Baurecht

Ermittlung des Geschäftswertes bei Bauerwartungsland

Aktenzeichen  34 Wx 209/16 Kost

Datum:
31.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GNotKG GNotKG § 46 Abs. 2, Abs. 3, § 47 S. 1, S. 3
ImmoWertV ImmoWertV § 5 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Wertbestimmung gemäß § 47 S. 3 GNotKG für Bauerwartungsland hat danach zu erfolgen, welcher Wert nach dem jeweiligen Planungsstadium im gewöhnlichen Grundstücksverkehr erzielbar ist. Ist die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen, sind je nach Planungsfortschritt 50 % bis 70 % der Baulandpreise anzusetzen.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beschwerden der Beteiligten zu … und … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg -Grundbuchamt – vom 11. Mai 2016 (Geschäftswertfestsetzung) werden zurückgewiesen.

Gründe

I. Im Zeitraum von Juni 2015 bis November 2015 vollzog das Grundbuchamt, teils nach Eintragung von Auflassungsvormerkungen, die Eigentumsübertragung mehrerer in der Gemeinde F. gelegener benachbarter Grundstücksflächen, für die die Urkundsbeteiligten als Kaufpreis einen Quadratmeterpreis von 50 € angesetzt hatten. Das Grundbuchamt bewertete die Flächen hingegen als Bauland nach dessen Richtwert mit 220 € /m2. Gegen die entsprechenden Kostenansätze richteten sich jeweilige Erinnerungen der drei als Kostenschuldner in Anspruch genommenen Beteiligten, die der Ansicht sind, es handele sich (noch) nicht um Bauland. Namentlich die Gemeinde F. – Beteiligte zu – machte in ihrer Erinnerung vom 17.12.2015 nähere, nicht bestrittene Angaben zum Planungsstand hinsichtlich der betroffenen Flächen. Danach stammt der Gemeinderatsbeschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans vom 2.10.2013, Auslegung und Öffentlichkeitsbeteiligung fanden vom 20.8. bis 23.9.2015 statt, die Stellungnahmen von Behörden wurden am 6.10.2015 dem eingeschalteten Planungsbüro zur Einarbeitung in den Entwurf und zur Vorbereitung von Beschlussvorlagen für den Gemeinderat zugeleitet. Bis Ende des Jahres 2015 kam es noch nicht zu einer Abwägung und Beschlussfassung des Gemeinderats. Die Erschließung des künftigen Baugebiets ist nicht endgültig geregelt.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse – Beteiligter zu … – hielt die Kostenansätze nach Baulandpreisen für zutreffend.
Im eingeleiteten Festsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamts mit Beschluss vom 11.5.2016 die Einzelgeschäftswerte mit 65% des ermittelten Bodenrichtwerts (143 €/m²) bemessen. Es handle sich bei den Flächen nicht um baureifes Land, jedoch um Bauerwartungsland. Der konkrete Wert ergebe sich aus dem Entwicklungsstand unter Berücksichtigung dessen, dass die Werte aus der Richtwertliste bereits über ein Jahr alt seien und die Immobilienpreise inzwischen höher lägen.
Gegen die Wertfestsetzung richten sich Beschwerden der Beteiligten zu … und … vom 25.5.2016. Die Flächen seien kein Bauland, sondern landwirtschaftliche Nutzflächen, die man der Gemeinde nach langen und zähen Verhandlungen zum Marktwert von 50 €/m² verkauft habe. Wäre die Flächen Bauland, so hätte man auch einen höheren Preis erzielt.
Das Amtsgericht hat nach Maßgabe seines Beschlusses vom 2.6.2016 nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerden sind nach §§ 79, 83 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5, § 81 Abs. 3 und 5 Sätze 1 und 4 GNotKG zulässig. Namentlich übersteigt der jeweilige Beschwerdewert, der sich aus einem Vergleich mit der beantragten Festsetzung von 50 €/m² errechnet, mit Differenzbeträgen von 329,90 € bzw. 210,60 € die Wertgrenze von mehr als 200 €. Die Rechtsmittel sind aber unbegründet. Zu entscheiden hat hierüber der Einzelrichter des Senats (§ 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG).
1. Der Wert der Eintragung als Eigentümer richtet sich im Zusammenhang mit einem Grundstückskauf nach § 47 GNotKG. Danach bestimmt in erster Linie der Kaufpreis den Wert der Sache (§ 47 Satz 1 GNotKG). Die Vorschrift dient der Vereinfachung (Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG 2. Aufl. § 47 Rn. 2; Hartmann Kostengesetze 46. Aufl. § 47 GNotKG Rn. 2). Jedoch ist bei einem Kaufpreis, der niedriger ist als der Verkehrswert, der Verkehrswert maßgebend (§ 47 Satz 3 GNotKG). Im Kern übernommen wird die frühere Regelung in § 20 Abs. 1 KostO (Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt a. a. O.; Hartmann § 47 GNotKG Rn. 1). Um dem Vereinfachungszweck der Regelung aber Rechnung zu tragen, ist der Wert der Sache – also der Verkehrswert – nur dann festzustellen, wenn Anhaltspunkte vorhanden sind, dass der Kaufpreis nicht annähernd so hoch ist wie der sich aus § 47 Satz 1 GNotKG ergebende Wert (Senat vom 1.9.2014, 34 Wx 358/14 Kost = MittBayNot 2015, 431; BayObLGZ 1974, 422/425; BayObLG JurBüro 1989, 824/825). Im Wesentlichen können die unter Geltung der Kostenordnung entwickelten Grundsätze beibehalten werden (dazu BGH JurBüro 2006, 209 mit Anm. Schmidt; BayObLGZ 1974, 422/424; BayObLG JurBüro 1989, 824/825; auch Senat vom 1.9.2014).
Kommt es bis zur Grundbucheintragung zu Veränderungen im Grundstückswert, gilt im Ausgangspunkt ebenfalls § 47 Satz 1 GNotKG; zu berücksichtigen ist aber auch § 47 Satz 3 GNotKG, so dass mindestens der Verkehrswert im Zeitpunkt des Antrags auf Eigentumsumschreibung anzusetzen ist (§ 59 GNotKG; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt § 47 Rn. 13 i. V. m. Rn. 34).
2. Anhaltspunkte für einen abweichenden Verkehrswert ergaben sich, ohne dass es dazu weiterer Ermittlungen bedurft hätte, daraus, dass die Geschäfte für das Grundbuchamt erkennbar im Zusammenhang mit einer Baugebietsausweisung bisheriger landwirtschaftlicher Flächen standen. Dies folgt zwanglos aus der vorgelegten Beschlussfassung des Gemeinderats zur Genehmigung von Grundstücksgeschäften. Im Übrigen dürfte der Umstand beim mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Grundbuchamt auch amtsbekannt gewesen sein.
3. Ist demnach der Verkehrswert als höherer Wert maßgebend, bestimmt sich dieser nach § 46 Abs. 2 und 3 GNotKG.
a) Für die Bewertung sogenannten Bauerwartungslands, also von Flächen, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen, insbesondere dem Stand der Bauleitplanung und der sonstigen städtebaulichen Entwicklung des Gebiets, eine bauliche Nutzung aufgrund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen (vgl. § 5 Abs. 2 ImmoWertV), hat die Wertbestimmung danach zu erfolgen, welcher Wert nach dem jeweiligen Planungsstadium im gewöhnlichen Grundstücksverkehr erzielbar ist (Korintenberg/Tiedtke GNotKG 19. Aufl. § 46 Rn. 47). Ist die Aufstellung des Bebauungsplans beschlossen, werden in Rechtsprechung (BayObLG MittBayNot 2002, 207) und Literatur (Korintenberg/Tiedtke a. a. O.; Fackelmann/Heinemann GNotKG § 46 Rn. 75) Werte von 50% der Baulandpreise vertreten. Je nach Planungsfortschritt und nach Grundstückslage können die Chancen für eine Bebauung am Markt auch höher beurteilt werden. So finden sich in der Bewertungsliteratur noch im Stadium vor Rechtskraft des Bebauungsplans auch Wertansätze bis zu 70% der Preise für baureifes Land (Simon/Kleiber Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten 7. Aufl. Rn. 2.20).
b) Nach diesen Grundsätzen ist der Wert der Grundflächen nicht nach dem Kaufpreis von 50 €/m2 zu bestimmen, sondern kann nach 65% des Bodenrichtwerts (220 €/m²) bemessen werden. Ebenso wie das Grundbuchamt bewertet auch der Einzelrichter des Senats die Flächen als Bauerwartungsland (§ 5 Abs. 2 ImmoWertV), aber nicht bereits als höherwertiges Rohbauland (§ 5 Abs. 3 ImmoWertV). Als Bauerwartungsland rechnet es freilich zu einer hohen Stufe. Der Planaufstellungsbeschluss lag bereits erhebliche Zeit zurück, das (Parallel-)Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans (vgl. § 8 Abs. 3 BauGB) war in Gang gesetzt. Das Aufstellungsverfahren war im Sommer 2015 mit der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Beteiligung von Behörden und der Träger öffentlicher Belange (vgl. § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2, § 4a Abs. 2 BauGB) bereits fortgeschritten. Die betroffenen und für Zwecke
a) der Bebauung zugeschnittenen Flächen grenzen an bereits bebaute Grundstücke an, die Erschließung erschien bereits weitgehend gesichert (siehe etwa die Grunddienstbarkeitsbestellung zugunsten der Gemeinde im Vertrag vom 6.7.2015) und im Übrigen wegen angrenzender Verkehrsflächen wenig problematisch. Dass der Verkehrswert von Bauland nach dem Bodenrichtwert von 220 € mit Stichtag 31.12.2014 Mitte des Jahres 2015 tendenziell höher lag, ist dann nicht mehr entscheidend, unterstützt aber die Beurteilung, dass der Marktwert für die Flächen im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 59 Satz 1 GNotKG) mit dem bestimmten Betrag zutreffend – jedenfalls nicht überhöht -ermittelt ist.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 83 Abs. 3 GNotKG). Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.

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