Sozialrecht

Klärungsbedürftige Rechtsfragen zur Haushaltsgemeinschaft

Aktenzeichen  L 7 AS 493/16 NZB

Datum:
14.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 74561
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 9 Abs. 5, II
SGB V § 9 Abs. 5
SGG § 143, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1, 2 u. 3, § 145 Abs. 4 S. 4, § 177, § 193
BSG § 9 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Klärungsbedürftige Rechtsfragen zur Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Absatz 5 SGB II sind anhand der Rechtsprechung des BSG darzulegen. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

S 7 AS 515/14 2016-06-20 Urt SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. Juni 2016, S 7 AS 515/14, wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.

Gründe

I.
Die Kläger und Beschwerdegegner (Bg.) begehren vom Beklagten und Beschwerdeführer (Bf.) höhere Leistungen nach dem SGB II von insgesamt 54,33 Euro.
Die Bg. zu 1) bis 3) (Vater, Mutter, Kind) bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II und leben in einer Wohnung von ca. 75 Quadratmeter zusammen mit dem Sohn der Bg. zu 1) und Bg. zu 2). Der Sohn erwirtschaftet ein Erwerbseinkommen.
Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 17.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2014 bewilligte der Bf. den Bg. für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 31.12.2014 vorläufig Leistungen nach dem SGB II. In zwei Monaten dieses Bewilligungszeitraums rechnete der Bg. Erwerbseinkommen des Sohnes der Bg. zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 27,33 Euro, insgesamt also 54,66 Euro, an. Aufgrund der Ermittlungen des Außendienstes des Bf. habe sich ergeben, dass der Sohn in einer Haushaltsgemeinschaft mit den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft lebe. Unter Anwendung von § 9 Abs. 5 SGB II seien die Einkünfte des Sohnes den Bg. als bedarfsminderndes Einkommen zuzuordnen.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 20.06.2016 als unbegründet ab. Die Einvernahme des Sohnes als Zeugen habe ergeben, dass keine Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB V mit den Bg. vorliege. Deshalb werde der Bewilligungsbescheid vom 17.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2014 insoweit aufgehoben, als das Einkommen des Sohnes bei den Bg. angerechnet worden ist. Im Urteil wurde die Berufung nicht zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde allerdings die Berufung als zulässiges Rechtsmittel angegeben.
Hiergegen hat der Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Grundsätzliche Bedeutung sei gegeben. Der Sohn habe augenscheinlich die Unwahrheit bei seiner Zeugeneinvernahme zur angeblichen selbstständigen Haushaltsführung im Hause der Bg. erzählt. Das Sozialgericht habe dennoch zulasten des Bf. entschieden, dass eine Haushaltsgemeinschaft nicht nachgewiesen sei, was aufgrund des Urteils des BSG vom 27.01.2009, B 14 AS 6/08 R, zum „Wirtschaften aus einem Topf“ ohnehin nur sehr schwer möglich sei. Diese Rechtsprechung des BSG betreffe jedoch nach Auffassung des Bf. einer Korrektur.
Die Bg. halten grundsätzliche Bedeutung angesichts der Entscheidung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 27.01.2009, B 14 AS 6/08 R, nicht für gegeben. Rechtsfragen im Zusammenhang des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft seien durch dieses Urteil geklärt.
Auf richterlichen Hinweis, dass grundsätzliche Bedeutung nicht ersichtlich sei, äußerte sich der Bf. dahingehend, dass es sich hier um eine konkrete Rechtsfrage handle, nämlich diejenige, ob das Sozialgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG das Recht korrekt angewendet habe. Die Klärung dieser Rechtsfrage könne dadurch erfolgen, dass sich das Landessozialgericht im Rahmen einer Berufung selbst ein Bild mache und sich dabei von seiner eigenen Rechtsauffassung leiten lasse.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft. Der streitige Betrag von 54,33 Euro unterschreitet die Berufungssumme von 750,00 Euro, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Leistungen von mehr als einem Jahr stehen nicht in Frage, da es hier nur um Leistungen für sechs Monate geht, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die Berufung ist auch nicht wegen Berufungszulassung statthaft, da in der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung keine Zulassung liegt (Leitherer in: Meyer-Ladewig(Keller/Leitherer, SGG, 11, Aufl. 2014, § 144 Rz. 40).
Die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen sind gegeben, §§ 143, 144 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor.
Im vorliegenden Verfahren ist keine Rechtsfrage ersichtlich, die allgemein klärungsbedürftig wäre. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage hat der Bf. nicht hinreichend formuliert. Das Bundessozialgericht hat sich ohnehin mit Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 6/08 R, zu den vom Bf. angesprochenen, hier relevanten Rechtsfragen bereits geäußert. Dies räumt der Bf. in seinem Vortrag auch selbst ein, indem er die Rechtsauffassung des BSG als unzutreffend bezeichnet.
Auch ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 wegen Divergenz ist nicht ersichtlich. Das Sozialgericht hat sich bei der Rechtsanwendung an die vom BSG aufgestellten Grundsätze gehalten. Dies sieht auch der Bf. in seinem Sachvortrag so, wenn er die Rechtsprechung des BSG als praxisuntauglich angreift. Im Ergebnis hat das Sozialgericht keinen der Rechtsprechung des BSG entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt, sondern die vom BSG aufgestellten Grundsätze angewendet; ob dies richtig oder falsch geschah, kann nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde sein.
Für einen Zulassungsgrund wegen Verfahrensfehler nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG bestehen keine Anhaltspunkte. Soweit der Bf. vorträgt, er habe eine andere Auffassung zur Wertung der Zeugenaussage als das Sozialgericht, hat der Bf. keinen Zulassungsgrund wegen Verfahrensfehlers hinreichend dargelegt.
Im Ergebnis ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen mit der Folge, dass das Urteil des Sozialgerichts gemäß § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG rechtskräftig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Bf. mit seinem Begehren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

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