG NRW BeckRS 2016, 52155). (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine wesentliche Veränderung der Sachlage ist durch die zwischenzeitlichen Erdbeben in Italien nicht gegeben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2016 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 28. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs 2 AsylG).
a) Rechtsgrundlage der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist vorliegend der Fall. Nach eigenen Angaben des Klägers wurde ihm im April 2013 in Italien internationaler Schutz gewährt. Mit Schreiben der italienischen Behörden vom 12. August 2016 (Bl. 67 der Behördenakte) wurde dies ausdrücklich bestätigt und mitgeteilt, dass dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis als subsidiär Schutzberechtigter erteilt wurde.
Zwar dürfen aufgrund der Übergangsregelung in Art. 51 Unterabs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Richtlinie 2013/32/EU) vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist (BVerwG, B. v. 23.10.2015 – 1 B 41 /15 – juris). Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz jedoch erst am 1. Juni 2016 gestellt. Maßgeblich ist die Antragstellung in Deutschland und nicht etwa der in Italien bereits beschiedene (erste) Antrag des Klägers. Denn Sinn und Zweck der in der Richtlinie 2013/32/EU enthaltenen Übergangsbestimmung ist es festzulegen, ab wann ein Mitgliedstaat einen bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz nach den auf der Richtlinie 2013/32/EU beruhenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu behandeln hat.
b) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor.
Dem Kläger droht in Italien weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Das OVG Nordrhein-Westfalen führt hierzu in seinem Urteil vom 24. August 2016 (13 A 63/16.A – juris) zutreffend Folgendes aus:
„Nach der Rechtsprechung des Senats stellen sich die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge in Italien nicht allgemein als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK dar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien grundsätzlich italienischen Staatsbürgern gleichgestellt sind und erforderlichenfalls staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als Flüchtlinge anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH, Auskunft an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff. Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 3 EMRK verpflichtet die Vertragsstaaten nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 119. Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können. Italien hat inzwischen die Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt. Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9. Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 der Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen. Die zurückkehrenden Flüchtlinge sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen. Kehren anerkannte Flüchtlinge aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen. Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, Auskunft an OVG NRW, 7. April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.1. Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen. Vgl. SFH, Auskunft an OVG NRW, 7. April 2016, S. 5; AA, Auskunft an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5. Für anerkannte Flüchtlinge ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben. Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3. Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltsbewilligung, die fünf Jahre gültig ist und bei Ablauf verlängerbar bzw. erneuerbar ist. Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 31; AA, Auskunft an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 4. In die Aufenthaltsbewilligung wird die Wohnadresse eingetragen. Vgl. SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.5.1; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 4. […] Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung. Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3. In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen. Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2. Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Flüchtlinge in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen. Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3; AA, Auskunft an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5. In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft. Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 35. Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen. Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6. Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen. Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3. Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Flüchtlinge, wenn sie – wie viele Italiener auch – arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen. Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, S. 5, und an das VG Potsdam vom 26. Februar 2015. Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter. Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.3; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 5. Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK geschlossen werden. Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung. Vgl. SFH, Auskunft an OVG NRW, 18. Mai 2016, S. 4; AA, Auskunft an OVG NRW vom 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA, Auskunft an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA, Auskunft an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4. […] Wie ausgeführt, ist in Italien anerkannten Flüchtlingen der Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem eröffnet. Insbesondere sind eine kostenfreie Notversorgung sowie die Versorgung sonstiger ernsthafter, auch chronischer Erkrankungen mit den erforderlichen Medikamenten und der notwendigen ärztlichen Behandlung gesichert. Dem steht der geforderte Selbstbehalt (sog. “Ticket”) nicht entgegen. Um eine Befreiung zu erhalten, muss sich der Flüchtling lediglich offiziell arbeitslos melden. Abgesehen davon besteht über eine sog. STP-Karte, die bei einer öffentlichen lokalen Gesundheitsorganisation oder in einem großen Krankenhaus zu beantragen ist, ein Zugang zur kostenlosen medizinischen Behandlung, wenn diese wegen schwerer Erkrankungen dringend erforderlich ist. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2016 – 13 A 2132/15.A -; zur Erkenntnislage siehe SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f., und vom 18. Mai 2015, S. 4; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: County Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82 f.; EASO, Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.“
Das Gericht schließt sich den o.g. Ausführungen, die ebenso für subsidiär Schutzberechtigte gelten, an. Eine wesentliche Veränderung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachlage durch die zwischenzeitlichen Erdbeben in Italien ist entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht gegeben. Zum einen waren diese auf eine Region in Mittelitalien beschränkt, so dass erhebliche Auswirkungen auf andere Gebiete Italiens nicht ersichtlich sind. Zum anderen ist nicht nachvollziehbar, warum sich die im Rahmen des Katastrophenschutzes notwendige Versorgung der Erdbebenopfer negativ auf die Situation von Asylbewerbern auswirken sollte, geschweige denn von Personen mit Schutzstatus, die im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen, medizinischer Versorgung und Wohnung nicht anders als italienische Staatsangehörige behandelt werden. Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. auf eine konkrete Gefahr im Sinne von Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Der Kläger ist ein arbeitsfähiger junger Mann. Er kann sich insbesondere nicht auf gesundheitliche Gründe berufen. Zwar hat der Kläger vorgetragen, unter Ohrenschmerzen zu leiden. Abgesehen davon, dass ein ärztliches Attest hierzu nicht vorgelegt wurde, ist nach den o.g. Ausführungen davon auszugehen, dass diese auch in Italien behandelbar sind und der Kläger Zugang zur dortigen medizinischen Versorgung hat. Ist die medizinische Versorgung gewährleistet, scheidet nicht nur die Annahme einer Verletzung des Art. 3 EMRK aus. Ferner kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen gegeben ist, die nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG das Vorliegen lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (OVG NRW, U. v. 24.8.2016 a. a. O.).
c) Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung ist § 35 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat den Kläger weder als Asylberechtigten noch als Flüchtling anerkannt. Ihm ist auch kein subsidiärer Schutz gewährt worden. Dass keine Sachentscheidung hierzu getroffen wurde, ist unerheblich. Maßgeblich ist im Rahmen des § 34 AsylG allein, dass das Asylverfahren erfolglos beendet worden ist, ohne dass dem Kläger ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zusteht; auf die Gründe hierfür kommt es nicht an (BVerwG, U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – juris Rn. 17). Ferner liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat Italien nicht vor (s.o.). Der Kläger besitzt auch keinen Aufenthaltstitel im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG. Abschiebungsverbote und Gründe für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung stehen gem. § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dem Erlass der Androhung nicht entgegen. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird. Die Beklagte hat auch zutreffend gemäß § 35 AsylG die Abschiebung nach Italien angedroht und das Herkunftsland Eritrea nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG als den Staat bezeichnet, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf.
d) Die im Bescheid unter Nr. 4 gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 24 Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Über die Länge der Frist wird gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden, wobei die Befristung im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten darf. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung sind nicht erkennbar. Die von der Beklagten festgesetzte Frist hält sich im unteren Bereich der zulässigen Befristungsdauer. Gründe für einen kürzeren Befristungszeitraum sind nicht ersichtlich. Kontakt mit seiner Schwester kann der Kläger über den begrenzten Zeitraum von zwei Jahren auch über Telekommunikationsmittel oder Besuche der Schwester in Italien halten. Sie ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem Interesse an einer künftigen Beschäftigung in Deutschland, zumal es der Kläger selbst in der Hand hat, ob ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wegen Abschiebung überhaupt eintritt.
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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