Verwaltungsrecht

Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Nichtverbescheidung eines Antrags auf Aufhebung einer Rückbauanordnung

Aktenzeichen  9 B 13.1400

Datum:
17.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 54955
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 4, § 75 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Ist Streitgegenstand der Verpflichtungsklage der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf den unterlassenen oder versagten Verwaltungsakt (hier: Aufhebung einer Rückbauanordnung) und kommt es maßgeblich darauf an, ob ihm dieser Anspruch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zusteht, liegt ein statthaftes Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Falle einer durch Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens unzulässig gewordenen Verpflichtungsklage grundsätzlich nur dann vor, wenn der Kläger nunmehr die Feststellung begehrt, dass er im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses gegen die Beklagte einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hatte.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 K 11.1135 2012-03-29 VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über die Berufung wird im Einverständnis mit den Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung hat keinen Erfolg; die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig.
1. Gegenstand der Berufung ist nach Umstellung des ursprünglich auf Verpflichtung gerichteten Klageantrags mit Schriftsatz vom 22. Mai 2015 der Antrag des Klägers, festzustellen, „dass die Nichtverbescheidung des Antrags des Klägers vom 29. September 2010 auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 im Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19. März 2015 rechtswidrig ist“.
a) Würde man nur auf dessen Wortlaut abstellen, umfasste der Feststellungsantrag von vornherein ein unzulässiges Fortsetzungsfeststellungsbegehren.
Gegenstand der ursprünglichen Verpflichtungsklage des Klägers war (zuletzt) der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 durch einen von der Beklagten zu erlassenden Verwaltungsakt und nicht die bloße Bescheidung seines mit Schriftsatz vom 29. September 2010 bei der Beklagten gestellten Antrags, die Rückbauanordnung aufzuheben. Für eine Verpflichtungsklage auf Bescheidung schlechthin ohne Rücksicht auf den Inhalt des erstrebten Bescheids bestünde vorliegend ohnehin kein Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, B. v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180 = juris Rn. 4). Dementsprechend fehlte es auch der Fortsetzungsfeststellungsklage von vornherein am berechtigten Feststellungsinteresse im Hinblick auf einen vom Kläger angestrebten Staatshaftungsprozess, weil allein die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtverbescheidung präjudiziell nichts darüber besagt, in welche Richtung die Entscheidung der Beklagten hätte ergehen müssen.
b) Entgegen seines Wortlauts kann der Feststellungsantrag nach § 88 VwGO als Antrag auf Feststellung ausgelegt werden, dass die Beklagte verpflichtet war, die Rückbauanordnung aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) oder – hilfsweise – bei fehlender Spruchreife zumindest zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet war (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. BVerwG, U. v. 27.3.1998 – 4 C 14.96 – BVerwGE 106, 295 zur etwaigen Herstellung der Spruchreife im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage). Dieses so verstandene Begehren ergibt sich bei verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens zum behaupteten Anspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010, insbesondere aus dem Vortrag zur Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage, wonach „die Verwaltung der Beklagten vorliegend untätig blieb und aus diesem Grunde der beantragte Verwaltungsakt – hier: in Gestalt eines Aufhebungsbescheids – von der Beklagten nicht erlassen wurde“ (vgl. Schriftsatz vom 13.8.2015, S. 2, II.1.).
2. Auch in dieser sachgerechten Auslegung des klägerischen Antrags erweist sich die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig.
a) Soweit sich der Fortsetzungsfeststellungsantrag seinem Wortlaut nach auch auf die in Nr. I.3 der Rückbauanordnung verfügte Beseitigung der Betonteile für das Schwimmbad in der nordwestlichen Grundstücksecke beziehen soll, ist die Umstellung auf die Fortsetzungsfeststellungsklage schon deshalb nicht statthaft, weil sich der Verpflichtungsantrag insoweit nicht erledigt hat. Mit Bescheid vom 19. März 2015 hat die Beklagte die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 nur hinsichtlich der „Ziffern I.1 (Entfernen des geneigten Daches), I.2 (Entfernen des Aufgangs zum Dach) und I.4 (Entfernen der Balustraden im EG)“ widerrufen. Die Ausführungen des Klägers in den Schriftsätzen vom 13. August 2015 und vom 26. Mai 2015, wonach Nr. I.3 der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 de facto ihre rechtliche Erledigung gefunden habe, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlungen vom 11. Dezember 2013 erklärt habe, keine weiteren Maßnahmen auf Grundlage der Rückbauanordnung zu planen, lassen darauf schließen, dass er auch insoweit seinen Verpflichtungsantrag nicht weiterverfolgt. Hätte der Kläger seinen Verpflichtungsantrag insoweit aufrechterhalten wollen, wäre ihm dies durch entsprechende Antragstellung möglich gewesen. Ohne dass es darauf ankommt, wäre die Verpflichtungsklage insoweit jedenfalls in der Sache ohne Erfolg geblieben, weil das z.T. ausgeführte Schwimmbad nach wie vor den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht und ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von dessen Festsetzungen nicht in Betracht kommt.
b) Auch im Übrigen, also hinsichtlich der Nrn. I.1, I.2 und I.4 der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010, ist die umgestellte Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht statthaft.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Feststellungsantrag als Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur statthaft, wenn sich ein Verpflichtungsantrag vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt hat und der Feststellungsantrag im Hinblick auf die Rechtslage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses – d. h. im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses – gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014 – 4 C 33.13 – BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 21 m. w. N.; BVerwG, B. v. 21.1.2015 – 4 B 42.14 – juris Rn. 8; BVerwG m. w. N.; grundlegend Decker, Die Fortsetzungsfeststellungsklage in der Situation der Verpflichtungsklage, JA 2016, 241).
aa) Mit dem Kläger ist zunächst davon auszugehen, dass sich seine ursprüngliche Verpflichtungsklage aufgrund des Widerrufsbescheids vom 19. März 2015 erledigt hat, soweit es die Nrn. I.1, I.2 und I.4 der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 betrifft.
bb) Soweit der Kläger allerdings die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, seinen Antrag auf Aufhebung der Rückbauverfügung bereits ab dem 30. Dezember 2010 positiv zu bescheiden, ist der Feststellungsantrag als Fortsetzungsfeststellungsantrag unstatthaft (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014 – 4 C 33.13 – BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 21 m. w. N.; zur Unzulässigkeit der darin liegenden Klageerweiterung siehe nachfolgend Doppelbuchst. cc). Der Übergang von einem Verpflichtungs- zu einem Feststellungsbegehren nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014, a. a. O.). Nachdem Streitgegenstand der Verpflichtungsklage der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf den unterlassenen oder versagten Verwaltungsakt ist und es maßgeblich darauf ankommt, ob ihm dieser Anspruch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder – im schriftlichen Verfahren – im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zusteht, liegt ein statthaftes Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Falle einer durch Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens unzulässig gewordenen Verpflichtungsklage grundsätzlich nur dann vor, wenn der Kläger nunmehr die Feststellung begehrt, dass er im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses gegen die Beklagte einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hatte. Nur dieser Antrag ist vom ursprünglichen Verpflichtungsantrag mitumfasst (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.2015 – 4 B 42.14 – juris Rn. 8; U. v. 4.12.2014 – 4 C 33.13 – BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 13, 21, jeweils m. w. N.; Decker, a. a. O., S. 242 ff.). Stellt der Kläger mit seinem Feststellungsantrag dagegen auf einen anderen Zeitpunkt ab als den unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses oder gar auf einen bestimmten Zeitraum, dann liegt keine Fortsetzungsfeststellungsklage vor, sondern eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO und damit eine Klageänderung gemäß § 91 VwGO (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014, a. a. O., juris Rn. 23; BVerwG, U. v. 16.5.2007 – 3 C 8.06 – BVerwGE 129, 27 = juris Rn. 18; Decker, a. a. O., S. 243, jeweils m. w. N.). So liegt es hier. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 „im Zeitraum vom 30.12.2010 bis zum Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.3.2015“ aufzuheben.
cc) Der den Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum 19. März 2015 umfassende Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch nicht im Weg einer Klageänderung nach § 91 VwGO als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig.
Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat der Umstellung der Klage auf den Feststellungsantrag des Klägers vom 22. Mai 2015 mit Schriftsatz vom 3. Juli 2015 ausdrücklich widersprochen; damit scheidet auch eine konkludent erklärte Einwilligung nach § 91 Abs. 2 VwGO aus. Der Senat erachtet die Klageänderung auch nicht für sachdienlich, weil mit ihr ein Streitstoff in das Verfahren eingeführt wird, der für den Ausgang des Verfahrens über die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage nicht entscheidungserheblich war und die Frage, ab welchem konkreten Zeitpunkt sich ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 ggf. hätte verdichten können, weitere umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen in der Sache erforderlich macht. Ein etwaiger Anspruch gegen die Beklagte auf Aufhebung der Rückbauverfügung wäre – wenn überhaupt – jedenfalls nicht schon am 30. Dezember 2010 in Betracht gekommen, wie der Kläger meint, weil zu diesem Zeitpunkt der inzwischen aufgrund des Verpflichtungsurteils vom 25. November 2014 (Az. 9 B 13.1401) genehmigte Bauantrag vom 16. September 2011 noch nicht gestellt und der Erwerb eines Grundstücksstreifens von ca. 200 m² aus dem Nachbargrundstück zur Behebung des Abstandsflächenverstoßes bereits Inhalt der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 war. Diese bezog sich nicht lediglich auf die im Zeitpunkt ihres Erlasses bestehende Sach- und Rechtslage, die dem abweichend von den genehmigten Bauvorlagen ausgeführten Vorhaben entgegenstand, sondern umfasste zugleich die vom Kläger mit Einreichung seines Bauantrags am 25. Mai 2010 veranlasste Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, indem der angeordnete Rückbau auf die Ausführung des rechtswidrig errichteten Vorhabens gemäß den vom Kläger am 25. Mai 2010 eingereichten Bauplänen 01.1, 02.1 und 03.1 beschränkt wurde, deren bauaufsichtliche Genehmigung aber auch den Erwerb eines 200 m² großen Grundstücksstreifens aus dem Nachbargrundstück voraussetzte. Mit seiner Erklärung vom 25. Juni 2010 hat der Kläger nicht nur einen Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Rückbauanordnung ausgesprochen, sondern zugleich bestätigt, dass er „mit dem Inhalt dieses Bescheides im Gesamten einverstanden“ ist, also auch mit dem in der Rückbauanordnung geforderten Erwerb des Grundstücksstreifens.
c) Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Fortsetzungsfeststellungsantrags, des Vorbringens des Klägers, ein berechtigtes rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 in dem im Antrag angegebenen Zeitraum zu haben, und der klägerischen Ausführungen zu der seiner Ansicht nach rechtswidrig unterlassenen Verbescheidung seines Aufhebungsantrags vom 29. September 2010 spricht wenig für eine Auslegung des Feststellungsantrags dahin, der Kläger begehre auch die Feststellung, zumindest im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses einen Anspruch auf Aufhebung der Rückbauanordnung gehabt zu haben. Selbst wenn der Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers dahin ausgelegt wird, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage zwar insoweit statthaft, mangels eines berechtigten Feststellungsinteresses entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aber gleichwohl unzulässig.
aa) Soweit der Kläger auch sein berechtigtes Feststellungsinteresse mit der „rechtswidrigen Nichtverbescheidung seines Antrags“ begründet, wurde bereits ausgeführt, dass die Umstellung einer Verpflichtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Minus zur Verpflichtungsklage nur statthaft ist, wenn mit der begehrten Feststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt wird (vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2014 – 4 C 33.13 – BVerwGE 151, 36 = juris Rn. 13 m. w. N.; grundlegend Decker, „Die Fortsetzungsfeststellungsklage in der Situation der Verpflichtungsklage“, JA 2016, 241 [242]). Das schließt einen Fortsetzungsfeststellungsantrag aus, wonach die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts durch die Behörde rechtswidrig gewesen ist (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Bei der Prüfung der Begründetheit der Verpflichtungsklage hätte sich der Senat zwar auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. – im schriftlichen Verfahren – im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Aufhebungsbescheids hat und die Weigerung der Beklagten in diesem Zeitpunkt deshalb rechtswidrig ist, nicht aber, ob der Kläger bereits zu einem davor liegenden Zeitraum einen Anspruch auf Aufhebung hatte oder die Weigerung der Aufhebung der Rückbauverfügung rechtswidrig war.
bb) Im Übrigen besteht das behauptete Präjudizinteresse auch deshalb nicht, weil die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen durch den Kläger für den von ihm zur Entscheidung gestellten Zeitraum vom 30. Dezember 2010 bis zum Erlass des Widerrufsbescheids der Beklagten vom 19. März 2015 offensichtlich aussichtslos ist.
(1) Nach § 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG haftet die Beklagte als Anstellungskörperschaft zwar für ein etwaiges dienstliches Fehlverhalten ihrer mit der Bearbeitung und Entscheidung über den Aufhebungsantrag des Klägers vom 29. September 2010 befassten Beamten, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen dem Kläger obliegende Amtspflicht verletzt haben. In der Rechtsprechung ist aber geklärt, dass einem Amtswalter auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen ist, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U. v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – BVerwGE 146, 303 = juris Rn. 44, Rn. 49 ff. m. w. N. – sog. „Kollegialgerichts-Richtlinie“). So liegt es hier.
(2) Die mit drei rechtskundigen Berufsrichtern besetzte Kammer des Verwaltungsgerichts ist aufgrund einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsanspruchs mit Urteil vom 29. März 2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verpflichtungsklage unzulässig ist, weil sie eine Umgehung des vom Kläger erklärten Rechtsbehelfsverzichts vom 25. Juni 2010 darstellt sowie davon unabhängig auch in der Sache keinen Erfolg haben kann. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers auf Widerruf der Rückbauanordnung ermessensfehlerfrei ablehnen können, der Kläger habe auch keinen fristgerechten Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens gestellt. Dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. März 2012 handgreiflich unrichtig wäre, etwa weil das Verwaltungsgericht einen unzureichend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt oder diesen nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hätte, in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von einer verfehlten Betrachtungsweise ausgegangen oder wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hätte, ist nicht ersichtlich. Ob das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. März 2012 im Ergebnis richtig ist – wofür einiges spricht -, ist ohne Belang, weil das Verhalten des Amtswalters im Amtshaftungsprozess nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen ist. Die Kollegialgerichts-Richtlinie beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten, der allein und im Drang der Geschäfte handeln muss und – wie hier – eine zweifelhafte und nicht einfach zu lösende Rechtsfrage zu beantworten hat, keine bessere Rechtseinsicht erwartet werden kann als von einem Gremium mit mehreren Rechtskundigen, das in voller Ruhe und reiflicher Überlegung entscheidet, nachdem vorher der Prozessstoff in ganzer Fülle vor ihm ausgebreitet worden ist (vgl. BGH, U. v. 4.11.2010 – BauR 2011, 544 = juris Rn. 37 m. w. N.). Dass die Rechtsfrage eines etwaigen Aufhebungsanspruchs des Klägers zweifelhaft und nicht einfach zu lösen war, zeigt schon die Entscheidung des ebenfalls mit drei rechtskundigen Berufsrichtern besetzten Senats im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vom 2. Mai 2011 (Az. 9 CE 10.3104) über den Antrag des Klägers auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung der Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010. Darin ging auch der Senat davon aus, dass der vom Kläger erklärte Rechtsbehelfsverzicht vom 25. Juni 2010 wirksam erklärt worden ist und der Aufhebungsantrag des Klägers eine rechtsmissbräuchliche Umgehung dieses Rechtsbehelfsverzichts darstellt. Soweit der Kläger auf die ihm günstigere Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2010 (Az. W 5 E 10.1137) hinweist, ergibt sich nichts anderes. Zum einen wurde diese Entscheidung vom Senat mit Beschluss vom 2. Mai 2011 (Az. 9 CE 10.3104) aufgehoben, zum andern geht es – wie bereits ausgeführt – bei der Frage einer schuldhaften Amtspflichtverletzung nicht darum, ob die Entscheidung des Kollegialgerichts richtig ist oder von einer anderen Entscheidung abweicht.
(3) Das Urteil des Senats vom 25. November 2014 (Az. 9 B 13.1401), mit dem die Beklagte verpflichtet worden ist, dem Kläger eine Baugenehmigung gemäß seinem Bauantrag vom 16. September 2011 zu erteilen, musste bei der Beklagten zu keiner vom verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 29. März 2012 abweichenden Rechtseinsicht führen. Zwar hat der Senat im Urteil vom 25. November 2014 ausgeführt, dass weder der vom Kläger erklärte Rechtsbehelfsverzicht vom 25. Juni 2010 noch die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 den Kläger an der Verwertung der von ihm beantragten Baugenehmigung hindern. Insoweit hat der Senat aber lediglich auf eine „für die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens rechtserhebliche Änderung“ abgestellt. Hinsichtlich des für den mit der Verpflichtungsklage im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Aufhebungsanspruchs hat der Senat aber – schon mangels Streitgegenständlichkeit – keine Feststellungen getroffen. Davon abgesehen konnten von der Rückbauanordnung im Zeitpunkt des Urteils vom 25. November 2014 nach vollständigem Vollzug der Anordnungen in Nr. I.1, I.2 und I.4 bereits im Jahr 2011 keine schadensauslösenden Wirkungen mehr ausgehen. Die Beklagte hatte im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2013 erklärt, dass sie (auch hinsichtlich des Schwimmbads, vgl. Nr. I.3 der Rückbauanordnung) keine weiteren Maßnahmen auf der Grundlage der Rückbauanordnung plane.
Soweit sich der Kläger auf einen Schaden beruft, der ihm aufgrund der sechsjährigen Einstellung des Hausbaus entstanden ist, kann er daraus kein besonderes Feststellungsinteresse im gegenständlichen Verfahren herleiten. Denn die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 war für den Erlass der Baueinstellungsverfügung vom 14./15. Mai 2009 nicht ursächlich. Die Verzögerung des Weiterbaus war ebenfalls nicht durch die Rückbauanordnung vom 24. Juni 2010 veranlasst, die der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegenstand (vgl. Urteil des Senats vom 25. November 2014 – 9 B 13.1401), sondern aufgrund der Weigerung der Beklagten, dem Kläger die zuletzt mit Bauantrag vom 16. September 2011 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 GKG).

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