Aktenzeichen 34 SchH 5/16
EuÜ EuÜ Art. VI Abs. 3
Leitsatz
1. Zum Verhältnis zwischen der Aussetzungsregelung in Art. VI Abs. 3 EuÜ und dem Überprüfungsantrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO. (amtlicher Leitsatz)
2. Im Anwendungsbereich des EuÜ ist auf Antrag das Verfahren über die Feststellung der (Un-)Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens grundsätzlich ohne abschließende Prüfung des Bestehens einer Schiedsvereinbarung bis zum Erlass des Schiedsspruchs auszusetzen, sofern dem Aussetzungsantrag kein wichtiger Grund entgegensteht. Bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund entgegensteht, ist die Geltung der Schiedsvereinbarung nur prima facie zu beurteilen und sind die individuellen Gesamtumstände unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz abzuwägen. (amtlicher Leitsatz)
Tenor
I.
Das Verfahren auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens wird bis zum Erlass des Schiedsspruchs in dem vom Internationalen Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) administrierten Verfahren Nr. … ausgesetzt.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.Die Parteien, zwei ausländische Handelsgesellschaften, streiten über die Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens.
Die in Ungarn ansässige Antragsgegnerin hat mit Schiedsklage (Request for Arbitration) vom 19.2.2016 beim Sekretariat des Gerichtshofs der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris (Frankreich) um Durchführung eines Schiedsverfahrens gegen die in Österreich ansässige Antragstellerin nachgesucht. Sie behauptet Ansprüche in Höhe von HUF 1.146.591.835 (umgerechnet rund 3,7 Mio. €) aus einer Verletzung des am 1.5.2012 geschlossenen Vertrags (purchase agreement for goods) wegen Lieferung mangelhafter Ware (Spanplatten) im Jahr 2014. Mit ihrer Schiedsklage verlangt sie Ersatz des bezifferten Schadens und die Feststellung, dass die Schiedsbeklagte für alle noch entstehenden Ansprüche aus der behaupteten Vertragsverletzung einzustehen hat.
Nr. 14 des von beiden Parteien unterzeichneten, in englischer Sprache abgefassten Vertrags enthält – in deutscher Übersetzung – folgende Schiedsklausel:
14.1 Sämtliche Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten oder Klageansprüche aus oder in Verbindung mit dieser Vereinbarung oder ihrer Verletzung … sollen endgültig durch ein Schiedsgericht unter der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer, ICC, entschieden werden. …
14.3 Der Sitz des Schiedsgerichts ist München, Deutschland.
Gemäß Nr. 15.1 sind auf den Vertrag die Vorschriften des UN-Kaufrechts (CISG) anzuwenden.
Die Schiedsbeklagte hat mit der Erwiderung vom 24.3.2016 die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts geltend gemacht mit der Behauptung, die Schiedsklausel sei wie der Vertrag selbst gemäß dessen Anlagen 1, 4, 5 und 6 nur bis zum 31.8.2012 gültig gewesen und erstrecke sich nicht auf die – bestrittenen – Ansprüche aus späteren Warenbestellungen. Für letztere sei auch sonst keine Schiedsvereinbarung getroffen worden.
Am 8.4.2016 – vor Bildung des Schiedsgerichts – hat die Schiedsbeklagte als Antragstellerin beim Oberlandesgericht München die Feststellung beantragt, dass die von der Antragsgegnerin anhängig gemachte Schiedsklage unzulässig ist. Die Schiedsvereinbarung erstrecke sich wegen der Befristung des Vertrags vom 1.5.2012 nicht auf die dem Schiedsgericht unterbreiteten Ansprüche. Für diese sei vielmehr die Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich, die durch Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schiedsbeklagten im Zusammenhang mit deren späteren Warenbestellungen zustande gekommen sei.
Die Antragsgegnerin ist dieser Vertragsauslegung unter Beweisantritt entgegengetreten. Zudem hat sie unter Bezugnahme auf das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (EuÜ; BGBl 1964 II S. 425) die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Schiedsgerichts im Hauptsacheverfahren beantragt.
Die Antragstellerin hat sich mit einer Aussetzung nur bis zu einer Entscheidung des Schiedsgerichts über die Zuständigkeitsrüge einverstanden erklärt. Dieser Zwischenentscheid solle sodann auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden. Ein Zuwarten bis zum Erlass des Schiedsspruchs sei ihr mit Blick auf die zu erwartenden Kosten von USD 162.500 und die voraussichtliche Dauer des Schiedsverfahrens bis März 2018 nicht zuzumuten; dem Aussetzungsverlangen stehe deshalb ein wichtiger Grund entgegen.
II. Das gerichtliche Verfahren wird in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ausgesetzt.
1. Prüfungsgegenstand des Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO kann – wie hier – die Frage sein, ob der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (vgl. BGH SchiedsVZ 2012, 281; Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 1032 Rn. 23). Zuständig zur Entscheidung über diesen Antrag auf (negative) Feststellung ist gemäß § 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu (vom 11.6.2012, GVBl S. 295) das Oberlandesgericht München.
2. Nicht von Amts wegen, wohl aber auf den Antrag der Antragsgegnerin (vgl. MüKo/Adolphsen ZPO 4. Aufl. EuÜ Art. VI Rn. 15; Schlosser Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. Rn. 622) wird das Verfahren gemäß Art. VI Abs. 3 EuÜ bis zum Erlass des Schiedsspruchs in dem vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahren ausgesetzt.
a) Der Anwendungsbereich des Übereinkommens ist eröffnet (Art. I EuÜ).
In der an den Schiedsgerichtshof herangetragenen Streitigkeit bezieht sich die Klagepartei auf eine Schiedsvereinbarung (Art. I Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a EuÜ), die zur Regelung künftig entstehender Streitigkeiten aus einem internationalen Handelsgeschäft (Art. I Abs. 1 Buchst. a EuÜ) durch ein ständiges Schiedsgericht (Art. I Abs. 2 Buchst. b EuÜ) zwischen zwei juristischen Personen mit Sitzen (Art. I Abs. 2 Buchst. c EuÜ) in verschiedenen Vertragsstaaten des EuÜ (Art. I Abs. 1 Buchst. a EuÜ), zu denen auch die Republik Österreich und die Republik Ungarn gehören, geschlossen worden sein soll (vgl. Schlosser in Stein/Jonas ZPO 23. Aufl. Anhang zu § 1061 Rn. 391 f.; ders. Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Rn. 88 – 91).
Mangels vorrangiger bilateraler Übereinkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn (https://www…html) und vorrangiger mehrseitiger zwischenstaatlicher Verträge kommt das EuÜ als völkerrechtliche Regelung zur Anwendung (vgl. MüKo/Adolphsen UNÜ Art. II Rn. 23 und Art. VII Rn. 4; Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 389; Musielak/Voit ZPO 13. Aufl. § 1061 Rn. 7; Moller NZG 2000, 57). Weil auch die Bundesrepublik Deutschland Vertragsstaat des Abkommens ist, besteht kein Zweifel an der territorialen Bindung (Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 394-396).
b) Insbesondere ist Art. VI Abs. 3 EuÜ anwendbar.
Jedenfalls dann, wenn – wie hier – der im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO verfolgte Feststellungsantrag damit begründet wird, dass eine Schiedsvereinbarung für die dem Schiedsverfahren angetragenen Ansprüche nicht bestehe (vgl. BayObLGZ 1999, 255; 2001, 311/315; Schlosser in Stein/Jonas § 1032 Rn. 38 f.), ist das Gericht trotz der unterschiedlichen Begrifflichkeiten mit einer „Klage auf Feststellung, dass die Schiedsvereinbarung nicht bestehe“, im Sinne von Art. VI Abs. 3 EuÜ befasst (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 45 Rn. 7).
Anders als die ebenfalls Schiedsvereinbarungen betreffende Regelung in Art. II des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 121) ist das EuÜ einschließlich dessen Art. VI Abs. 3 nicht nur dann anzuwenden, wenn der Schiedsort im Hoheitsgebiet eines aus Sicht des angerufenen Gerichts ausländischen Staates liegt. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf ausländische Schiedsverfahren – wie etwa Art. I Nr. 1 UNÜ – enthält das EuÜ nicht.
Eingeleitet wurde das schiedsrichterliche Verfahren (Art. I Abs. 1 Buchst. a und b EuÜ) bereits mit dem an den Schiedsgerichtshof gerichteten Antrag (Request for Arbitration) vom 19.2.2016 (MüKo/Adolphsen EuÜ Art. VI Rn. 14; Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 426).
In dieser Verfahrenslage hat das angerufene staatliche Gericht auf den gestellten Antrag (Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 425) unter Beachtung der (vorläufigen) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts (Art. V Abs. 3 EuÜ) grundsätzlich ohne weitere Prüfung des Bestehens einer Schiedsvereinbarung die Entscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auszusetzen, bis der Schiedsspruch ergangen ist ( MüKo/Adolphsen UNÜ Art. II Rn. 37 und Art. VII Rn. 6 sowie EuÜ Art. VI Rn. 17; Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 422 f.; Moller NZG 2000, 57/65).
Ein schiedsfreundlicheres staatsvertragliches Verfahrensregime, das nach Art. X Abs. 7 EuÜ und dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu beachten wäre (vgl. BGH WM 1976, 435/436; SchiedsVZ 2003, 281; SchiedsVZ 2005, 306/307; MüKo/Adolphsen EuÜ Art. X Rn. 1 mit UNÜ Art. VII Rn. 4; Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 386; Musielak/Voit § 1061 Rn. 7; Schlosser Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Rn. 815; Quinke SchiedsVZ 2011, 169/171 und 173), besteht nicht. Die innerstaatliche Norm des § 1032 Abs. 2 ZPO selbst überlagert die Bestimmungen des EuÜ nicht (Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 446a; MüKo/Adolphsen UNÜ Art. VII Rn. 8); auf die Frage, ob § 1032 Abs. 2 mit Abs. 3 ZPO gegenüber Art. VI EuÜ als schiedsfreundlichere Norm anzusehen wäre (siehe auch MüKo/Adolphsen UNÜ Art. II Rn. 28 m. w. N.), kommt es daher nicht an.
c) Ein wichtiger Grund, der der Aussetzung entgegenstehen würde (Art. VI Abs. 3 EuÜ), liegt nicht vor.
aa) Ein solcher kann nicht darin erblickt werden, dass der nationale Gesetzgeber mit der Einführung von § 1032 Abs. 2 und 3 ZPO durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3224) eine zivilprozessuale Möglichkeit geschaffen hat, die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts in einem frühen Verfahrensstadium und parallel zum Schiedsverfahren gerichtlich zu klären.
(1) Die Gefahr, der mit Art. VI Abs. 3 EuÜ begegnet werden sollte, hat der nationale Gesetzgeber durch die Ausgestaltung als schiedsverfahrensbegleitendes Verfahren lediglich reduziert (§ 1032 Abs. 2 und 3 ZPO).
Den Vertragsstaaten des EuÜ haben im Jahr 1961 nur regelrechte Feststellungsklagen über die (Un-)Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung vor Augen gestanden (vgl. Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 423). Die Bestimmung des Art. VI Abs. 3 EuÜ sollte daher verhindern, dass die Partei einer Schiedsvereinbarung auf Kosten der anderen Partei das Schiedsverfahren durch die Anrufung des staatlichen Gerichts blockiert (MüKo/Adolphsen EuÜ Art. VI Rn. 13; Schlosser in Stein/Jonas § 1032 Rn. 37).
Mit der Einführung des § 1032 Abs. 2 ZPO hat der Gesetzgeber eine deutsche Besonderheit geschaffen (Schlosser in Stein/Jonas § 1032 Rn. 37; Busse SchiedsVZ 2003, 189/190; Huber SchiedsVZ 2003, 73/74) und die nach früherem Recht gemäß § 1046 ZPO (i. d. F. vom 1.1.1964) gegebene Rechtsschutzmöglichkeit als Antragsverfahren zur möglichst frühzeitigen Klärung der Gültigkeit und Durchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung ausgestaltet (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 38; BGH SchiedsVZ 2012, 281; Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 1032 Rn. 2 f. mit 35; Schroeter SchiedsVZ 2004, 288; Mann/Lumpp SchiedsVZ 2011, 323/326; Bericht der Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts S. 104 f.). Verschleppungstaktiken wird mit § 1032 Abs. 3 ZPO begegnet (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 38; Schlosser in Stein/Jonas § 1032 Rn. 43). Ein verzögernder Effekt des gerichtlichen Verfahrens auf das Schiedsverfahren ist dadurch jedoch nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Dies gilt besonders dann, wenn zur Klärung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht lediglich Rechtsfragen entschieden, sondern Tatsachenfragen geklärt und Beweise erhoben werden müssen. Ein dem Art. VI Abs. 3 EuÜ gleichwertiges Schutzniveau erzielt § 1032 (Abs. 2 und 3) ZPO deshalb nicht.
(2) Zudem darf die nationale Norm nicht als Loslösung von völkervertraglichen Verpflichtungen verstanden werden. § 1032 Abs. 2 ZPO ist – wie alle Gesetze – im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden. Dass die Vorschrift erst nach dem Zustandekommen des EuÜ erlassen wurde, ändert daran nichts; denn es spricht nichts dafür, dass der Bundesgesetzgeber von völkervertraglichen Verpflichtungen abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen wollte (vgl. BVerfGE 74, 358/370).
Nach Art. VI Abs. 3 EuÜ ist die Entscheidung über „die Zuständigkeit des Schiedsgerichts“, d. h. über die Wirksamkeit, Durchführbarkeit und Reichweite der Schiedsvereinbarung (BayObLGZ 1999, 255; OLG Hamburg, 6 SchH 4/08 juris Rn. 18 ff.; MüKo/Münch § 1032 Rn. 24 f.; Schlosser Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Rn. 621; Huber SchiedsVZ 2003, 73/74), auszusetzen, wenn die Einrede in einem vom Anwendungsbereich des EuÜ erfassten Verfahren erhoben wird. Unter den mehreren möglichen Regelungsoptionen zur Verhinderung von Verzögerungstaktiken (Steinbrück Die Unterstützung ausländischer Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte S. 378) haben die Vertragsstaaten den Weg der vollständigen Vermeidung von Verfahrensparallelität im Falle entsprechender Antragstellung gewählt (Deutsche Denkschrift BT-Drucks. IV/1597 S. 33 f.; Schütze Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. S. 1115). Auch mit Blick auf die bestehende völkervertragliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland kann § 1032 Abs. 2 ZPO daher nicht im Sinne einer Bereichsausnahme von der Aussetzungspflicht ausgelegt werden (vgl. Zöller/Geimer § 1032 Rn. 23; Steinbrück S. 377 f.).
bb) Maßgeblich sind vielmehr die individuellen Umstände des jeweiligen Falles unter Beachtung des grundsätzlichen Vorrangs des Schiedsverfahrens (vgl. Schütze Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit S. 1116). Danach ist zwar der Begriff des wichtigen Grundes in Art. VI Abs. 3 EuÜ wegen seines Ausnahmecharakters (Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 427) tendenziell mit Zurückhaltung anzunehmen; zugleich aber sind die Vorteile einer frühzeitigen Klärung der Vereinbarungsbasis und die mit einem gerichtlichen Parallelverfahren verbundenen Nachteile unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls – etwa des prognostizierten Kosten- und Zeitaufwands im schiedsrichterlichen Verfahren, des Grads der Unsicherheit über die Vereinbarungsbasis – in einer Gesamtschau abzuwägen (vgl. auch Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 423, 427; ders. Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Rn. 624).
(1) Ein wichtiger Grund ist hier nicht deshalb zu bejahen, weil die Schiedsvereinbarung offenkundig unwirksam oder der Streitgegenstand – mit Blick auf die (behauptete) Befristung des Vertrags – offensichtlich nicht von der Schiedsvereinbarung erfasst wäre (vgl. MüKo/Adolphsen EuÜ Art. VI Rn. 19; Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 427; ders. Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Rn. 624; Schütze Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit S. 1116; Schwab/Walter Kap. 45 Rn. 7).
Die nach Art. I Abs. 2 Buchst. a EuÜ an Schiedsvereinbarungen gestellten Formerfordernisse sind erfüllt.
Das Vertragsdokument erlaubt die Annahme einer befristeten Geltungsdauer der vertraglichen Beziehung einschließlich der Schiedsvereinbarung nicht ohne weiteres. Als naheliegendes Vertragsverständnis kommt vielmehr in Betracht, dass die in den Anhängen 1 (Menge und Spezifikation der auf Abruf zu liefernden Ware), 4 (Umweltstandards), 5 (Preisliste) und 6 (Verpackung und Stapelung) auf den 31.8.2012 befristete Geltungsdauer zwar für die in den Anhängen geregelten Vertragspflichten gelten soll, der Vertrag selbst aber nicht zeitlich befristet geschlossen wurde. Dem steht nicht zwingend entgegen, dass sich die wechselseitigen Hauptleistungspflichten aus den zeitlich befristeten Anhängen ergeben und der Vertrag weder als Rahmenvertrag bezeichnet ist noch Bestimmungen zu seiner Kündigung enthält.
Insbesondere aber verpflichtete sich die Antragstellerin in Ziff. 3.4 des Vertrags, alle sechs Monate auf Anforderung der Antragsgegnerin eine Zusammenstellung der bestellten und gelieferten Mengen bereitzustellen. Diese Regelung widerspricht der behaupteten Vertragslaufzeit von nur vier Monaten. Sinn und Anwendungsbereich der Vereinbarung unter der Prämisse der behaupteten kurzen Vertragslaufzeit hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt.
(2) Umstände, die die Prognose zuließen, der zu erwartende inländische Schiedsspruch werde in Deutschland nicht für vollstreckbar erklärt werden können (vgl. Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 427; Schütze Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit S. 1116), sind nicht ersichtlich.
(3) Die von der Antragstellerin geltend gemachten Gesichtspunkte stehen der Aussetzung nicht als wichtige Gründe entgegen.
Die von ihr mit USD 162.500 prognostizierten Kosten für das Schiedsverfahren sind zwar in ihrer absoluten Höhe nicht unerheblich. Schwerwiegende Auswirkungen auf ihre Liquidität behauptet die Antragstellerin jedoch selbst nicht; angesichts des im Firmenbuch der Republik Österreich mit 5,7 Mio. Euro angegebenen Kapitals sind sie auch nicht ohne weiteres zu erwarten. Die im Schiedsverfahren anfallenden Kosten sind zudem in gewissem Umfang von den Parteien selbst beeinflussbar.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin ein Abwarten angesichts der prognostizieren Dauer des Schiedsverfahrens bis März 2018 nicht zumutbar wäre. Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren umfangreiche zeitliche Ressourcen binden würde, sind nicht dargelegt. Die Gefahr eines Beweismittelverlusts ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, zumal kein Anhalt dafür besteht, dass die benannten Zeugen und Parteien nicht zeitnah im Schiedsverfahren vernommen und ihre Angaben gesichert werden können.
(4) Hinzu kommt, dass durch die Aussetzung nicht nur eine Parallelität der Beweisaufnahme, sondern außerdem eine mögliche Beeinflussung der Sachentscheidung selbst vermieden wird.
Zur Klärung der Schiedsbindung erscheint eine Beweisaufnahme durch Zeugen- und Parteivernehmung erforderlich. Gemäß Art. VI Abs. 2 EuÜ (Art. 3 Nr. 2 EGBGB; MüKo/Adolphsen EuÜ Art. VI Rn. 6; Stürner/Wendelstein IPRax 2014, 473/474) richtet sich die Auslegung der Schiedsvereinbarung, hier die Beurteilung ihrer Reichweite, bei fehlender (ausdrücklicher oder gegebenenfalls konkludenter) Parteivereinbarung über das Schiedsstatut (Art. VI Abs. 2 Buchst. a EuÜ) nach dem Recht des voraussichtlichen Schiedsorts, hier dem der Bundesrepublik Deutschland (Art. VI Abs. 2 Buchst. b EuÜ; vgl. MüKo/Adolphsen Art. VI EuÜ Rn. 8 f.). Unabhängig davon, ob für die Auslegung der Schiedsklausel letztlich auf Art. 8 Abs. 1 CISG als lex causae (vgl. BGH WM 2010, 2025/2028 Rn. 30; Stürner/Wendelstein IPRax 2014, 473/478 f. m. w. N.) oder – gegebenenfalls unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens von Art. 4 Abs. 3 oder Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I; vgl. BGH SchiedsVZ 2014, 151/153; Staudinger/Magnus BGB [2016] Rom-I-VO Art. 1 Rn. 73 f. sowie 78; Schütze SchiedsVZ 2014, 274/275) – auf § 133 BGB (Senat vom 7.7.2014, 34 SchH 1/13 = SchiedsVZ 2014, 262; auch Schlosser Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Rn. 254; Staudinger/Magnus Wiener UN-Kaufrecht [2013] Einl Rn. 29, 42; König SchiedsVZ 2012, 129/132 f.) abzustellen ist, wird es auf den übereinstimmenden Willen oder den unter Berücksichtigung der Gesamtumstände festzustellenden objektiven Erklärungswert ankommen.
Eine Beweisaufnahme über die Reichweite der Schiedsvereinbarung berührt hier allerdings nicht nur Zulässigkeitsfragen, die mit der Schiedsvereinbarung zusammenhängen (vgl. BGH SchiedsVZ 2011, 281), sondern möglicherweise bereits die – nicht ausschließbar dem Schiedsgericht vorbehaltene – Entscheidung in der Sache selbst; denn die Antragstellerin hat mit ihrer Erwiderung auf die Schiedsklage (S. 12 f.) auch den materiellen Anspruch unter Verweis auf die behauptete Befristung des Vertrags und die daraus abgeleiteten Rechtsfolgen (Geltung der eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei späteren Käufen u. a.) bestritten.
(5) Unter Abwägung aller Umstände verneint der Senat das Vorliegen eines wichtigen Grundes.
Ob der Vorteil einer schiedsverfahrensbegleitenden frühzeitigen Zuständigkeitsklärung bei unsicherer Vereinbarungsbasis häufig – oder meist (Schlosser in Stein/Jonas Anhang zu § 1061 Rn. 423) – die Annahme eines wichtigen Aussetzungsgrunds nach Art. VI Abs. 3 EuÜ rechtfertigt, kann dahinstehen. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Gesamtumstände liegt ein solcher hier nicht vor. Eine Feststellung darüber, ob die Gefahr der Obstruktion seitens der Antragstellerin konkret besteht, ist ungeachtet der Unsicherheit jeder Prognose nicht erforderlich.
cc) Der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Justizgewährungsanspruch und das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. BVerfGE 88, 118/123 f.; 107, 395/401 ff.; BVerfGK 17, 512/515; BVerfG NJW 2013, 3432 f.; BGH NJW-RR 2005, 925/926; NJW 2009, 2539) sowie das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR vom 1.4.2010, 12852/08, juris Rn. 43 f.) stehen der Aussetzung hier nicht entgegen.
Die Antragstellerin erfährt wirkungsvollen Rechtsschutz dadurch, dass die Geltung der Schiedsvereinbarung – wenn auch nur prima facie – vor der Aussetzungsentscheidung geprüft wird und wichtige Gründe, die einer Aussetzung entgegenstehen, bei der Entscheidung Berücksichtigung finden. Die detaillierte Überprüfung der Schiedsklausel wird zwar zeitlich hinausgeschoben, gewährt aber auch im späteren Zeitpunkt noch vollen Rechtsschutz. Weder liegt bereits jetzt Entscheidungsreife im Sinne der Antragstellerin vor (siehe zu (4)) noch sind nachträglich nicht mehr zu behebende erhebliche tatsächliche Nachteile als Folge der zeitlichen Verzögerung vorgetragen (siehe zu (3)). Unbehebbare rechtliche Nachteile drohen wegen des Vorrangs der staatlichen Gerichte, letztverbindlich die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens zu beurteilen, nicht (vgl. BGH SchiedsVZ 2011, 281), zumal Art. 6 ICC-SchO für das Schiedsverfahren sicherstellt, dass der Einwand dort in einem geregelten Verfahren zeitnah Beachtung findet. Der Gefahr eines Beweismittelverlustes kann durch Vorkehrungen im Schiedsverfahren begegnet werden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass sich das Schiedsverfahren aus Gründen, die die Antragstellerin nicht beeinflussen kann, in die Länge ziehen wird und deshalb die detaillierte Prüfung der Schiedsvereinbarung innerhalb angemessener und auch zumutbarer Frist nicht zu erwarten wäre.
III. Gegen diese Entscheidung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen. Eine Zusammenschau von § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach gegen eine Entscheidung über den negativen Feststellungsantrag kraft Gesetzes die Rechtsbeschwerde statthaft ist, mit § 252 ZPO, wonach ein Aussetzungsbeschluss einer Überprüfung im Rechtsmittelzug nicht entzogen ist, ergibt, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Aussetzung des Feststellungsverfahrens statthaft ist. Die Frage des Verhältnisses von § 1032 Abs. 2 ZPO zu Art. VI Abs. 3 EuÜ als staatsvertraglicher Bestimmung (vgl. § 1065 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist für eine unbestimmte Anzahl von Fällen von Bedeutung und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Hierzu ergeht folgende Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung kann Rechtsbeschwerde eingelegt werden. Die Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.
Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Beteiligten müssen sich durch eine bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwältin oder einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Die Rechtsbeschwerde ist zudem binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt ebenfalls mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.