Verwaltungsrecht

Heranziehung zum Nationaldienst in Eritrea begründet für sich keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung

Aktenzeichen  AN 3 K 16.30584

Datum:
26.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3a, § 3b
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 1

 

Leitsatz

Die bloße Heranziehung zum Nationaldienst in Eritrea begründet keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 60 Abs. 1 AufenthG, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der dortige Militärdienst Handlungen umfasst, die unter § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG iVm § 3 Abs. 2 AsylG fallen. (redaktioneller Leitsatz)
Die Heranziehung zum Militärdienst in Eritrea trifft alle Staatsangehörigen gleichermaßen und knüpft nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Der eritreische Staat unterstellt einer sich dem Wehrdienst entziehenden Person nicht eine politische Überzeugung im Sinne einer regimekritischen Haltung, an die Verfolgungshandlungen iSd § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG anknüpfen. Es droht lediglich eine strafrechtliche Ahndung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylG den internen Schutz.
§ 3 a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss. Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.
Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.
Der Kläger macht geltend, er gehöre zu der sozialen Gruppe der vom Nationaldienst Betroffenen und habe außerdem mit der Entziehung vom Wehrdienst gezeigt, dass er nicht regimetreu sei, weshalb ihm bei Rückkehr nach Eritrea eine regierungskritische Haltung unterstellt werde und ihm deshalb Verfolgungshandlungen seitens der Staatsgewalt drohten.
1. Die bloße Heranziehung zum Nationaldienst stellt schon deshalb keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3 a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt (vgl. hierzu VG München, U. v. 13.7.2016 – M 12 K 16.31184 -, juris).
Relevanz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann die Einberufung zum Wehrdienst nur dann haben, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, auch wenn der Konflikt mit Äthiopien fortbesteht (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand August 2015, vom 14. Dezember 2015 I. 1. Seite 7 (Lagebericht)).
Die dem Kläger wegen seiner Entziehung vom Militärdienst in Eritrea drohende strafrechtliche Verfolgung bzw. die ihm bei Desertion möglicherweise drohende Exekution durch staatliche Stellen (Lagebericht a. a. O., „shoot to kill“-Weisung, II. 1. 1.7. S. 12) wurde bereits vom Bundesamt für … als „ernsthafter Schaden“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG eingestuft und führte zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG.
2. Die Heranziehung zum Militärdienst in Eritrea knüpft entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Vielmehr trifft diese Verpflichtung alle Staatsangehörigen gleichermaßen (Lagebericht a. a. O. II. 1. 1.6 S. 10). Der Kläger gehört damit nicht zu einer sozialen Gruppe im Sinn des §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, an deren Zugehörigkeit in Eritrea staatliche Verfolgungshandlungen anknüpfen können.
3. Aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass der eritreische Staat einer Person, die sich dem Wehrdienst entzieht, eine politische Überzeugung im Sinne einer regimekritische Haltung unterstellt, an die Verfolgungshandlungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 5 AsylG anknüpfen. Der Schwerpunkt der eritreischen Behörden liegt bei Wehrdienstentziehung nach den vorliegenden Erkenntnisquellen auf der strafrechtlichen Ahndung (Lagebericht a. a. O. IV 2. S. 17/18).
4. Die bloße Asylantragstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (Lagebericht a. a. O. IV 2. S. 17)
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Demnach war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR, § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
Beschluss:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen.
Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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