Handels- und Gesellschaftsrecht

Vertragsstrafe wegen Verstoß gegen Konkurrenzverbot

Aktenzeichen  17 O 7724/09

Datum:
29.11.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133504
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 339 S. 2
ZPO § 240

 

Leitsatz

Werden nach dem Wortlaut einer Vertragstrafenklausel in einer Geheimhaltungsvereinbarung nur das Zusammenarbeiten mit, Beteiligungen an und Förderungen von Konkurrenzunternehmen untersagt, ist das Abwerben von Mitarbeitern nicht vertragstrafenbewehrt. (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

VII ZR 111/12 2014-02-06 Bes BGH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 86 %, die Beklagte 14 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Unter Abänderung des Beschlusses vom 29.09.2015 wird der Streitwert auf 200.001,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage ist zulässig und – soweit über sie noch zu entscheiden ist – mangels Passivlegitimation der Beklagten unbegründet.
I.
Zu entscheiden ist noch über eine Restforderung in Höhe von 171.170,23 € gegen die Beklagte. In Höhe 2.368,86 € hat sie die ursprünglich auf 173.539,09 € lautende Klage anerkannt, worauf sie mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.11.2015 (Bl. 441) entsprechend verurteilt wurde.
Gegen … der zunächst als Beklagter zu 1 an diesem Rechtsstreit beteiligt war, wurde die Klage mit inzwischen rechtskräftigem Teilurteil vom 08.04.2011 (Bl. 196) abgewiesen. Das Verfahren gegen die … GmbH, die zunächst als Beklagte zu 2 geführt wurde, wurde mit Beschluss vom 29.09.2015 (Bl. 433) abgetrennt, da der Rechtsstreit gegen sie wegen Insolvenz gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist.
II.
Die Klage ist zulässig.
1.
Das angerufene Landgericht … ist für die Entscheidung des Rechtsstreits gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.
2.
Eine gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO der Zulässigkeit der Klage entgegenstehende Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien wurde nicht getroffen.
a.
Die Geheimhaltungsvereinbarung vom 22.11.2006 (Anlage B1) wurde nur zwischen der Klägerin und der … AG geschlossen. Die Beklagte, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gegründet war, ist darin mit keinem Wort erwähnt.
b.
Ob die Beklagte an dem … vom 24.06.2008 (Anlage B2) beteiligt war, ist mehr als fraglich. Die Beklagte firmiert seit 17.04.2007 (Bl. zu 475) als … GmbH – nicht wie in der Anlage als … GmbH – und hätte bei Erstellung dieser Erklärung bereits korrekt benannt werden können. Jedenfalls hat die Beklagte zu diesem von der Klägerin bestrittenen Punkt keinen Beweis angeboten.
Letztlich kann dieser Frage sogar dahinstehen, da die Klageforderung ohnehin nicht von der Schiedsklausel in Ziffer 7.e der Erklärung erfasst wäre, da nur „Meinungsverschiedenheiten aus dieser Vereinbarung“ außergerichtlich geklärt werden sollten. Die streitgegenständlichen Forderungen beruhen hingegen nicht auf dem ….
c.
Im Übrigen geht die Beklagte wohl selbst nicht von einer einschlägigen Schiedsvereinbarung aus, da sie selbst im Wege der Widerklage Gegenansprüche an die Klägerin stellt, ohne zuvor einen Schiedsrichter angerufen zu haben.
III.
Die Klage ist unbegründet, da die Beklagte weder originär zur Begleichung der streitgegenständlichen Forderungen verpflichtet noch dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der … GmbH beigetreten ist oder deren Schulden mitübernommen hat.
1.
Eine originäre Verpflichtung der Beklagten für sämtliche im Verlauf des Projekts Bionisierungsanlage angefallenen und abgerechneten Kosten wurde zunächst von der Klägerin nicht einmal behauptet. Stattdessen trug sie bis zum Abschluss des Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen das Teilurteil der Kammer vom 08.04.2011 stets vor, ihr Vertragspartner sei … gewesen, der persönlich und im eigenen Namen gehandelt habe.
Erst nachdem diese Ansicht von drei Instanzen abschlägig beschieden wurde, änderte sie ihren Sachvortrag, indem sie die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts … aufgreift, wonach Auftraggeberin der streitgegenständlichen Arbeiten diejenige Gesellschaft sein soll, die … als die ausführende benannte.
2.
Diese Rechtsauffassung (vgl. im Einzelnen Bl. 316-322) macht sich auch die Kammer zu Eigen und legt sie ihrer Entscheidung zugrunde.
An der zunächst geäußerten Einschätzung (vgl. Bl. 204-208), aufgrund der Geheimhaltungsvereinbarung vom 22.11.2006 (Anlage B1), sei ein Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der … AG zustande gekommen, wird nicht festgehalten. Denn nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts … trat H… von vornherein als organschaftlicher Vertreter der von ihm geführten Gesellschaften auf, der diejenige – von der … AG verschiedene – ausführende Gesellschaft benennen durfte, die durch sein Vertreterhandeln verpflichtet sein sollte.
3.
Nach der insoweit ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die verpflichtete Gesellschaft in diesem Sinn die … GmbH und nicht – wie von der Klägerin nunmehr vorgetragen – die Beklagte ist.
a.
Ob die … GmbH ihrerseits im Rahmen der Anmeldung der streitigen Forderungen zur Insolvenztabelle ihre Passivlegitimation bestreitet, ist dabei unerheblich. Im vorliegenden Rechtsstreit ist dies bis zur Unterbrechung und Abtrennung des Verfahrens jedenfalls nicht der Fall gewesen.
Aufgrund der unübersichtlichen bis verworrenen Vertragssituation bei dem Projekt Verölungsanlage könnte das aus der isolierten Betrachtungswarte des Insolvenzverwalters sogar nachvollziehbar sein, wenngleich sich aus der als Anlage S2 vorgelegten Übersicht dieser Einwand so nicht ergibt und er ggf. auch auf einem Informationsversehen beruhen könnte.
b.
Nachdem die Beklagte im hiesigen Verfahren ihre Passivlegitimation ausdrücklich in Höhe von 161.170,23 € bestreitet (Bl. 431), hätte die Klägerin diese insoweit zur Überzeugung des Gerichts nachweisen müssen. Das ist ihr nicht gelungen. Im Gegenteil bestehen nach der Beweisaufnahme keine vernünftigen Zweifel, dass die … GmbH originäre Vertragspartnerin der Klägerin geworden und geblieben ist.
aa.
Die Aussage der Buchhalterin … zu dieser Frage war insgesamt wenig ergiebig. Sie gab in ihrer Vernehmung am 26.07.2016 an, eine erste Rechnung sei auf … persönlich als Vertragspartner der Klägerin ausgestellt worden. Die Rechnung sei im weiteren Verlauf „aus rein zahlungstechnischen Gründen“ auf die … GmbH umgeschrieben worden. An jene seien auch die Folgerechnungen adressiert worden. Später habe die … GmbH in die Beklagte umfirmiert. Die Hintergründe der Rechnungsadressierung kenne sie nicht.
Ihre Angaben waren jedoch allesamt eher zögerlich und von geringem Detailwissen geprägt. Hinsichtlich der Umfirmierung waren sie objektiv unrichtig.
bb.
Der Techniker … antwortete hingegen spontan und im Brustton der Überzeugung auf die Frage des Gerichts nach dem Vertragspartner der Klägerin: „Am Anfang war’s die …“. Diese Einschätzung untermauerte er mit mehreren Details. So konnte er sich erinnern, dass er eine entsprechende Visitenkarte von … bekommen hatte und in den zugehörigen Besprechungsprotokollen eine Kooperation mit der … GmbH vermerkt war. Erst später sei die Beklagte als „neuer Vertragspartner“ bzw. als weiterführende Gesellschaft ins Spiel gekommen.
Seine teilweise abweichenden Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2010 (Bl. 182) konnte er nachvollziehbar erklären. Er sei damals gefragt worden, wer für ihn der Ansprechpartner war. Als solchen habe er – zwischen den Parteien unstreitig und zutreffend – … genannt. Er habe jedenfalls immer den Eindruck gehabt, er sei zunächst von jenem „für die …“ beauftragt worden.
cc.
Der Zeuge … erläutere anschließend die vertragliche Situation aus seiner Sicht. Er habe seinerzeit den Auftrag zum Bau der streitgegenständlichen Anlage für die … GmbH erteilt. Eine Kostenübernahme durch die Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt vereinbart gewesen.
Die … GmbH habe die Anlage im weiteren Verlauf in Eigenregie gebaut und hierfür weitere Aufträge für Maschinenbau und Steuerung vergeben. Nach Fertigstellung des Prototypen Ende 2007 habe es einen „geistigen Break“ gegeben, da Inbetriebnahme und Betrieb der Anlage durch die Beklagte, die Herstellung aber weiter ausschließlich durch die … GmbH erfolgten sollte.
Die Beklagte habe entsprechend auch die Kosten der Inbetriebnahme übernehmen sollen, die mit Rechnungen vom 15.02.2008 (Anlage K30), 14.05.2008 (Anlage K31) und 15.05.2008 (Anlage K32) bekannt gegeben wurden. Die Rechnung vom 22.01.2008 (Anlage K29) sei ein Grenzfall.
dd.
Nach wertender Gesamtbetrachtung dieser Aussagen und der Aktenlage ist die Kammer davon überzeugt, dass zunächst die … GmbH Vertragspartnerin der Klägerin geworden und damit die Darstellung des Zeugen ….. zutreffend ist.
Nur diese ist – im Gegensatz zu dem Sachvortrag der Klägerin – zwanglos mit dem Ablauf der Rechnungsstellung vereinbar. Es fällt auf, dass zwischen dem 05.04.2007 und dem 22.01.2008 insgesamt 16 Rechnungen an die … GmbH gestellt wurden, jedoch nicht eine an die Beklagte. Hätte … tatsächlich die Beklagte als ausführende Gesellschaft benannt, wäre das unerklärlich. Gerade wenn – wie die Klägerin vorträgt und ihre Buchhalterin bestätigt – eine erste Rechnung umgeschrieben wurde, kommt der Auswahl des „zweiten“ Adressaten ein hohes Gewicht zu, da die Beteiligten Anlass haben, sich konkrete Gedanken über seine Person zu machen. Wäre die Schilderung der Klägerin zutreffend, hätte schon diese Rechnung – und jedenfalls alle folgenden – auf die Beklagte, die in diesem Zeitraum gegründet wurde, umgeschrieben werden müssen, was gerade nicht erfolgt ist. Wozu es in diesem Zusammenhang eines „Interims-Zahlungsempfängers“ bedurfte, leuchtet der Kammer nicht ein. Der Abschluss der Gründung der Beklagten hätte jedenfalls abgewartet werden können.
Der von dem Zeugen … beschriebene „geistige Break“ spiegelt sich ebenfalls in der Rechnungsstellung wider, da ab dem 15.02.2008 nur noch vier Rechnungen auf die Beklagte ausgestellt wurden. Sie betrafen nach klägerischer Darstellung gerade die Punkte, für die laut … die Beklagte einstehen sollte.
Seine Aussage war auch insgesamt glaubhaft. Ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens konnte er nicht mehr haben, nachdem die Klage gegen ihn rechtskräftig abgewiesen wurde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge differenziert und nicht einseitig zu Lasten der Klägerin aussagte. So räumte er freimütig ein, dass die Beklagte die an sie gerichteten Rechnungen originär zu zahlen hatte. Dies hätte sich aus dem Vortrag der Klagepartei jedenfalls nicht zwanglos ergeben, da ein Wechsel des Vertragspartners im Laufe der vertraglichen Beziehungen weder geschildert noch für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar war.
Übereinstimmend rückten somit alle vernommenen Zeugen die … GmbH als Vertragspartnerin der Klägerin in den Fokus. Besonders glaubhaft waren dabei die Angaben des Zeugen … der diesmal sehr differenziert und eindeutig aussagte.
Die klägerische Darstellung fand hingegen nicht ansatzweise Bestätigung. Sonstige belastbare Anhaltspunkte für ihre Richtigkeit haben sich nicht ergeben.
Die weiteren Unterlagen vermögen den Gesamteindruck nicht zu erschüttern. Sie sind eher Ausdruck einer recht laxen Handhabung der Formalitäten durch die Klägerin als ein Indiz für die Richtigkeit ihrer Behauptungen.
So ist etwa auf dem Gesprächsprotokoll vom 16.05.2007 (Anlage K8 oder R5) als Kunde „…“, auf dem Protokoll vom 14.11.2007 (Anlage K9) hingegen die … GmbH vermerkt. Ein Wechsel des Vertragspartners in diese Richtung und zu diesem Zeitpunkt wird nicht einmal behauptet. Zudem konnte der Zeuge … nachvollziehbar erklären, dass „…“ der Name des Gesamtprojekts war – was plausibel ist, die Dokumentation für den objektiven Betrachter allerdings nicht weniger verworren erscheinen lässt. Insgesamt kann die Kammer diesen Eintragungen keine gesteigerte Bedeutung zumessen.
Dass auf Anlage R4 wiederum „Fa. …“ genannt ist, ist nicht nur aus eben diesem Grund wenig ergiebig, sondern auch, weil es einer derartige Firma soweit für das Gericht ersichtlich weder gegeben hat noch gibt.
Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass es in den Risikobereich der Klägerin fällt, die Identität ihrer Vertragspartner bei Vertragsschluss eindeutig zu klären und das Ergebnis gerichtsfest zu dokumentieren. Gerade hieran fehlt es, obwohl in anderen Bereichen – etwa zu Fragen der Geheimhaltung – umfangreiche Unterlagen gefertigt wurden.
4.
Die Beklagte ist dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der … GmbH im weiteren Verlauf des Projekts weder beigetreten noch hat sie Schulden mitübernommen – jedenfalls nicht über den von … benannten Rahmen hinaus.
a.
Ob die Klägerin diesen Sachvortrag überhaupt noch aufrecht erhält, ist nicht völlig eindeutig. Einerseits hat sie ihn nicht ausdrücklich aufgegeben, andererseits stehen diese Ausführungen in der Klageschrift eindeutig im Zusammenhang mit der dort behaupteten persönlichen Haftung des Zeugen … und wurden in den letzten Jahren nicht mehr thematisiert.
Streng genommen hat die Klägerin nicht einmal die entsprechende Aussage des Zeugen aufgegriffen und sich zu Eigen gemacht.
b.
Letztlich kann auch dies dahinstehen, da eine Vertrags- bzw. Schuldübernahme oder ein Vertrags- bzw. Schuldbeitritt durch die Beklagte ohnehin nicht in Betracht kommt, da weder der Mail vom 07.12.2007 (Anlage K12) noch den Zahlungen der Beklagten bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 159 BGB ein derartiger Erklärungsinhalt entnommen werden kann.
aa.
In Anlage K12 findet die Beklagte keinerlei Erwähnung. Die Nachricht des Zeugen … wurde über einen Server der … AG verschickt. Anhaltspunkte, warum mit „wir“ die Beklagte gemeint sein könnte, finden sich nicht. Jedenfalls kann das Personalpronomen nicht – wie wohl von der Klägerin intendiert – dahingehend verstanden werden, dass alle von … vertretenen Firmen Zahlungen leisten sollten.
Ferner hat die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen, dass die avisierte Ratenzahlung im Zusammenhang mit einer angedachten – wie auch immer gearteten – „Beteiligung“ der Klägerin stand, die etwa in der Mail vom 16.07.2008 (Anlage B3) thematisiert wurde. Der Wortlaut der Anlage kann durchaus in diese Richtung verstanden werden, da eingangs von einer „Verrechnung“ die Rede ist, zu der die Ratenzahlung eine Alternative darstellen könnte. Gelebt wurde dies in der Folgezeit jedenfalls nicht.
bb.
Die rein tatsächlich geleisteten Zahlungen durch die Beklagten führen nicht dazu, dass sie alle anderen offenen Rechnungen zu begleichen hat. Eine derart weitreichende Rechtsfolge würde ein neutraler Betrachter einer Zahlung nicht beimessen. Letztlich wäre diese Auslegung weder lebensnah noch im Interesse des Gläubigers, der auf die Zahlung des Dritten keinen Anspruch hat. Jener wäre aber nicht bereit, irgendeine fremde Schuld zu begleichen, wenn er damit Gefahr liefe, für weitere Forderungen einstehen zu müssen.
c.
Allenfalls kommt eine wie auch immer geartete „Mithaftung“ der Beklagten in dem von … genannten Umfang in Betracht. Etwaige Forderungen hieraus sind aber bereits durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen.
Die 20 gestellten Rechnungen verteilen sich auf die … GmbH und die Beklagte nämlich wie folgt:
Adressat
Forderung

217.830,23 €
Beklagte
12.743,71 €
Summe
230.573,94 €
Unstreitig leistete die Beklagte folgende Zahlungen:
29.01.2008
30.000,00 €
27.06.2008
10.000,00 €
25.02.2009
374,85 €
Summe
40.374,85 €
Rein tatsächlich zahlte die Beklagte demnach einen deutlich höheren Betrag als nach Rechnungslage veranlasst gewesen wäre:

Beklagte
Summe
Rechnungen
217.830,23 €
12.743,71 €
230.573,94 €
bezahlt
-16.660,00 €
-40.374,85 €
-57.034,85 €
offen
201.170,23 €
-27.631,14 €
173.539,09 €
Ihre Darstellung, es habe sich bei der ersten Zahlung um eine Leistung auf fremde Schuld gehandelt – was von der Klägerin nicht einmal substantiiert in Abrede gestellt wurde – ist damit einleuchtend.
In diesem Fall ergibt sich folgende Berechnung, die zeigt, dass der Klägerin gegen die Beklagte jedenfalls nach dem Anerkenntnis vom 18.11.2015 kein Restbetrag zusteht:

Beklagte
Rechnungen
217.830,23 €
12.743,71 €
bezahlt
-46.660,00 €
-10.374,85 €
anerkannt
-2.368,86 €
offen
171.170,23 €
0,00 €
5.
Da die Forderung schon dem Grund nach nicht besteht, erübrigen sich Überlegungen zu ihrer Höhe.
6.
Mangels Hauptforderung sind auch die Nebenforderungen nicht begründet.
B.
Die zulässige Widerklage ist mangels Verstößen gegen zwischen den Parteien vereinbarte Konkurrenzverbote ebenfalls unbegründet.
I.
Die Widerklage ist zulässig.
1.
Das Landgericht … ist auch für die Entscheidung der Widerklage gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.
2.
Die besonderen Voraussetzungen der Widerklage sind ersichtlich gegeben. Insbesondere besteht die gemäß § 33 ZPO erforderliche Konnexität, da die mit ihr verfolgten Ansprüche aus demselben Projekt resultieren, das der Klage zugrunde liegt.
3.
Anders als die Beklagte beruft sich die Klägerin nicht auf eine gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO entgegenstehende Schiedsvereinbarung. Im Übrigen ist eine solche aus den unter A.II.2 genannten Gründen ohnehin nicht einschlägig.
II.
Die Widerklage ist jedoch unbegründet, da die Klägerin keine Vertragsstrafe gemäß § 339 S. 2 BGB i.V.m. Ziffer 6 der Kooperationsvereinbarung vom 11.11.2008 (Anlage B8) verwirkt hat.
1.
Die von der Beklagten behaupteten Versuche der Klägerin, insgesamt drei Mitarbeiter der Beklagten abzuwerben, erfüllen bereits den Tatbestand der Absprache nicht, da nach dem Wortlaut der Klausel nur Zusammenarbeiten mit, Beteiligungen an und Förderungen von Konkurrenzunternehmen untersagt waren. Keiner dieser Varianten ist bei der bloßen Abwerbung von Mitarbeitern bereits einschlägig. Ein ausdrückliches Abwerbungsverbot wie in der Geheimhaltungsvereinbarung (Anlage B1) fehlt.
a.
Hinsichtlich des Ingenieurs … hat die Beklagte zwar mit Anlage B9 den Entwurf eines Ingenieurvertrags vom 14.05.2009 vorgelegt; es bleibt jedoch im Dunkeln, ob dieser tatsächlich geschlossen wurde.
Letztlich kann dies aber dahinstehen, da der mit dieser Vereinbarung ausweislich ihrer Ziffer 1 ins Auge gefasste Vertragsgegenstand auf die „Mitwirkung und Unterstützung des TÜV … bei der Erstellung der Machbarkeitsstudie für eine Direktverflüssigungsanlage“ begrenzt ist. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, wie die Klägerin der Beklagten mit dieser Studie Konkurrenz gemacht haben könnte, zumal ausdrücklich nur die bereits vorhandene Pilotanlage bewertet werden sollte und die Begutachtung durch den TÜV nach der nachvollziehbaren Darstellung der Klägerin einen notwendigen Zwischenschritt auf dem Weg zur Marktreife darstellte. Dieses Ziel, das auch in der Präambel der Kooperationsvereinbarung angelegt ist, verfolgten die Parteien nach ihrem übereinstimmenden Vortrag von Anfang an.
b.
Hinsichtlich der Mitarbeiter … fehlt es schon an substantiiertem Sachvortrag zu den behaupteten Abwerbungsversuchen, die ohnehin auch nach der Darstellung der Beklagten in einem frühen Versuchsstadium stecken blieben.
2.
Die in Ziffer 10 des Vertragsentwurfs vom 14.05.2009 (Anlage B9) beschriebene Planung des Aufbaus einer Fertigung für Direktverflüssigungsanlagen in … ist auch nach der Darstellung der Beklagten nicht über dieses Stadium hinausgekommen. Daraus resultierende konkrete Nachteile für die Beklagte, die für die Verwirkung der Vertragsstrafe unabdingbar wären, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien ist ersichtlich daran gescheitert, dass sie wohl unvereinbare Vorstellungen über die Zukunft der gemeinsamen Zusammenarbeit hatten (Stichwort: Beteiligung) und die projektierte Bionisierungsanlage technisch und/oder wirtschaftlich nicht wie erhofft funktionierte.
Im Übrigen ist Planung der Klägerin in A. wohl im Zusammenhang mit dem Term-Sheet vom 26.05.2009 (Anlage K45) über die Fortführung des Projekts zu sehen, das zwischen den Parteien diskutiert, wurde, wenngleich sie insoweit keine Einigung erzielen konnten. Eine Fortführung der Planung über diesen Zeitpunkt hinaus ist nicht ersichtlich.
3.
Im Übrigen kann die Kammer nicht nachvollziehen, warum die beanstandeten Aktivitäten der Klägerin als zwei separate Verstöße behandelt werden sollen, obwohl sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
Demnach könnte die Klägerin allenfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von 100.000 € verwirkt haben. Da die Beklagte etwaige Ansprüche aber am 12.07.2010 (Anlage B16) in Höhe von 161.170,23 € an die … GmbH wirksam abgetreten hat, bliebe für eine Forderung gegen die Beklagte ohnehin kein Raum.
4.
Da der Anspruch bereits nicht entstanden ist, erübrigen sich Überlegungen zu seiner Verjährung.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die Parteien sind wie folgt unterlegen:
Klägerin
Beklagte
Summe
Klage
171.170,23 €
2.368,86 €
173.539,09 €
Widerklage
0,00 €
26.461,91 €
26.461,91 €
Summe
171.170,23 €
28.830,77 €
200.001,00 €
%
86 %
14 %
100 %
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich für die Klägerin aus § 709 S. 2 ZPO, für die Beklagte aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, da beide Parteien nur (anteilig) hinsichtlich ihrer Kosten vollstrecken können.
D.
Der Streitwert ist unter Abänderung des Beschlusses vom 29.09.2015 (Bl. 433) gemäß § 3 ZPO i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG auf die Summe der mit Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche, mithin auf 200.001,00 € festzusetzen. § 48 Abs. 1 S. 3 GKG ist nicht anzuwenden, da die Ansprüche unterschiedliche Gegenstände im Sinne der Norm betreffen.

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