Strafrecht

Anforderungen an die persönliche Beratung im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Aktenzeichen  33 T 1670/16

Datum:
24.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2017, 1273
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO InsO § 305 Abs. 1 Nr.1

 

Leitsatz

1 Die von einer befähigten Stelle ausgestellte Bescheinigung über die außergerichtliche Schuldenregulierung ist grundsätzlich nicht inhaltlich zu überprüfen. Etwas anderes mag gelten, wenn sich der Verdacht aufdrängt, die Beratung sei nicht durch die die Bescheinigung erstellende Person persönlich durchgeführt worden.     (redaktioneller Leitsatz)
2 Für eine persönliche Beratung muss die bescheinigende Person zumindest einmal mit dem Schuldner persönlich dessen Vermögens- und Verschuldenssituation besprochen haben. Ein persönliches Treffen unter Beisein beider Personen ist dafür generell nicht erforderlich; die Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln kann genügen.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

IK 334/16 2016-06-02 Bes AGLANDSHUT AG Landshut

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 02.06.2016, Az. IK 334/16 aufgehoben und das Verfahren dem Amtsgericht Landshut zur weiteren Behandlung sowie zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit der Vorgabe zurückgeleitet, den Antrag des Antragstellers nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 € festgesetzt

Gründe

I.
Mit Antrag vom 27.04.2016 hat der Beschwerdeführer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 305 InsO gestellt, auf den Antrag nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 02.06.2016 hat das Amtsgericht Landshut – Insolvenzgericht den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das eigene Vermögen als unzulässig zurückgewiesen, auf den Beschluss wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 20.06.2016 hat der Schuldner durch seinen Bevollmächtigten sofortige Beschwerde erhoben, auf den Schriftsatz nebst Anlage wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 27.06.2016 hat das Amtsgericht Landshut der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Landshut zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 04.07.2016 hat der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers nochmals Stellung genommen.
II.
Mit dem folgenden kann sich eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Landshut ergeben. Die bestehende Rechtsprechung wird, soweit diese im Widerspruch zum Nachfolgenden steht, ausdrücklich aufgegeben.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und führt in der Sache zur Aufhebung des Beschlusses.
Dem Wortlaut des § 305 I Nr. 1 InsO nach muss die Bescheinigung von einer geeigneten Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt sein.
Eine persönliche Beratung im Sinne des § 305 I InsO liegt somit dann nicht vor, wenn die Beratung nicht durch die die Bescheinigung erstellende Person durchgeführt worden ist (vgl. LG Potsdam, NZI 2015, 901).
Die beratende Person muss die außergerichtliche Beratung in eigener Person erbringen. Eine Delegation der Beratungspflicht von den geeigneten Personen auf nicht anerkannte Stellen ist ausgeschlossen (vgl. LG Köln, NZI 2016, 171). Erforderlich ist, dass zumindest einmal mit dem Schuldner persönlich durch die bescheinigende Person die Vermögens- und Verschuldenssituation des Schuldners besprochen worden ist. Soweit ein Unmittelbarkeitserfordernis gesehen wird (AG Kaiserslautern, VuR 2016, 197, ebd.), findet dies keine Deckung im Gesetz. Der Zivilgesetzgeber kennt strengere Formulierungen des persönlichen Kontakts als den in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wie etwa in § 312b Abs. 1 Nr. 3 BGB. Dem Gesetzgeber wäre es damit frei gestanden, die persönliche Beratung in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO strenger oder enger zu formulieren, als es tatsächlich erfolgt ist.
Nach dem Wortlaut des § 305 I Nr. 1 InsO muss die Bescheinigung auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung erteilt worden sein. Intention des Gesetzgebers war hier, zur Entlastung der Insolvenzgerichte eine persönliche und individuelle Beratung zu kodifzieren, die sich von einer einfachen Begleitung der Antragstellung unterscheiden soll. Die Insolvenzgerichte sollen dadurch entlastet werden, dass die Überprüfungspflicht auf die formelle Richtigkeit der Bescheinigung beschränkt wird und eine inhaltliche Prüfung des Gegenstandes der Bescheinigung, ob es ernsthafte Einigungsbemühungen gibt und diese gescheitert sind, ausgeschlossen ist. Diese Entlastung des Insolvenzgerichts von dieser Prüfung ist aber nur gerechtfertigt, wenn einerseits die Bescheinigung von einer geeigneten Person oder Stelle ausgestellt wird und andererseits der Bescheinigung eine Analyse der Finanz- und Vermögenssituation vorausgeht, die nach dem gesetzgeberischen Willen durch den Bescheinigenden persönlich zu erbringen ist (vgl. LG Köln, NZI 2016, 171).
Damit ist eine von einer befähigten Stelle ausgestellte Bescheinigung grundsätzlich nicht zu überprüfen. Eine Ausnahme soll jedoch dann gelten, wenn sich der Verdacht einer Bescheinigung aufdrängt, die nicht der Intention des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO entspricht (für viele LG Potsdam vom 23.06.2015 – Az. 2 T 24/15).
Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn lediglich eine Ortsferne durch die bescheinigende Person vorliegt.
Die generelle Ablehnung des Vorliegens einer persönlichen Beratung, wenn diese unter Zuhilfenahme von Mitteln der Fernkommunikation erfolgt und kein persönliches Treffen unter Beisein beider Personen erfolgt ist, findet keine Deckung im Gesetz. Dass dies im Einzelfall erforderlich ist, ist hingegen nicht ausgeschlossen und erfordert eine weitergehende Darstellung der Gründe.
Wenngleich auch weiterhin der sogenannte „Stempelanwalt“ ausgeschlossen sein soll (LG Köln, NZI 2016, 171 f.), gilt ein solcher Ausschluss gerade nicht, wenn der Anwalt, wie hier, nach anwaltlicher Versicherung, die Beratungsleistungen tatsächlich erbringt.
Weitere Punkte wurden seitens des Amtsgerichts nicht aufgeführt, im Übrigen hat der Aussteller der Bescheinigung auch umfangreich dazu vorgetragen, dass er mehrfach mit dem Insolvenzantragsteller über Fernkommunikationsmittel kommuniziert habe, des Weiteren hat er auch einen 6-seitigen Fragebogen mit Datumsstempel des 14.09.2015 vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass sich der Aussteller so mit der tatsächlichen Lage des Antragstellers beschäftigt hat, wie dies in einem persönlichen Gespräch aus Sicht der Kammer nicht anders hätte erfolgen können. Diese Voraussetzung sind in künftigen Verfahren entsprechend zu erfragen, soweit sie nicht sowieso durch den Antragsteller mitgeteilt werden.
Damit war im vorliegenden Fall sichergestellt, dass der Zweck der persönlichen Beratung i. S. v. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingehalten worden ist.
III.
Eine Entscheidung über die Kosten hatte wegen der Zurückverweisung zu unterbleiben (BeckOK ZPO/Jaspersen/Wache ZPO § 97 Rn. 23).
IV.
Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.

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