Aktenzeichen 191 C 521/16
Leitsatz
1 Nach § 28 Abs. 2 Nr. 2a BDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein berechtigtes Interesse an der Übermittlung von Daten (hier: Mitteilung eines nur dem Vornamen nach bekannten, als Vater eines Kindes in Betracht kommenden Hotelbesuchers durch dessen Betreiberin) liegt vor, wenn die Daten benötigt werden, um Kindesunterhaltsansprüche geltend zu machen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Übermittlung der Daten ist in diesem Fall erforderlich, da es kein milderes oder einfacheres Mittel zur Erreichung des Ziels besteht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4 Allerdings überwiegen die Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
5 In der Abwägung überwiegt das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG und dem eigenen Schutz der Ehe und Familie gegenüber dem Recht der Kindesmutter auf Schutz der Ehe und Familie sowie dem Unterhaltsanspruch des Kindes. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der geforderten Auskunft zu.
I.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 28 Abs. 2 Nr. 2 a BDSG.
1. Bei der Beklagten handelt es sich um eine nicht-öffentliche Stelle i.S.d. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 Abs. 4 BDSG. Personenbezogene Daten sind nach § 3 Abs. 1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener).
2. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 a BDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten für einen anderen Zweck zulässig soweit es erforderlich ist zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.
a) Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn es auf sachlichen Erwägungen beruht und mit der Rechtsordnung übereinstimmt. Es kann ideell wie auch wirtschaftlich sein, es kann unmittelbar oder nur mittelbar sein. Das berechtigte Interesse an der Übermittlung (Kenntnis) der Daten muss vom Dritten, an den die Daten übermittelt werden, glaubhaft gemacht werden, d.h. er muss Tatsachen vortragen, aus denen sich ein berechtigtes Interesse ergibt. Die Klägerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie die Daten benötigt, um nach Feststellung der ladungsfähigen Adresse des männlichen Begleiters entsprechende Kindesunterhaltsansprüche gegen diesen geltend zu machen. Die behaupteten Tatsachen brauchen im Falle der Glaubhaftmachung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustehen. Es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 16 Rn. 8).
b) Die Übermittlung der Daten ist vorliegend auch erforderlich, da es kein milderes oder einfacheres Mittel zur Erreichung des klägerischen Ziels besteht. Die Klägerin kennt lediglich den Vornamen des Betroffenen und den Bereich einer möglichen Meldeadresse in … oder … zum Zeitpunkt der Beiwohnung. Dies ist für eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt als milderes Mittel nicht ausreichend.
c) Der Anspruch scheitert jedoch an den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung. Es ist eine Abwägung der berechtigten Interessen des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, mit den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen durchzuführen. Besteht ein besonderes berechtigtes Interesse des Dritten an der Datenübermittlung, so müssen die entstehenden schutzwürdigen Belange des Betroffenen auch von einigem Gewicht sein, um die Unzulässigkeit der Datenübermittlung herbeizuführen. Der Begriff schutzwürdige Belange bzw. Interessen des Betroffenen ist weit auszulegen und geht über die vom Grundgesetz geschützte Persönlichkeitsphäre des Betroffenen hinaus. In Zweifelsfällen ist dem Schutz des Betroffenen Vorrang einzuräumen (Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 16 Rn. 8).
Die Nachteile, die dem Betroffenen durch die Übermittlung der Daten drohen, können im wirtschaftlichen, sozialen oder persönlichen Bereich liegen. Unerheblich sind nur solche Beeinträchtigungen, die nach allgemeiner Auffassung von jedermann hingenommen werden und wenn solche Daten auf anderem Wege ebenso leicht und rechtmäßig zu erlangen sind. Die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen müssen gegenüber den berechtigten Interessen des Dritten vorrangig sein, um eine Auskunftssperre zu bewirken (Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 16 Rn. 8).
Vorliegend kommen als Betroffene der vermeintliche Unterhaltsverpflichtete sowie die anderen drei vom Hotel erfassten männlichen Personen mit dem Namen „M…“ in Betracht.
Bei der durchzuführenden Abwägung überwiegt das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem eigenen Schutz der Ehe und Familie gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz der Ehe und Familie sowie dem Unterhaltsanspruch. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Des Weiteren steht den Betroffenen das mit dem Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre spezifisch geschützte Recht zu, geschlechtliche Beziehungen nicht offenbaren zu müssen, sondern selbst darüber befinden zu können, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Februar 2015 – 1 BvR 472/14). Dieses Recht ist durch die Preisgabe der Daten betroffen, weil bereits hierdurch die Möglichkeit einer geschlechtlichen Beziehung zu der Klägerin als Mutter des Kindes letztlich unwiderlegbar in den Raum gestellt ist.
Darüber hinaus ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass den Betroffenen ihr eigenes Recht auf Schutz der Ehe und Familie zusteht, welches durch die Preisgabe ihrer Daten betroffen wäre.
Mit der Ermöglichung der Datenübermittlung in der vorliegenden Konstellation, bei der kein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis gegeben ist, geht zudem die Gefahr einher, dass Datenübermittlungen „ins Blaue hinein“ erfolgen. Der Klägerin ist es nicht möglich, weitere Umstände vorzutragen, durch die der unterhaltsverpflichtete Betroffene eingrenzbar wäre. Allein der Vorname, wobei sich die Klägerin nicht sicher ist, ob es sich um den einzigen Vornamen handelt, und die Etagenzahl ist für die erforderliche Eingrenzung nicht …nd. Auch ist nicht mit Sicherheit feststellbar, ob es sich bei dem Namen auch tatsächlich um den richtigen Namen des Betroffenen handelt. In der vorliegenden Konstellation sind daher zwangsläufig auch Außenstehende als Verpflichtete einbezogen.
Auch der Zweck des Bundesdatenschutzgesetzes spricht gegen einen Anspruch auf Übermittlung der Daten. Nach § 1 Abs. 1 BDSG ist gerade Zweck des Gesetzes, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.
II. Der Beklagten ist es schließlich unmöglich, die Daten herauszugeben, da sie nicht mehr im Besitz der entsprechenden Software mit den Daten ist. Die Beklagte führt das streitgegenständliche Hotel seit 2012 nicht mehr. Die Buchungen seien damals über eine Software verwaltet worden, die nicht mehr im Besitz der Beklagten sei. Sie habe keine Möglichkeit, bestimmte Zimmerbuchungen nachzuverfolgen, da auch keine Unterlagen über Zimmerbelegung etc. vorlägen. Archiviert seien lediglich die Rechnungen über die Übernachtungskosten. Auf diesen seien aber keine bestimmten Zimmer oder Stockwerke vermerkt, so dass die Abrechnungen einem bestimmten Gast aus dem zweiten Stock nicht eindeutig zuordenbar sind. Der Beklagten geht es daher, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht um die Vermeidung von Aufwand. Auch spricht die Tatsache, dass dem Nachpächter des Hotels keine Unterlagen und Informationen vorliegen, nicht gegen die Annahme, dass die Beklagte ebenfalls nicht mehr über Informationen und Unterlagen aus dem Jahre 2010 verfügt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.