Aktenzeichen M 6 S 16.3838
StVG StVG § 3 Abs. 1
FeV FeV § 11 Abs. 7, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 46 Abs. 1, Abs. 3
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
1. Wer trotz positiver Kenntnis von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr mittels bewusst wahrheitswidrigen Tatsachenvortrags zu verhindern sucht, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wird, offenbart hierdurch schwerwiegende charakterliche Mängel, die geeignet sind, seine charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zumindest in Frage zu stellen oder gar auszuschließen. (amtlicher Leitsatz)
2 Es ist zwar zuzugestehen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, die seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichen sein muss, seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben kann. Damit er zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wieder zugelassen werden kann, ist jedoch der abschließende positive Nachweis seiner Fahreignung zwingend erforderlich (Fortführung VG München BeckRS 2016, 50284). (redaktioneller Leitsatz)
3 Hat jemand gleichwohl erfolgreich im Strafverfahren Unwahres vorgetragen, so dass das Verfahren etwa mangels Beweisbarkeit der Tat eingestellt wurde und behauptet er nun im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das, was er jetzt vortrage, entspreche der Wahrheit (die er im Strafverfahren nicht habe sagen müssen), kommt ihm dies im Fahrerlaubnisverfahren nicht zugute. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der 19… geborene Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin.
Ihm wurde im Dezember 2012 die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S erteilt. Am … Oktober 2015 um a… Uhr wurde im Zuge einer allgemeinen Verkehrskontrolle festgestellt, dass der Antragsteller ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis führte; ein Drogenschnelltest reagierte positiv. Laut Gutachten des Instituts A… führte die toxikologische Untersuchung der am … Oktober 2015 um b… Uhr mit Einwilligung des Antragstellers entnommenen Blutprobe zu folgendem Ergebnis:
THC (Tetrahydrocannabinol) a… µg/L
Hydroxy-THC b… µg/L
THC-Carbonsäure c… µg/L
(µg/L entspricht ng/ml)
Im Gutachten heißt es, die nachgewiesene Konzentration an THC im Blutplasma zeige, dass zum Zeitpunkt der Blutentnahme eine Wirkung von Cannabis-Inhaltsstoffen vorgelegen habe. Die Befunde belegten die vorangegangene Aufnahme von Cannabis-Zubereitungen wie beispielsweise Haschisch oder Marihuana. Die relative hohe Blutplasmakonzentration an THC-Carbonsäure weise auf eine häufigere Aufnahme von Cannabis-Inhaltsstoffen hin.
Ausweislich des vom Antragsteller unterschriebenen Protokolls vom … Oktober 2015 (Bl. 25 der Akte) gab dieser, zu seinem Drogenkonsum befragt, gegenüber der Polizei an, er habe am … Oktober 2015 in der Wohnung der Mutter der Freundin einen Joint geraucht. Das Konsumende sei am … Oktober 2015 um c… Uhr gewesen. Eine dementsprechende Angabe findet sich auch im polizeilichen Bericht – Drogen im Straßenverkehr – (Bl. 24 der Akte) unter Nr. 15 „Weitere Erkenntnisse“, Punkt „Letzter BtM-Konsum laut eigenen Angaben“.
Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der Mitteilung der Zentralen Bußgeldstelle vom … März 2016 von diesem Vorfall Kenntnis erlangt hatte, gab sie dem Antragsteller mit Schreiben vom … Juli 2016, zugestellt am … Juli 2016, Gelegenheit zur Äußerung, wobei sie ihn auf die Möglichkeit hinwies, die zu ergreifenden Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde etwa durch weitere Angaben zu seinem Drogenkonsum oder einer inzwischen eingehaltenen Drogenabstinenz zu beeinflussen. Wegen der in der obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, entwickelten sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ komme eine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weiteres nicht in Betracht, sondern es seien weitere Maßnahmen wie die Anordnung eines Gutachtens zu ergreifen, falls sich der Antragsteller glaubhaft auf die Einhaltung von Drogenabstinenz oder einen durchgreifenden Verhaltenswandel bezüglich des Trennens von Konsum von Cannabis und der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr berufe.
Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgte, entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 22. August 2016, zugestellt am … August 2016, die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), gab ihm auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern (Nr. 2), drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von a… EUR an (Nr. 3) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 4). Die Nrn. 5 und 6 des Bescheids enthalten die Kostenentscheidung. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dem Antragsteller sei die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen, da mangels einer Äußerung auf das Anhörungsschreiben vom … Juli 2016 von einem fortgesetzten Drogenkonsum ausgegangen werden müsse. Damit sei die Regelvermutung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung – FeV – trotz Ablaufs der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ mit der Folge zu bejahen, dass die Fahrerlaubnis ohne weitere Begutachtung der Fahreignung zu entziehen sei. Auf den Inhalt des Bescheids im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – analog).
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom … August 2016, der am … August 2016 bei der Antragsgegnerin einging, Widerspruch einlegen, über den nach Aktenlage bislang noch nicht entschieden worden ist. Am … Oktober 2016 versicherte der Antragsteller gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde an Eides statt, er könne seinen Führerschein derzeit nicht auffinden und daher auch nicht abliefern.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom … August 2016, der am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einging, ließ der Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22. August 2016 wiederherzustellen.
Zur Begründung wird vorgetragen, das gegen den Antragsteller durch die Staatsanwaltschaft A… geführte Ermittlungsverfahren sei am … November 2015 gemäß § 31a Abs. 1 BtMG wegen geringer Schuld eingestellt worden. Der Antragsteller habe Betäubungsmittel lediglich in geringer Menge zum Eigenverbrauch besessen. Die Einnahme von Cannabis sei ein einmaliges „Vergehen“ gewesen. Seither konsumiere der Antragsteller keinerlei Betäubungsmittel mehr. Nach dem inzwischen über … Monate zurückliegenden Vorfall sei beim Antragsteller die vorbeschriebene Verhaltensänderung eingetreten, indem er keine Betäubungsmittel mehr konsumiere. Es liege auch kein gelegentlicher Cannabiskonsum vor, sondern ein einmaliger Konsum, der am … Oktober 2015 festgestellt worden sei. Gegenüber der Polizei habe der Antragsteller behauptet, mehr als 12 Stunden vor der Teilnahme am Straßenverkehr das Betäubungsmittel aufgenommen zu haben, woraus die Behörde schließen wolle, es sei am Tattag zu einer weiteren Einnahme von Cannabis gekommen. Es müsse wohl ein sehr hochprozentiges Stück Cannabis gewesen sein, das er zu sich genommen habe, das auch nach 12 Stunden nur bis zu dem festgestellten Wert habe abgebaut werden können. Jedenfalls aber könne der eingetretene Verhaltenswandel durch ein Abstinenzprogramm nachgewiesen werden. Da gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids beantragt worden sei, sei der Antragsteller nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung über den Widerspruch seinen Führerschein abzugeben. Angesichts des offenen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens sei die sofortige Vollziehung bereits deshalb auszusetzen, weil es dem Antragsteller nicht zuzumuten sei, bis zum Abschluss dieses Verfahrens ohne Führerschein zu sein. Auf das Vorbringen der Antragspartei im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO analog).
Die Antragsgegnerin legte mit Schriftsatz vom 12. September 2016, eingegangen am 22. September 2016, ihre Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Unter Hinweis auf vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse tritt sie insbesondere der Behauptung des Antragstellers entgegen, dieser habe nur einmalig Cannabis konsumiert. Auf das Vorbringen der Antragsgegnerin im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO analog).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
II.
Soweit der vorliegende Antrag zum Ziel hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Nr. 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 22. August 2016 wiederherzustellen, ist er bereits unzulässig, im Übrigen ist er unbegründet.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids wiederherzustellen, da er seine Verpflichtung aus Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde am … Oktober 2016 erfüllt hat. Es ist weder vorgetragen noch sonst etwas dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin das in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – gleichwohl noch beitreiben wird. Daher fehlt es dem Antragsteller für einen Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (st. Rspr., etwa BayVGH, B. v. 21.10.2013 – 11 CS 13.1701).
2. Der im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Der gegen den Bescheid vom 22. August 2016 erhobene Widerspruch wird voraussichtlich ebenso wie eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage ohne Erfolg bleiben. Selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache ausgehen wollte, fiele die dann vorzunehmende Interessensabwägung zulasten des Antragstellers aus.
2.1 Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 22. August 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf den Seiten 6 und 7 des Bescheids. Durch die aus ihrer Sicht erwiesene Verkehrsteilnahme des Antragstellers unter dem Einfluss von Cannabis sowie dessen zumindest gelegentlichen Konsum dieser Droge sieht die Behörde eine mögliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, da aufgrund des mangelnden Trennvermögens von Drogenkonsum und Verkehrsteilnahme mit einer erneuten Fahrt des Antragstellers unter Cannabiseinfluss gerechnet werden müsse, was Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer gefährde. Im Übrigen weist die Behörde zutreffend darauf hin, dass im Bereich des Sicherheitsrechts sich das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung – so auch im vorliegenden Fall – bereits aus den Gesichtspunkten ergebe, die für den Erlass des Verwaltungsakts maßgebend seien (BayVGH, B. v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453).
2.2 Der Antrag war abzulehnen, weil der streitgegenständliche Bescheid vom 22. August 2016 auch im Übrigen (materiell) rechtmäßig ist, so dass der hiergegen erhobene Widerspruch und eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben werden. Doch selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten ausgehen wollte, würde eine dann vorzunehmende Interessenabwägung der für und gegen die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung sprechenden Gründe zulasten des Antragstellers ausfallen.
2.2.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
2.2.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die in Nr. 1 des Bescheids vom 22. August 2016 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gilt auch für die übrigen Regelungen des Bescheids (zu Nr. 3 bereits oben). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend wegen Einlegung des Widerspruchs derjenige der Entscheidung des Gerichts.
(1) Dem Antragsteller war nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – die Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zwingend zu entziehen, da er gelegentlich Cannabis konsumiert und unter Einfluss dieser Droge jedenfalls einmal am Straßenverkehr teilgenommen hat (fehlendes Trennungsvermögen). Die Anordnung eines Gutachtens vor Entziehung der Fahrerlaubnis war nicht notwendig (§ 11 Abs. 7 FeV).
Die gelegentliche Einnahme von Cannabis steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer einerseits aufgrund der Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei am … Oktober 2015, andererseits aufgrund der Ergebnisse des toxikologischen Gutachtens vom … Januar 2016 und der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Nachweisbarkeit bzw. zur Abbaugeschwindigkeit von Tetrahydrocannabinol – THC – (aktiver Wirkstoff des Cannabis) sowie der THC-Carbonsäure fest.
Das toxikologische Gutachten weist hinsichtlich THC einen Wert von a… ng/ml, für THC-Carbonsäure einen Wert von c… ng/ml aus. Im Gutachten heißt es hierzu, diese Werte wiesen auf eine häufigere Aufnahme von Cannabisprodukten hin. Dies deckt sich mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. So führt Toennes et alia „Beweismittelverlust bei verzögerter Blutentnahme“ (Arch. Kriminol. 235, 73 bis 79) unter Bezug auf Studien aus den Jahren 2007 und 2009 aus, bei erstmaligem oder nur gelegentlichem Cannabiskonsum sei bei 95% aller Probanden nach 6 bis 8 Stunden THC nur noch in Konzentrationen < 1 ng/ml nachweisbar, nach 11 Stunden liege der Wert unter der Nachweisgrenze (aktuell 0,3 ng/ml). Hiervon geht auch die Grenzwertkommission aus, die Vorschläge für die in der Anlage zu § 24a StVG enthaltenen bzw. aufzunehmenden Stoffe auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse gegenüber dem Bundesminister für Verkehr unterbreitet (Naturwissenschaftliche Grundlagen der Fahrlässigkeit - Zeitspanne der Nachweisbarkeit - Zuverlässigkeit von Drogenvortests, Blutalkohol 4/8/2011). Schon frühere bekannte Studien wie die sog. Maastricht-Studie fanden zu vergleichbaren Ergebnissen.
Somit kann die Einlassung des Antragstellers sowohl gegenüber der Polizei als auch sein Vortrag im vorliegenden Verfahren nicht zutreffen, er habe erstmals, d. h. einmalig am … Oktober 2015 Cannabis zu sich genommen und den Konsum um c… Uhr beendet. Die Blutprobe ist ihm am folgenden Tag um b… Uhr und damit mehr als 15 Stunden nach dem angegebenen Konsumende entnommen worden und weist nicht nur einen hohen THC-Wert, sondern mit c… ng/ml auch einen auffallend hohen THC-Carbonsäurewert aus, was beides nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen auf einen wenige Stunden vor der Blutentnahme liegenden Drogenkonsum hinweist und keinesfalls mit einem mehr als 15 Stunden zurückliegenden Cannabiskonsum erklärbar ist. Folglich ist zur Überzeugung der Kammer von unwahren Behauptungen des Antragstellers sowohl gegenüber der Polizei als auch im vorliegenden Verwaltungsverfahren bezüglich der Häufigkeit und des Zeitpunkts seines Cannabiskonsums auszugehen.
Sein Vorbringen, es müsse sich wohl um ein Rauschgift mit besonders hohem Wirkstoffgehalt gehandelt haben, kann ihm schon deshalb nicht geglaubt werden, weil er dieses Vorbringen nicht weiter substantiiert. Die Wirkung eines hochprozentigen Rauschgifts wäre bei einem Erstkonsumenten mit Sicherheit dermaßen gravierend, dass dieser von massiven Vergiftungserscheinungen und sonstigen drastischen Wirkungen der Droge zu berichten wüsste. Im Übrigen haben Studien belegt, dass die o.g. Nachweiszeiten sich selbst dann nicht wesentlich verschieben, wenn den Probanden die doppelte Konzentration an Wirkstoff THC als bei einem üblichen Joint zugefügt worden ist, sofern es sich nicht um regelmäßige bzw. häufige Cannabiskonsumenten handelte.
Fest steht aufgrund der polizeilichen Ermittlungen sowie des toxikologischen Gutachtens vom … Januar 2016 zudem, dass der Antragsteller den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht getrennt hat, mit der Folge, dass ihm als zumindest gelegentlichen Konsumenten dieser Droge nach Maßgabe des §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen war, ohne dass der Behörde hierbei ein Ermessen zugestanden hätte oder zuvor die Einholung eines (medizinisch-psychologischen oder ärztlichen) Gutachtens erforderlich gewesen wäre.
Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV, welche eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Angesichts der tatsächlich erfolgten Fahrt unter Einfluss von Cannabis am … Oktober 2015 ist vielmehr vom Regelfall der Fahrungeeignetheit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auszugehen.
(2) Zu diesem Ergebnis gelangt die Kammer, weil sie der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, die dieser seit seinem Beschluss vom 9. Mai 2005 (11 CS 04.2526) fortsetzt, nicht folgt, ebenso wie bereits die Vorgängerkammern 6a und 6b des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (z. B. M 6 S 16.1354 und M 6 S 16.1438). Zuletzt hat die erkennende Kammer hierzu im Beschluss vom 2. November 2016 (M 6 S 16.3333) ausgeführt:
„Die sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ kommt dabei nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht zur Anwendung. Hierzu hat die ehemalige Kammer 6b des Bayerischen Verwaltungsgerichts München in ihrem Urteil vom 9. Dezember 2015 (M 6b K 15.1592) Folgendes ausgeführt (so inzwischen auch ein Urteil vom 20. Juli 2016 [M 6 K 16.1742] und ein Urteil vom 6. Juni 2016 [M 6 K 15.4693] sowie zwei Beschlüsse vom 13. Mai 2016 [M 6 S 16.1354 und M 6 S 16.1438] der hier erkennenden Kammer):
„1.1.4 Unter Beachtung der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ seit seinem Beschluss vom 9. Mai 2005 – 11 CS 04.2526 – würde nun Folgendes gelten:
Der Kläger hat in einem Telefonat mit der Fahrerlaubnisbehörde am 29. Januar 2013 behauptet, ca. neun Monate Abstinenzdauer belegen zu können. Damit hat er auch eine entsprechende Abstinenzbehauptung aufgestellt und hierzu außerdem zunächst den Abstinenznachweis der FTC GmbH vom 1. August 2012 über drei Monate Abstinenz vor dem 25. Juli 2012 vorgelegt. Von dieser Abstinenzbehauptung ist der Kläger bislang nicht abgerückt und es ist auch sonst nichts Gegenteiliges bekannt. Vielmehr hat er nachfolgend bis in die jüngste Zeit weitere Abstinenznachweise der FTC GmbH vorgelegt und seine Abstinenzbehauptung damit quasi erneuert und bekräftigt, indem er zuletzt über 11 Monate zusammenhängende aktuelle Abstinenz nachweisen konnte.
Daher könnte ausschließlich wegen der seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichenen Zeit nicht mehr ohne weiteres von seiner Fahrungeeignetheit ausgegangen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde wäre vielmehr gehalten, den Kläger im Hinblick auf eine etwaige Wiedererlangung der Fahreignung zunächst zu einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 FeV aufzufordern, allerdings ohne jegliches Ermessen (vgl. BayVGH, B. v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145 – und B. v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – jeweils für Fälle sog. harter Drogen).
Ob aber § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV auf Fälle der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ohne weiteres generell anwendbar ist, wäre noch zu klären. Denn bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV geht es um die Klärung der Frage, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt. Für Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV hingegen kommt es bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis grundsätzlich auf die Trennung von Konsum und Fahren an, nicht lediglich auf die bloße Einnahme als solche.
1.1.5 Die erkennende Kammer folgt mit vorliegendem Urteil jedoch nach reiflicher Überlegung dieser Rechtsprechung nicht mehr und gibt ihre eigene ständige Rechtsprechung in dieser Hinsicht hiermit auf.
Denn die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs verlangt danach, einen Fahrerlaubnisinhaber, der sich als fahrungeeignet erwiesen hat, so lange von der aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs auszuschließen, bis er den positiven Nachweis der Wiedererlangung seiner Fahreignung erbracht hat. Es ist demgegenüber nicht hinzunehmen, einem Fahrerlaubnisinhaber bis zum Abschluss des Nachweises seiner einjährigen Abstinenz und nachfolgend noch für die Zeitdauer zur Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens seine Fahrerlaubnis zu belassen und ihm damit eine weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu ermöglichen, wenn er selbst seine Fahrungeeignetheit zuvor unter Beweis gestellt hat. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, fahrungeeignete Kraftfahrzeugführer vom öffentlichen Straßenverkehr bis zum Nachweis ihrer Fahreignung auszuschließen. Es ist der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seit dem Beschluss vom 9. Mai 2005 zwar zuzugestehen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, die seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichen sein muss, seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben kann. Damit er zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wieder zugelassen werden kann, ist jedoch der abschließende positive Nachweis seiner Fahreignung zwingend erforderlich, nachdem das Fahrerlaubnisrecht ein Rechtsinstitut etwa einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bis zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, vergleichbar etwa § 111a Strafprozessordnung – StPO -, nicht kennt. Es ist auch kein rechtlich durchgreifendes Argument dafür ersichtlich, warum ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ – innerhalb derer er ohnehin fahrungeeignet weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat – bis zum Abschluss des Fahreignungsüberprüfungsverfahrens nach Nachweis seiner einjährigen Abstinenz und abgeschlossener medizinisch-psychologischer Begutachtung besser gestellt werden sollte als ein Fahrerlaubnisbewerber, dem – z. B. nach vorheriger Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ bei ansonsten gleicher Sachlage – erst dann eine Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann, wenn er den positiven Nachweis seiner Fahreignung erbracht hat. Letztlich hängt es oft von Zufälligkeiten, wie insbesondere auch der Arbeitsbelastung der zuständigen Fahrerlaubnisbehörden, oder auch dem eigenen Verhalten des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers, z. B. indem er mit Rechtsbehelfen den Eintritt der Rechtskraft ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtlicher Entscheidungen und damit deren Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörden verzögert, ab, ob eine Fahrerlaubnisbehörde bzw. im Falle der Einlegung eines Widerspruchs nachfolgend noch die Widerspruchsbehörde innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ eine entsprechende Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. ggf. zur Zurückweisung eines dagegen gerichteten Widerspruchs erlassen kann oder nicht. Solches kann und darf jedoch nicht zulasten der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs gehen (in diesem Sinne auch: VGH BW, B. v. 7.4.2014 – 10 S 404.14, wonach im Rahmen eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ohne Beachtung einer „verfahrensrechtlichen“ Jahresfrist bzw. sonstiger starrer zeitlicher Vorgaben grundsätzlich vom Fortbestand einer zuvor festgestellten oder feststellbaren Fahrungeeignetheit auszugehen ist, solange der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung nicht erbracht worden ist [vgl. BayVGH, B. v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145]; vgl. auch: Künzl/Sinner, Verwaltungs- und arbeitsrechtliche Fragen des Suchtmittelkonsums von Kraftfahrern, NZA-RR 2013, Heft 11, S. 561, 563, die zudem einen überzeugenden Vergleich zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem – heute Fahreignungs-Bewertungssystem – ziehen).
1.1.6 In jüngster Zeit hat zudem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 17. November 2015 – 11 BV 14.2738 – die Rechtsauffassung vertreten, dass es innerhalb des Zeitraums, in dem eine Tat noch im Fahreignungsregister eingetragen und daher berücksichtigungsfähig ist, nicht vorgesehen sei, dass die einmal wegen Alkoholmissbrauchs verloren gegangene Fahreignung allein durch Zeitablauf zurückgewonnen werden könne. Denn wenn in der Vergangenheit fahrerlaubnisrechtlicher Alkoholmissbrauch vorgelegen habe, führe dies zum Ausschluss der Fahreignung. Durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten sei zu klären, ob – je nach individuellen Erfordernissen – eine stabile Alkoholabstinenz vorliege oder Prophylaxestrategien hinsichtlich des Trennungsvermögens entwickelt worden seien und ob der Einstellungswandel stabil und motivational gefestigt sei (Rn. 42).
Hinsichtlich der Einnahme von Betäubungsmitteln, hier ganz konkret bzgl. der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, kann nichts anderes gelten.
1.1.7 An Fällen wie dem vorliegenden wird die Problematik der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ deutlich, weil betreffende Fahrerlaubnisinhaber trotz feststehenden Verlustes ihrer Fahreignung weiterhin – wenn auch (so allerdings aktuell nicht beim Kläger) unter „Überwachung“ durch ein Drogenscreening – mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, bis letztlich erst nach erheblicher Zeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten eine Aussage zur Fahreignung trifft, auf der die Fahrerlaubnisbehörde ihr weiteres Vorgehen aufbauen kann. Kommt dann ggf. noch die Problematik der Rüge unzureichender und damit nicht (sogleich) verwertbarer Gutachten hinzu, verschärft sich die Lage im Hinblick auf die Zeitdauer bis zur Klärung der Frage der Fahreignung nochmals, ebenso wenn es – anders als hier – um harte Drogen mit womöglich noch erheblich stärkerem Suchtpotential geht, denen ein Betreffender u.U. trotz Drogenscreenings nicht zu widerstehen vermag.
Vor diesem Hintergrund ist der Wille des Gesetzgebers absolut nachvollziehbar, solche Fahrerlaubnisinhaber von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gänzlich auszuschließen, bis sie die Wiedererlangung ihrer Fahreignung unter Beweis gestellt haben. Dann würden auch Verzögerungen des Verfahrens gleich welcher Art (z. B. bei der Erbringung der Abstinenznachweise wegen Nichtwahrnehmung kurzfristig angesetzter Screeningtermine aufgrund angeblicher Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, u.U. mit bloßer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes) zu ihren Lasten gehen und in manchen Fällen wäre wohl auch eine höhere Kooperationsbereitschaft der Betreffenden zu erwarten als es in vielen Fällen, die der Kammer schon zur Entscheidung vorgelegen haben, der Fall war.
Die hier nun vertretene Rechtsauffassung würde voraussichtlich für die praktischen Rechtsanwendung durch die Fahrerlaubnisbehörden eine ebenso große Vereinfachung und Erleichterung bringen wie die kürzlich erfolgte Aufgabe der bislang ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Nichttrennung von Konsum und Fahren im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV erst ab einem Wert von über 2,0 ng/ml THC i. S. gegeben sei (s.o. unter Nr. 1.1.2).“
Gerade der vorliegende Fall ist erneut geeignet, die Problematik der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ deutlich vor Augen zu führen. Denn während der gesamten Zeit zwischen dem Vorfall am … Februar 2014 bis zum Bescheid vom … Juli 2016 durfte der Antragsteller weiter quasi ungehindert als Führer eines Kraftfahrzeugs am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, obwohl er sich wegen der Einnahme von Cannabis als fahrungeeignet erwiesen hat und bis dato nur geklärt ist, dass er sich – abgesehen von kurzen Unterbrechungen – im Zeitraum Februar 2015 bis Februar 2016 weiteren Drogenkonsums enthalten hat, nicht aber, ob er seine Einstellung zum Konsum von Drogen und einer Verkehrsteilnahme grundlegend überdacht und geändert hat. Das ist unter dem Aspekt der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nicht akzeptabel. Bereits nach den Aussagen gegenüber der Polizei am … Februar 2014, jedoch spätestens ab Vorlage des Bußgeldbescheids im Ordnungswidrigkeitsverfahren im Juli 2014 hätte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entziehen können und müssen.“
Die erkennende Kammer ist weiterhin der Überzeugung, dass die Anwendung der verfahrensrechtlichen Jahresfrist den Sicherheitsinteressen, denen das Fahrerlaubnisrecht im Besonderen zu dienen verpflichtet ist, nicht hinreichend gerecht wird. Das belegt einmal mehr auch der vorliegende Fall. Die Abstinenzbehauptung des Antragstellers erschöpft sich just in dieser. Es würden noch Wochen oder Monate vergehen, bis im Rahmen eines anzuordnenden Gutachtens die ersten Drogenscreening-Ergebnisse durch den Antragsteller vorgelegt werden müssten. So könnte er weit mehr als ein Jahr unbehelligt und unüberwacht weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen, obwohl völlig ungeklärt ist, ob er nach wie vor Drogen einnimmt und ob er gewillt und in der Lage ist, entweder hiervon gänzlich Abstand zu nehmen oder jedenfalls zukünftig zuverlässig zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr zu trennen.
(3) Diese von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (jüngst BayVGH, B. v. 29.8.2016, 11 CS 16.1460) abweichende Rechtsauffassung der erkennenden Kammer darf jedoch nicht zulasten des Antragstellers gehen mit der Folge, dass zu seinen Gunsten – jedenfalls ergänzend und eigenständig tragend – von offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache (seines Widerspruchs) auszugehen und deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eine Abwägung der für und gegen die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs sprechenden Interessen vorzunehmen ist, die jedoch zu Ungunsten des Antragstellers ausfällt.
Zunächst ist festzustellen, dass sich der Antragsteller vor Bescheidserlass auf das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom … Juli 2016 hin nicht geäußert hat. Zum für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts liegt nunmehr das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vor, das eine – wie bereits ausgeführt – unsubstantiierte Abstinenzbehauptung sowie zur Überzeugung der Kammer unwahre Angaben bezüglich der Häufigkeit und des Zeitpunkts des Cannabiskonsums durch den Antragsteller enthält. Er begründet darüber hinaus in keiner Weise, welches besondere Interesse auf seiner Seite über das allgemeine Interesse am Innehaben einer Fahrerlaubnis hinaus dafür sprechen sollte, ihm seine Fahrerlaubnis bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache zu belassen. Demgegenüber teilt das Gericht die Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde, dass sich der Antragsteller mit der Drogenfahrt am … Oktober 2015 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat und geht – wie ausgeführt – davon aus, dass der Antragsteller seine Fahreignung zwischenzeitlich auch nicht wiedererlangt hat, weil er bereits nicht substantiiert zu seiner angeblichen Abstinenz und zu seinem vorgeblichen Einstellungswandel vorträgt. Zudem wurde bei ihm anlässlich der Verkehrskontrolle am … Oktober 2015 Marihuana – wenn auch nur in geringer Menge – sichergestellt, das nach seinen eigenen Angaben zum „Eigengebrauch“ diente. All dies spricht für einen häufigeren als vom Antragsteller zugegebenen Cannabiskonsum und für die Annahme der Fahrerlaubnisbehörde, es sei zu besorgen, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter Wirkung dieser Droge führen wird. Somit fällt eine Abwägung der für und gegen die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Entzugs der Fahrerlaubnis sprechenden Umstände zulasten des Antragstellers aus.
(4) Diese Interessensabwägung fällt – selbsttragend und unabhängig von den vorstehenden Ausführungen – noch aus einem weiteren Grund zulasten des Antragstellers aus:
Seine Angaben bezüglich des (letzten) Konsumzeitpunkts können dem Antragsteller, wie oben ausgeführt, nicht geglaubt werden. Im Gegenteil: Indem er insoweit unwahre Angaben im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und nun auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemacht hat, offenbart dies charakterliche Mängel, die auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen und es rechtfertigen könnten, ihm eventuell auch deshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen oder ihn jedenfalls hinsichtlich seiner charakterlichen Eignung zur Beibringung eines Gutachtens zu verpflichten, sei es vor Entziehung der Fahrerlaubnis oder im Verfahren zu deren Wiedererlangung. Vor allem aber rechtfertigen es diese Mängel, die hier vorzunehmende Interessensabwägung – selbsttragend neben den vorstehenden Ausführungen hierzu – zu seinen Ungunsten ausfallen zu lassen.
Im Verwaltungsprozess sind alle Beteiligten der Wahrheit verpflichtet, gerade auch bezüglich dessen, was sie vortragen. Sie haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und hierfür ggf. wahrheitsgemäße Angaben zu ihrem Drogenkonsum zu machen.
Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht darf der von einem Strafverfahren Betroffene auch dort keineswegs „lügen“. Dies wird lediglich nicht strafrechtlich geahndet. Kann ihm die Tat gleichwohl nachgewiesen werden, werden seine wahrheitswidrigen Einlassungen hierzu in der Regel bei der Strafzumessung zu seinen Lasten gewertet.
Hat jemand gleichwohl erfolgreich im Strafverfahren Unwahres vorgetragen, so dass das Verfahren etwa mangels Beweisbarkeit der Tat eingestellt wurde und behauptet er nun im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das, was er jetzt vortrage, entspreche der Wahrheit (die er im Strafverfahren ja nicht habe sagen müssen), oder hat er sowohl im Strafverfahren als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur selben Frage wie etwa dem Konsumzeitpunkt Unwahres vorgebracht, so kann er davon keinesfalls profitieren. In einem Fall, in dem der Betroffene im Strafverfahren erfolgreich Tatsachen so dargestellt hat, dass ihm dies dort von Nutzen war, sie im fahrerlaubnisrechtlichem Verfahren dann aber seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen belegen würden und er sie nunmehr als die Unwahrheit ausgibt, ebenso dann, wenn er in beiden Verfahren geleichermaßen Unwahres vorbringt, versucht er, sich dadurch einer Entziehung seiner Fahrerlaubnis oder zumindest einer Überprüfung seiner Fahreignung zu entziehen. Vor allem dann, wenn seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen anhand der im Strafverfahren vorgetragenen (oder wahrheitswidrig verschwiegenen) Tatsachen feststünde, die er nun als „Lüge“ ausgibt, zeigt der Fahrerlaubnisinhaber mit einem solchen Verhalten schwere charakterliche Mängel. Nur um seine Fahrerlaubnis zu behalten nimmt er es nämlich in Kauf, andere Verkehrsteilnehmer an Leib und Leben erheblich zu gefährden, indem er trotz erwiesener und für ihn spätestens anlässlich des fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens auch erkennbarer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen weiter am Straßenverkehr teilnimmt bzw. teilnehmen will. Dies ist im höchsten Maße verantwortungslos gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und lässt daher auf schwere charakterliche Mängel schließen, welche – zusätzlich zu den übrigen Umständen des jeweiligen Falles – es rechtfertigen könnten, die Fahrerlaubnis auch deshalb zu entziehen oder jedenfalls eine Begutachtung anzuordnen, vor allem aber eine im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung zulasten des Betroffenen ausfallen zu lassen.
(5) Da es somit im Ergebnis bei der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verbleibt, ist der Antragsteller auch weiterhin entsprechend Nr. 2 des Bescheids verpflichtet, seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde nach Auffinden abzuliefern und dort zu belassen. Mit Blick auf das Vorbringen seiner Prozessbevollmächtigten wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er auch nach Erhebung des Widerspruchs und trotz Beantragung der Aussetzung der Vollziehung des Bescheids bzw. trotz Stellung des Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht berechtigt ist, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, sondern sich in diesem Falle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar macht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013).