Strafrecht

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung nach Vereinsverbot

Aktenzeichen  M 7 E 16.4934

Datum:
9.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VereinsG VereinsG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 S. 3, § 4 Abs. 2, Abs. 4, § 10 Abs. 2
VwGO VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 123 Abs. 3
VereinsG-DVO VereinsG-DVO § 4
GG GG Art. 9 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Sicherstellung vereinsrechtlich beschlagnahmter Sachen ist § 10 Abs. 2 S. 5 VereinsG. Sofern der Adressat der Verfügung nicht Mitglied des Vorstandes und damit des für den Verein handelnden Organs des Vereins ist, ist er hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Sicherstellung von Sachen als Dritter im Sinne von § 10 Abs. 2 S. 1 VereinsG anzusehen. Daher ist zum Zweck der Sicherstellung des Vereinsvermögens insofern ein gesonderter Sicherstellungsbescheid erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)
Dass bereits ein Vereinsverbot erlassen worden ist und Beweismittel nicht dessen Vorbereitung, sondern der weiteren Untermauerung des Verbots dienen, steht der Anwendung der für das Ermittlungsverfahren konzipierten § 4 Abs. 2, Abs. 4 S. 1, 2 VereinsG nicht entgegen (ebenso OVG Brem BeckRS 2015, 55093). (redaktioneller Leitsatz)
Eine Beschlagnahmeanordnung genügt dem Bestimmtheitsgebot, wenn die zu beschlagnahmenden Gegenstände so genau bezeichnet sind, dass kein vernünftiger Zweifel über den Umfang der Beschlagnahme aufkommen kann. Eien verbleibende, nie ganz zu vermeidende Unbestimmtheit ist unschädlich (ebenso OVG Brem BeckRS 2015, 55093). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Durchsuchung der Wohnung einschließlich etwaiger Nebenräume zur Wohnung sowie Keller- und Garagenräume und der Fahrzeuge der Antragsgegnerin zu 1),

durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte am Dienstag, den … November 2016, ab 6.00 Uhr
zur Sicherstellung des Vereinsvermögens der Vereinigung „Die wahre Religion“ alias „LIES! Stiftung“/Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und Insamlingsstiftlesen AI Quran Foundation“ sowie von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung von Sachen an die vorstehend genannte Vereinigung deren verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, sowie zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen durch die Beschlagnahme von Beweismitteln
wird angeordnet.
Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
II.
Die Durchsuchung der Antragsgegnerin zu 1),
beschränkt auf die Nachschau in und unter der Kleidung zum Zweck des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher)
durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
III.
Die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel für die weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen der verbotenen Vereinigung von Bedeutung sein können, d. h.
– IT-Technik inklusive Datenträger und Peripheriegeräte (PCs, Notebooks, Tablets, externe Festplatten, sonstige Datenträger)
– Handys, Smartphones sowie
– Foto-/Videotechnik und zugehörige Datenträger,
– Kontounterlagen mit Bezug zu DWR/LIES! oder deren Teilorganisationen „LIES! Verlag“, ReadLiesLtd.“, Leicester, Großbritannien, „Insamlingsstiftlesen Al Quran Foundation“, Malmö, Schweden,
– Spendenquittungen, sonstige Hinweise zu Spendengebern
durch Bedienstete der Regierung von Oberbayern und Polizeibeamte wird angeordnet.
IV.
Die Maßnahmen unter Ziffern I. und III. sind vom Antragsgegner zu 2) zu dulden.
V.
Die Antragsgegnerin zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Bundesminister des Innern stellt mit der noch zuzustellenden vereinsrechtlichen Verfügung vom 25. Oktober 2016 fest, dass sich die Vereinigung „Die wahre Religion“ (DWR) alias „LIES! Stiftung“/„Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiflesen Al Quran Foundation“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richten (Nummer 1). Er verbot die Vereinigung und ihre Teilorganisationen und ordnete ihre Auflösung an (Nummer 2). Ferner wird das Vermögen der Vereinigung DWR und ihrer Teilorganisationen sowie von Dritten, soweit sie durch Überlassung von Sachen die verfassungswidrigen Bestrebungen der DWR und ihrer Teilorganisationen gefördert haben bzw. diese Sachen zu deren Förderung bestimmt sind, beschlagnahmt und eingezogen (Nummer 5 und 6). Im selben Umfang werden auch Forderungen Dritter beschlagnahmt und eingezogen (Nummer 7). Mit Ausnahme der Einziehung wird ferner die sofortige Vollziehung der getroffenen Verfügungen angeordnet (Nummer 8).
Ferner ersuchte der Bundesminister des Innern das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr um Vollstreckung des Vereinsverbots am … November 2016 und bat um die Durchsuchung bestimmter Objekte zur Sicherstellung und Beschlagnahme von Vereinsvermögen und der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen.
Daraufhin beantragte die Regierung von Oberbayern am 2. November 2016 bei Gericht
1. die Durchsuchung der Wohnräume, Nebengelasse, Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen … und sonstiger Fahrzeuge oder Krafträder der Antragsgegnerin zu 1), … zur Sicherstellung und Beschlagnahme des Vereinsvermögens der Vereinigung „Die wahre Religion (DWR) alias „LIES! Stiftung“ /“Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiftlesen Al Quran Foundation“ sowie von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung von Sachen an die vorstehend genannte Vereinigung deren verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind, sowie zum Zweck der weiteren Aufklärung der Vereinsstrukturen durch die Beschlagnahme von Beweismitteln,
2. die Durchsuchung der Antragsgegnerin zu 1), beschränkt auf die Nachschau in und unter der Kleidung zum Zwecke des Auffindens versteckter Gegenstände (insbesondere Mobiltelefone, kleine Speichermedien, klassische Adressbücher),
3. die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können für die weitere Aufklärung der Vereinsstrukturen der verbotenen Vereinigung
anzuordnen.
Auf die ausführliche Begründung wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 9. November 2016 wurde ferner beantragt,
anzuordnen, dass der Antragsgegner zu 2) die Durchsuchung der genannten Räume und die Beschlagnahme der genannten Gegenständen zu dulden hat.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf richterliche Anordnung der Durchsuchung der Wohnung der Antragsgegnerin zu 1) samt Nebenräumen und Fahrzeugen sowie ihrer Sachen und Person und der Sachen Dritter zum Zwecke der Sicherstellung vereinsrechtlich beschlagnahmter Sachen und zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel, auf Anordnung von deren Beschlagnahme sowie auf Duldung der Maßnahmen durch den Antragsgegner zu 2) ist zulässig.
Das Verwaltungsgericht München ist gem. § 10 Abs. 2 Satz 5, § 4 Abs. 2 Satz 1 VereinsG örtlich zuständig, weil die Maßnahmen im Gerichtsbezirk stattfinden sollen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG entscheidet der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts, vorliegend entsprechend der Geschäftsverteilung der Kammer der Berichterstatter.
Der Antrag hat auch Erfolg.
Der Antragsteller hat die für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung erforderlichen Voraussetzungen glaubhaft dargelegt (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO).
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung bei der Antragsgegnerin zu 1) zum Zwecke der Sicherstellung vereinsrechtlich beschlagnahmter Sachen ist § 10 Abs. 2 Satz 5 VereinsG. § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG befugt die Vollzugsbehörde aufgrund der nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG mit der Verbotsverfügung verbundenen Beschlagnahme Sachen im Gewahrsam des Vereins, einschließlich der ihr von Dritten überlassenen Sachen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG, und aufgrund einer Sicherstellungsanordnung Sachen im Gewahrsam Dritter (vgl. Seidl in Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, Komm. 2014, § 10 Rn. 26 f.) sicherzustellen. Da die Antragsgegnerin zu 1) nicht Mitglied des Vorstandes und damit des für den Verein handelnden Organs des Vereins ist, ist sie bezüglich der Voraussetzungen für eine Sicherstellung von Sachen als Dritter im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG anzusehen (vgl. VGH BW, 27. Oktober 2011 – 1 S 1864/11- juris Rn. 10), so dass bei ihr zum Zwecke der Sicherstellung des Vereinsvermögens nur aufgrund eines gesonderten, von der Regierung von Oberbayern zu erlassenden Sicherstellungsbescheides (§ 4 VereinsG-DVO) sichergestellt werden kann. Soweit es der Zweck der Sicherstellung erfordert, dürfen gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 VereinsG auch Räume betreten sowie verschlossene Türen und Behältnisse geöffnet werden. Voraussetzung ist eine wirksame und vollziehbare Beschlagnahme des Vereinsvermögens (BayVGH, U. v. 8. Januar 2015 – 4 C 14.1708 – juris Rn. 24) sowie hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich bei der Antragsgegnerin zu 1) dem Vereinsvermögen zuzurechnende Gegenstände oder sonstige von der Beschlagnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG erfasste Gegenstände befinden (BayVGH, B. v. 25. August 2008 – 4 C 08.1341 – juris Rn. 18).
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Durchsuchung der Räume, Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins zum Zwecke der Auffindung weiterer Beweismittel sowie für die Anordnung von deren Beschlagnahme ist § 4 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 und 2 VereinsG. Dass bereits eine Verbotsverfügung erlassen worden ist und die Beweismittel nicht deren Vorbereitung, sondern der weiteren Untermauerung der Verfügung dienen, steht der (gleichzeitigen) Anwendung dieser für das Ermittlungsverfahren konzipierten Rechtsgrundlage nicht entgegen (OVG Bremen, U. v. 19. November 2015 – 1 B 349/14 – juris Rn. 4; OVG BB, B. v. 21. Dezember 2012 – 1 L 82.12 – juris Rn. 5; VGH BW, 27. Oktober 2011 – 1 S 1864/11- juris Rn. 5 ff.; Nds. OVG, B. v. 26. Oktober 1999 – 11 O 863/98 – juris Rn. 2; HessVGH, B. v. 16. Februar 1993 – 11 TJ 185/93, 11 TJ 186/93 – juris Rn. 45; OVG Hamburg, B. v. 6. Dezember 1983 – Bs III 840/83 – juris Ls). Eine Durchsuchung ist zulässig, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür sprechen, dass sie zur Auffindung von Gegenständen führt, die als Beweismittel in dem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren von Bedeutung sein können (§ 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG).
Die Antragsgegnerin zu 1) ist Mitglied einer verbotenen Vereinigung.
Der Bundesminister des Innern ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei DWR alias „LIES! Stiftung“/„Stiftung LIES!“ einschließlich ihrer Teilorganisationen „LIES! Verlag“ „ReadLiesLtd“ und „Insamlingsstiftlesen Al Quran Foundation“ um einen Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG handelt, nämlich – ohne Rücksicht auf die Rechtsform und im weiteren Sinn (vgl. BVerwG, U. v. 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – juris Rn. 24) – um eine Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Aus der Verfügung vom 25. Oktober 2016 (Seite 5 ff.) gehen zahlreiche und ausreichende Anhaltspunkte dafür hervor, dass es sich um einen zumindest stillschweigenden Zusammenschluss von Personen handelt, die zumindest faktisch einen gemeinsamen Zweck verfolgen und über die wesentlichen Ziele der Vereinigung einig sind; weiter, dass eine Organisationsstruktur vorhanden ist, die faktisch auf eine organisierte Willensbildung schließen lässt und die einzelnen Mitglieder der Verbandsdisziplin untergeordnet sind (vgl. BVerwG, U. v. 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – juris Rn. 25).
Anhand in einem Personaldossier zusammengestellter Erkenntnisse ist belegt, dass die Antragsgegnerin zu 1) dem salafistischen Personenspektrum in München zuzurechnen ist und seit 2014 bei der Landeshauptstadt München für nahezu alle LIES!-Stände die erforderlichen Sondernutzungserlaubnisse beantragt. Sie organisiert auch die benötigten Exemplare der Koranübersetzung und gilt als Ansprechpartnerin der LIES!-Zentrale in München. Sie kümmert sich auch um organisatorische Belange, wie z. B. Anfahrt, Werbematerial und Aufbau der LIES!-Informationsstände. Im Dezember 2015 teilte sie auf Facebook einen Beitrag der Deutschen Welle mit einem Foto, in dem ein verbotenes Logo des Islamischen Staates gezeigt wurde. In der Antragsschrift der Regierung von Oberbayern vom 1. November 2016 (Seite 6 f.) ist überzeugend dargetan, dass die Antragsgegnerin zu 1) als Verantwortliche, sog. Mehrfachanmelder und Organisatorin von LIES!-Ständen eine leitende Funktion innerhalb eines LIES!-Teams und damit eine wesentliche Funktion für die Vereinsaktivitäten innehat, dass sie ideologisch mit den Zielen des Vereins verbunden und Trägerin von Insiderwissen ist und insgesamt eine Schlüsselfunktion für die Flächenpräsenz von DWR hat.
Der bundesweit agierende Verein einschließlich seiner Teilorganisationen wird mit sofort vollziehbarer (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) vereinsrechtlicher Verfügung des nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VereinsG zuständigen Bundesministers des Innern vom 25. Oktober 2016 verboten und aufgelöst, weil er zwei Verbotstatbestände (§ 3 Abs. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG) erfüllt, nämlich sich in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und schwerwiegend, ernst und nachhaltig den Gedanken der Völkerverständigung beeinträchtigt (vgl. BVerwG, U. v. 16. November 2015 – 1 A 4/15 – juris Rn. 19 ff. u. U. v. 3. Dezember 2004 – 6 A 10/02 – juris Rn. 18; Albrecht in Albrecht/Roggenkamp, VereinsG, Komm. 2014, § 3 VereinsG, Rn. 56). Durch die geplante zeitgleiche Übergabe an die Vertreter des Vereins am … November 2016 um 6:00 Uhr wird die Verbotsverfügung wirksam (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG).
Im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht sind die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung und der damit verbundenen Beschlagnahme- und Einziehungsverfügungen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG) nicht in vollem Umfang zu prüfen, da dies jeweils in gesonderten Klage- oder Eilverfahren durch andere gerichtliche Spruchkörper, hier das Bundesverwaltungsgericht gem. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, zu geschehen hat (vgl. BayVGH, U. v. 8. Januar 2015 – 4 C 14.1708 – juris Rn. 24; ebenso SächsOVG, B. v. 12. November 2013 – 3 E 70/13 – juris Rn. 12; OVG Bremen, B. v. 11. September 2013 – 1 S 131/13 – juris Rn. 9; HambOVG, B. v. 23. Januar 2001 – 4 Bs 299/00 – juris Rn. 6). Die für die Verbots- und Beschlagnahmeverfügung angeführten Gründe sind nur in summarischer Form auf ihre Schlüssigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen und im Falle offenkundiger Mängel der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung abzulehnen (vgl. BayVGH, a. a. O., m. w. N.). Eine solche Prüfung ergibt, dass der Bundesminister des Innern ausgehend von der in der obergerichtlichen Rechtsprechung erfahrenen Ausprägung der Verbotsgründe und den vor allem im Internet verbreiteten, durch das Gericht nachprüfbaren Belegen zutreffend und überzeugend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass DWR sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, vor allem gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, die Glaubens- und Gewissensfreiheit und das Gleichheitsgrundrecht, richtet (Seite 15 ff.) und den Gedanken der Völkerverständigung beeinträchtigt (Seite 29 ff.), weiter, dass ein Vereinsverbot, insbesondere unter Abwägung mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Europäischen Menschenrechtskonvention, verhältnismäßig ist (Seite 46 ff.). Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (BVerwG, U. v. 16. November 2015 – 1 A 4/15 – juris Rn. 13 m. w. N.) auch nicht zu beanstanden, dass der Bundesminister des Innern von einer Anhörung des Vereins absieht, um diesem keine Gelegenheit zu geben, sein Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen.
In Anbetracht der herausgehobenen Aktivitäten der Antragsgegnerin zu 1) für den Verein und der großen Verbreitung moderner technischer Kommunikationsmittel im häuslichen Bereich steht bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten, dass in ihrer Wohnung, den dazugehörigen Nebenräumen einschließlich Keller und Garage (zum Begriff der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG vgl. BayVGH, U. v. 2. Oktober 2012 – 10 BV 09.1860 – juris Rn. 29) und von ihr genutzten Fahrzeugen die vom Antragsteller näher aufgeführten Gegenstände, Datenträger und Unterlagen aufgefunden werden, die von Bedeutung sein können, die Aktivitäten von DWR bzw. der Antragsgegnerin zu 1) für den Verein weiter aufzuklären, als auch dem Vereinsvermögen zuzurechnende Gegenstände einschließlich solcher nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Da es weithin üblich ist, Gegenstände wie Mobiltelefone, kleine Speichermedien und klassische Adressbücher ständig mitzuführen, ist darüber hinaus damit zu rechnen, dass die Antragsgegnerin zu 1) derartige Beweismittel in ihrer Kleidung bei sich trägt.
Da die Antragsgegnerin zu 1) nicht Mitglied des Vereinsvorstandes und damit des für den Verein handelnden Organs ist, ist sie bezüglich der Voraussetzungen für eine Sicherstellung von Sachen als Dritter im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 1 VereinsG anzusehen (vgl. VGH BW, 27. Oktober 2011 – 1 S 1864/11- juris Rn. 10), so dass bei ihr zum Zwecke der Sicherstellung des Vereinsvermögens nur aufgrund eines gesonderten Sicherstellungsbescheides (§ 4 VereinsG-DVO) sichergestellt werden kann. Hinsichtlich der Durchsuchungsanordnung zum Zwecke des Auffindens weiterer Beweismittel ist die Antragsgegnerin zu 1) als Mitglied oder Hintermann des Vereins im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 VereinsG anzusehen.
Der Antrag auf Erlass der Beschlagnahmeanordnung genügt auch dem Bestimmtheitsgebot (vgl. BayVGH, B. v. 11. Dezember 2002 – 4 C 02.2478 – juris Rn. 22 m. w. N.; OVG Nds., B. v. 19. Februar – 11 OB 398/08 – juris Rn. 9; OVG NW, B. v. 30. Januar 2009 – 5 E 1492/08 – juris Rn. 15 f.; OVG BE-BB, B. v. 1. September 2009 – 1 L 100.08 – juris Rn. 3; OVG Bremen, U. v. 19. November 2015 – 1 B 349/14 – juris Rn. 9 ff.), da der Antragsteller in der Antragsbegründung unter Nummer 6 präzisiert hat, welche Gegenstände, nämlich Kommunikations- und Videotechnik, Datenträger, Kontounterlagen des Vereins einschließlich seiner Teilvereinigungen und Spendenquittungen, beschlagnahmt werden sollen. Damit sind diese Gegenstände so genau bezeichnet, dass kein vernünftiger Zweifel über den Umfang der Beschlagnahme aufkommen kann. Die verbleibende, nie ganz zu vermeidende Unbestimmtheit ist unschädlich (vgl. OVG Bremen, U. v. 19. November 2015 – 1 B 349/14 – juris Rn. 10 f.).
Die Durchsuchung und Beschlagnahme verstoßen auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerfG, B. v. 26. Oktober 2011 – 2 BvR 1774/10 – juris Rn. 26 u. B. v. 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92 – juris 1. Ls, Rn. 24). Sie versprechen im Hinblick auf die vorangegangenen Darlegungen Erfolg und sind zur Erreichung der beantragten Zwecken auch erforderlich, da andere, weniger einschneidende Mittel nicht ersichtlich sind, um an die erwartungsgemäß zu gewinnenden Beweismittel und das Vereinsvermögen zu gelangen. Auch das zwangsweise Öffnen der Wohn- und sonstigen Räume sowie Sachen, sofern die Antragsgegner nicht anwesend sind oder keinen Zutritt gewähren, ist gerechtfertigt, da die Regierung von Oberbayern beauftragt ist, zeitgleich mehrere Durchsuchungen durchführen zu lassen, und die Gewinnung von Beweismitteln und eine Sicherstellung des Vereinsvermögens nur in einer konzertierten Aktion erfolgversprechend erscheint. Schließlich steht die Schwere dieser grundgesetzlichen Eingriffe in Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B. v. 11. Juli 2008 – 2 BvR 2016/06 – juris Rn. 16 ff.) mit Blick auf den Umfang und das Gewicht der vorliegenden Erkenntnisse und auf die aus dem Agieren des Vereins resultierenden Gefahren für höchste Rechtsgüter, die Schwierigkeiten, in einem ideologisch-konspirativen Umfeld zu ermitteln, sowie die Festlegung des Durchsuchungs- und Beschlagnahmerahmens in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck und der hierdurch zu schützenden verfassungsmäßigen Ordnung.
Eine vorherige Anhörung der Antragsgegner nach Art. 103 Abs. 1 GG unterbleibt, da andernfalls die Gelegenheit bestünde, einschlägige Gegenstände und Beweismittel beiseitezuschaffen und damit den Zweck der Anordnung zu gefährden (vgl. BVerfG, B. v. 16. Juni 1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 54 m. w. N.; § 4 Abs. 4 VereinsG i. V. m. § 101 StPO). Der gerichtliche Beschluss ist den Antragsgegnern jedoch vor Beginn der Durchsuchung bekanntzugeben.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Entsprechend den Rechtsgedanken aus § 155 Abs. 4, § 156 VwGO waren die Kosten der Antragsgegnerin zu 1) als Veranlasser der Maßnahmen aufzuerlegen. Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es nicht, da Gerichtsgebühren nicht anfallen.

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