Verwaltungsrecht

Verpflichtung zur Durchführung von Schornsteinfegerarbeiten

Aktenzeichen  M 1 K 16.1068

Datum:
2.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134131
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchfHwG § 1, § 4, § 14 Abs. 2, § 25 Abs. 2, § 26
BayVwZVG Art. 29, Art. 32, Art. 36
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Auch die Vollstreckung eines Verwaltungsakts im Wege der Ersatzvornahme führt nicht zu dessen Erledigung, da dieser weiterhin Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren entfaltet. Denn die fortdauernde Wirksamkeit der Grundverfügung als Titel ist Voraussetzung für alle weiteren Maßnahmen des Verwaltungszwanges. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht – über den Feuerstättenbescheid hinaus – keine gesetzliche Verpflichtung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers, von sich aus auf die verantwortlichen Eigentümer zuzugehen und sie auf die fristgerechte Reinigung und Überprüfung von Anlagen hinzuweisen. Verantwortlich für die fristgerechte Durchführung der im Feuerstättenbescheid festgesetzten Arbeiten und für die Übermittlung des Formblattnachweises bleiben vielmehr allein die Eigentümer. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage kann vom zuständigen Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO; vgl. Beschluss vom 11.7.2016) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Das Verfahren weist keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf; zudem ist der Sachverhalt geklärt (§ 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung – VwGO).
Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Der streitbefangene Zweitbescheid vom 2. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Anordnung der Durchführung der notwendigen Schornsteinfegerarbeiten unter Erbringung des entsprechenden Formblattnachweises in Nummer 1 des Bescheids hat sich nicht gemäß Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) erledigt. Gleiches gilt für die Androhung der Durchführung der Arbeiten im Wege der Ersatzvornahme in dessen Nummer 2. Die Durchführung der Arbeiten durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger am 23. Februar 2016 hatte nicht die Erledigung dieser Anordnungen zur Folge. Auch die Vollstreckung eines Verwaltungsakts im Wege der Ersatzvornahme führt nicht zu dessen Erledigung, da dieser weiterhin Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren entfaltet. Denn die fortdauernde Wirksamkeit der Grundverfügung als Titel ist Voraussetzung für alle weiteren Maßnahmen des Verwaltungszwanges (vgl. Art. 18 Abs. 1, Art. 19 und Art. 29 Abs. 1 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG). Dazu gehört bei der Ersatzvornahme auch die Heranziehung zu deren Kosten. Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch ist die Existenz einer wirksamen Grundverfügung als Titel (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris). Gleiches gilt für die in Nummer 2 des Bescheids enthaltene Androhung der Ersatzvornahme; auch von dieser gehen nach wie vor Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren aus. Denn Grundverwaltungsakt und Zwangsmittelandrohung bilden zusammen die Grundlage für die Erhebung der Kosten, die für die Ausführung der Ersatzvornahme angefallen sind (vgl. § 26 Abs. 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz – SchfHwG). Diese Titelfunktion dauert an.
2. Das Landratsamt hat die Anordnung in Nummer 1 des Bescheids vom 2. Februar 2016 zu Recht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG gestützt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift setzt die zuständige Behörde in einem Zweitbescheid gegenüber dem Eigentümer fest, welche Reinigungen oder Überprüfungen nach den Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 oder wiederkehrenden Messungen nach § 15 der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen innerhalb welchen Zeitraums durchzuführen sind.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG sind die Eigentümer von Grundstücken und Räumen verpflichtet, fristgerecht die Reinigung und Überprüfung von kehr- und prüfungspflichtigen Anlagen sowie die nach der jeweils geltenden Fassung der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen vorgeschriebenen Schornsteinfegerarbeiten zu veranlassen. Welche Anlagen innerhalb welcher Zeiträume gereinigt und überprüft werden müssen, regelt die unter anderem auf die Ermächtigungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 2 SchfHwG gestützte Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO). Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegermeister setzt gegenüber den Eigentümern in einem schriftlichen Bescheid (Feuerstättenbescheid nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG) fest, welche Schornsteinfegerarbeiten durchzuführen sind und innerhalb welchen Zeitraums dies zu geschehen hat. Die Durchführung der Arbeiten ist dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister innerhalb der 14-Tages-Frist des § 4 Abs. 3 Satz 3 SchfHwG vom Eigentümer nachzuweisen. Wurde der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegermeister nicht selbst mit der Durchführung der Arbeiten beauftragt und unterbleibt der Nachweis der Durchführung durch einen anderen Schornsteinfeger, so informiert der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger die zuständige Behörde (§ 25 Abs. 1 SchfHwG). Diese wird sodann gegenüber dem Eigentümer in Wege des Zweitbescheids aufsichtlich tätig.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Den Klägern war im bestandskräftigen Feuerstättenbescheid vom 9. Februar 2014 aufgegeben worden, die in Nummer 1 des streitbefangenen Zweitbescheids in Bezug genommen Reinigungsarbeiten am Schornstein und Abgasrohrs der klägerischen Anlage bis 15. Dezember 2015 durchführen zu lassen und dies mittels des gesetzlich vorgeschriebenen Formblattes (§ 4 SchfHwG) nachzuweisen. Dieser Verpflichtung sind die Kläger bis zum Erlass des Zweitbescheids vom 2. Februar 2016 – trotz des nochmaligen Hinweises im Schreiben des Landratsamts vom 11. Januar 2016 – nicht nachgekommen.
Die Erfüllung der in Nummer 1 des Bescheids verfügten Nachweispflicht war dem Kläger entgegen seinem Vortrag auch möglich. Es besteht – über den Feuerstättenbescheid hinaus – keine gesetzliche Verpflichtung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers, von sich aus auf die verantwortlichen Eigentümer zuzugehen und sie auf die fristgerechte Reinigung und Überprüfung von Anlagen hinzuweisen. Verantwortlich für die fristgerechte Durchführung der im Feuerstättenbescheid festgesetzten Arbeiten und für die Übermittlung des Formblattnachweises bleiben vielmehr allein die Eigentümer (§§ 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 3 SchfHwG). Die Kläger waren bereits im Feuerstättenbescheid vom 9. Februar 2014 ausdrücklich auf die Nachweispflicht und die hierfür geltende Frist hingewiesen worden. Das entsprechende Formblatt ist im Übrigen sowohl beim bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger als auch bei den die Arbeiten ggf. ausführenden Schornsteinfegerbetrieben erhältlich und kann überdies im Internet abgerufen werden (vgl. VG München, U.v. 12.4.2011 – M 1 K 11.525 – juris Rn. 28). Ein Schreiben der Kläger an das Landratsamt, nach ihrem Vortrag datiert am 16. Dezember 2015 (vgl. Schriftsatz vom …8.2016) findet sich in den Akten nicht. Mit Blick auf die gesetzlich statuierten Eigentümerpflichten nach § 1 Abs. 1 SchfHwG käme es zudem auf ein solches nicht an. Auch der weitere Vortrag der Kläger, wonach der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger nicht erreichbar gewesen sei und alle Versuche der Kläger, einen anderen Schornsteinfeger zur Tätigkeit zu bewegen, gescheitert seien, geht – abgesehen davon, dass die Kläger dafür jeden Nachweis schuldig bleiben – mit Blick auf die tatsächliche Durchführung der notwendigen Arbeiten am 23. Februar 2016 durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger ins Leere.
3. Rechtsgrundlage der in Nummer 2 des Bescheids enthaltenen Androhung der Ersatzvornahme durch den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger ist § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG i.V.m. § 26 Abs. 1 SchfHwG und Art. 29 Abs. 2 Nr. 2, Art. 32 Satz 1 und Art. 36 BayVwZVG.
Nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG ist für den Fall der Nichtvornahme der in einem Zweitbescheid angeordneten Schornsteinfegerarbeiten die Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen anzudrohen; die Androhung eines Zwangsgeldes nach Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 VwZVG kommt mithin aufgrund bundesrechtlicher Sonderbestimmung nicht in Betracht. Mit der Durchführung der Ersatzvornahme hat die zuständige Behörde nach § 26 Abs. 1 SchfHwG den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger zu beauftragen; dies ist hier geschehen. Die in der Androhung vom 2. Februar 2016 bestimmte Frist für die Durchführung der Arbeiten bis 16. Februar 2016 und der Termin für den Vollzug der Ersatzvornahme am … Februar 2016 sind ebenfalls nicht zu beanstanden (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Die Kläger hätten zwischen Zustellung der Anhörung am 13. Januar 2016 sowie der Zustellung des Zweitbescheids am 3. Februar 2016 einerseits und der zuletzt im Zweitbescheid gesetzten Abhilfefrist bis 16. Februar 2016 sowie dem Termin zum Vollzug der Ersatzvornahme am 23. Februar 2016 andererseits ohne Weiteres dafür Sorge tragen können, dass die notwendigen Arbeiten in ihrem Anwesen durchgeführt werden und der entsprechende Nachweis erbracht bzw. übermittelt wird.
Schließlich wurden in Nummer 2 des Zweitbescheids auch die durch die Ersatzvornahme voraussichtlich entstehenden Kosten vorläufig veranschlagt (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG, Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Der vorläufig veranschlagte Betrag von ca. 90 EUR ist nachvollziehbar. Die Kläger, die in ihrer Klagebegründung vom … August 2016 im Wesentlichen nur den Vortrag im zwischenzeitlich (nach Antragsrücknahme) mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. April 2016 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auf Zulassung der Berufung (22 ZB 16.282) gegen das den Kostenbescheid vom 30. Juni 2015 betreffende, klageabweisende Urteil des Gerichts vom 3. November 2015 (M 1 K 15.3281) wiederholen, erheben insoweit auch selbst keine Einwendungen.
4. Die Kostenentscheidungen in den Nummern 3 und 4 des Bescheids beruht auf Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Kostengesetz (KG) i.V.m. dem Kostenverzeichnis (vgl. Art. 5 KG). Demnach können Behörden des Staates für Amtshandlungen Kosten (Gebühren und Auslagen) erheben. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet, der die Amtshandlung veranlasst hat, im Übrigen diejenige Person, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird. Die Kläger sind als Adressaten des Zweitbescheids Veranlasser und Begünstigte der Amtshandlung; damit korrespondiert die zutreffende Kostengrundentscheidung in Nummer 3 (vgl. Art. 2 Abs. 4 KG).
Auch die Höhe der in Nummer 4 festgesetzten Gebühr gibt keinen Anlass zur Beanstandung. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG bemisst sich die Höhe der Gebühren anhand des Kostenverzeichnisses. Unter Tarif-Nr. 2.IV.8/8 des Kostenverzeichnisses ergibt sich für den Erlass eines Zweitbescheides nach § 25 Abs. 2 SchfHwG ein Gebührenrahmen von 30 EUR bis 80 EUR; für die Androhung der Ersatzvornahme sieht das Kostenverzeichnis unter Tarif-Nr. 1.I.8/1 einen Gebührenahmen von 12,50 EUR bis 150 EUR vor. Nach Art. 6 Abs. 2 KG bestimmt sich die Höhe der Rahmengebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands aller beteiligten Behörden und Stellen sowie der Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten. Mit der Festsetzung der Gebühr auf jeweils 50 EUR für die Nummern 1 und 2 des Zweitbescheids, insgesamt also 100 EUR, hält sich das Landratsamt jeweils im normativ vorgegebenen Rahmen. In Anbetracht des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens und der Bedeutung der Reinigungsarbeiten im Hinblick auf Brand- und Gesundheitsschutz ist die Festsetzung der Gebühr auch ohne weiteres ermessensgerecht. Die Festsetzung der Auslagen für die Zustellung findet ihre Rechtsgrundlage schließlich in Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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