Aktenzeichen M 24 K 16.31642
Leitsatz
Zur Diagnostik psychischer Erkrankungen befugt sind neben Fachärzten nur approbierte Psychologische Psychotherapeuten (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 49744). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2016 entscheiden, obwohl weder die Klägerin noch ein Vertreter der Beklagten zur mündlichen Verhandlung erschienen war. Denn in den jeweiligen Ladungsschreiben vom 12. Oktober 2016, das der Zustellbevollmächtigten der Klägerin am 15. Oktober 2016 gegen Zustellungsurkunde und der Beklagten am 14. Oktober 2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, war darauf hingewiesen worden, dass bei Nichterscheinen eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
2. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung über die Klage insbesondere örtlich zuständig, auch wenn die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit noch im Regierungsbezirk … wohnhaft war. Denn sie hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Aufenthalt nach dem Asylgesetz aufgrund der Zuweisungsentscheidung vom 25. Februar 2016 im Regierungsbezirk Oberbayern …) und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO). Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 10. Oktober 2016 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
3. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
3.1. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.
§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG bestimmt unter anderem, dass im Falle eines Folgeantrags nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asyl(erst)antrages ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. § 71 Abs. 3 Satz 1 AsylG verpflichtet den Ausländer zu Angaben über seine Anschrift sowie zu Tatsachen und Beweismitteln, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG ergibt.
Der Vortrag der Klägerin, sie sei erneut nach Deutschland gekommen, weil ihre Kinder hier leben würden, enthält keine Angaben, die darauf schließen lassen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 und 3 AsylG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Neue Beweismittel oder Dokumente, die belegen könnten, dass ihr im Herkunftsland Gefahren drohen würden, wurden nicht vorgelegt. Das Gericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes im Bescheid vom 23. Mai 2016 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3.2. Auch im Hinblick auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bei der Klägerin besteht weder ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens noch auf Rücknahme oder Widerruf der hierzu im ersten Asylverfahren ergangenen Entscheidung.
Hat das Bundesamt im ersten Asylverfahren unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht bestehen, so ist eine erneute Befassung mit § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erst dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 21.03.2000 – 9 C 41/99 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 15.01.2001 – 9 B 475.00 – juris Rn. 5). Sind die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt, hat das Bundesamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird; insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BVerwG, B.v. 15.01.2001, a.a.O, Rn. 5).
Auch in Bezug auf § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ist das Bundesamt in seinem Bescheid vom 23. Mai 2016 zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nicht gegeben sind. Eine maßgebliche Änderung oder Verschlechterung der Verhältnisse im Heimatland wurde nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
Das Bundesamt lehnte es auch ermessensfehlerfrei (§ 114 VwGO) ab, die bestandskräftige frühere Entscheidung über das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten zurückzunehmen oder zu widerrufen (vgl. § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG). Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erfordern würden, sind sie ersichtlich.
Das Gericht folgt insoweit den Feststellungen und der Begründung des Bescheides des Bundesamtes vom 23. Mai 2016 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem psychologischen Attest vom 24. November 2015. Insoweit bestehen bereits Zweifel an der für eine belastbare Diagnostik erforderlichen fachlichen Qualifikation des Verfassers des psychologischen Attestes, der sich als „Primär- und Traumatherapeut, Psychotherapie und Heilpraktiker“ bezeichnet. Zur Diagnostik psychischer Erkrankungen befugt sind neben Fachärzten nur approbierte Psychologische Psychotherapeuten (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2015 – 13a ZB 15.30073 – juris Rn. 8). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verfasser des psychologischen Attestes über eine entsprechende Approbation verfügt. Im Übrigen lässt sich dem psychologischen Attest nicht entnehmen, weshalb eine Behandlung der Klägerin in ihrem Heimatland nicht möglich sein sollte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.v.m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).