Baurecht

Antrag auf Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum und Genehmigungsfiktion

Aktenzeichen  M 8 K 15.5207

Datum:
24.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 22 Abs. 5 S. 4, § 172 Abs. 1 S. 4, § 173 Abs. 1 S. 1
DVWoR DVWoR § 5

 

Leitsatz

Gemäß § 173 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BauGB iVm § 22 Abs. 5 S. 4 BauGB gilt eine nach § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB iVm § 5 DVWoR notwendige Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der gesetzlichen Bearbeitungsfrist versagt wird. Die Frist wird im Regelfall durch den Eingang des Genehmigungsantrags bei der zuständigen Behörde in Lauf gesetzt; notwendig ist der vollständige Genehmigungsantrag. Dies erfordert auch die Einreichung einer angeforderten Abgeschlossenheitsbescheinigung als zwingende Voraussetzung für die Bearbeitung des Antrags auf Genehmigung der Begründung von Wohnungseigentum. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Es wird festgestellt, dass die unter dem 15. Juli 2015 beantragte Genehmigung zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum für die Gebäude …-Str. 53 und 53 a als erteilt gilt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
1. Soweit in dem nunmehr mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 primär verfolgten Ziel, die Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion zu erreichen, eine Klageänderung zu sehen sein sollte, ist diese jedenfalls gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig.
Da die Klägerin nach wie vor den Erhalt der Genehmigung für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum in den streitgegenständlichen Anwesen erstrebt, beinhaltet die nun primär beantragte Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion letztlich das gleiche Klagebegehren. Der Feststellungsantrag ist in jedem Fall sachdienlich, da sich im Falle des vorausgegangenen Eintritts der Genehmigungsfiktion die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Genehmigung erübrigt.
2. Der Klagehauptantrag ist als Feststellungsklage zulässig. Mit ihr wird die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt, an dem die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse hat, § 43 Abs. 1 VwGO.
Das Feststellungsbegehren scheitert auch nicht daran, dass die Klägerin ihre Rechte vorrangig im Wege einer Leistungsklage – wozu sowohl die Verpflichtungs- als auch die allgemeine Leistungsklage gehören – hätte verfolgen können, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese Regelung schließt die Feststellungsklage aus, wenn der Kläger sein Begehren mit einer Gestaltungs- oder Verpflichtungsklage oder einer allgemeinen Leistungsklage ebenso gut oder besser verfolgen kann. Damit sollen unnötige Feststellungsklagen verhindert werden, wenn zur Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen. Weiter soll vermieden werden, dass die Sonderregelungen für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen umgangen werden und ein zweiter Rechtsstreit erforderlich wird, wenn die Beklagte die Folgeentscheidungen aus der festgestellten Rechtslage nicht trifft (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 26.11.2008 – 8 A 10676/08 – juris Rn. 28 m. w. N.).
Zwar kennt § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB einen gegebenenfalls mit der Verpflichtungsklage bzw., soweit man in der Fiktionsbescheinigung keinen Verwaltungsakt sieht, mit einer allgemeinen Leistungsklage verfolgbaren Anspruch auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung. Dieser – im Übrigen antragsgebundene – Anspruch steht jedoch nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis zu der Feststellung, dass die Fiktionswirkung nach § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB eingetreten ist. Vielmehr hat der Bauherr die Wahl, ob er eine Fiktionsbescheinigung begehrt oder sich mit einer entsprechenden Feststellung begnügt (vgl. insoweit auch VG Frankfurt/Oder, U.v. 1.3.2011, Az: 7 K 1008/08 – juris Rn. 40). Die Fiktionsbescheinigung stellt nur deklaratorisch den Eintritt der Genehmigungsfiktion fest, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, diese auch nach außen hin zu dokumentieren. Eine konstitutive Wirkung kommt der Fiktionsbescheinigung nicht zu, vielmehr tritt die Genehmigungsfiktion de lege lata ein. Ein etwaiges Verpflichtungsbegehren auf Erteilung der Fiktionsbescheinigung ist daher weder unmittelbarer, noch sachnäher, noch reicht es rechtlich weiter als das Feststellungsbegehren.
II.
Die Klage ist mit dem nunmehr gestellten Klagehauptantrag zu 1. begründet. Einer Entscheidung über die Hilfsanträge bedarf es danach nicht mehr.
1. Der Feststellungsantrag ist begründet, da die von der Klägerin beantragte Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum seit dem Ablauf des 12. September 2015 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB i. V. m. § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB als erteilt gilt.
Nach diesen Vorschriften gilt u. a. eine nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i. V. m. § 5 DVWoR notwendige Genehmigung als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der gesetzlichen Bearbeitungsfrist versagt wird. So liegt der Fall hier. Die gesetzliche Bearbeitungsfrist beträgt im vorliegenden Fall gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB einen Monat. Die Frist wird im Regelfall durch den Eingang des Genehmigungsantrags bei der zuständigen Behörde – hier der Beklagten – in Lauf gesetzt; notwendig ist der vollständige Genehmigungsantrag, um den Lauf der 1-Monatsfrist in Gang zu setzen, da nur in diesem Fall der Antrag bescheidungsfähig ist (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, § 22 Rn. 54 a). Vollständig war der Genehmigungsantrag der Klägerin erst mit Eingang der von der Beklagten im Schreiben vom 5. August 2015 angeforderten Abgeschlossenheitsbescheinigung, die mit dem Antrag vom 15./16. Juli nicht mit den im Übrigen vorgelegten Unterlagen eingereicht worden war. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist aber zwingende Voraussetzung für die Bearbeitung des Antrags auf Genehmigung der Begründung von Wohnungseigentum. Da die zu Recht angeforderte Abgeschlossenheitsbescheinigung erst am 11. August 2015 bei der Beklagten vorlag, begann die Frist gemäß § 187 Abs. 1 BGB – für die Fristberechnung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, § 22 Rn. 54 a) am 12. August 2015 anzulaufen. Nach § 188 Abs. 2 BGB endet die Frist somit mit Ablauf desjenigen Tages des Monats, der durch seine Zahl dem Eingangstag entspricht, d. h. mit Ablauf des 11. September 2015 (einem Freitag).
2. Der Ablauf dieser gesetzlichen Bearbeitungsfrist und mit ihm der Eintritt der Genehmigungsfiktion ist nicht dadurch gehindert worden, dass die Beklagte die gesetzliche Bearbeitungsfrist mit dem als „Zwischenbescheid“ überschriebenen Schreiben vom 5. August 2015 verlängert hätte. Zwar hat die Beklagte in der Zwischenverfügung vom 5. August 2015 erklärt, dass die Bearbeitungsfrist um drei Monate verlängert werde und mit Ablauf des 19. Oktober 2015 ende. Diese Zwischenverfügung erweist sich jedoch aus zwei voneinander unabhängigen Gründen als fehlerhaft.
2.1 Nach § 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB kann die Frist, wenn die Prüfung des Antrags in der Monatsfrist des § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB nicht abgeschlossen werden kann, vor ihrem Ablauf in einem dem Antragsteller mitzuteilenden Zwischenbescheid um den Zeitraum verlängert werden, der notwendig ist, um die Prüfung abschließen zu können; höchstens jedoch um drei Monate. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kann die Frist nur vor ihrem Ablauf mit entsprechendem Zwischenbescheid verlängert werden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Monatsfrist des § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB angelaufen sein muss. Dies war aber vorliegend gerade nicht der Fall. Abgesehen vom eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der Fristlauf aufgrund der vollständigen Einreichung der Unterlagen begonnen haben muss, da erst zu diesem Zeitpunkt für die Behörde ersichtlich ist bzw. sein kann, dass die Prüfung in der Regelbearbeitungsfrist des § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB nicht abgeschlossen werden kann. Da die Verlängerung der Bearbeitungsfrist die Ausnahme darstellt und für den Betroffenen auch eine entsprechende Belastung mit sich bringt, müssen hierfür sachliche Gründe vorliegen, die in der Regel auch nur dann angemessen beurteilt werden können, wenn sämtliche für die Bearbeitung notwendigen Unterlagen vorliegen.
Soweit die Beklagte im Schreiben vom 5. August 2015 auch den zur Abgeschlossenheitsbescheinigung gehörigen Aufteilungsplan angefordert hat, der allerdings – wie die Durchnummerierung der Akten der Beklagten ergibt – bereits mit Antragseingang vorgelegen hat (vgl. die Nummerierung der Akten, wonach die drei Aufteilungspläne mit den Ziffern 1 bis 3 versehen wurden), ist dies unschädlich und hat keine Auswirkungen auf den Lauf der Frist, da die Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 21. Mai 2015 tatsächlich erst am 11. August 2015 vorgelegt wurde.
2.2 Abgesehen davon, dass die Beklagte die Frist gemäß § 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB am 5. August 2015 mangels deren Anlauf nicht verlängern konnte, wäre die mit Schreiben vom 5. August 2015 verfügte Verlängerung auch aus einem weiteren Grund nicht gerechtfertigt.
Die Beklagte hat keine konkreten Gründe für die Notwendigkeit der Verlängerung der Bearbeitungsfrist benannt, was allerdings notwendig gewesen wäre, da eine „vorsorgliche“ Verlängerung „ins Blaue hinein“ unzulässig ist (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Komm. zum BauGB, § 22 Rn. 54 b; VG Frankfurt/Oder, a. a. O.). Die Beklagte hat in ihrem Zwischenbescheid vom 5. August 2015 als Begründung nur die noch fehlenden Unterlagen angeführt, die aber, wie oben dargestellt, die Verlängerung der Frist schon deshalb nicht rechtfertigen können, da diese noch nicht angelaufen war. Abgesehen davon hat die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch keine Einschätzung hinsichtlich etwaiger Gründe für die Verlängerung der Bearbeitungsfrist vorgenommen. Die Beklagte hat zu einem etwaigen Vorliegen sachlicher Gründe für eine Fristverlängerung keinerlei Ausführungen gemacht, sondern sich lediglich auf die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit dieser Verlängerung berufen. Die Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, unter Einsatz ihrer gesamten Verwaltungskraft den Antrag nach Möglichkeit innerhalb der Regelfrist zu bescheiden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass innerhalb dieser kurzen Genehmigungsfrist die erforderlichen Prüfungen grundsätzlich abgeschlossen werden können. Auch im Blick auf diese Regelfrist ist es notwendig, dass besondere Gründe vorliegen, wie etwa außergewöhnliche rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, aufgrund derer trotz Einsatz eines vom Gesetzgeber erwarteten Verwaltungsaufwands innerhalb der Monatsfrist der Antrag nicht abschließend geprüft werden kann.
2.3 Die Fristverlängerung mit Zwischenbescheid vom 5. August 2015 war daher in keiner Weise gerechtfertigt und somit fehlerhaft. Diese Fehlerhaftigkeit führt auch zu deren Unwirksamkeit. Denn die Zwischenverfügung, mit der die Verlängerung der Bearbeitungsfrist ausgesprochen wird, ist eine unselbstständige Verfahrenshandlung und kein Verwaltungsakt, so dass sich die bei fehlerbehafteten Verwaltungsakten übliche und gebotene Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und bloßer Rechtswidrigkeit verbietet (vgl. VG Frankfurt/Oder vom 1.3.2011 a. a. O. – juris Rn. 45).
Davon geht ganz offensichtlich auch die Beklagte aus, denn im letzten Absatz der „Zwischenverfügung“ vom 5. August 2015 ist der Hinweis enthalten, dass selbstständige Rechtsbehelfe gegen einen solchen Zwischenbescheid wegen § 44 a VwGO nicht statthaft seien und die etwaige Rechtswidrigkeit der Verfügung mit der abschließenden Sachentscheidung angegriffen werden könne. Im Hinblick darauf, dass die als „Zwischenverfügung“ überschriebene Bearbeitungsfristverlängerung keinen selbstständig angreifbaren Regelungsgehalt beinhaltet, kann sie konsequenterweise auch nicht als eigenständiger Verwaltungsakt angesehen werden (insoweit anderer Auffassung Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 145 Rn. 20 a), da sich dies nicht mit den für Verwaltungsakte geltenden Verfahrensvorschriften vereinbaren ließe.
Auch würde bei anderer Betrachtungsweise die Genehmigungsfiktion des § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB praktisch leerlaufen, da auch unwirksame Fristverlängerungen aufgrund der Tatbestandswirkung von rechtswidrigen Verwaltungsakten wirksam wären, weil die Nichtigkeit einer solchen als Verwaltungsakt zu bewertenden Fristverlängerung nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht käme. Letztlich würde hierdurch die Absicht des Gesetzgebers, die Verfahren in der Regel innerhalb der kurzen Genehmigungsfrist abzuschließen, konterkariert.
III. Der Klage war daher im Hinblick auf ihren nunmehr gestellten Hauptantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die hilfsweise gestellten Anträge erübrigt sich, da dem Hauptantrag stattgegeben worden ist. Die Beklagte wird aber, soweit die Klägerin einen entsprechenden Antrag stellt, gemäß § 22 Abs. 5 Satz 5 BauGB eine entsprechende Fiktionsbescheinigung auszustellen haben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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