Steuerrecht

Haftung eines Komplementärs für die Abfallgebührenschuld der Kommanditgesellschaft

Aktenzeichen  AN 11 K 15.01384

Datum:
30.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 13 Abs. 1, Abs. 2
AO AO § 47, § 166, § 169 Abs. 2 S. 1, § 228, § 229, § 231, § 232 Abs. 1 S. 1, § 191 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 5 S. 1 Nr. 1
HGB HGB § 125 Abs. 1, § 128, § 159, § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Der Komplementär einer Kommanditgesellschaft haftet für die Abfallgebührenschuld der Kommanditgesellschaft und damit im Zusammenhang stehende Nebenforderungen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) ee) BayKAG iVm § 191 Abs. 1 S. 1 AO, § 161 Abs. 2, § 128 HGB).  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Nennung und genaue Bezifferung rückständiger Beträge, die bereits durch Gebührenbescheide geltend gemacht wurden, in einem weiteren Abgabenbescheid ist als (erneute) Festsetzung der Gebührenschuld zu werten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist bereits der Antrag auf Zwangsversteigerung bzw. die Erklärung des Beitritts zu einem Zwangsversteigerungsverfahren als Vollstreckungsmaßnahme zu qualifizieren, durch die die Verjährung gemäß § 231 AO unterbrochen wird. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Kläger als Komplementär zu Recht für eine bestehende Schuld der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen wird nach §§ 128 HGB i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG i.V.m. § 191 Abs. 1 AO. Bei der Anfechtung des Haftungsbescheides ist der nach materiellem Recht maßgebende Beurteilungszeitpunkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.2003 – 9 B 17.03) grundsätzlich der Erlass der letzten Behördenentscheidung, also vorliegend der Erlass des Widerspruchsbescheides am 15. Juli 2015. Die vom Kläger im Oktober und November 2016 geleisteten Zahlungen haben somit keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids.
I.
Der Haftungsbescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde er von der zuständigen Behörde, Art. 7 Abs. 2 BayAbfG, Art. 1, 13 KAG erlassen und entsprechend begründet.
II.
Der Haftungsbescheid ist zudem materiell rechtmäßig.
Der Kläger haftet als Komplementär gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO, §§ 161 Abs. 2, 128 HGB für die Abfallgebühren und damit in Zusammenhang stehende Nebenforderungen der Kommanditgesellschaft. Eine Gebührenschuld der Kommanditgesellschaft liegt vor (1.), die weder durch Festsetzungs- (1. a)) noch Zahlungsverjährung oder anderweitig (1. b) und c)) erloschen ist. Für diese haftet der Kläger als Komplementär der Gesellschaft, der auch noch zur Zahlung herangezogen werden konnte (2.). Seine Heranziehung war und ist rechtmäßig (3.).
1. Der Kläger wird als Komplementär für rückständige Abfallgebühren und Nebenkosten der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen. Die Kommanditgesellschaft ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die Gebühren für die Benutzung der Anlagen und Einrichtungen der Abfallentsorgung (AbfGebS) der Stadt … Gebührenschuldnerin der Abfallgebühren, die für die Grundstücke … und … angefallen sind, da sie in dem Zeitraum, für den die Gebühren geltend gemacht werden, Eigentümerin dieser Grundstücke war, die an die öffentliche Einrichtung der Abfallentsorgung angeschlossen waren. Die Gebührenpflicht begann mit dem auf den Anschluss des Grundstückes folgenden Kalendermonat, vgl. § 4 Abs. 1 AbfGebS.
a) Diese Ansprüche sind auch nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 b) i.V.m. § 47 AO, so dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG i.V.m. § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO dem Erlass eines Haftungsbescheides nicht entgegensteht. Die Festsetzungsverjährung beträgt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 3. Spiegelstrich i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre. Die fraglichen Gebühren sind innerhalb dieses Zeitraumes auch festgesetzt worden. Dabei ist es vorliegend unerheblich, dass die Bescheide für die … vom 25. Mai 2005, 26. August 2005, 25. April 2006, 27. März 2007, 29. Mai 2007 und 25. Juni 2007 sowie die Bescheide für das Anwesen … vom 8. Dezember 2004, 25. Mai 2004 und 26. August 2005 an den Kläger als Abgabenschuldner statt – richtigerweise die Kommanditgesellschaft – gerichtet waren. Mit Erlass der Grundabgabenbescheide vom 26. Juli 2007 an für die … bzw. vom 25. November 2005 an für die … wurde die Kommanditgesellschaft als Abgabenpflichtige bezeichnet. In diesen Bescheiden sind auch jeweils die rückständigen Beträge genannt, die noch von der Kommanditgesellschaft als Abgaben zu zahlen seien. Diese genau bezifferten Beträge sind als (erneute) Festsetzung der Gebührenschuld zu werten, die innerhalb der Festsetzungsfrist gegenüber dem richtigen Abgabeschuldner ergangen ist. Nachdem diese Bescheide zudem mittlerweile bestandskräftig sind, kann der Kläger diesen nicht mehr entgegenhalten, dass diese Gebühren nicht von ihm zu zahlen seien, weil als Abgabenpflichtiger ursprünglich nicht die Kommanditgesellschaft benannt worden ist. Mit dieser Einwendung ist er bereits deswegen ausgeschlossen, weil er als Komplementär diesen Punkt bereits als Vertreter der Kommanditgesellschaft, §§ 161, 125 Abs. 1 HGB, hätte geltend machen müssen, Art. 13 Abs. 2 Nr. 4 b) aa) i.V.m. § 166 AO. Insoweit ist festzuhalten, dass die einzelnen Abfallgebühren jeweils innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist gegenüber der Kommanditgesellschaft festgesetzt worden sind. Die Gebühren, die sogleich gegen die Kommanditgesellschaft als Zahlungsverpflichtete gerichtet waren, sind unproblematisch nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen, da die jeweils innerhalb weniger als einem Jahr nach ihrem Entstehen gegenüber der Kommanditgesellschaft festgesetzt worden sind.
b) Ebenso wenig sind die gegenüber der Kommanditgesellschaft festgesetzten Ansprüche auf Zahlung der Abfallgebühren durch Zahlungsverjährung erloschen, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG i.V.m. § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO ist damit nicht einschlägig. Die Frist der Zahlungsverjährung richtet sich nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG i.V.m. § 228 AO und beträgt fünf Jahre. Sie beginnt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG i.V.m. § 229 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Gemäß § 5 AbfGebS sind die Gebühren fällig am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November jeden Jahres, frühestens einen Monat nach Zustellung des Gebührenbescheides. Somit begann die Zahlungsverjährung für die Abfallgebühren, die mit dem ersten streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Mai 2005 betreffend die … geltend gemacht wurden, mit Ablauf des Jahres 2005. Gleiches gilt für die Abfallgebühren der …, da der erste streitgegenständliche Bescheid vom 8. Dezember 2004 stammt und die Abfallgebühren somit frühestens am 8. Januar 2005 fällig geworden sind – § 5 AbfGebS -, weshalb die Zahlungsverjährung ebenfalls mit Ablauf des Jahres 2005 begann. Die hiernach grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2010 endende Verjährungsfrist wurde vorliegend durch Vollstreckungsmaßnahmen unterbrochen, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG i.V.m. § 231 Abs. 1 AO.
Nach § 231 AO wird die Verjährung unter anderem durch eine Vollstreckungsmaßnahme unterbrochen. Vollstreckungsmaßnahmen sind alle Maßnahmen, die mit Beginn der Zwangsvollstreckung darauf gerichtet sind, den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwangsweise durchzusetzen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 231 Rn. 24). Bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist bereits der Antrag auf Zwangsversteigerung bzw. die Erklärung des Beitritts zu einem Zwangsversteigerungsverfahren Vollstreckungsmaßnahme (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 231, Rn. 25). Vorliegend erfolgte der Antrag der Beklagten auf Anordnung der Zwangsvollstreckung für die noch offenen Forderungen einschließlich Nebenforderungen mit Schreiben vom 24. Juli 2007, am 26. Juli 2007 ordnete das Vollstreckungsgericht durch Beschluss die Zwangsversteigerung an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde folglich die Zahlungsverjährung unterbrochen. Gleiches gilt für die von der Beklagten in Zusammenhang mit dem von ihr betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren am 22. Januar 2010 für die für Vergangenheit zusätzlich geltend gemachten Forderungen, da diese ebenfalls nach außen wirkt – auch wenn dies den Weg über ein Gericht nimmt, vgl. BFH, Urteil vom 23. Februar 2010 – VII R 9/08. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 228 Abs. 2 AO endete die Verjährungsunterbrechung mit Erteilung des Zuschlages für die Grundstücke … und … am 18. Juni 2010 mit der Folge, dass mit Ablauf des Jahres 2010 die fünfjährige Verjährungsfrist erneut begann, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 KAG i.V.m. § 231 Abs. 3 AO. Im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides war die Verjährungsfrist damit noch nicht abgelaufen.
Die Forderungen, die ab Januar 2008 fällig geworden sind, waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides am 25. November 2013 unproblematisch noch nicht verjährt, da die Zahlungsverjährung fünf Jahre beträgt und erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, §§ 228, 229 AO.
c) Auch liegen keine sonstigen Gründe für das Erlöschen und die Nichtdurchsetzbarkeit der Forderung vor. Die Beklagte hat nach eigenen Aussagen die Forderungen nur in der Höhe geltend gemacht, soweit sie noch nicht befriedigt waren. Soweit der Kläger behauptet, die Schuld sei gänzlich durch Zahlung erloschen, so ist den Unterlagen dazu nichts zu entnehmen. Der Kläger, zu dessen Lasten die materielle Beweislast geht, konnte dem Gericht gegenüber keine entsprechende vollständige Zahlung nachweisen. Für das Vorliegen einer Verwirkung ist ebenfalls nichts ersichtlich. Argumente wurden von Seiten des Klägers hierzu nicht vorgebracht.
2. Als Komplementär haftet der Kläger für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft, §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1 HGB. Er konnte somit durch Haftungsbescheid für die bestehende Schuld der Gesellschaft in Anspruch genommen werden, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO. Der Haftungsbescheid konnte mangels Verjährung des Haftungsanspruchs auch noch erlassen werden, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG § 191 Abs. 4 AO. Da sich die Haftung vorliegend nicht aus den Steuergesetzen, sondern dem HGB ergibt, richtet sich die Verjährung nach dem HGB, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b) ee) KAG i.V.m. § 191 Abs. 3 AO ist demzufolge nicht anwendbar. Nach §§ 161 Abs. 2, 159 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Daraus folgt, dass die Haftung während des Bestehens der Gesellschaft unverändert fortbesteht und auch nicht verjährt, vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rn. 4. Dem Gericht liegt der Nachweis vor, dass der Kläger jedenfalls am 11. November 2013 noch als Kommanditist der Kommanditgesellschaft eingetragen war. Selbst wenn diese mittlerweile aufgelöst sein sollte, dauert die Haftung des Klägers jedenfalls mindestens noch bis 2018 fort.
3. Die Heranziehung des Klägers ist auch rechtmäßig nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a), § 219 AO, da die Vollstreckung in das Vermögen des Kommanditgesellschaft erfolglos geblieben ist bzw. aussichtslos erscheint, da die Kommanditgesellschaft am 28. Februar 2012 eine Vermögensauskunft abgab, aus der sich kein verfügbares Vermögen mehr ergibt. Das dort ebenfalls enthaltene Schuldanerkenntnis, wonach der Kommanditgesellschaft noch eine hohe Summe zusteht, erscheint aufgrund der bisher erfolgten Nichtzahlung durch die Schuldner uneinbringlich und führt daher nicht dazu, eine Vollstreckung in das Vermögen der Kommanditgesellschaft als aussichtsreich einzustufen. Hingegen ist der Kläger finanziell leistungsfähig (vgl. aktuelle Leistungen) und als (früherer) Komplementär auch pflichtig. Ein Auswahlermessen existiert vorliegend nicht, war daher auch nicht ausübbar. Auch sonstige Gründe gegen eine Heranziehung des Klägers gibt es nicht.
Die Klage bleibt somit erfolglos.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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