Aktenzeichen 10 ZB 16.750
RL 2013/33/EU Art. 15 Abs. 2
Leitsatz
1 Ein Gericht verletzt das rechtliche Gehör nicht, wenn es einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erst im Rahmen des Urteils ablehnt, ohne dem Kläger nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts aus Art. 26 der Richtlinie 2011/95/EU, dass Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten der Zugang zum Arbeitsmarkt bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag verwehrt werden kann, kommt es auf die ordnungsgemäße und fristgerechte Umsetzung und die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU nicht mehr an. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 1 K 15.1686 2016-03-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1. März 2016 ist wirkungslos geworden.
III.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
Der Kläger und der Beklagte haben den Rechtsstreit mit ihren Erklärungen vom 11. November 2016 und vom 18. November 2016 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO ist daher das Verfahren durch Beschluss einzustellen und gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO in dem Beschluss auszusprechen, dass das erstinstanzliche Urteil vom 1. März 2016 damit wirkungslos geworden ist.
Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist ferner über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Kläger aufzuerlegen, weil er im Zulassungsverfahren ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre.
Erledigendes Ereignis ist vorliegend die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als offensichtlich unbegründet durch den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. August 2016. Spätestens mit Bestandskraft des Bescheids am 6. September 2016 ist die Aufenthaltsgestattung des Klägers erloschen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG). Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG besteht daher nicht mehr.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hätte jedoch nach der im Rahmen des § 161 Abs. 2 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage keinen Erfolg gehabt, weil der Kläger die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt hat und sie auch nicht vorliegen.
Aus dem Zulassungsvorbringen ist nicht erkennbar, inwiefern die Ablehnung des Antrags des Klägers, die im Schriftsatz vom 29. Februar 2016 aufgeworfenen Fragen dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV vorzulegen, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers darstellen sollte. Das Gericht konnte den Antrag, das gerichtliche Verfahren auszusetzen und die gestellten Fragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, erst im Rahmen des Urteils ablehnen (Schmid in Sodan/Ziekow, 4. Auflage 2014, § 94 Rn. 54), ohne dem Kläger nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ein Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO ist ebenfalls nicht ersichtlich, weil das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers nicht aus Gründen, die unter die in § 86 Abs. 3 VwGO geregelte Hinweispflicht fallen, abgelehnt hat, sondern weil die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht erfüll waren.
Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen ist nicht hinreichend dargelegt, weil diese Rechtsfragen nach der vom Prozessgericht vertreten Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich sind. Das Gericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich auf den Prozesskostenhilfebeschluss vom 22. Dezember 2015, Au 1 K 15.1686, verwiesen. Dort ist ausgeführt, dass unabhängig von der fristgerechten und ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 2013/33/EU in nationales Recht Art. 15 Abs. 2 dieser Richtlinie keinen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis einräumt und bei richtlinienkonformer Auslegung von § 61 Abs. 2 AsylG migrationspolitische Erwägungen in die Ermessensentscheidung einfließen dürfen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus Art. 26 der Richtlinie 2011/95/EU sowie den Erwägungsgründen 13, 23 und 25 der Richtlinie 2013/33/EU, dass Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten der Zugang zum Arbeitsmarkt bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag verwehrt werden kann. Auf die ordnungsgemäße und fristgerechte Umsetzung, die unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU und die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 31. März 2015 und deren Vereinbarkeit mit EU-Recht kommt es somit nicht mehr an.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).