IT- und Medienrecht

Schadensersatz, Zustimmung, Auflagen, Inhaltskontrolle, Widerruf, Ablehnung, Unterlassung, Leistungsbeschreibung, Feststellungsinteresse, Auflage, Aufhebung, Dienstleistungen, Klausel, Mitwirkung, unangemessene Benachteiligung, typisierende Betrachtungsweise

Aktenzeichen  37 O 220/15

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 139664
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist in Ziff. I. unzulässig. Im Übrigen ist sie unbegründet.
I. Unzulässig ist die Klage, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der zwischen den Parteien am 22.08./27.08.1999 geschlossene Verlagsvertrag über die Mitwirkung der Klägerin an „J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen“, genannt Staudinger-Vertrag, durch das Schreiben der Beklagten vom 01.09.2014 nicht beendet oder aufgehoben wurde (Antrag Ziffer I). Es fehlt an dem erforderlichen rechtlichen Interesse nach § 256 Abs. 1 ZPO.
1. Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. An einer solchen Gefahr fehlt es, wenn die Beklagte keinen Anlass zu der Annahme bietet, dass sie die geltend gemachten Rechte verletzen wird (BeckOK ZPO/Bacher, 20. Edition, § 256 ZPO, Rn. 20 m.w.N.). Diese Voraussetzung für ein Feststellungsinteresse ist vorliegend nicht gegeben.
a. Die Beklagte macht nicht geltend, dass der streitgegenständliche Verlagsvertrag durch ihr Schreiben vom 01.09.2014 beendet oder aufgehoben worden wäre. Vielmehr hat sie der Klägerin mitgeteilt, dass sie bei Veranstaltung einer künftigen Neuausgabe des Staudinger oder von Teilen desselben vom Recht zu einer Neuausgabe dieser Bearbeitung keinen Gebrauch machen wolle. Eine Aufhebung oder Beendigung des Vertrages bedeutet das jedoch nicht, vielmehr wird durch diese Erklärung der Beklagten lediglich klargestellt, auf welche schriftstellerischen Leistungen der Klägerin sich die vertraglichen Verpflichtungen nicht weiter erstrecken werden. Auch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung bewirkte nicht, dass der Vertrag – wie im Klageantrag formuliert – „beendet oder aufgehoben wurde“; denn sie wurde mit Wirkung zum Zeitpunkt des Erscheinens der nächsten Neubearbeitung ausgesprochen und bezieht sich gerade nicht auf bereits erschienene Bearbeitungen.
b. Dass der streitgegenständliche Verlagsvertrag in Bezug auf die laufende Ausgabe mit allen Rechten und Pflichten beider Parteien fortbesteht, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Insbesondere steht außer Streit, dass die Beklagte im Rahmen der aktuellen Ausgabe die Kommentierung der Klägerin verwendet und vervielfältigt und die Klägerin dafür vertragsgemäß zu vergüten hat. So stellte die Beklagte z.B. im Dezember 2014 die Kommentierung u.a. der Klägerin in die Datenbank von „juris“ ein.
2. Die Kammer hat in dem Hinweisbeschluss vom 23.09.2015 unter Ziffer I auf ihre Bedenken aufmerksam gemacht, ohne dass der Antrag um- oder klargestellt worden wäre. Auch auf Nachfrage der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2016 zu dem erteilten Hinweis bezüglich dieses Klageantrags erfolgte keine Änderung.
II. Unbegründet ist der Antrag Ziffer II, der Beklagten zu untersagen, einer dritten Person als Kommentatorin/Kommentator das Recht i.S.v. § 1 Nr. 1 Satz 1 Staudinger-Vertrag einzuräumen, den von der Klägerin stammenden Text aus der mit „2014“ bezeichneten Bearbeitung zu verwerten und/oder gegenüber Dritten eine entsprechende Freistellungserklärung zu erteilen. Die Klägerin hat Umstände, die eine Erstbegehungsgefahr begründen würden, nicht dargetan. Im Gegenteil hat die Beklagte bereits in ihrem vorgerichtlichen Schreiben – beginnend mit dem Angebot einer einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages vom 05.03.2014 – deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie an einer Verwendung der Kommentierung der Klägerin gerade kein Interesse habe.
III. Ferner dringt der klägerische Antrag Ziffer III nicht durch, die Beklagte zu verurteilen, den Empfängern des Verlagsschreibens vom 04.06.2014 mitzuteilen, dass es auf der Grundlage des bisherigen Sachverhalts (bis einschl. Klageerhebung) zu der von der Beklagten beabsichtigten „Neubesetzung“ in Bezug auf den klägerischen Arbeitsabschnitt im Staudinger-Kommentar nicht kommen werde.
1. Es fehlt schon an einer denkbaren Anspruchsgrundlage für ein derartiges Begehren. Äußerungsrechtliche Ansprüche können auf Unterlassung, Widerruf, Richtigstellung, Gegendarstellung sowie materiellen und immateriellen Schadensersatz gerichtet sein. Die Verpflichtung, jemanden etwas über die eigenen zukünftigen Pläne mitzuteilen, ist dem Äußerungsrecht hingegen fremd.
2. Schließlich kommt ein Anspruch auf die klageseits begehrte Mitteilung an die damaligen Bandredaktoren auch deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte in der Sache nicht verpflichtet ist, die Klägerin als Autorin künftiger Ausgaben des Kaufrechtsbandes zu beschäftigen.
a. Die Beklagte hat in wirksamer Weise erklärt, bei Veranstaltung einer künftigen Neuausgabe von Teilen des Staudinger vom Recht zu einer Neuausgabe dieser Bearbeitung keinen Gebrauch machen zu wollen. Unter den Voraussetzungen von § 1 Abs. 7 des streitgegenständlichen Verlagsvertrages kann die Beklagte diese Entscheidung nämlich treffen. Die entsprechende Erklärung wurde binnen 12 Monaten nach Erscheinen der Bearbeitung ausgesprochen und von der Zustimmung der Mehrheit der Bandredaktorinnen/Bandredaktoren getragen.
aa. § 1 Abs. 7 der Vereinbarung erfasst die streitgegenständliche Konstellation.
Diese Regelung erstreckt sich auf die Herausgabe einer kommenden Auflage. Die Kammer folgt nicht der Auffassung der Klägerin, die „künftige Neuausgabe der Bearbeitung“ erfasse allein die schon abgegebene Bearbeitung, z.B. für den Fall, dass die Druckausgabe vergriffen ist und daher neu ausgegeben werde. Auch in Ansehung der Unklarheitenregel – ihre Anwendbarkeit auf diese Klausel einmal dahingestellt – ergibt sich vielmehr eindeutig, dass sich die Regelung auf künftige Auflagen erstreckt. Da der Verlagsvertrag keine mengenmäßige Beschränkung der Auflage enthält, steht es dem Verlag frei, ob er weitere Exemplare einer Auflage druckt, sobald sie vergriffen ist. Er kann dies tun, muss es aber nicht. Denn seiner Verpflichtung zur Vervielfältigung und Verbreitung gem. § 1 Abs. 6 des Vertrages ist er bereits durch eine einmalige Vervielfältigung und Verbreitung nachgekommen. Eine weitere ist dem Verlag nach § 8 Abs. 1 gestattet, aber nicht für den Verlag verpflichtend vorgesehen. Einer besonderen Regelung für diesen Fall bedurfte es mithin nicht. Im Übrigen muss dem Verlag, wenn ihm – wie die Klägerin meint – schon (unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 des Vertrages) das Recht zusteht, ein und dieselbe Auflage unter Heranziehung einer anderen Kommentierung erneut zu drucken, die Möglichkeit zur Auswechselung des Autors erst recht für die nächste Auflage zustehen. Anderes ergibt sich auch nicht aus § 11 des Vertrages. Zwar wird in § 11 Abs. 1 bis 3 eine vertragliche Bindung für weitere Auflagen impliziert. § 1 Abs. 7 ist aber die zu § 11 Abs. 1 spezielle Regelung, die – neben § 11 Abs. 2 – eine Lösungsmöglichkeit des Verlages begründet.
bb. § 1 Abs. 7 des streitgegenständlichen Verlagsvertrages ist wirksam. An der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Klausel bestehen keine Bedenken.
(1) Es kann dahinstehen, ob die Klausel überhaupt einer AGB-Kontrolle unterliegt, wenn man sie als Leistungsbeschreibung ansieht, weil der Umfang der zu erbringenden Vertragsleistung geregelt wird. Gerade die Kautelen, auf Basis derer eine Zusammenarbeit für weitere Auflagen und eine Möglichkeit des Verlages, sich davon zu lösen, geregelt werden, stellen eine essentielle Definition dessen dar, wie weit die vertraglichen Hauptleistungspflichten der Parteien reichen sollen und können. Vor diesem Hintergrund könnte die Klausel daher einer AGB-Kontrolle entzogen sein (vgl. Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 307 Rn. 41). Zwar wird eine teilweise Inhaltskontrolle auch bei leistungsbestimmenden Klauseln gefordert und insbesondere für eine Transparenzkontrolle votiert, soweit dem Kunden auf der Ebene der Abschlussentscheidung nicht klar und verständlich vor Augen geführt wird, was diesen erwarten kann. Dabei hängen die Anforderungen an den Inhalt der Klauseln stets von den Umständen des Einzelfalls ab, denn geboten ist eine überindividuell-generalisierende und typisierende Betrachtungsweise, bei der Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen sind (so Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Handbuch des Versicherungsrechts, 3. Aufl. § 10 Rn. 219). Angesichts dieser Betrachtungsweise käme eine AGB-rechtliche Unwirksamkeit der Klauseln aber auch nur dann in Betracht, wenn die Klägerin als rechtswissenschaftliche Hochschullehrerin – und nur solche setzt die Beklagte als Autoren des Staudinger ein – nicht in der Lage war, zu verstehen, welche Pflichten sie bei Abschluss des Vertrages einging. Das hat die Klägerin selbst nicht einmal behauptet und ist im Übrigen auch abwegig. Um den Sinngehalt der Regelung zu verstehen, bedarf es im Übrigen nicht einmal juristischer Grundkenntnisse. Dass der Verlag nicht willens ist, sich zu verpflichten, einen Autor unabhängig von seiner geistigen Verfassung bis an sein Lebensende zu beschäftigen, liegt vielmehr auch für juristische Laien auf der Hand und im Zweifel wird jedermann den streitgegenständlichen Vertrag auch in diesem Sinne verstehen.
(2) Im Übrigen ist ein Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB auch nicht gegeben.
(aa) Insbesondere stellt diese Klausel keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin gem. § 307 Abs. 2 BGB dar, weil die Vereinbarung den gesetzlichen Regelungen entspricht bzw. von ihr sogar zugunsten der Autoren abweicht.
Die Kammer bewertet, wie im Hinweis vom 23.09.2015 unter Ziffer V ausgeführt, den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als einen gemischt-typischen Vertrag, der Elemente des Verlagsvertrags und eines Dienst- bzw. Werkvertrags enthält.
Soweit eine Mitwirkung der Klägerin an Neubearbeitungen geregelt ist, geht dies über einen reinen Verlagsvertrag hinaus. Ein Verlagsvertrag ist gekennzeichnet durch die Verpflichtung des Verfassers eines Werks, dem Verleger das Werk (z.B. der Literatur) zur Vervielfältigung und Verbreitung zu überlassen, sowie durch die Auswertungspflicht des Verlegers (Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 7). Die darüber hinausgehende Mitwirkung der Klägerin an den Neubearbeitungen wird in § 1 Nr. 7 des Vertrages geregelt, der hierzu einschränkende Regelungen zur Zusammenarbeit beinhaltet.
Bezogen auf eine Mitwirkung der Klägerin an Neubearbeitungen ist nach den Regeln zu dienstleistungsbezogenen Dauerschuldverhältnissen jedenfalls eine ordentliche Kündigung möglich. Ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis kann, auch wenn keine gesetzlichen Regelungen bestehen, nach allgemeinen Grundsätzen (entsprechend §§ 624, 723 BGB) ordentlich gekündigt werden, sofern die Parteien dies nicht ausgeschlossen haben (Grüneberg in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 314 Rn. 13; BGH NJW-RR 1993, 1460). Ist keine Kündigungsfrist vereinbart, ist die Interessenabwägung im Einzelfall dafür entscheidend, wie lange die Kündigungsfrist läuft (OLG München NJW-RR 1996, 561). Vorliegend erachtet die Kammer die zeitliche Regelung in § 1 Nr. 7 des Vertrages (spätestens 12 Monate nach Erscheinen der Bearbeitung Mitteilung für die künftige Neubearbeitung) für angemessen.
(bb) Es liegt auch keine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor, die sich aus einer nicht klaren und verständlichen Bestimmung ergeben könnte. Selbst wenn unklar wäre, wer die jeweils „aktuellen“ Bandredaktoren sind, begründet eine solche Unklarheit nicht die Unwirksamkeit der Klausel, wenn sie die materielle Rechtslage des Adressaten verbessern soll. Denn vorformulierte Vertragsbestimmungen, die – wie hier – die rechtliche Stellung des Kunden gegenüber dem dispositiven Recht verbessern, jedoch unklar sind, scheitern nicht an § 307 BGB (MüKo BGB/Wurmnest, 6. Aufl., § 307 Rn. 56). Auf Ziffer V des Hinweises vom 23.09.2015 wird ergänzend Bezug genommen.
(cc) Die Klausel benachteiligt die Klägerin auch nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Auszugehen ist bei der Beurteilung von den Vorschriften des dispositiven Rechts, die ohne die Klausel gelten würden (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 307 Rn. 12). Die Anwendung des § 307 BGB setzt voraus, dass die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht begründet (a.a.O.).
Bei der Interessenabwägung hat die Kammer berücksichtigt, dass auf der einen Seite der Verlag sich seine Autoren grundsätzlich frei aussuchen kann. Die sich aus den §§ 1 ff. VerIG ergebenden Rechte und Pflichten beziehen sich auf eine konkrete, von einem Autor verfasste Kommentierung. Ein Rücktrittsrecht des Verlages ist nicht erforderlich, denn dieser kann ohnehin eine andere Kommentierung eines anderen Autors jederzeit verlegen. Eine solche stellt – im Sinne des VerIG – keine neue Auflage, sondern ein neues Werk dar, für welches ggf. ein neuer Verlagsvertrag abgeschlossen werden müsste (vgl. auch Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 17 VerIG Rn. 3). Soweit der Verlag seiner Auswertungspflicht (s.o.) genügt hat, steht es ihm frei, mit wem er für neue Werke zusammenarbeiten will. Der Verlag hat ein eigenes Interesse, seinen Werken durch gezielte Auswahl von Autoren ein eigenes Gesicht zu verleihen.
Auf der anderen Seite hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Erstellung der Kommentierung durch die Klägerin zeitaufwendig und mühsam war, sie sich eine weitere Zusammenarbeit erhofft hätte und sie ein großes Interesse an dem Erhalt ihrer Autorenstellung hat. Auch geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin ein Interesse hat, dass die Beklagte die Gründe benennt, bei der Gestaltung einer Neuausgabe sie nicht mehr mitwirken zu lassen.
Hinsichtlich des hohen Arbeitsaufwandes der Klägerin betrifft eine zu niedrige Vergütung für nur eine Auflage zwar primär die Frage einer angemessenen Vergütung gem. §§ 32, 32a UrhG, ohne als solche zur Unwirksamkeit des Kündigungsrechts zu führen. Unangemessen ist jedoch eine Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 307 Rn. 12). Insoweit war im Rahmen der Interessenbewertung auch der Umstand des hohen Arbeitseinsatzes der Klägerin als ein Interesse von ihr zu berücksichtigen.
Hingegen erscheint die Frage, ob für die Frage der Mitwirkung an einer Neuausgabe die Beklagte ihre Entscheidung begründen muss oder nicht, nachrangig, soweit einem Vertragspartner – wie hier – gestattet ist, sich in einer mehr oder weniger regulären Weise ähnlich einem ordentlichen Kündigungsrecht von einer Verpflichtung zu lösen, da diese Möglichkeit gerade beinhaltet, dass es der Angabe eines Grundes nicht bedarf.
Unangemessen ist die Regelung auch nicht deshalb, weil die Klägerin die Bandredaktoren gar nicht kennt, welche zum Zeitpunkt eines möglichen Ausscheidens aus dem Kreis der Mitautoren über ihren Verbleib abstimmen können, oder sie – wie die Klägerin meint – kein kompetentes Gremium seien.
Unter Berücksichtigung der typischen Interessen des beklagten Verlages und der klagenden Autorin, der Gesamtgestaltung des Vertrages, und der sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien ist die Kammer bei der Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass die Regelung über die Mitwirkung der Autoren bei Neuausgaben die Autoren nicht unangemessen benachteiligt. Dabei ist auch die Wertung des § 627 BGB zu berücksichtigen. Verträge über die Dienstleistungen höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, können seitens des Dienstberechtigten jederzeit beendet werden.
(dd) Die Kammer hält die Klausel – anders als die Klägerin – auch nicht für überraschend, weil sie von den Usancen abweichen würde. In erster Linie weicht die Klausel zu Gunsten der Klägerin von der Gesetzeslage ab. Aber auch bei einer Betrachtung jenseits rechtlicher Maßstäbe überrascht die Klausel die Kammer nicht. Es verwundert mitnichten, dass der Verlag seine Autoren selbst auswählen möchte. Der Umstand, dass die weitere Mitwirkung von Autoren von der Zustimmung der Bandredaktoren abhängig gemacht wird, stellt sich als Korrektiv einer völlig freien Entscheidung der Beklagten dar und nicht als Überraschungsklausel im Sinne des § 305 c BGB.
(3) Eine vorrangige Individualabrede liegt nicht vor. Eine solche hat die Klägerin schon nicht schlüssig vorgetragen. Soweit die Klägerin behauptet, Prof. … habe erklärt, eine solche Kommentierung komme einer Lebensversicherung gleich, weil der Arbeitsaufwand einer Neukommentierung gering sei, ergibt sich hieraus noch nicht der Wille, für den Verlag zuzusagen, dass die Klägerin die Kommentierung bis zum Tag ihres Ablebens fortführen dürfe. Eine solche Aussage würde lediglich den üblichen Gang der Dinge darstellen. Das Recht der Beklagten gem. § 1 Abs. 7 des Vertrages, einen Autorenwechsel herbeizuführen, setzt gerade an dem Grundverständnis an, dass es ohne eine derartige Erklärung dabei bleibt, dass die Klägerin die Kommentierung vornimmt. Im Übrigen fehlt Vortrag, dass Prof. … Vollmacht von Seiten des Verlages hatte, für diesen rechtsverbindliche Erklärungen zur Vertragsgestaltung abzugeben. Vielmehr bringt die Klägerin selbst vor, Prof. … habe das Angebot des Verlags überbracht. Demzufolge war er Erklärungsbote und hatte nicht Vollmacht, gegenüber der Klägerin bestimmte Versprechungen abzugeben.
cc. Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 7 des streitgegenständlichen Vertrages sind gegeben.
Die Erklärung erfolgte binnen zwölf Monaten nach Erscheinen. Letzteres war im November 2013, die Erklärung datiert auf den 01.09.2014.
Die Mehrheit der Bandredaktoren hat dieser Erklärung zugestimmt. Gemeint sind – auch in Ansehung der Unklarheitenregel – die aktuellen Bandredaktoren, worauf die Kammer im Hinweis vom 23.09.2016 unter Ziffer IV auch abgestellt hat. Denn nur mit diesen macht es Sinn, über die inhaltliche und personelle Fortführung der Kommentierung abzustimmen.
Wer die im Herbst 2013 maßgeblichen Bandredaktoren waren, hat die Beklagte unter Erläuterung der zugrundeliegenden Bestellungsverträge schriftsätzlich vorgetragen. Dieses Vorbringen hat die Klägerin nicht weiter bestritten.
Dass die Zustimmung der Mehrheit dieser Bandredaktoren vorliegt, hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2016 nach der Inaugenscheinnahme der Dokumente mit den Zustimmungen nicht mehr in Abrede gestellt.
Der Einwand der Klägerin, die Zustimmung der Bandredaktoren beruhe nicht auf der Grundlage objektiv zutreffender Informationen führt nicht zu deren Unwirksamkeit. Bei dieser Zustimmung handelt es sich um eine Willenserklärung. Sie mag im Fall von Irrtum oder Täuschung anfechtbar sein. Dass einer der Bandredaktorinnen/Bandredaktoren seine Erklärung angefochten oder widerrufen hätte, ist indes nicht vorgebracht.
Relevante Verfahrensfehler sind im Übrigen nicht feststellbar. Auch wenn in einem Schreiben um Zustimmung zur Neubesetzung der Kommentierungen durch die Klägerin und ihren Ehemann gebeten worden ist, wäre es den Bandredaktoren freigestanden, nur hinsichtlich einer der beiden Genannten zuzustimmen. Dass die Bandredaktoren in der Lage gewesen wären, das beigefügte Formblatt abzuändern, steht außer Frage. Dass die Abgabetermine einvernehmlich verschoben wurden, ist dem Schreiben vom 04.06.2014 zu entnehmen. Ob dies üblich ist oder nicht und ob der Vorwurf der „Verschleppung“ trotzdem berechtigt ist, können die Bandredaktoren aus eigener Sachkenntnis beurteilen. Schließlich bezog sich der Satz „Die Autoren haben von ihrem Recht auf Geltendmachung ihres Standpunktes bereits umfassend Gebrauch gemacht.“ auch ausdrücklich nicht auf die angesprochenen inhaltlichen Mängel der Kommentierung. Auf S. 3 des Schreibens heißt ist nämlich: „Wir haben die inhaltliche Qualität der Kommentierung nicht zum unmittelbaren Anlass unserer eigene Entscheidung genommen und dies auch nicht zum Gegenstand des Gesprächs mit dem Autoren,…“.
b. Im Übrigen greift auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung durch. Insoweit wird auf Ziffer V des Hinweises vom 23.09.2015 Bezug genommen.
IV. Unbegründet ist ferner die klägerische Begehr, festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin den materiellen Schaden zu ersetzen hat, der dieser durch die pflichtwidrige Verbreitung nicht gesicherter fachbezogener Vorwürfe durch das Redaktorenrundschreiben vom 04.06.2014 entstanden ist und/oder entstehen wird (Antrag Ziffer IV).
Das streitgegenständliche Schreiben hält vielmehr den äußerungsrechtlichen Beanstandungen der Klägerin stand. Schadensersatz kann der Klägerin nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. i.V.m. §§ 185 ff. StGB oder § 824 BGB nur bei der Verbreitung unwahrer Tatsachen oder Schmähkritik zustehen. Beides ist nicht gegeben.
Die Klägerin beanstandet bei dem Schreiben, dass ihr zu Unrecht Verzögerungen und Qualitätsmängel ihrer Kommentierung vorgeworfen würden. Zudem werde der unzutreffende Eindruck erweckt, dass sie vor dem Versand des Schreibens angehört worden wäre.
1. Mit der Beanstandung, es werde wahrheitswidrig suggeriert, sie habe von ihrem Recht auf Geltendmachung ihres Standpunktes bereits umfassend Gebrauch gemacht, lässt sich eine Schadensersatzpflicht weder als unwahre Tatsache noch als Schmähkritik begründen.
Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität gekennzeichnet, während Werturteile durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt werden (BVerfG NJW 1999, 483 (484)). Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehen oder Zustände der Außenwelt – äußere Tatsachen – wie auch des menschlichen Seelenlebens – innere Tatsachen (OLG Bremen NJW 2011, 1611). Tatsachenbehauptungen sind mit den Mitteln des Beweises überprüfbar, während Meinungsäußerungen vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt sind (BGH NJW 2010, 760 ff.; Müller, VersR 2008, 1141 (1142)). Da die Erklärung, die Klägerin habe „von ihrem Recht auf Geltendmachung ihres Standpunktes bereits umfassend Gebrauch gemacht“, auch bewertende Elemente enthält, kann sich die Klägerin allenfalls gegen einen ihr innewohnenden Tatsachenkern wehren (Gersdorf/Paal/Söder Informations- und Medienrecht 2014 § 823 BGB Rn. 35 ff; Gersdorf/Paal/Brose/Grau Informations- und Medienrecht 2014 § 1004 BGB Rn. 7 ff.). In Anbetracht des Art. 5 GG dürfen hierbei keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden. Hinzu kommt, dass bei äußerungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen – anders als bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen – die angegriffene Äußerung im Zweifel so zu deuten ist, dass eine Persönlichkeitsverletzung nicht gegeben ist (Gersdorf/Paal/Söder Informations- und Medienrecht 2014 § 823 BGB Rn. 60). Nachdem die angegriffene Erklärung sehr pauschal ist, werden beim Rezipienten keine konkreten Vorstellungen geweckt, wozu die Klägerin im Einzelnen Stellung bezogen hat. Daher könnte die angegriffene Äußerung allenfalls dann als falsch qualifiziert werden, wenn die Klägerin noch keinerlei Gelegenheit hatte, zu den im Raum stehenden Vorwürfen Stellung zu nehmen. Hiervon kann indes schon im Hinblick auf das diesbezügliche Klagevorbringen keine Rede sein (vgl. S. 7 und 8 der Klageschrift).
2. Die beklagtenseits geltend gemachten Qualitätsmängel stellen sich vor dem Hintergrund der unter Punkt IV.1 dargestellten Grundsätze als Meinungsäußerungen dar, weil die Bewertung der Qualität der Kommentierung von Elementen des Dafürhaltens geprägt sind, die nicht dem Beweis zugänglich sind. Äußerungsrechtliche Ansprüche der Klägerin scheiden insoweit aus. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an. Wenn eine Äußerung einen Vorgang von großem öffentlichem Interesse betrifft, spricht dies dagegen, dass die Herabsetzung der betroffenen Person im Vordergrund steht. Bei Berichterstattung über die berufliche Sphäre bzw. über einen Vorgang im Wirtschaftsleben muss ein betroffenes Unternehmen eine genaue Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit hinnehmen. Deshalb sind die Grenzen zulässiger Kritik ihm gegenüber ebenso wie gegenüber ihren Führungskräften weiter gezogen (BGH NJW 2009, 3580-3582). Vor diesem Hintergrund können die Erklärungen in dem Schreiben nicht als Schmähkritik verstanden werden. Im Vordergrund steht die Auseinandersetzung in der Sache. Dass eine Diffamierung der Klägerin als Person im Vordergrund stünde, kann aus dem Schreiben nicht entnommen werden.
3. Auch unrichtige Tatsachenbehauptungen hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Insbesondere dringt sie nicht mit ihrer Auffassung durch, ihr würden in dem Schreiben an die Bandredaktoren zu Unrecht Verzögerungen bei der Manuskriptabgabe vorgeworfen. Die Unrichtigkeit dieses Vorbringens hat die Klägerin nicht im Einzelnen aufgezeigt. Der Umstand, dass Abgabeterminsverlängerungen (S. 2 des Schriftsatzes vom 06.06.2016) einverständlich abgesprochen wurden, ändert nichts daran, dass von der Klägerin primär nicht zu dem ursprünglich vereinbarten Termin geliefert wurde. Ihre Behauptung, dass ursprünglicher Manuskriptabgabetermin der 30.06.2011 gewesen wäre, hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Die Beweislast trifft sie, weil es sich nicht um eine ehrenrührige Behauptung handelt (vgl. den Gedanken des § 186 StGB). Die Klägerin hat das urkundlich belegte Vorbringen der Beklagten nicht widerlegt, dass die Abgabe der Neubearbeitung für den 31.12.2010 geplant war (vgl. S. 4 der Klageerwiderung).
Neben einer Falschbehauptung würde die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung im Übrigen den Eintritt eines Schadens dem Grunde nach voraussetzen. Hierzu fehlt jedweder konkrete Vortrag. Insbesondere war der ursprüngliche Manuskriptabgabetermin den Bandredaktoren fraglos bekannt.
V. Auch dringt der klägerische Antrag (Ziffer V) nicht durch, die Beklagte zu verurteilen, den der Klägerin durch das Redaktoren-Rundschreiben vom 04.06.2014 entstandenen immateriellen Schaden durch Zahlung eines Ausgleichsbetrages für Persönlichkeitsrechtsverletzung (sog. „Schmerzensgeld“) in angemessener, vom Gericht zu schätzender Höhe, mindestens aber € 8.000,00, auszugleichen. Das Schreiben ist – wie unter Punkt IV. ausgeführt – äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch stellt es keine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, inhaltliche Kritik an der Kommentierung nur gegenüber den Bandredaktoren zum Ausdruck zu bringen, ohne zuvor die Klägerin damit zu konfrontieren. Die Meinungsäußerungsfreiheit beinhaltet auch das Recht, sich auszusuchen, wem gegenüber man seine Einschätzung äußert.
VI. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91 Abs. 1, 91 a, 709 S. 1 ZPO.

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